Kitabı oku: «Schwur des Ruhms », sayfa 3
Zustimmende Rufe wurden laut.
Gareth wandte sich dem Ratsmitglied zu und sah ihn mit kalten Augen an.
„Wir werden jeden einzelnen Mann den wir haben dazu verwenden, meine Schwester zu töten!“, sagte er finster. „Wir werden nicht einen einzigen schonen.“
Der Raum wurde schlagartig still, als das Ratsmitglied seinen Stuhl mit einem laut kratzenden Geräusch zurückschob und aufstand.
„Ich werde nicht mitansehen, wie King’s Court wegen Eurer persönlichen Obsession zugrunde gerichtet wird. Ich für meinen Teil werde Euch nicht unterstützen!“
„Ich auch nicht!“, echote die Hälfte der Männer im Raum.
Gareth schäumte vor Wut und wollte gerade aufstehen, als die Türen der Ratskammer mit lautem Krachen aufgeschlagen wurden und der Kommandant von dem, was von seiner Armee übrig geblieben war, hereinstürmte.
Alle Augen richteten sich auf ihn. Er schleifte einen Mann hinter sich her, einen Raufbold mit fettigen Haaren, unrasiert und an den Händen gefesselt. Er schleifte den Mann in die Mitte des Raumes und blieb vor dem König stehen.
„Mein König.“, sagte der Kommandant kalt. „Von den Männern, die ihr wegen des Diebstahls des Schwertes des Schicksals habt hinrichten lassen ist dies der siebente, der Mann, der entkommen konnte. Er hat eine unglaubliche Geschichte darüber, was geschehen ist, zu erzählen.
„Rede!“, schrie der Kommandant und stieß ihn an.
Der Raufbold sah sich nervös um, sein fettiges Haar klebte an seinen Wangen und er sah unsicher aus. Endlich rief er.
„Uns wurde befohlen, das Schwert zu stehlen!“
Empörtes Gemurmel brach aus.
„Wir waren neunzehn Mann.“, fuhr er fort. „Ein Dutzend um es im Schutz der Dunkelheit fortzuschaffen, über die Brücke über den Canyon und in die Wildnis. Sie haben es in einem Wagen versteckt über die Brücke gebracht, sodass die Krieger, die Wache standen nicht wissen konnten, was da über die Brücke gebracht wurde. Den anderen sieben von uns war befohlen worden zurückzubleiben und uns gefangen nehmen zu lassen. Man hatte uns gesagt, dass man uns zur Schau einsperren, und uns dann freilassen würde. Doch stattdessen wurden meine Freunde hingerichtet. Wenn ich nicht entkommen wäre, wäre es mir genauso ergangen.“
Das Gemurmel im Raum wurde lauter und aufgeregter.
„Und wo haben sie das Schwert hingebracht?“, wollte der Kommandant wissen.
„Das weiß ich nicht. Irgendwo tief ins Empire“
„Und wer würde so etwas befehlen?“
„Er!“, rief der Raufbold, der sich plötzlich umdrehte, und mit dem Finger auf Gareth zeigte. „Unser König! Er hat es befohlen!“
Entsetzte Rufe mischten sich in das Gemurmel im Raum, bis Aberthol endlich mit seinem Stab einige Male auf den Boden schlug und zur Ruhe aufforderte.
Es wurde nur wenig ruhiger im Raum.
Gareth, der ohnehin schon vor Angst und Zorn zitterte, stand langsam auf. Es wurde still im Saal und alle Augen richteten sich auf ihn.
Stufe für Stufe stieg Gareth die Elfenbeinstufen hinunter, und seine Schritte hallten durch den Raum. Sie durchschnitten die angespannte Stille wie ein Messer.
Er durchschritt den Raum, bis er endlich den Raufbold erreichte. Er starrte ihn kalt aus nächster Nähe an. Der Mann wand sich unter dem Griff des Kommandanten und wandte den Blick überall hin, nur nicht zu Gareth.
