Kitabı oku: «SchattenHaut & SchattenWolf», sayfa 7

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Nadjas Entdeckung

Die Magennerven von Kruse und Hetzer hatten sich langsam wieder beruhigt, als Mica mit der Zeugin die Eulenburg verließ. Sie winkte noch einmal, riss sich den weißen Schutzanzug ab und stopfte ihn samt Koffer ins Auto. Mica stand mit dem Heck ihres Volvos direkt vor dem historischen Gebäude. Sie verlor keine Zeit, sprang in den Wagen und fuhr zügig davon. Dabei wollte Hetzer sie noch auf den Topfinhalt angesprochen haben, seinen Vorsätzen zum Trotz. Er würde sie später anrufen.

Die junge Frau, mit der sie sich unterhalten hatte und die gleichzeitig ihre Tatortzeugin war, stand etwas verloren auf der Treppe und sah Mica nach.

Als Wolf behutsam „Sie sind Frau Serafin? Sie haben die Leiche entdeckt?“ fragte, schien er sie aus ihren Träumen zu reißen.

„Äh ja, das war einfach umwerfend!“

Hetzer und Kruse sahen sich an. Beide fanden die Ausdrucksweise ein bisschen merkwürdig.

„In der Tat umwerfend, wenn man zart besaitet ist. Geht es Ihnen nicht gut?“

Wer hatte dafür mehr Verständnis als Hetzer und Kruse?

„Mir geht es phantastisch. Ich habe noch nie ein so morbides Biotop gesehen und das auch noch vollkommen unberührt. Dass ich einmal ein Mordopfer finden würde – völlig krass!“

Peter und Wolf waren perplex. Das hatten sie noch nie erlebt. Eine so unverhohlene Begeisterung bei einer derart widerlichen Situation.

„Sie müssen mich für zweifelhaft halten“, lachte Nadja. „Es ist nur so, dass ich mich eben endgültig dafür entschieden habe, Rechtsmedizinerin zu werden. Zell- und Gewebeproben reichen mir nicht. Fälle wie diesen hier aufzuklären, das ist meine Zukunft.“

„Verstehe“, sagte Hetzer und verstand nix.

„Sehen Sie, ich bin Ärztin und habe schon Weiterbildungen in dieser Richtung absolviert. Ich scheute mich aber, ganze 60 Monate dafür zu opfern. Jetzt weiß ich, dass ich dazu beitragen möchte, solchen Schweinen das Handwerk zu legen, die Menschen brutal umbringen. Apropos Schwein. War das Opfer auch eins?“

„Wie kommen Sie darauf? Äh, ich verstehe Ihre Frage nicht.“

„Na, weil er geschlachtet worden ist wie ein Schwein. Aufgehängt und angestochen, danach alle Haare abgeflammt – überall. Fehlt nur der Bottich, in dem jemand sein Blut gerührt hätte.“

Kruse schluckte.

„Frau Serafin“, sagte Hetzer. „Nun wollen wir mal ganz von vorn anfangen. Ihre Begeisterung und Ihr Engagement für die Belange der Rechtsmedizin in Ehren. Aber wir müssen erst einmal wissen, wie sich das Auffinden der Leiche zugetragen hat.“

„Gelegentlich schreibe ich immer noch für die Schaumburger Zeitung. Das habe ich bereits während meines Studiums getan. Jetzt mache ich eher Reportagen, am liebsten historische. Die aktuelle soll von der Zeit der Hexen in Rinteln handeln. In der Woche arbeite ich momentan an der MHH in Hannover. Da ist es schwierig für mich mit den Recherchen. Ich war mit der Museumsleitung so verblieben, dass ich am Wochenende, wenn geöffnet ist, nach alten Dokumenten suchen darf. Die Ergebnisse stelle ich hinterher dem Museum zur Verfügung. Geschichte ist mein zweites Steckenpferd, wissen Sie!“

„Sie sind also die Treppe zum Boden hinaufgestiegen. Wann war das genau?“

„Das muss so gegen 14:15 Uhr gewesen sein. Ich war hier, kurz nachdem die Eulenburg aufgemacht hat, und habe dann gewartet, bis man mir den Schlüssel aushändigt.“

„Ist Ihnen bereits auf der Treppe etwas aufgefallen?“

„Der Geruch war schon kurz vor der Tür in der Luft. Ich dachte aber eher an ein totes Tier, einen Marder oder so etwas. Diese alten Dächer sind nie ganz dicht und oft ein Zuhause für unerwartete Gäste. Als ich die Tür dann aber aufgemacht habe, traf mich der Gestank wie ein Hammer.“

„Das spricht für die Qualität der Tür!“, warf Peter ein.

