Kitabı oku: «Queste der Helden», sayfa 7
Thor war fasziniert, wie schnell sie beschleunigten, und Augenblicke später stießen sie mit einem solchen Krach zusammen, dass Thor sich fast die Ohren zuhielt. Die Menge hielt den Atem an, als beide Kämpfer von ihren Pferden stürzten.
Beide sprangen auf die Beine und warfen ihre Helme ab, während ihre Knappen zu ihnen hinausliefen, um ihnen Kurzschwerter zu bringen. Die beiden Ritter kämpften mit ganzer Kraft. Kendrick bei seinen Schwüngen und Hieben zuzusehen, war ein Ding der Schönheit, von dem Thor ganz gefesselt war. Doch auch der McCloud war ein feiner Krieger. Hin und her ging der Kampf, beide erschöpften den anderen, keiner wich zurück.
Schließlich trafen ihre Schwerter mit einem enormen Klirren aufeinander, und beide schlugen dem anderen das Schwert aus der Hand. Ihre Knappen liefen mit Streitkolben in den Händen zu ihnen hinaus, doch als Kendrick nach seinem Kolben griff, rannte der McCloud-Knappe von hinten an ihn heran und schlug ihm seine eigene Waffe in den Rücken. Der Schlag schickte ihn zu Boden, während die Menge entsetzt den Atem anhielt.
Der McCloud-Ritter hob sein Schwert auf, trat vor und hielt die Spitze an Kendricks Kehle, ihn zu Boden zwingend. Kendrick hatte keine Wahl.
„Ich gebe mich geschlagen!“, schrie er.
Ein Siegesgetöse erhob sich unter den McClouds—aber ein wütendes Getöse unter den MacGils.
„Er hat geschummelt!“, schrien die MacGils.
„Er hat geschummelt! Er hat geschummelt!“, hallte das Echo von wütenden Rufen.
Die Meute wurde immer aufgebrachter, und bald schon hatte sich ein derartiger Chor an Protesten erhoben, dass die Menge auseinanderströmte und beide Seiten—die MacGils und die McClouds—einander zu Fuß näherkamen.
„Das sieht nicht gut aus“, sagte Feithgold zu Thor, während sie abseits standen und zusahen.
Augenblicke später explodierte die Menge: Fäuste flogen, und es verwandelte sich in eine ausgewachsene Schlägerei. Es war Chaos. Männer schlugen wild um sich, packten einander an den Haaren, warfen einander zu Boden. Die Menge wuchs an und es drohte, in einen völligen Krieg auszuarten.
Ein Horn ertönte und von beiden Seiten kamen Wachen herein. Es gelang ihnen, die Menge auseinanderzubringen. Ein weiteres lautes Horn ertönte, und Stille machte sich breit, als König MacGil sich von seinem Thron erhob.
„Es wird heute keine Gefechte geben!“, tönte er in seiner Herrscher-Stimme. „Nicht an diesem Tag der Feierlichkeiten! Und nicht an meinem Hof!“
Langsam kam die Menge zur Ruhe.
„Wenn ihr einen Wettkampf zwischen unseren beiden großen Clans sehen wollt, wird dieser von einem Kämpfer, einem Streiter von jeder Seite, ausgetragen werden.“
MacGil blickte zu König McCloud hinüber, der zusammen mit seinem Gefolge auf der anderen Seite saß.
„Einverstanden?“, rief MacGil aus.
McCloud erhob sich feierlich.
„Einverstanden!“, gab er zurück.
Die Menge jubelte auf beiden Seiten.
„Wählt Euren besten Mann!“, rief MacGil.
„Das habe ich bereits“, sagte McCloud.
Da trat auf der Seite der McClouds ein formidabler Ritter hervor, der größte Mann, den Thor je gesehen hatte. Er saß auf seinem Pferd und wirkte wie ein Felsbrocken, reine Masse, mit einem langen Bart und einem finsteren Gesichtsausdruck, der wie dauerhaft eingemeißelt aussah.
Thor spürte Bewegung neben sich, und direkt neben ihm trat Erec hervor, bestieg Warkfin und ritt hinaus. Thor schluckte. Er konnte kaum glauben, was alles um ihn herum passierte. Er war von Stolz für Erec erfüllt.
Dann wurde er von Angst überwältigt, als ihm klar wurde, dass er nun im Dienst war. Immerhin war er ein Knappe, und sein Ritter stand kurz vor einem Kampf.