„Für Diebe und Lügner gibt es in meinem Königreich nur eine Art der Behandlung.“, sagte Gareth sanft.
Plötzlich griff Gareth einen Dolch von seinem Gürtel und rammte ihn dem Raufbold ins Herz. Der Mann schrie kurz vor Schmerzen auf und seine Augen weiteten sich, bevor er tot zu Boden sank.
Der Kommandant sah Gareth böse an.
„Ihr habt gerade den einzigen Zeugen gegen Euch vor den Augen aller umgebracht.“, sagte er. „Seht Ihr nicht, dass das nur den Verdacht gegen Euch weiter vertieft?“
„Welchen Zeugen?“, fragte Gareth lächelnd. „Tote können nicht sprechen.“
Der Kommandant wurde rot.
„Ihr dürft nicht vergessen, dass ich der Kommandant der verbliebenen königlichen Armee bin. Ich lasse mich nicht von Euch zum Narren halten. Aus Eurer Tat schließe ich, dass Ihr des Verbrechens schuldig seid, dessen Euch dieser Mann da beschuldigt hat. Daher werden ich und meine Armee Euch nicht länger dienen. Vielmehr werde ich Euch wegen Hochverrats am Ring in Gewahrsam nehmen!“
Der Kommandant nickte seinen Männern zu, und mit einem Mal zogen ein paar Dutzend Männer ihre Schwerter und traten vor, um Gareth festzunehmen.
Lord Kultin trat mit doppelt so vielen seiner eigenen Männer vor und alle bezogen mit ebenfalls gezogenen Schwertern hinter Gareth Stellung.
So standen sie den Kriegern des Kommandanten gegenüber, und Gareth stand zwischen ihnen.
Er grinste den Kommandanten triumphierend an. Seine Männer waren gegen Gareth’s private Kampftruppe in der Unterzahl und er wusste es.
„Ich werde mich in niemandes Gewahrsam begeben“, höhnte Gareth. „Und schon gar nicht von deiner Hand! Nimm deine Männer und verlasse meinen Hof – oder stelle dich meiner Truppe.“
Nach wenigen angespannten Sekunden, drehte sich der Kommandant schließlich um, signalisierte seinen Männern, und sie begannen sich vorsichtig zurückzuziehen. Sie gingen mit gezogenen Schwertern rückwärts dem Ausgang zu.
„Von diesem Tage an“, polterte der Kommandant, „wisst, dass wir Euch nicht länger dienen! Ihr werdet Euch alleine der Armee des Empire stellen müssen. Ich hoffe, dass sie Euch gut behandeln werden. Besser als ihr Euren Vater behandelt habt!“
Unter lautem klappern ihrer Rüstungen stürmten die Krieger aus dem Raum.
Die Ratsmitglieder, Diener und anderen verbliebenen Adligen standen alle da und flüsterten miteinander.
„Geht!“, schrie Gareth. „Alle!“
Alle Männer inklusive seiner privaten Kampftruppe verließen schnell die Kammer.
Nur eine Person blieb zurück. Lord Kultin.
Gareth und er waren die einzigen Männer, die noch im Raum waren. Er ging auf Gareth zu, blieb wenige Meter vor ihm stehen und betrachtete ihn, als ob er versuchen wollte, ihn einzuschätzen. Wie immer blieb sein Gesicht dabei ausdruckslos. Es war das Gesicht eines wahren Söldners.
„Mir ist es völlig egal, was ihr getan habt oder warum.“, setzte er an, und seine Stimme klang tief und dunkel. „Mir ist die Politik gleich. Ich bin ein Krieger. Mir ist nur das Geld wichtig, das Ihr mir und meinen Männern zahlt.“
Er machte eine Pause.