„Diese massiven Holztüren sind mindestens 20 cm dick. Sehen Sie sich mal das Schloss an. Ein Meisterwerk historischer Schmiede- und Schlosserkunst!“

„Als Sie die Tür geöffnet hatten, haben Sie da sofort gesehen, was passiert war?“

„Nur diffus. Es gibt dort oben ein paar Fenster, aber sie beleuchten nicht alles.“

„Dann haben Sie also Licht gemacht? Hatten Sie keine Angst?“

„Angst, wieso? Wenn eine Leiche schon stinkt, kann man doch wohl davon ausgehen, dass sich niemand anders in ihrer Nähe aufhält, oder würden Sie das tun? Ja, ich habe Licht angemacht. Ich wollte doch sehen, was da genau hing. Wären Sie nicht neugierig gewesen?“

Hetzer überging die Frage.

„Haben Sie noch etwas anderes berührt? Ich meine, außer dem Lichtschalter? Überlegen Sie genau. Das ist wichtig für die Ermittlungen.“

„Sie müssen mich für dämlich halten. Natürlich habe ich nichts angefasst. Das sieht man doch in jedem Tatort. Den Lichtschalter habe ich übrigens mit dem Schal betätigt. Ich ahnte ja schon, dass da kein Tier hängt. Es hätte natürlich auch Selbstmord sein können, aber sicher ist sicher.“

Kruse war genervt durch die selbstgefällige Art der jungen Frau. Er fragte:

„Wieso hat es dann noch eine halbe Stunde gedauert, bis Sie uns angerufen haben?“

Nadja Serafin antwortete nicht gleich. Die Frage war ihr unangenehm.

„Sie werden das nicht verstehen. Ich habe beobachtet. Den Körper, die Versengungen, die Narben, den Stich, die Maden.“

Bei diesen Worten musste Hetzer wieder an seinen Topf denken und war sich jetzt ganz sicher, dass er etwas mit dem Fall zu tun hatte. Fleisch mit Maden wie hier. Er hätte schwören können, dass die Ratte auch vielleicht von einer Katze erlegt worden war, aber dass sie bestimmt jemand anders auf seiner Fußmatte drapiert hatte.

„Wenn Sie keine Ärztin wären, würde ich Sie für gestört halten. In Ihrem Fall kann ich das Interesse sogar ansatzweise verstehen. Dumm ist nur, dass Sie eventuelle Fußspuren durch Ihre ,Beobachtungen’ zerstört haben.“

„Das wird sich in Grenzen halten. Ich habe den Mann durch das Zoomobjektiv meiner Kamera betrachtet. Ich bin also gar nicht so dicht rangegangen.“

Mist, dachte Nadja, ich hab mich verplappert. Jetzt kassieren sie die Kamera samt Bildern ein.

„Wo ist denn das gute Stück jetzt? Haben Sie auch Bilder gemacht?“

„In meiner Hosentasche und ja, ich habe ein paar Mal abgedrückt.“

„Dann darf ich Sie bitten, uns die Kamera zu überlassen. Sie bekommen sie dann später wieder – ohne die Tatortfotos.“

Nadja fluchte innerlich, zog aber die Digicam aus der Tasche und händigte sie Hetzer aus.

„Haben Sie noch irgendwelche Beobachtungen gemacht? Etwas, das Ihnen komisch vorkam?“

„Ich hatte nur so einen Gedanken. Wenn ich es richtig gesehen habe, dann fehlte dem Herrn ein entscheidendes Detail.“

„Dazu können wir Ihnen aus ermittlungstechnischen Gründen keine Auskunft geben.“

„Ok, aber mal angenommen, es wäre so. Bei Schweinen – um mal bei dem Bild zu bleiben – entfernt man den jungen Ebern nur die Hoden. Allgemein wird doch bei Kastrationen im Tierreich das männliche Glied belassen, wo es ist. Hier war aber keins. Warum?“

„Sagen Sie mir, warum.“

„Er sollte kein Mann mehr sein – nicht nur hormonell, sondern auch optisch.“

„Ah, meinen Sie“, Hetzer streckte sich. „Vielen Dank, Frau Serafin. Wir müssen hier noch weitere Befragungen vornehmen. Ich gebe Ihnen hier meine Karte. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, möchte ich Sie bitten, mich anzurufen.“

Als Kruse und Hetzer ihre Befragungen in der Eulenburg beendet hatten, war die Spurensicherung immer noch nicht fertig.

