Kitabı oku: «Sklavin, Kriegerin, Königin », sayfa 13
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
Ceres stand entsetzt am Fenster ihres Zimmers und blickte auf Delos. Der Himmel war vom schwarzen Rauch der brennenden Häuser bedeckt. Es stank nach Verwesung. Schreie unbegreiflichen Leids drangen zu ihrem Turm hinauf, und Familien mit Kleinkindern liefen unter ihr in die Straße. In ihren Gesichtern stand Panik geschrieben.
Sie hatte in der letzten Stunde nichts getan als zu weinen. Sie hatte Tränen für ihr Volk, ihre Freunde, für ihre Brüder vergossen, denn vielleicht weilten sie schon jetzt nicht mehr unter den Lebenden. Und Rexus? Sie konnte es kaum ertragen, darüber nachzudenken.
Sie konnte dieses Jammertal nicht länger mitansehen und ging zu ihrem Bett hinüber. Sie setzte sich, doch schon einen Moment später verspürte sie den Drang zum Fenster zurückzukehren, denn sie wollte sich dem Leid ihres Volkes nicht einfach entziehen.
Das war es also? Das war es, wofür Thanos kämpfen wollte? Sie war noch immer wütend auf ihn. Er hatte es irgendwie geschafft, sich in ihr Herz zu schleichen und ihrer Fürsorge beizukommen. Sie hatte gehofft, dass er sich von den gierigen und machtbesessenen anderen Adligen unterscheiden würde, doch er hatte sich im entscheidenden Moment mit ihnen verbündet und sich dazu entschlossen die waltende Ungleichheit und Ungerechtigkeit in diesem Land zu verteidigen.
Es klopfte an der Tür und Anka öffnete.
Zu Ceres’ Überraschung und großer Verärgerung trat Thanos in ihr Zimmer.
„Darf ich dich kurz unter vier Augen sprechen?“, fragte er.
„Nein, darfst du nicht“, sagte Ceres und funkelte ihn böse vom Fenster aus an.
„Ich bitte dich. Es ist äußerst wichtig“, sagte er.
Ceres zögerte einige Momente. Dann nickte sie Anka zu und das Mädchen verließ das Zimmer und schloss hinter sich die Tür.
Ceres stand unbewegt am Fenster. Ihr Blick war auf die Straße unter ihr geheftet.
„Ceres“, sagte Thanos.
Sie wollte ihn nicht ansehen und blickte weiterhin aus dem Fenster.
„Was willst du?“, fragte sie.
„Ich weiß, dass du wütend auf mich bist und ich weiß auch, dass du nicht mehr mit mir sprechen wolltest. Können wir trotzdem für einen kurzen Augenblick unsere Streitigkeiten vergessen?“, sagte er.
Sie blickte ihn an und dachte über das Gesagte nach.
„Ich muss mit dir etwas Wichtiges besprechen“, sagte er. „Was ich dir zu sagen habe, wird möglicherweise viele Leben retten können.“
„In Ordnung“, sagte sie.
Sie ging zu dem Stuhl hinüber, der vor der Feuerstelle stand und setzte sich. Er folgte ihr und nahm gegenüber von ihr Platz.
Sie konnte sehen, dass er Angst hatte. Seine Augen blickten unruhig umher als würde er nach den richtigen Worten suchen. Dennoch schmälerte das nicht ihre Wut. Sie konnte einfach nicht darüber hinwegsehen, dass er in den Kampf gezogen war. Das hatte etwas in ihr zerbrochen und außerdem das Vertrauen, das sie aufgebaut hatte, zerstört.
„Nun gut“, sagte sie, nachdem sie eine Weile schweigend beieinander gesessen hatten.
„Es ist wichtig, dass du mir bis zum Ende zuhörst, mit offenem Ohr und offenem Herzen“, sagte er.
Sie starrte ihn an.
„Ich komme gerade von einem Treffen mit dem König und der Königin und sie glauben nicht, dass die Kämpfe zu einem baldigen Ende kommen werden.“
Das hatte ihr Interesse geweckt, auch wenn sie noch immer auf der Hut war.