„Was tun wir jetzt?“, fragte Thor Feithgold hektisch.
„Halte dich einfach bereit und tu, was ich dir sage“, antwortete der.
Erec schritt auf die Turnierbahn hinaus, und die beiden Ritter standen dort einander gegenüber, mit stampfenden Pferden, in einer angespannten Wartehaltung. Thors Herz pochte in seiner Brust, als er wartete und zusah.
Ein Horn erklang, und die beiden preschten aufeinander zu.
Thor konnte die Eleganz und den Anmut von Warkfin kaum fassen—es war, als würde man einem Fisch dabei zusehen, wie er aus dem Meer springt. Der andere Ritter war riesig, doch Erec war ein anmutiger und wendiger Kämpfer. Er schnitt mit gesenktem Kopf durch die Luft, seine Silberpanzerung schimmerte, glänzender poliert als jede Rüstung, die er je gesehen hatte.
Als die beiden Männer aufeinandertrafen, hielt Erec seine Lanze mit perfektem Ziel und lehnte sich zur Seite. Er schaffte es, den Ritter in der Mitte seines Schildes zu treffen, während er gleichzeitig seinem Stoß auswich.
Der riesige Berg eines Mannes fiel rückwärts zu Boden. Es war wie ein herabfallender Felsbrocken.
Die MacGil-Meute jubelte, als Erec vorbeiritt, umkehrte und zu ihm zurück ritt. Er klappte sein Visier hoch und hielt dem Mann die Spitze seiner Lanze an die Kehle.
„Ergebt Euch!“, rief Erec hinunter.
Der Ritter spuckte aus.
„Niemals!“
Dann fasste der Ritter in einen verborgenen Beutel an seiner Hüfte, holte eine Handvoll Erde heraus, und bevor Erec reagieren konnte, warf er sie Erec ins Gesicht.
Perplex fasste sich Erec an die Augen, ließ seine Lanze fallen und fiel vom Pferd.
Die MacGil-Menge buhte und zischte und schrie vor Empörung auf, als Erec fiel, der sich verzweifelt die Augen rieb. Der Ritter verschwendete keine Zeit, eilte zu ihm hinüber und stieß ihm ein Knie in die Rippen.
Erec rollte zur Seite, und der Ritter packte einen Steinbrocken, hob ihn hoch und war kurz davor, ihn auf Erecs Schädel niederkrachen zu lassen.
„NEIN!“, schrie Thor außer sich und machte einen Schritt nach vorne.
Thor sah entsetzt zu, wie der Ritter mit dem Brocken zuschlug. In letzter Sekunde gelang es Erec irgendwie, sich aus dem Weg zu rollen. Der Brocken grub sich tief in die Erde, genau an der Stelle, wo sein Schädel gewesen war.
Thor war beeindruckt von Erecs Gewandtheit. Schon war er wieder auf den Beinen, dem unsauberen Kämpfer zugewandt.
„Kurzschwerter!“, riefen die Könige aus.
Feithgold fuhr plötzlich herum und starrte mit großen Augen auf Thor.
„Reich es mir!“, schrie er.
Thors Herz klopfte panisch. Er wirbelte herum, auf der Suche nach Erecs Waffengestell, auf der verzweifelten Suche nach dem Schwert. Vor ihm stand eine schwindelerregende Auswahl an Waffen. Er schnappte das Schwert und drückte es Feithgold in die Hand.
„Dämlicher Junge! Das ist ein Einhandschwert!“, schrie Feithgold.
Thors Kehle wurde trocken; er fühlte sich, als würde das ganze Königreich auf ihn starren. Vor lauter Sorge konnte er nicht klar sehen und verfiel in Panik, ratlos, welches Schwert er nehmen sollte. Er konnte sich kaum konzentrieren.
Feithgold trat vor, schob Thor aus dem Weg und schnappte sich das Kurzschwert selbst. Dann rannte er hinaus auf die Turnierbahn.
Thor blickte ihm nach und fühlte sich unnütz und furchtbar. Er musste sich auch vorstellen, wie er selbst hinauslaufen müsse, vor all diese Leute, und seine Knie wurden weich.
Der Knappe des anderen Ritters erreichte ihn zuerst, und Erec musste aus dem Weg springen, als der Ritter nach ihm schwang und nur knapp verfehlte. Endlich hatte Feithgold Erec erreicht und drückte ihm das Kurzschwert in die Hand. In dem Moment stürmte der Ritter auf Erec zu. Aber Erec war zu schlau: er wartete bis zum letzten Moment und sprang dann zur Seite.