„Dennoch würde ich gerne wissen, nur zu meiner persönlichen Befriedigung: habt Ihr wirklich diesen Männern befohlen, das Schwert fortzuschaffen?“
Gareth starrte ihn an. Da war etwas in seinen Augen, das er von sich selbst kannte: sie waren kalt, unbarmherzig und opportunistisch.
„Und wenn dem so wäre?“, fragte Gareth zurück.
Lord Kultin sah ihn lange an.
„Aber warum?“, fragte er.
Gareth starrte zurück.
Kultins Augen weiteten sich vor Erkenntnis.
„Ihr konntet es nicht kontrollieren, also sollte es auch sonst niemand tun?“, fragte Kultin. „Ist es das?“ Er dachte über die Konsequenzen nach. „Und doch“, fügte Kultin hinzu „müsst Ihr gewusst haben, dass der Schild zusammenbrechen würde, wenn Ihr es fortschickt, und dass wir dadurch einem Angriff schutzlos ausgeliefert sind.“
Seine Augen weiteten sich noch mehr.
„Ihr wolltet, dass wir angegriffen werden, nicht wahr? Etwas in Euch will, dass King’s Court zerstört wird!“, sagte er und begann plötzlich zu verstehen.
Gareth lächelte ihn an.
„Nicht alle Orte sind für die Ewigkeit geschaffen“, sagte Gareth langsam.
KAPITEL FÜNF
Gwendolyn marschierte mit ihrer riesigen Gefolgschaft von Kriegern, Beratern, Dienern, Ratsmitgliedern, Angehörigen der Silver und der Legion und gut der Hälfte der Bürger von King’s Court auf dem Weg fort von King’s Court. Eine wandelnde Stadt. Gwen war von Gefühlen überwältigt. Auf der einen Seite war sie froh, endlich außer Reichweite ihres Bruders Gareth zu sein, umgeben von Kriegern, die sie beschützen würden, und ohne Angst vor Gareths Heimtücke oder seinen Versuchen, sie mit irgendjemandem zu verheiraten. Endlich würde sie sich nicht mehr bei jedem Schritt und in jedem wachen Augenblick vor seinen Mördern Fürchten müssen.
Gwen fühlte sich inspiriert und demütig, als Herrscherin ausgewählt worden zu sein, und diesen riesigen Trupp anzuführen. Die riesige Gefolgschaft folgte ihr, als wäre sie Prophetin, und marschierte auf dem endlosen erscheinenden Weg nach Silesia. Sie sahen sie als ihre neue Herrscherin – sie konnte es in jedem ihrer Blicke sehen – und sahen sie voller Erwartung an. Sie fühlte sich schuldig, wünschte sich, dass einem ihrer Brüder diese Ehre zuteil werden könnte – jedem, nur nicht ihr. Doch sie sah, wie viel Hoffnung es den Menschen gab, einen fairen und gerechten Herrscher zu haben, und das machte sie glücklich. Wenn sie diese Rolle für sie ausfüllen konnte, besonders in diesen dunklen Zeiten, dann würde sie es tun.
Gwen dachte an Thor, an ihren tränenreichen Abschied am Canyon, und es brach ihr das Herz; sie hatte gesehen wie er verschwand, wie er über die Brücke über den Canyon lief und vom Nebel verschluckt wurde, einer Reise entgegen, die ihn höchstwahrscheinlich das Leben kosten würde. Es war eine heldenhafte und edle Mission – eine, die sie ihm nicht verweigern konnte – eine von der sie wusste, dass sie zum Wohl des Königreichs, zum Wohl des Rings geschah. Doch sie fragte sich, warum es gerade er sein musste. Sie wünschte sich, dass irgendjemand anderer an seiner statt gehen könnte. Sie wollte ihn jetzt mehr denn je an ihrer Seite wissen. In dieser Zeit des Umbruchs, des großen Wandels, in der sie alleine regieren und sein Kind tragen sollte, wollte sie ihn an ihrer Seite haben. Mehr als alles andere jedoch hatte sie Angst um ihn. Sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen; alleine der Gedanke daran trieb ihr Tränen in die Augen.