„Sie haben vorgeschlagen, dass sich ein Bürgerlicher und ein Adliger vermählen sollen“, sagte er.
Ceres nickte.
„Kluger Schachzug“, sagte sie.
Thanos’ Schultern entspannten sich ein wenig und sein Gesicht leuchtete auf.
„Findest du?“
„Wenn ein Bürgerlicher und ein Adliger die Ehe eingehen, dann wird das Volk vielleicht glauben, dass es zu einem Wandel kommen könnte.“
Ceres blickte ihm in die Augen und auch wenn sie nach wie vor wütend auf ihn war und ihn am liebsten in einen Faustkampf verwickelt hätte, so wollte sie doch gleichzeitig nahe bei ihm sein. Sie hätte nur zu gern die räumliche Kluft zwischen ihnen überwunden und sich so wie zuvor seinen Küssen ergeben.
Sie wandte den Blick ab. Diese Gedanken, diese Gefühle – sie würde sich sie mit jeder Faser ihres Körpers austreiben, bis sie sich nicht mehr an sie erinnern konnte.
„Haben sie an jemand bestimmtes gedacht?“, fragte sie. Sie dachte an Anka, da sie schließlich von der Rebellion zu ihnen gestoßen war.
„Ja“, sagte er.
Er stand auf und trat zwei Schritte auf sie zu, so dass die Distanz zwischen ihnen sich verringerte. Er kniete sich vor sie, und sie blickte ihn verwundert an.
„Ich habe etwas für sich“, sagte er.
Er zog aus einem kleinen Ledertäschchen, das er um sein Handgelenk trug, ein goldenes Armband mit einem kleinen Anhänger in der Form eines Schwans. Er hielt es ihr hin und lächelte sanft.
„Das gehörte meiner Mutter“, sagte er.
Ihrer Wut zum Trotz wollte sie ihn nicht beleidigen und sein Geschenk ablehnen – es war wahrscheinlich das Kostbarste, das er besaß. Doch erwartete er im Gegenzug, dass sie ihm deshalb vergab? Glaubte er wirklich, dass es so einfach wäre und sie ihre Prinzipien so leicht über Bord warf? Sie würde sich nicht kaufen lassen, niemals.
Sie öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, doch er war schneller.
„Ceres, sie haben dich und mich vorgeschlagen.“
Sie starrte ihn verblüfft an.
„Es wäre eine Ehre für mich, dich zur Frau zu nehmen“, fügte er hinzu.
Sie war sprachlos und sie fühlte plötzlich einen Knoten in ihrem Hals. Sie würde nicht in Tränen ausbrechen, nein, das würde sie nicht. Er würde glauben, dass es Freudentränen seien, wenn es doch eigentlich Tränen der Traurigkeit und des Unmuts über ihr verspieltes Vertrauen und ihre verlorene Freundschaft waren. Es war ausgeschlossen, dass sie ja sagen würde, das wusste sie.
Sie dachte an Rexus, der für die Sache der Revolution kämpfte, der sein Leben riskierte und tagein tagaus darauf hoffte, ihnen allen die Freiheit zu bringen. Thanos kämpfte gegen all das und sie würde niemals jemanden wie ihn lieben oder heiraten können. Hier kniete er nun, weil der König glaubte, dass es eine gute Idee sein würde, das Volk in eine Liebesgeschichte einzulullen und ihnen vorzugaukeln, dass die Zeiten ungleicher Behandlung vorüber seien. Sie wusste, dass sie es nicht waren.
„Es sind alles andere als ideale Umstände, aber du sollst wissen, dass ich mich schon bevor sie diese Heirat vorgeschlagen haben in dich verliebt hatte“, sagte er. „Es ist so wie ich auf dem Dach gesagt habe. Ich will dich mehr als alles andere in der Welt.“
Sie wandte den Blick ab. Sie war noch immer verletzt und unfähig ihm zu vergeben.