Der Ritter stürmte jedoch weiter und rammte geradewegs in Feithgold hinein, der zu seinem Pech genau da stand, wo Erec gerade noch gestanden hatte. Voller Wut darüber, dass er Erec verpasst hatte, setzte der Ritter seinen Angriff fort, packte Feithgold mit beiden Händen an den Haaren und versetzte ihm einen kräftigen Stoß mit dem Kopf ins Gesicht.
Knochen knackten, Blut schoss aus Feithgolds Nase, und er fiel schlaff zu Boden.
Thor stand mit vor Schreck weit aufgerissenem Mund da. Er konnte es nicht glauben. So auch nicht die Menge: sie buhte und zischte.
Erec schwang sein Schwert herum, verfehlte den anderen Ritter nur knapp, und die beiden standen sich wieder Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Thor wurde plötzlich klar: er war nun Erecs einziger Knappe. Er schluckte schwer. Was musste er als Nächstes tun? Auf das war er nicht vorbereitet. Und das gesamte Königreich sah zu.
Die beiden Ritter gingen heftig auf einander los, teilten einen Hieb nach dem anderen aus. Der McCloud-Ritter war eindeutig viel stärker als Erec—und doch war Erec der bessere Kämpfer, schneller und beweglicher. Sie hieben und schlugen und parierten, keiner von ihnen konnte die Überhand gewinnen.
Schließlich erhob sich König MacGil.
„Langspeere!“, rief er aus.
Thors Herz pochte. Er wusste, das rief ihn auf den Plan: er war im Dienst.
Er wirbelte herum und durchsuchte das Gestell, die Waffe herunternehmend, die am besten geeignet schien. Als er den ledernen Griff packte, betete er, dass er richtig gewählt hatte.
Er schoss auf die Bahn hinaus und spürte tausende Augen auf ihn gerichtet. Er rannte und rannte, so schnell er konnte; entschlossen, Erec zu erreichen und ihm die Waffe in die Hand zu drücken. Er war stolz, als er sah, dass er ihn zuerst erreicht hatte.
Erec nahm den Speer entgegen und wirbelte herum, bereit, sich dem anderen Ritter zu stellen. Als der ehrenhafte Krieger, der er war, wartete Erec, bis der Gegner selbst bewaffnet war, bevor er angriff. Thor huschte zur Seite, den Männern aus dem Weg; er wollte Feithgolds Fehler nicht wiederholen. Auf dem Weg zerrte er Feithgolds reglosen Körper aus dem Kampfbereich.
Während Thor zusah, spürte er, dass etwas nicht in Ordnung war. Erecs Gegner nahm seinen Speer auf, hob ihn hoch und zog ihn dann in einer eigenartigen Bewegung nach unten. In dem Moment sah Thor die Welt plötzlich mit einer Klarheit, die er nicht kannte. Er wusste instinktiv, dass etwas nicht stimmte. Sein Blick fiel auf die Speerspitze des Ritters, und als er näher hinsah, bemerkte er, dass sie locker war. Der Ritter stand kurz davor, die Spitze seines Speers wie ein Wurfmesser einzusetzen.
Als der Ritter seinen Speer abwärts zog, löste sich die Spitze und segelte durch die Luft, überschlug sich, flog direkt auf Erecs Herz zu. In wenigen Sekunden würde Erec tot sein—es war unmöglich, dass er rechtzeitig reagieren konnte. Dem Aussehen der gezackten Klinge nach schien es sich um ein panzerbrechendes Geschoss zu handeln.
In dem Moment spürte Thor, wie sein ganzer Körper wärmer wurde. Er fühlte ein Kribbeln—das gleiche Gefühl, das er in Schattwald beim Kampf gegen den Sybold verspürt hatte. Seine ganze Welt verlangsamte sich. Er konnte zusehen, wie die Spitze sich in Zeitlupe drehte, fühlte eine Kraft, eine Hitze, in sich aufsteigen—eine, von der er nicht gewusst hatte, dass sie in ihm war.
Er trat vor und fühlte sich mächtiger als die Speerspitze. In Gedanken wollte er sie zum Stehen bringen. Er befahl ihr, stehenzubleiben. Er wollte nicht, dass Erec verletzt wurde. Vor allem nicht so.
„NEIN!“, kreischte Thor.