Wolf kam eine Idee. Er kannte den rothaarigen Seppi schon aus früheren Ermittlungen.

„Hör mal, Seppi?“, fragte er an der Tür zum Dachboden.

Der Gestank war immer noch ekelerregend.

„Ich hab da ein Problem. Parallel zu den Morden in Hameln und auch hier sind mir Dinge vor die Tür gelegt worden, die eventuell in Zusammenhang mit den Delikten stehen könnten. Das habe ich aber jetzt erst erkannt, weil die Leiche von Benno Kuhlmann gewisseÄhnlichkeiten mit der von Pfarrer Fraas aufweist. Könntest du einen Topf Gulasch aus meiner Mülltonne mit untersuchen? Ist aber nicht lecker.“

Seppi, der immer gut gelaunt war, hielt sich den Bauch vor Lachen. Wolf war in dieser Umgebung überhaupt nicht zum Lachen zumute.

„Hast du etwas zu lange gekocht? Oder etwas Gekochtes zu lange stehen gelassen? Probieren will ich es aber nicht.“

„Mensch Seppi, du sollst es nur untersuchen. Was da für Maden drin sind, was es für Fleisch ist und so. Ob DNA-Spuren des Kochs zu finden sind, am Topf vielleicht. Du würdest mir echt einen Gefallen tun.“

„Na gut, Wolf, klingt verlockend. Ist schon ein echt spezieller Gefallen, aber ich fahre nachher bei dir vorbei. Wo steht denn die Tonne? Ich meine, falls du nicht zu Hause bist.“

„Meine Kate wird schwer bewacht. Klingel bitte bei meiner Nachbarin, Moni Kahlert. Sie zieht dir die Tonne an die Straße.“

„Wird gemacht. Ich rufe dich dann später an. Heute werde ich es aber wahrscheinlich nicht mehr schaffen.“

„Dank dir“, sagte Hetzer und stieg die Stufen wieder hinab.

Kruse stand in der Herbstsonne und hielt sein Gesicht mit geschlossenen Augen in die Wärme.

„Herrlich, Hetzer. Wenn der da oben nicht wäre, könnten wir glatt im ,Stadtkater’ oder in der Eisdiele am Marktplatz einen Kaffee trinken.“

„Vergiss es. Wir haben eine andere Aufgabe. Und die bringt eher Wolken. Marga Kuhlmann muss wissen, dass ihr Mann nicht mehr lebt.“

„Theoretisch kommt es da aber auf eine halbe Stunde nicht an.“

„Nix da, lass es uns hinter uns bringen. Wenn du willst, können wir nachher zusammen kochen. Ich nehme an, du hast heute keine Lust, noch nach Hameln zu fahren und die Haushälterin zu befragen?“

„Bist du irre? Irgendwann muss ich mich auch mal erholen. Das kann doch nun wirklich bis morgen warten.“

Die Sonne stand schon merklich tiefer, als sie vor Marga Kuhlmanns Haustür standen. Für Hetzer war es auch nach Jahren immer noch unverständlich, wie Personen Gesichter lesen konnten. Besonders, wenn sie schlechte Nachrichten übermittelt bekamen. Oftmals waren Worte überflüssig. Marga wurde einfach bleich, als Kruse und Hetzer diesmal vor ihrer Tür standen. Sie fing an zu weinen und ging voraus. Mit einem Mal war dieses Haus verändert. Die Gardinen, das Licht, das hineinfiel, die Möbel, der Duft. Es gehörte jetzt einer einsamen Witwe, die nicht gelernt hatte, dass es nicht ausreichte, nur der kleine Teil eines Ganzen zu sein.

Der Mantel

Wer in den Tagen der frühen 80er-Jahre im Weserbergland oder dem Schaumburger Land etwas auf sich hielt, fuhr in die größeren Städte zum Einkaufen.

Susis Eltern hatten sich einen Wintermantel mit Hirschhornknöpfen für Susi vorgestellt – einen echten englischen Dufflecoat. Den fand Susis Mutter einfach ganz entzückend für ihre Tochter. In rot oder dunkelblau. Ein Marathon durch Hertie, Mäntelhaus Kaiser, C&A und etliche weitere Geschäfte in Hannover begann. Susi hasste Hirschhornknöpfe. Die Geweihe gefielen ihr auf den lebenden Tieren viel besser und sie hasste diese Art von Wollmantel überhaupt. Kratzig und steif wie die Dinger waren, konnte sie sich schon bei der Anprobe nicht in ihnen bewegen. Und bewegen wollte sich Susi immer. Vor allem draußen, auch im Winter. Es war schon schlimm genug, dass Mutter ihr immer diese Fellmützen aufsetzte, die unten mit Bommeln zugeknotet wurden. Wie ein Schneeball sah ihr Kopf dann aus. Aber da konnte sie sich immerhin vorstellen, sie sei ein Eskimo auf einem Hundeschlitten.