„Ich bin in den Kampf gezogen Ceres, doch als ich mich den Revolutionären gegenüber sah, konnte ich keinen von ihnen töten.“
Sie blickte zu ihm und ein Teil ihres Ärgers schmolz hinweg.
„Ich habe Rexus gesehen. Ich habe ihn in eine Gasse gelockt und ihn bewusstlos geschlagen, sodass die Reichssoldaten ihn nicht töten würden“, sagte Thanos.
„Wirklich?“, fragte sie.
Er nickte.
„Das ist nicht alles.“
Ceres nickte und war nun bereit, ihm zuzuhören. Sie war etwas beschämt, mit ihm so hart ins Gericht gegangen zu sein.
„Ich habe deinen Bruder Nesos gesehen.“
Sie griff nach seiner Hand und er nahm sie.
„Und?“, fragte sie und Hoffnung erfüllte ihre Brust.
„Wir haben auf dem Dach gekämpft. Ich wusste nicht, dass er es war. Ich wusste nicht…“
„Was ist passiert?“, fragte sie.
Thanos machte eine Pause und sah mit Tränen in den Augen zu ihr auf und sie verstand. Sie kannte diesen Blick, die Augen mit denen man eine geliebte Person ansieht, wenn man eine schmerzvolle Nachricht zu überbringen hat. Der Anblick des Schmerzes, bevor er in Worte gefasst wird.
„Er ist auf sein Schwert gefallen und es hat seinen Unterleib durchdrungen. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm nicht wehtun will, aber er – “
Sie sprang so schnell auf, dass der Stuhl hinter ihr über den Boden krächzte. Wo sollte sie mit diesem übermächtigen Schmerz, der sie überkam, hin? Kein Raum dieser Welt wäre groß genug für ihn gewesen. Er war überall.
„MÖRDER!“, kreischte sie, unfähig ihrem überbordenden Schmerz und den Tränen Einhalt zu gebieten. „MEIN BRUDER!“
Er stand da wie betäubt.
„Ich hasse dich, ich verabscheue dich und alles, wofür du stehst!“, schrie sie.
Seine Augen zuckten und er atmete schwer aus. Seine Hand fing das Armband auf, das in seinen Schoss fiel.
„Verschwinde!“, sagte sie.
„Ceres bitte tu das nicht“, bat er.
„Hau ab!“, schrie sie. „Ich habe gesagt, dass ich dich nie wieder sehen will und das habe ich genau so gemeint!“
Ihre Brust zog sich zusammen und ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie hatte sich in ihn verliebt, doch ihr Herz hatte sie betrogen, das wusste sie, und das hier war der Beweis dafür.
Er stand auf und blieb eine Weile lang stehen. Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Es tut mir so leid Ceres.“
Er ging und ließ die Tür hinter sich offen stehen.
Sie drehte sich zum Fenster und weinte. Nesos. Ihr Bruder. Er war für immer fort. Der Kummer machte ihr das Atmen schwer.
Sie hatte ihren Atem gerade beruhigt als sie hinter sich einen Laut hörte. Sie drehte sich in der Erwartung, Thanos vorzufinden um und wappnete sich für einen zweiten Verbalangriff. Doch dann musste sie mit Erschrecken feststellen, dass es nicht Thanos war, den sie erblickte.
Es war die Königin.
Sie starrte sie mit einem hochmütigen Blick an. Ein böses Grinsen spielte um ihre Lippen.
„Hallo Ceres“, sagte die Königin. Sie betrat den Raum. Ihre Augen funkelten bedrohlich. „Wie war der Heiratsantrag?“
Sie lächelte und trat näher.
„Als Thanos zukünftige Frau gehört dein Leben nun dem Königshaus. Es obliegt meiner Verantwortung, dass ich mich in meiner Rolle als Königin um deine Sicherheit kümmere. Für den Anfang ist es dir deshalb untersagt, dein Zimmer zu verlassen außer ich gebe dir dazu die Erlaubnis. Doch für den Moment ist es dir verboten.“
Die Königin drehte sich um, verließ das Zimmer und schloss mit einem Knall die Tür hinter sich. Ceres hörte wie ein Schlüssel im Schloss gedreht wurde.