Er machte einen weiteren Schritt und streckte der Speerspitze eine Handfläche entgegen.
Sie blieb mitten in der Luft plötzlich stehen und hing da, direkt vor Erecs Herz.
Dann fiel sie harmlos zu Boden.
Die beiden Ritter drehten sich zu Thor herum und starrten ihn an—wie auch die beiden Könige; wie auch die tausenden Zuseher. Er spürte, wie die ganze Welt auf ihn hinunterstarrte, und ihm wurde klar, dass sie alle gerade gesehen hatten, was er getan hatte. Sie alle wussten nun, dass er nicht normal war, dass er eine Art Kraft besaß, dass er die Spiele beeinflusst hatte, Erec gerettet hatte—und das Schicksal des Königreichs gewandelt hatte.
Thor stand auf der Stelle angewurzelt da und fragte sich, was gerade geschehen war.
Nun war er sich sicher, dass er nicht so war wie all diese anderen Leute. Er war anders.
Aber wer war er?
KAPITEL NEUN
Thor spürte, wie er von Reece, dem jüngsten Sohn des Königs und seinem neuen Trainingspartner, aufgesammelt und durch die Menge geführt wurde. Seit dem Turnierkampf war alles so verwirrend. Was auch immer er da getan hatte, welche Kraft auch immer er genutzt hatte, um diese Speerspitze davon abzuhalten, Erec zu töten, es hatte die Aufmerksamkeit des gesamten Königreichs erregt. Der Kampf war nach dem Vorfall beendet worden, beide Könige hatten ihn für beendet erklärt und einen Waffenstillstand ausgerufen. Jeder Ritter kehrte auf seine Seite zurück, die Massen verzogen sich in einem aufgewühlten Durcheinander, und Thor wurde am Arm gepackt und von Reece davongezerrt.
Er wurde mit der königlichen Gefolgschaft mitgetragen, die sich einen Weg zurück durch die Massen bahnte; Reece zerrte ihn über die gesamte Strecke am Arm neben sich her. Thor zitterte immer noch von den Ereignissen des Tages. Er verstand kaum, was er da gerade getan hatte, was für Auswirkungen es auf die Dinge hatte. Er wollte einfach nur anonym sein, ein Mann unter vielen in der Legion des Königs. Er hatte nicht geplant, im Mittelpunkt zu stehen.
Schlimmer noch, er wusste nicht, wohin er gebracht wurde, ob er irgendwie dafür bestraft werden würde, dass er eingegriffen hatte. Natürlich hatte er Erecs Leben gerettet—aber er hatte auch in einen ritterlichen Kampf eingegriffen, was für einen Knappen verboten war. Er war nicht sicher, ob er belohnt oder zurechtgewiesen werden würde.
„Wie hast du das gemacht?“, fragte Reece, während er ihn neben sich her zerrte. Thor folgte ihm blind, selbst damit beschäftigt, alles zu verarbeiten. Unterwegs wurde er von den Leuten angeglotzt; angestarrt, als wäre er etwas Abnormales.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Thor wahrheitsgetreu. „Ich wollte ihm einfach nur helfen und...es ist passiert.“
Reece schüttelte den Kopf.
„Du hast Erec das Leben gerettet. Ist dir das klar? Er ist unser ruhmreichster Ritter. Und du hast ihn gerettet.“
Für Thor fühlte es sich gut an, diese Worte von Reece in seinem Kopf herumschwirren zu lassen, und eine Welle der Erleichterung erfüllte ihn. Er hatte Reece vom ersten Moment an gemocht; er hatte eine beruhigende Wirkung und wusste immer, was zu sagen war. Als er darüber nachdachte, erkannte er, dass ihn vielleicht doch keine Strafe erwartete. Vielleicht würden sie ihn sogar irgendwie als eine Art Helden ansehen.
„Ich habe nichts absichtlich gemacht“, sagte Thor. „Ich wollte nur, dass er lebt. Es kam irgendwie...ganz natürlich. Es war keine große Sache.“
„Keine große Sache?“, wiederholte Reece. „Ich hätte das nicht tun können. Keiner von uns hätte das.“
Sie bogen um eine Ecke, und Thor sah vor sich die königliche Burg aufragen, weitläufig und hoch in den Himmel ragend. Sie sah gewaltig aus. Die Armee des Königs stand stramm bereit, aufgefädelt entlang der Kopfsteinpflaster-Straße, die über die Zugbrücke führte, und hielt die Massen in Schach. Sie traten zur Seite, um Reece und Thor vorbeizulassen.