Doch Gwen atmete tief und blieb stark, denn sie wusste, dass alle Augen auf sie gerichtet waren als sie immer weiter gen Norden, auf das entfernte Silesia zumarschierten – eine endlose Karawane auf dieser staubigen Straße. Gwen war immer noch in Schock über ihr zerrissenes Heimatland. Sie konnte kaum fassen, dass der alte Schild zusammengebrochen sein sollte und dass der Canyon überwunden worden war. Gerüchte machten die Runde, dass Andronicus bereits an der Küste von McClouds Land gelandet sein sollte. Sie konnte nicht sicher sein, was sie glauben konnte. Es fiel ihr schwer zu begreifen, dass all das so schnell geschehen konnte – immerhin musste Andronicus mit seiner gesamten riesigen Flotte den Ozean überqueren. Außer natürlich, falls McCloud hinter dem Diebstahl des Schwertes steckte und er den Zusammenbruch des Schildes inszeniert hatte. Doch wie? Wie war es ihm gelungen, es zu stehlen? Wo hatte er es hingebracht?
Gwen konnte fühlen, wie deprimiert alle um sie herum waren, und sie konnte es verstehen. Eine allgemeine Stimmung der Verzweiflung lag über der Gruppe, und das aus gutem Grund; ohne den Schild waren sie vollkommen schutzlos. Es war nur eine Frage der Zeit – wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen – Andronicus würde angreifen. Und wenn er es tat, dann gab es keinen Weg, seine Männer aufzuhalten. Bald würde er diesen Ort, alles was sie so liebgewonnen hatte und schätzte, erobern und jeden den sie liebte umbringen.
Während sie marschierten war es als würden sie ihrem Tod entgegenmarschieren. Andronicus war noch nicht da, doch es fühlte sich an, als wären sie bereits gefangen genommen worden. Sie erinnerte sich an etwas, das ihr Vater einmal gesagt hatte: Wenn du das Herz einer Armee besiegen kannst, dann hast du die Schlacht schon gewonnen.
Gwen wusste, dass es ihre Aufgabe war, alle zu inspirieren, ihnen ein Gefühl der Geborgenheit zu geben, der Sicherheit – und irgendwie sogar von Lebensmut. Sie war fest entschlossen, das zu tun. Sie durfte nicht zulassen, dass ihre persönlichen Ängste oder ein Gefühl des Pessimismus sie in einer Zeit wie dieser überwältigte. Sie konnte sich nicht erlauben, in Selbstmitleid zu baden. Es ging nicht mehr länger nur um sie. Es ging um diese Menschen, ihre Leben, ihre Familien. Sie brauchten sie. Sie alle erwarteten Hilfe von ihr.
Gwen dachte an ihren Vater und fragte sich, was er in ihrer Situation tun würde. Sie musste lächeln. Er hätte den Tapferen gespielt, was auch immer geschehen würde. Er hatte ihr immer geraten, ihre Angst hinter lautem Getöse zu verbergen. Und wenn sie an sein Leben zurückdachte, dann war er ihr niemals ängstlich erschienen. Nicht ein einziges Mal. Vielleicht war alles nur Schauspiel gewesen; doch es war gut gewesen. Als Anführer hatte er gewusst, dass er immer den Blicken aller ausgesetzt war, und er hatte gewusst, dass sie das Schauspiel brauchten, vielleicht sogar mehr als Führerschaft. Er war zu selbstlos, um sich seinen Ängsten zu ergeben. Sie würde von seinem Beispiel lernen und es genauso wenig tun.
Gwen sah sich um und sah Godfrey neben sich laufen, und neben ihm Illepra, die Heilerin; die beiden waren in ein Gespräch vertieft, und sie hatte bemerkt, dass sie zunehmend aneinander Gefallen zu finden schienen seit Illepra sein Leben gerettet hatte.