Sie rannte aufgebracht zur Tür und rüttelte mit all ihrer Kraft wie wahnsinnig an der Türklinke.
Aber es war zu spät. Die Tür war abgeschlossen und ihr blieb nichts anderes übrig als aufzugeben.
Sie fiel schluchzend auf die Knie und schlug mit den Fäusten auf den schweren Eichenboden während sie Nesos’ Namen wiederholte.
Doch inmitten ihrer Klagen und ohne dass sie es bemerkte mischte sich auch Thanos’ Name in ihr Rufen.
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
Ceres wusste nicht, wie lange sie schon auf dem Steinboden in ihrem Zimmer saß. Es konnten Minuten gewesen sein, vielleicht aber auch Stunden. Unzählige Tränen hatten den Weg über ihre Wangen gefunden. Jetzt war es gespenstisch still in ihrem Zimmer, die Unruhen hatten aufgehört. Wahrscheinlich hatte die Nachricht von Thanos’ und ihrer Hochzeit die Führer der Rebellion befriedet. Doch sie zweifelte, dass das lange so bleiben würde.
Oh wie sehr sie sich wünschte, Thanos zu hassen; doch ihr Herz war erbarmungslos und betrog alles, was sie liebte. Traurigkeit ergriff sie und sie zog die Knie an die Brust und schluchzte still vor sich hin für einen Moment.
Ich verdiene all das einfach, dachte sie und setzte sich auf. Sie wischte sich mit ihrem Seidenärmel die Tränen von den Wangen. Sie hatte sich nicht gut in diesem Macht- und Intrigenspiel des Hofes positioniert. Wenn sie wirklich hier am Palast bleiben und Thanos heiraten musste, dann würde sie lernen müssen, wie sie den Adel in seinem eigenen Spiel schlagen konnte.
Hatte sie sich gegenüber Thanos richtig verhalten? Sie glaubte, dass es richtig gewesen war. Doch warum fühlte es sich dann so falsch an jedes Mal wenn sie an sein trauriges Gesicht denken musste?
Auf der anderen Seite der Tür schob jemand einen Schlüssel ins Schloss. Sie erwartete die Königin oder einen Reichssoldaten und krabbelte auf Händen und Füßen von der Tür fort.
Als die Tür sich öffnete stand jedoch Anka im Türrahmen. Sie trat ins Zimmer und schloss die Tür hinter ihr.
Ceres sprang auf ihre Füße und Freude überkam sie. Sie rannte auf Anka zu und warf die Arme um sie.
„Du musst hier raus, bevor wir entdeckt werden“, sagte Anka. „Such Rexus. Das neue Hauptquartier der Rebellion ist unten in der Fischerbucht in der Hafenhöhle.“
Ceres kannte die Höhle sehr gut und hatte zusammen mit ihren Brüdern früher oft dort gespielt. Sie blickte zu Anka. Sie war so zierlich und liebenswert und sie konnte den Gedanken nicht ertragen, ihre Freundin allein unter diesen Wölfen zurückzulassen.
„Komm mit“, sagte Ceres und griff ihre Hand.
„Das kann ich nicht. Ich muss hier bleiben, bis mein Auftrag ausgeführt ist“, sagte Anka. „Hier nimm das.“
Anka schlüpfte aus ihrem grauen Kapuzenumhang und legte ihn Ceres um die Schultern.
„Wie kann ich dir jemals dafür danken?“, sagte Ceres und umarmte Anka abermals.
„Du schuldest mir nichts“, sagte Anka mit einem Lächeln.
Ceres nickte und erinnerte sich an ihre eigenen Worte, nachdem sie Anka aus dem Sklavenwagen befreit hatte.
„Wenn ich so darüber nachdenke“, sagte Anka mit einem Grinsen, „dann schließe dich der Rebellion an und lass sie für jedes einzelne versklavte Leben bezahlen.“
„Das werde ich“, sagte Ceres.