Die beiden gingen die Straße entlang, an der zu beiden Seiten Soldaten standen, hin zu den riesigen gewölbten Toren, die mit eisernen Riegeln beschlagen waren. Vier Soldaten zogen sie auf und traten zur Seite, in strammer Haltung stehend. Thor konnte nicht glauben, wie er behandelt wurde: er fühlte sich, als wäre er ein Mitglied der königlichen Familie.
Sie betraten die Burg, die Tore schlossen sich hinter ihnen, und Thor bestaunte den Anblick vor ihm: der Innenbereich war gewaltig, mit hochragenden Steinmauern, die einen Fuß dick waren, und weiten, offenen Räumen. Vor ihm schwirrten hunderte Mitglieder des königlichen Hofes in einem aufgeregten Durcheinander herum. Er konnte die Begeisterung und Aufregung in der Luft fühlen, und alle Augen richteten sich auf ihn, als er eintrat. Er war überwältigt von so viel geballter Aufmerksamkeit.
Sie alle rückten näher, schienen zu gaffen, während Thor mit Reece die Gänge der Burg hinunterlief. Noch nie hatte er so viele Menschen so fein gekleidet gesehen. Er sah dutzende Mädchen jeden Alters in aufwändigen Gewandungen, Arm in Arm gehend, einander ins Ohr flüsternd, ihm zukichernd, wenn er vorbeikam. Er wurde verlegen. Er konnte nicht sagen, ob sie ihn mochten oder sich über ihn lustig machten. Er war es nicht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen—noch weniger an einem königlichen Hof—und wusste kaum, wie er sich verhalten sollte.
„Warum lachen sie mich aus?“, fragte er Reece.
Reece drehte sich herum und schmunzelte. „Sie lachen dich nicht aus“, sagte er. „Du gefällst ihnen. Du bist berühmt.“
„Berühmt?“, fragte er verblüfft. „Was meinst du damit? Ich bin doch gerade erst hergekommen.“
Reece lachte und legte eine Hand auf seine Schulter. Thor amüsierte ihn sichtlich.
„Nachrichten verbreiten sich am königlichen Hof schneller, als du vielleicht denkst. Und ein Neuankömmling wie du—nun, so etwas passiert nicht alle Tage.“
„Wohin gehen wir?“, fragte er, da ihm gerade klar wurde, dass er irgendwo hingeführt wurde.
„Mein Vater möchte dich kennenlernen“, sagte er, als sie in einen weiteren Gang einbogen.
Thor schluckte.
„Dein Vater? Du meinst...der König?“ Mit einem Mal war er nervös. „Warum sollte er mich kennenlernen wollen? Bist du sicher?“
Reece lachte.
„Ich bin mir recht sicher. Sei doch nicht so nervös. Ist doch nur mein Papa.“
„Nur dein Papa?“, sagte Thor ungläubig. „Er ist der König!“
„So schlimm ist er nicht. Ich habe das Gefühl, es wird eine freudige Audienz werden. Immerhin hast du Erec das Leben gerettet.“
Thor schluckte schwer, und seine Handflächen wurden feucht, als eine weitere große Tür aufging und sie eine weitläufige Halle betraten. Er betrachtete staunend die Decke: gewölbt, mit einem kunstvollen Muster bedeckt und himmelhoch. An den Mauern entlang verlief eine Reihe gewölbter Fenster mit buntem Glas, und in diesen Saal hatten sich noch mehr Leute gedrängt, falls das überhaupt möglich war. Es mussten tausende von ihnen sein, der Saal wimmelte geradezu. Bankett-Tafeln erstreckten sich über den Saal, so weit das Auge reichte, und auf endlos langen Bänken saßen die Menschen und speisten. Zwischen ihnen hindurch führte ein schmaler Gang mit einem langen roten Teppich, der zu einem Podest führte, auf dem der königliche Thron stand. Die Menge teilte sich, als Reece und Thor über den Teppich auf den König zugingen.
„Und wo meinst du, dass du ihn hinbringst?“, kam eine feindselige, nasale Stimme.
Thor blickte auf und sah einen Mann über ihm stehen, der nicht viel älter als er selbst war, und in königliche Gewänder gekleidet—sichtlich ein Prinz. Er hatte sich ihnen in den Weg gestellt und blickte sie böse an.