Als Susi nach dem neunten Dufflecoat immer noch etwas auszusetzen hatte, wurde Mutter langsam ärgerlich. Sie waren zu groß, zu weit, zu klein, zu rau, zu irgendwas. Da entdeckte Susi IHN auf einem Bügel. Dunkelbeige aus Steppstoff mit gesticktem Muster, innen dunkelbraunes Fell, das um Ärmelenden und Kapuze herumgezogen war. In der Mitte einen Reißverschluss. Bevor irgendjemand etwas sagen konnte, hatte Susi den Mantel angezogen und sagte: „Bitte, ich möchte diesen Mantel.“

„Ach“, rief Mutter, „der ist doch schon fast zu klein.“

„Wir haben ihn auch noch eine Nummer größer!“, antwortete die Verkäuferin.

„Eigentlich möchten wir aber einen Dufflecoat.“

„Nein, Mama, bitte nicht. Den oder keinen. Ich möchte auch nichts zu Weihnachten.“

„Ach Susi, lass uns erst einmal noch weitergucken.“

Nach Dufflecoat Nummer siebzehn fing Susi an zu weinen. Es konnte keinen anderen Mantel für sie geben als den, in den sie sich verliebt hatte. Ein echter Eskimomantel. Warm, weich, zum Rumspringen und Elche jagen. Oder Rentiere. Zum Eisfischen und Hundeschlittenrennen war er wie gemacht.

Und dieses eine Mal gaben Vater und Mutter nach. Schweren Herzens kauften sie ihrer Tochter einen Mantel, der sich von dem ihrer Vorstellungen so sehr unterschied wie der Sommer vom Winter.

Susi war an jenem Tag der glücklichste Mensch auf der Welt.

Das Witwenhaus

Hetzer und Kruse begleiteten Marga Kuhlmann ins Wohnzimmer. Wortlos deutete sie ihnen an, Platz zu nehmen.

„Wo ist er? Wo haben Sie ihn gefunden? Wie ist er gestorben?“, fragte sie mit leiser Stimme.

„Das können wir Ihnen noch nicht genau sagen, Frau Kuhlmann. Es ist auf jeden Fall durch Fremdeinwirkung geschehen. Einen Selbstmord oder einen Unfall können wir ausschließen. Wir möchten Sie bitten, eine Liste seiner Freunde und Bekannten zu erstellen. Vielleicht ergibt sich darüber die Möglichkeit, noch etwas über den Fremden aus dem ,Stadtkater’ zu erfahren. Er war der letzte Kontakt Ihres Mannes, soweit wir wissen. Der Kellner hat die beiden im Lokal gesehen. Danach verliert sich jede Spur. Wir wissen auch nichts über den zwischenzeitlichen Aufenthaltsort Ihres Mannes. Ich meine, wo er in den Tagen zwischen seinem Verschwinden bis zu seinem Tod gewesen ist. Wir können momentan noch nicht einmal sagen, wie viele das gewesen sind, in denen er versteckt oder gefangen gehalten wurde. Er ist heute Nachmittag in der Eulenburg gefunden worden.“

„In der Eulenburg? Wieso wissen Sie nicht, wie lange er vermisst wurde? Das verstehe ich nicht. Ich habe Ihnen doch genau gesagt, wann er nicht nach Hause kam.“

„Das haben wir auch protokolliert, Frau Kuhlmann. Ihr Mann ist aber nicht heute und auch nicht in der letzten Nacht gestorben.“

Marga Kuhlmann holte tief Luft und schien auf dem großen Sofa noch zu schrumpfen.

„Wollen Sie mir sagen, dass Benno schon längere Zeit in der Eulenburg lag? Und niemand hat ihn gesehen?“

„So ungefähr.“

„Was heißt so ungefähr, meine Herren? Würden Sie mir jetzt bitte genau sagen, was passiert ist? Ich muss es doch wissen und ich werde es sowieso erfahren.“

„Bitte entschuldigen Sie, Frau Kuhlmann. Wir möchten Ihnen nur einfach ein paar unangenehme Details ersparen. Die Nachricht vom Tod Ihres Mannes ist schon schlimm genug.“

Marga Kuhlmann setzte sich ganz aufrecht hin und legte das Taschentuch zur Seite.