Bevor Ceres das Zimmer verließ, holte sie noch das Schwert unter ihrem Bett hervor und legte ihren Schwertgürtel an. Sie warf sich die Kapuze über den Kopf und raste die Treppen hinab. Sie war wie berauscht von dem Gedanken, der Rebellion endlich von innen heraus zu dienen und Rexus im Kampf um die Freiheit zur Seite zu stehen.
Sie rannte den Korridor mit wachen Augen, gespitzten Ohren und rasendem Herzen entlang. Sie wusste genau, wo die Wachen standen und konnte so auf ihrem Weg durch den Palast jenen Zonen ausweichen. Sie bewegte sich geschwind und geräuschlos von Schatten zu Schatten und wurde so fast unsichtbar. Sie erreichte die Küche und schlängelte sich an Köchen und Essenskisten geschickt vorbei.
Sie trat in den Hof und schlich hinter Weinkisten und Essenswägen an den Sklaven und Reichssoldaten, die ihre Aufmerksamkeit auf anderes gerichtet hatten, vorbei.
Gerade als sie durch einen der Seitenausgänge schlüpfen wollte, sah sie, wie ein Reichssoldat eine Schriftrolle hochhielt. Er stand auf einem Podium vor dem Palast und ein Dutzend Bürgerliche wuselten um ihn herum.
„Hiermit wird verkündet, dass Prinz Thanos die Bürgerliche Ceres heiraten wird. Auf Grundlage dieses Ehebündnisses haben sich König Claudius und die Rebellion auf einen Waffenstillstand geeinigt. Alle Bürger sind somit dazu aufgefordert, aufzugeben und sich von Oppositionsbewegungen gegen das Reich fernzuhalten, dazu zählen…“
Seine Stimme verblasste langsam, da sie um die Ecke des Gebäudes gebogen war.
Ceres raubte es für ein paar Momente den Atem, sie war wie gelähmt und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Die Hochzeit war öffentlich verkündet worden, ohne dass sie ihr Einverständnis, Thanos zu heiraten, gegeben hatte.
Ceres rannte so schnell sie ihre Beine trugen die Straße hinab. Keuchend und mit brennender Lunge flog sie an Verwüstung und Gemetzel vorbei gen Süden in Richtung des Ozeans. Der Wind schlug ihr entgegen. Sie folgte den kleinen Nebenstraßen, die in die Bucht führten, stets darauf bedacht, dass niemand ihr folgte.
Der Weg durch die steinige Küste war etwas beschwerlicher, doch Ceres raste, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, weiter in Richtung von Rexus’ Höhle. Sie sprang über Felsen von Stein zu Stein, während die Sonnenscheibe über ihr brannte und ihr den Schweiß auf die Stirn trieb. Selbst als ihre Beine sie mahnten anzuhalten und ihr Mund nach Flüssigkeit lechzte, trieb sie sich weiter an Fischern und Booten vorbei voran. Seemöwen stiegen über ihr in den blauen Himmel.
Ich werde mich ausruhen, wenn ich bei der Höhle bin, sagte sie sich selbst. Mit jedem Schritt wuchs die Aufregung in ihrer Brust. Vieles hatte sich verändert, seitdem sie Rexus das letzte Mal gesehen hatte. Eigentlich hatten sie sich nur wenige Tage nicht gesehen und doch fühlten sie sich an wie Monate. Würde alles beim Alten sein? Sie brauchte jemanden, mit dem sie ihre Trauer über ihren Bruder teilen konnte, jemanden der sie verstand.
Als sie die Höhle erreichte, stand die Sonne schon tief am Horizont. Die Höhle im Fels war ein klaffendes schwarzes Loch, das hinter Weinranken und glitschigem Moos verborgen lag. Von ein paar Spähern, die sie von den Felsen und hinter Büschen beobachteten, konnte sie niemanden sehen.
Ceres hielt notgedrungen an als einige brennende Pfeile vor ihren Füßen niedergingen. Sie blickte nach oben und wunderte sich, warum sie sie nicht erkannten.