„Auf Befehl von Vater“, schnauzte Reece ihn an. „Geh lieber aus dem Weg, wenn du dich ihm nicht widersetzen möchtest.“
Der Prinz blieb standfest, zog die Mundwinkel nach unten und sah drein, als hätte er in etwas Verdorbenes gebissen, als er Thor ansah. Thor mochte ihn gar nicht: etwas an ihm war nicht vertrauenswürdig, vielleicht seine schmalen, unfreundlichen Züge oder seine Augen, die ständig in Bewegung waren.
„Dies ist keine Halle für das gemeine Volk“, erwiderte der Prinz. „Du solltest das Gesindel draußen lassen, wo es hergekommen ist.“
Thor fühlte, wie sich seine Brust zusammenzog. Es war offensichtlich, dass ihn dieser Mann hasste, und er hatte keine Ahnung, warum.
„Soll ich Vater sagen, dass du das gesagt hast?“, verteidigte ihn Reece unnachgiebig.
Murrend wandte der Prinz sich ab und stürmte davon.
„Wer war das?“ fragte Thor Reece, als sie weitergingen.
„Kümmer dich nicht um ihn“, antwortete Reece. „Das war nur mein älterer Bruder—oder einer davon. Gareth. Der älteste. Also, nicht wirklich der älteste—nur der älteste legitime. Kendrick, den du am Schlachtfeld gesehen hast—er ist in Wirklichkeit der älteste.“
„Warum hasst Gareth mich? Ich kenne ihn nicht einmal.“
„Keine Sorge—er hat seinen Hass nicht nur für dich reserviert. Er hasst jeden. Und jeden, der der Familie nahe kommt, sieht er als Bedrohung. Vergiss ihn. Er ist nur einer von vielen.“
Während sie weitergingen, verspürte Thor eine wachsende Dankbarkeit für Reece, der, wie er langsam feststellte, zu einem wahren Freund wurde.
„Warum hast du mich verteidigt?“, fragte Thor neugierig.
Reece zuckte die Schultern.
„Mir wurde befohlen, dich zu Vater zu bringen. Außerdem bist du mein Trainingspartner. Und es ist lange her, dass es jemand in meinem Alter hierher geschafft hat, von dem ich meinte, er wäre würdig.“
„Aber was macht mich würdig?“, fragte Thor.
„Es ist der Kampfgeist. Den kann man nicht vortäuschen.“
Als sie weiter den Gang hinunterschritten, weiter auf den König zu, fühlte sich Thor, als hätte er ihn immer schon gekannt—es war seltsam, aber irgendwie fühlte es sich für ihn an, als wäre Reece sein eigener Bruder. Er hatte nie einen Bruder gehabt—keinen richtigen Bruder—und es fühlte sich gut an.
„Meine anderen Brüder sind nicht wie er, keine Sorge“, sagte Reece, als sich die Leute um sie scharten und versuchten, einen Blick auf Thor zu erheischen. „Mein Bruder Kendrick, der, den du getroffen hast—er ist der beste von allen. Er ist mein Halbbruder, aber ich betrachte ihn als wahren Bruder—sogar mehr als Gareth. Kendrick ist wie ein zweiter Vater für mich. Wird er für dich auch sein, da bin ich mir sicher. Es gibt nichts, das er nicht für mich tun würde—oder für jeden anderen. Er ist von uns allen der Meistgeliebte beim Volk. Es ist ein großer Verlust, dass er nicht König werden darf.“
„Du sagtest ‚Brüder‘. Hast du noch einen anderen Bruder?“, fragte Thor.
Reece holte tief Luft.
„Einen habe ich noch, ja. Wir stehen uns nicht so nahe. Godfrey. Leider vergeudet er seine Tage in der Kneipe mit dem gemeinen Volk. Er ist kein Kämpfer wie wir. Es interessiert ihn nicht—ihn interessiert gar nichts, in Wirklichkeit. Außer Bier—und Frauen.“
Plötzlich blieben sie abrupt stehen, als ihnen ein Mädchen den Weg verstellte. Thor stand erschrocken da. Sie war vielleicht ein paar Jahre älter als er und starrte ihn mit blauen, mandelförmigen Augen an, mit klarer Haut und langem, rötlichem Haar. Sie trug ein weißes Kleid aus Satin, in Spitze eingefasst, und ihre Augen leuchteten regelrecht, tanzten vor Freude und Schalk. Sie bannte ihn mit ihrem Blick, hielt ihn völlig gefangen. Er hätte sich nicht bewegen können, selbst wenn er gewollt hätte. Sie war das schönste Wesen, das er je gesehen hatte.