Gwen wünschte sich, dass ihre anderen Geschwister auch bei ihr hätten sein können. Doch Reece war mit Thor gegangen, Gareth war natürlich für alle Ewigkeit verloren und Kendrick war noch immer irgendwo im Osten mit dem Wiederaufbau einer entlegenen Stadt beschäftigt. Sie hatte einen Boten zu ihm geschickt – das war das erste, was sie getan hatte – und sie betete, dass er ihn rechtzeitig erreichen würde um ihn nach Silesia zu rufen, damit er ihr helfen konnte, es zu verteidigen. Wenigstens konnten zwei ihrer Brüder, Kendrick und Godfrey, mit ihr in Silesia Zuflucht finden, damit wüsste sie, wo alle ihre Geschwister waren. Außer natürlich ihre älteste Schwester, Luanda.
Zum ersten Mal seit einer langen Zeit wanderten Gwens Gedanken zu Luanda. Sie hatte immer eine bittere Rivalität mit ihrer Schwester gehabt; es hatte sie nicht im Geringsten überrascht, dass Luanda di erste Gelegenheit ergriffen hatte aus King’s Court zu fliehen und einen McCloud zu heiraten. Luanda war schon immer ehrgeizig gewesen und hatte schon immer die Erste sein wollen. Gwen hatte sie geliebt und zu ihr aufgesehen als sie jünger war; doch Luanda, für die alles ein Wettbewerb war, hatte ihre Liebe nicht erwidert. Und nach einer Weile hatte Gwen aufgegeben.
Doch jetzt tat sie ihr leid; sie fragte sich, was aus ihr geworden war, jetzt nachdem Andronicus die McClouds überfallen hatte. Würde sie getötet werden? Gwen schauderte bei dem Gedanken. Sie waren Rivalinnen, doch sie waren auch immer noch Geschwister, und sie wollte nicht, dass Luanda einen verfrühten Tod fand.
Gwen dachte an ihre Mutter, die einzige ihrer Familie, die noch da draußen war, gestrandet in King’s Court mit Gareth, immer noch im gleichen Zustand. Der Gedanke ließ sie frieren. Trotz aller Wut, die sie auf ihre Mutter hatte, hätte ihr Gwen nicht ein solches Ende gewünscht. Was würde passieren, wenn King’s Court überrannt werden sollte? Würde sie ermordet werden?
Gwen konnte das Gefühl nicht abstreifen, dass ihr so sorgfältig aufgebautes Leben um sie herum zusammenbrach. Es als wäre es erst gestern gewesen, Luandas Hochzeit im Hochsommer, ein glorreiches Fest. King’s Court schwelgte im Überfluss und sie und ihre Familie waren vereint und feierten – und der Ring war uneinnehmbar. Es schien, als würde es ewig so weitergehen.
Jetzt war alles zerbrochen. Nichts war mehr so wie es einmal gewesen ist.
Ein kalter Herbstwind kam auf, und Gwen zog ihren blauen Wollumhang enger um ihre Schultern. Der Herbst war kurz gewesen in diesem Jahr und der Winter hielt schon seinen Einzug. Sie konnte die eiskalten Böen spüren; sie wurden stärker und feuchter, je weiter sie nach Norden kamen. Der Himmel verdunkelte sich, und bald war die Luft mit einem neuen Klang gefüllt – den Schreien der Wintervögel, diese schwarz-roten Raubvögel die tief ihre Kreise zogen, sobald die Temperatur fiel. Sie krächzten unaufhörlich und der Klang strapazierte Gwens Nerven so manches Mal. Es klang wie die Ankündigung eines bevorstehenden Todes.