„Ich will Rexus sehen. Nesos und Sartes sind meine Brüder! Ich gehöre zur Rebellion!“, schrie sie.
Zwei Wächter kletterten mit gespannten Bögen die Felswand hinab und kamen auf Ceres zu.
„Ich muss dich auf Waffen durchsuchen“, sagte einer.
„Ich habe ein Schwert, aber das werde ich dir mit Sicherheit nicht überlassen“, insistierte sie. Sie öffnete ihren Umhang und das Schwert ihres Vaters kam zum Vorschein.
„Dann kann ich dich nicht reinlassen“, sagte er.
Hatten sie sie nicht richtig verstanden?
„Mein Name ist Ceres und meine Brüder Nesos und Sartes gehören zur Rebellion“, sagte sie mit verärgerter Stimme. „Ich gehöre zur Rebellion. Rexus hat mich im Palast postiert und ich bin zurück, um zu berichten. Geh und frag ihn. Er wird für mich bürgen.“
„Du bist das Mädchen, das Prinz Thanos heiraten soll“, sagte der andere Wächter amüsiert.
Sie wollte keine Zeit damit vergeuden ihnen zu erklären, dass sie sich geweigert hatte Thanos zu heiraten. Rexus würde für sie bürgen, wenn sie erst einmal drinnen war.
„Geh und frag Rexus. Ich bin nun hier, um Bericht zu erstatten“ sagte sie ernst.
Einer der Wächter ging in die Höhle, während die anderen weiterhin mit gespannten Bögen auf sie zielten. Nach ein paar Minuten kam der Wächter zurück.
„Rexus will dich nicht sehen. Er hat mir gesagt, dass ich dir sagen soll, du sollst zu deinem Prinzen zurückgehen und der Rebellion fernbleiben“, sagte er.
Sie keuchte. Schmerz und Zorn machten sich in ihrem Inneren breit. Er wollte sie nicht sehen? Er glaubte, dass sie der Heirat mit Thanos zugestimmt hatte?
„Ich will ihn sofort persönlich sprechen!“, rief sie. Ihr Körper spannte sich an.
„Hau ab“, sagte einer der Wächter und stach sie mit der Spitze seines Bogens ein wenig.
Ceres erkannte, dass es sinnlos war, hier zu stehen und mit ihnen diskutieren zu wollen.
Sie drehte sich um und schlug einem der Wächter die Füße unter den Beinen weg, so dass er mit einem Rums zu Boden ging. Bevor die anderen überhaupt reagieren konnten, hatte sie ihr Schwert gezogen und ihn mit dem Schaft ihres Schwertes bewusstlos geschlagen.
Pfeile regneten auf sie nieder, doch Ceres sprintete, ohne eine Sekunde zu verlieren, in die Höhle. Sie sauste an dunkel glitzernden Wänden vorbei. Ihre Augen hangelten sich von einer Fackel zur nächsten, während sie versuchte, ihr Schwert zurück in seine Hülle zu stecken.
„Stop!“
Sie ignorierte die Rufe hinter ihr. Sie würde Rexus sehen und er würde verstehen, dass sie ihn liebte, sobald sie ihm alles erklärt hatte. Dann würde auch er ihr gestehen, sie zu lieben. Sie liebte ihn mehr als Thanos. Mehr als alle anderen.
„Rexus!“, schrie sie und rutschte beinahe auf einem der glitschigen Felsen aus.
Sie hatte das Ende des Ganges erreicht und als sie in einen größeren Raum trat, richteten sich hunderte Augen auf sie. Drohungen schlugen ihr entgegen.
„Ergreift sie!“, schrie jemand.
„Ich muss mit Rexus sprechen!“, schrie sie.
Mehrere Männer umzingelten sie und packten sie bei ihren Armen. Einer nahm ihr das Schwert ab. Es verschwand in der Menge aus Frauen und Männern.
„Rexus!“, schrie sie.