Sie lächelte, und ihre perfekten weißen Zähne kamen zum Vorschein—und als wäre er nicht bereits völlig gebannt gewesen, hielt ihn ihr Lächeln noch fester, entflammten sein Herz mit einer einfachen Geste. Noch nie hatte er sich so lebendig gefühlt.
Thor stand völlig sprachlos da. Atemlos. Solche Gefühle hatte er zum ersten Mal in seinem Leben.
„Möchtest du uns nicht vorstellen?“, fragte das Mädchen Reece. Ihre Stimme fuhr geradewegs durch Thor hindurch—sie war noch lieblicher als ihre Erscheinung.
Reece seufzte.
„Und dann wäre da noch meine Schwester“, sagte er lächelnd. „Gwen, das ist Thor. Thor, Gwen.“
Gwen knickste.
„Sehr erfreut“, sagte sie mit einem Lächeln.
Thor stand da wie festgefroren. Schließlich fing Gwen zu kichern an.
„Nicht gleich so viele Worte auf einmal, bitte“, sagte sie lachend.
Thor spürte, wie er rot wurde; er räusperte sich.
„Es tut...es...tut...mir leid“, sagte er. „Ich bin Thor.“
Gwen kicherte.
„Das weiß ich ja schon“, sagte sie. Sie wandte sich an ihren Bruder. „Oh, Reece, dein Freund ist so wortgewandt.“
„Vater möchte ihn sehen“, sagte er ungeduldig. „Wir kommen noch zu spät.“
Thor wollte mit ihr sprechen, ihr sagen, wie wunderschön sie war, wie glücklich er war, sie kennenzulernen, wie dankbar er war, dass sie angehalten hatte. Aber seine Zunge war völlig zugeschnürt. Noch nie in seinem Leben war er so nervös gewesen. Stattdessen also war das einzige, was er hervorbrachte:
„Danke.“
Gwen kicherte und lachte noch stärker.
„Danke wofür?“, fragte sie. Ihre Augen leuchteten auf. Sie genoss das Ganze.
Thor spürte wieder, wie er errötete.
„Ähm...ich weiß nicht“, murmelte er.
Gwen lachte immer mehr, und Thor fühlte sich blamiert. Reece stieß ihn mit dem Ellbogen an, drückte ihn weiter, und die beiden setzten ihren Weg fort. Nach wenigen Schritten blickte Thor noch einmal über die Schulter zurück. Gwen stand immer noch da und starrte zu ihm zurück.
Thor spürte, wie sein Herz klopfte. Er wollte mit ihr sprechen, alles über sie erfahren. Seine Wortkargheit war ihm so peinlich. Aber er hatte noch nie wirklich mit Mädchen zu tun gehabt in seinem kleinen Dorf—und bestimmt nicht mit einem so schönen. Niemand hatte ihm beigebracht, was man sagen, wie man sich verhalten sollte.
„Sie redet viel“, sagte Reece, als sie sich weiter auf den König zu bewegten. „Mach dir nichts aus ihr.“
„Wie heißt sie?“, fragte Thor.
Reece sah ihn schräg an. „Hat sie dir doch gerade gesagt!“, sagte er mit einem Lachen.
„Oh, tut mir leid...ich...äh...habs vergessen“, sagte Thor verlegen.
„Gwendolyn. Aber alle nennen sie Gwen.“
Gwendolyn. Thor wiederholte ihren Namen wieder und wieder in seinem Kopf. Gwendolyn. Gwen. Er wollte den Namen nicht loslassen. Er wollte ihn in seinem Bewusstsein nachhallen lassen. Er fragte sich, ob er Gelegenheit haben würde, sie wiederzusehen. Er dachte sich, wahrscheinlich nicht, da er aus dem gemeinen Volk war. Der Gedanke tat ihm weh.
Die Menge wurde ruhiger, als Thor hochblickte und erkannte, dass sie dem König nahe waren. König MacGil saß auf seinem Thron, in seinen königlichen Purpur-Mantel gehüllt, mit seiner Krone auf dem Kopf, eine imposante Erscheinung.
Reece kniete vor ihm nieder, und die Menge verstummte. Thor machte es ihm nach. Ein Schweigen legte sich über den Saal.