Seit sie sich von Thor verabschiedet hatte waren sie dem Canyon in Richtung Norden gefolgt. Sie wusste, dass diese Route sie in die westlichste Stadt des Westteils des Rings bringen würde – Silesia. Während sie liefen zog ein gespenstischer Nebel in dicken Schwaden über sie hinweg und schien an Gwen’s Füssen zu hängen.
„Es ist nicht mehr weit, Mylady.“, hörte sie eine Stimme sagen.
Gwen blickte auf und sah Srog neben sich stehen. Er trug die unverkennbare rote Rüstung von Silesia und war flankiert von seinen Kriegern, die alle mit denselben roten Kettenhemden und Stiefeln bekleidet waren.
Gwen war zutiefst berührt von der Güte, mit der Srog ihr begegnete, von der Loyalität an die Erinnerung ihres Vaters, von seinem Angebot, Silesia als Zufluchtsort zu nutzen. Sie wusste nicht, was sie und diese Menschen ohne ihn getan hätten. Sie würden noch immer in King’s Court festsitzen und Gareths Heimtücke ausgeliefert sein.
Srog war einer der ehrenhaftesten Lords, die ihr je begegnet sind. Mit tausenden Kriegern zu seiner Verfügung, mit seiner Kontrolle über das Bollwerk des Westens, musste Srog niemandem Tribut zollen. Doch er hatte ihrem Vater seine Ehrerbietung erwiesen. Es war schon immer eine empfindliche Balance der Macht gewesen. In den Zeiten ihres Großvaters hatte Silesia King’s Court gebraucht; zu ihres Vaters Zeiten weniger; und jetzt, zu ihrer Zeit überhaupt nicht. In der Tat, war sie es, die Silesia brauchte, mit dem Zusammenbruch des Schildes und all dem Chaos in King’s Court.
Natürlich waren die Silver und die Legion die besten Krieger, die es gab – genauso wie die tausende von Männern der königlichen Armee, die Gwen jetzt folgten.
Srog hätte einfach seine Tore verschließen, wie so viele andere Lords, und sich um die Seinen kümmern können. Doch stattdessen hatte er Gwen aufgesucht, hatte ihr die Treue geschworen und darauf bestanden, ihnen allen eine neue Heimat zu bieten. Gwen war fest entschlossen, sich eines Tages dafür zu revanchieren. Falls sie es überleben sollten.
„Sorgt Euch nicht.“, sagte sie sanft und legte ihre Hand auf seine. „Wir würden bis ans Ende der Erde laufen, um zu Eurer Stadt zu kommen. Wir schätzen uns überglücklich über Eure Gunst in dieser schwierigen Zeit.“
Srog lächelte. Er war ein Krieger mittleren Alters mit zu vielen Falten, die all die Schlachten, die er in seinem Leben geschlagen hatte in sein Gesicht gegraben hatten, rötlich-braunem Haar, einem kräftigen Kiefer und ohne Bart. Ein gestandener Mann, nicht nur ein Lord, sondern ein echter Krieger.
„Für Euren Vater wäre ich durchs Feuer gegangen.“, antwortete er. „Ihr müsst mir nicht danken. Es ist eine große Ehre, nun seiner Tochter dienen zu dürfen. Immerhin war es sein Wunsch, dass ihr Herrschen sollt. Wenn ich Eurem Befehl folge, folge ich daher ihm.“
In ihrer Nähe marschierten auch Kolk und Brom und hinter ihnen war das ständig präsente klappern von tausenden von Sporen, von Schwertern die in ihren Scheiden klappern, von Schilden, die gegen Rüstungen stießen.
Es war eine riesige Kakophonie von Geräuschen die sich weiter und weiter entlang der Kante des Canyon Richtung Norden bewegte.