Die Menge öffnete sich und dort stand er. Sein blondes Haar leuchtete im Licht der Fackeln. Er sah so traurig aus.
„Rexus“, sagte sie mit Tränen in den Augen.
Sie wrang sich aus dem Griff der Männer frei, warf sich gegen seine starke Brust und umarmte ihn so fest, dass er stöhnte.
Nach wenigen Augenblickten bemerkte sie, dass seine Arme noch immer schlaff an seinen Seiten hingen und er ihre Umarmung nicht erwiderte. Sie trat ein wenig zurück und blickte in sein wunderschönes Gesicht. Es war so hart und kalt wie Eis.
„Ich habe dir nicht den Auftrag erteilt, Prinz Thanos zu heiraten. Du solltest das Vertrauen der Adligen gewinnen, nichts weiter“, sagte er und in seinen Augen brannte der Hass.
„Ich habe mich geweigert, ihn zu heiraten, aber die Königin hat das einfach ignoriert!“, sagte Ceres.
„Warum hat der Prinz geglaubt, dass er dich heiraten könnte? Du musst ihm Hoffnungen gemacht haben.“
Die Menge verstummte und wartete auf eine Antwort.
„Können wir vielleicht irgendwo in Ruhe reden?“, fragte Ceres.
„Nein. Ich will, dass es alle mitansehen und hören.“
„Rexus du kennst mich. Du kennst mich schon so viele Jahre! Warum tust du mir das an?“, fragte sie.
„Es muss einen Grund geben, weshalb er dich gefragt hat, ihn zu heiraten.“
„Was? Rexus, ich habe es abgelehnt!“, schrie Ceres.
„Er ist der letzte, von denen ich geglaubt hätte, dass du mich mit ihm betrügen würdest.“
„Aber ich – “ begann Ceres.
„Eine der Prinzessinnen des Palastes hat mich aufgesucht und mir erzählt, dass sie dich und Thanos im Garten der Bibliothek küssend gesehen hat“, sagte Rexus.
„Stephania?“, fragte Ceres.
Rexus’ Augen flackerten ein wenig auf, dann wurden sie weich und sie hoffte, dass er sie nun endlich anhören würde.
„Also ist es wahr?“, fragte er. Er sah etwas erleichtert aus.
„Stephania sollte eigentlich Thanos heiraten, aber als der König und die Königin nach Ideen gesucht haben, wie sie im Reich Frieden herstellen konnten, haben sie ihre Verlobung aufgelöst und – “
„Beantworte zuerst meine Frage. Hast du ihn geküsst?“, hakte er nach.
Sie sollte ihn nicht anlügen und sie konnte es schließlich erklären. Oder es zumindest versuchen.
„Ja. Aber – “
„Und, hast du es aus freien Stücken getan?“, fuhr er fort.
Sie konnte ihm nicht antworten. Sie konnte es aus vielen Gründen nicht.
Rexus verstand und nickte. Seine Nüstern weiteten sich und der Ausdruck in seinem Gesicht wurde wieder hart.
„Wie sollte ich dir dann glauben, dass du seinen Heiratsantrag abgelehnt hast? Vielleicht bist du sogar als Spionin hierher gesandt worden?“, sagte er.
„Nein!“
„Verschwinde von hier. Jeder Revolutionär soll wissen, dass Ceres für immer aus der Rebellion ausgeschlossen ist!“, sagte Rexus.
Er wirbelte herum. Doch dann hielt er inne und blickte sich noch einmal um. Er sah verwirrt aus.
„Ich dachte, du solltest es wissen. Nesos ist gefallen. Er hat sein Leben der Rebellion geschenkt, während seine Schwester mit dem Feind turtelte.“
Sie brach auf dem Boden zusammen. Der Kummer brach ihr das Herz so sorgfältig entzwei, dass sie kaum atmen konnte. Tränen raubten ihr das Augenlicht.
Als die Revolutionäre sie aus der Höhle zogen, rief sie den Namen ihres Bruders immer und immer wieder. Alles, was sie je gehabt hatte, war nun verloren.