Der König räusperte sich tief und herzhaft. Als er sprach, dröhnte seine Stimme durch den ganzen Saal.
„Thorgrin aus den Tieflanden der Südprovinz des Westlichen Königreichs“, begann er. „Bist du dir im Klaren, dass du am heutigen Tage in das königliche Turnier eingegriffen hast?“
Thor fühlte, wie seine Kehle trocken wurde. Er wusste kaum, was er antworten sollte; das war kein guter Anfang. Er fragte sich, ob er bestraft werden würde.
„Es tut mir leid, mein Herr“, sagte er schließlich. „Es war nicht meine Absicht.“
MacGil lehnte sich nach vorne und zog eine Augenbraue hoch.
„Es war nicht deine Absicht? Möchtest du damit sagen, du wolltest Erec gar nicht das Leben retten?“
Das warf Thor aus der Bahn. Ihm wurde klar, dass er es nur schlimmer machte.
„Nein, mein Herr. Es war nicht meine Absicht—“
„Du gibst also zu, dass du sehr wohl vorhattest, einzugreifen?“
Thor spürte, wie sein Herz klopfte. Was konnte er sagen?
„Verzeiht, mein Herr. Ich denke, ich wollte nur...helfen.“
„Du wolltest helfen?“, dröhnte MacGil, lehnte sich zurück und brüllte vor Lachen.
„Du wolltest ihm helfen! Erec! Unserem größten und ruhmreichsten Ritter!“
Der Saal brach in Gelächter aus und Thor fühlte sein Gesicht rot anlaufen, einmal zu oft für einen Tag. Konnte er hier denn nichts richtig machen?
„Steh auf und tritt näher, Junge“, befahl MacGil.
Thor blickte hoch und sah überrascht, dass der König zu ihm herunterlächelte, ihn genau ansah, während er aufstand und näherkam.
„Ich sehe noble Züge in deinem Gesicht. Du bist kein gewöhnlicher Junge. Nein, ganz und gar nicht gewöhnlich...“
MacGil räusperte sich.
„Erec ist unser geliebtester Ritter. Was du heute getan hast, ist eine große Sache. Eine große Sache für uns alle. Zur Belohnung nehme ich dich von diesem Tage an in meine Familie auf, mit all dem Respekt und der Ehre, die jedem meiner Söhne zuteil werden.“
Der König lehnte sich zurück und dröhnte: „So sei es verkündet!“
Durch den Saal zog sich ein großer Jubel, und es wurde reichlich mit den Füßen gestampft.
Thor sah sich um, durcheinander, nicht in der Lage, all das zu verarbeiten, was mit ihm geschah. Teil der königlichen Familie. Es ging über seine wildesten Träume hinaus. Alles, was er wollte, war, akzeptiert zu werden, einen Platz in der Legion zu bekommen. Und nun das. Er war so von Freude und Dankbarkeit überwältigt, dass er kaum wusste, was er tun sollte.
Bevor er antworten konnte, brach der Saal plötzlich in Gesang und Tanz und Festmahl aus, und Menschen feierten rund um ihn herum. Es war der reinste Trubel. Er blickte zum König auf, sah die Liebe in seinen Augen, die Bewunderung und Akzeptanz. Noch nie zuvor war ihm die Liebe einer Vaterfigur zuteil geworden. Und hier war er nun, geliebt nicht nur von einem Vater, sondern gleich von einem König. In nur einem Tag hatte sich seine Welt geändert. Er betete nur, dass dies alles echt war.
*
Gwendolyn eilte durch die Menge, schob sich durch, wollte einen Blick auf den Jungen erheischen, bevor er aus dem königlichen Hof hinausgeleitet würde. Thor. Ihr Herz schlug schneller beim Gedanken an ihn, und sie konnte nicht aufhören, seinen Namen in ihrem Kopf wieder und wieder aufzurufen. Sie hatte nicht aufhören können, an ihn zu denken, seit er ihr begegnet war. Er war jünger als sie, aber nicht mehr als ein oder zwei Jahre—und außerdem, er hatte etwas an sich, das älter wirkte, reifer als die anderen, tiefgehender. Von dem Moment an, als sie ihn sah, fühlte sie sich, als würde sie ihn kennen. Sie lächelte, als sie daran zurückdachte, wie sie einander kennenlernten; wie verloren er gewirkt hatte. Sie konnte in seinen Augen sehen, dass er das Gleiche für sie empfand.