„Mylady. Die Schuld wiegt schwer auf meinen Schultern.“, sagte Kolk. „Wir hätten Thor, Reece und die anderen nicht alleine ins Empire aufbrechen lassen dürfen. Mehr von uns hätten mit ihnen gehen sollen. Wenn ihnen irgendetwas zustößt, bin ich schuld.“
„Sie haben ihre eigene Wahl getroffen.“, sagte Gwen. „Es ist eine ehrenwerte Suche. Wer auch immer vom Schicksal ausgewählt worden ist zu gehen, hat sich auf die Suche begeben. Sich schuldig zu fühlen hilft niemandem.“
„Und was geschieht, wenn sie nicht rechtzeitig mit dem Schwert zurückkehren?“, fragte Srog. „Es wird nicht lange dauern, bevor Andronicus vor unseren Toren aufmarschieren wird.“
„Dann werden wir uns zur Wehr setzen.“, erklärte Gwen selbstbewusst, und versuchte in ihrer Stimme soviel Mut mitschwingen zu lassen, wie sie nur konnte, in der Hoffnung die anderen damit zu beruhigen. Sie bemerkte, dass sich die anderen Generäle zu ihr umdrehten und sie ansahen.
„Wir werden uns bis zuletzt verteidigen.“, fügte sie hinzu. „Weder werden wir uns zurückziehen noch kapitulieren.“
Sie konnte spüren, dass die Generäle beeindruckt waren. Sie war selbst von ihrer Stimme beeindruckt, von der Stärke, die in ihr aufstieg. Es war die Stärke ihres Vaters, von sieben Generationen von MacGil Königen.
Als sie weitermarschierten, bog die Straße in einer scharfen Kurve nach links, und als sie ihr folgte blieb sie stehen. Der Anblick verschlug ihr den Atem.
Silesia.
Gwen erinnerte sich, dass ihr Vater sie auf seinen Reisen hierhin mitgenommen hatte als sie noch ein kleines Mädchen war. Es war ein Ort, der seitdem in ihren Träumen nachgeklungen hatte, ein Ort der ihr damals magisch vorgekommen war. Und jetzt, da sie ihn als erwachsene Frau wieder sah, nahm er ihr immer noch den Atem.
Silesia war die ungewöhnlichste Stadt die Gwen je gesehen hatte. All die Gebäude, all die Befestigungsanlagen, all der Stein – alles war aus altem, leuchtendrotem Stein gebaut. Die obere Hälfte von Silesia, hoch, vertikal, dominiert von Zinnen und Türmen, war auf festem Boden erbaut. Die untere Hälfte war in die Wände des Canyon gebaut. Die wabernden Nebel des Canyon zogen auf und verschwanden wieder, umhüllten die Stadt, ließen das Rot strahlen und schimmern im Licht – und erweckten den Anschein, dass sie auf Wolken gebaut war.
Ihre Befestigungen waren mehr als 30 Meter hoch, gekrönt von Zinnen und gesichert durch eine endlos erscheinende Stadtmauer. Dieser Ort war eine gigantische Festung. Selbst wenn es einer Armee gelingen sollte, in die Mauern einzudringen, müssten sie immer noch über die Klippen in den unteren Teil der Stadt herabsteigen und an der Kante des Canyon kämpfen. Das war eindeutig ein Krieg, den keine Invasionsstreitmacht würde führen wollen. Was der Grund dafür war, dass die Stadt seit mehr als tausend Jahren stand.
Ihre Männer hielten an und staunten und Gwen konnte fühlen, dass auch sie alle voller Ehrfurcht waren. Zum ersten Mal seit einer ganzen Weile fühlte Gwen so etwas wie Optimismus. Das war ein Ort, an dem sie bleiben konnten – weit außerhalb Gareths Reichweite – ein Ort, der sich gut verteidigen ließ. Ein Ort, an dem sie regieren konnte. Und vielleicht – ja vielleicht könnte sich das Königreich der MacGils von neuem erheben.
Srog stand die Hände in die Hüften gestemmt da und sog das Bild in sich auf, als würde er die Stadt zum ersten Mal sehen. Seine Augen glänzten Stolz.
„Willkommen in Silesia!“.