„Damit ich irgendwann verstehen kann, warum Benno starb und warum er so starb, muss ich wissen, wie er starb. Bitte nehmen Sie keine Rücksicht. Ich muss ihn ja ohnehin noch identifizieren.“

„Das müssen Sie nicht, Frau Kuhlmann. Mein Kollege Kruse kannte Ihren Mann. Dieser Gang bleibt Ihnen erspart. Sie sollten Ihren Mann so in Erinnerung behalten, wie Sie ihn kannten, als er noch lebte.“

„Dann war er also schlimm zugerichtet!“

„Wenn Sie darauf bestehen, werde ich Ihnen in groben Zügen erklären, was wir bis jetzt wissen.“

„Bitte, Herr Hetzer, meine Gedanken werden sich sonst die schlimmsten Dinge ausmalen und die Ungewissheit ist grausamer, glauben Sie mir. Als ich ein junges Mädchen war, ist meine Katze verschwunden. In den Nächten der folgenden Jahre ist sie auf jede nur erdenkliche Art in meinen Träumen gestorben, misshandelt und umgebracht worden.“

„Hier haben wir es aber mit einem Menschen zu tun und mit der Realität. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen einen Gefallen tue.“

„Wenn Sie es mir nicht sagen wollen, dann habe ich andere Möglichkeiten, es herauszufinden. Mein Mann hatte bedeutende Persönlichkeiten in seinem Bekanntenkreis – auch bei der Polizei.“

„Gut, Frau Kuhlmann, dann werde ich Ihnen sagen, was wir wissen. Ihr Mann muss einige Tage gefangen gehalten worden sein. In dieser Zeit ist er operiert worden. Man hat ihm seine Geschlechtsorgane entfernt.“ – Marga schlug sich die Hand vor den Mund. – „Soweit wir das in seinem Zustand erkennen konnten, hatte er neben der Halsstichwunde auch noch eine weitere Narbe im vorderen Halsbereich. Ihr Mann hing kopfüber an einem Balken auf dem Dachboden der Eulenburg. Durch die Halswunde ist er vermutlich verblutet. Die Obduktion steht aber noch aus. Zusätzlich weist seine Haut Brandspuren auf. Die Körperhaare fehlen komplett.“

Marga Kuhlmann holte tief Luft.

„Dann ist mein Mann einem Sexualverbrechen zum Opfer gefallen?“

„So würde ich das nicht nennen. Ich glaube nicht, dass der Täter sexuelle Handlungen an Ihrem Mann vorgenommen hat. Wenn es sich um ein und dieselbe Person handelt, die ihn gefangen genommen und getötet hat, dann würde ich eher davon ausgehen, dass derjenige Benno Kuhlmann der Männlichkeit berauben wollte. Dafür könnte es dann mehrere Gründe geben. Möchten Sie uns jetzt vielleicht den Namen seiner Geliebten nennen?“

„Mich hat es nie interessiert, mit wem er sich traf. Ich hätte das aufgrund seiner politischen Aktivitäten sowieso nicht kontrollieren können. Neulich hat mir eine Freundin gesagt, dass sie seinen Wagen oft vor einem Haus am Dingelstedtwall gesehen hat. Aber das hat mich nicht interessiert. Vielleicht wohnt da auch ein Parteibruder.“

„Wir prüfen das. Schreiben Sie uns doch bitte die Adresse auf. Vielen Dank.“

„Wenn Sie erlauben, würde ich jetzt gerne allein sein.“

„Das verstehen wir, Frau Kuhlmann.“ Peter drückte ihr die Hand. „Es tut uns sehr leid.“

Als Hetzer und Kruse wieder an der frischen Luft waren, mussten sie erst mal tief durchatmen. Wie Blei lastete dieser Sonntagnachmittag auf ihnen. Auch hier draußen hatte sich der Himmel bezogen.

„Kommst du nun noch mit zu mir zum Essen?“, fragte Hetzer.

„Och nö, du. Das ist echt nett von dir, aber ich sehe dich morgen früh schon wieder. Manchmal bin ich auch gern allein. Ich hole mir auf dem Weg eine Currywurst und vielleicht ein paar Pommes.“

„Wie du meinst, bei mir gibt es Nudeln in Gorgonzolasoße mit Feigen. Aber wenn du Fastfood vorziehst ...“

Kruse lachte und tippte sich an die Stirn.

„Na dann, guten Appetit! Hauptsache, es ist kein altes Gulasch.“

„Du Idiot!“, sagte Hetzer und verzog angewidert das Gesicht. Er dachte, dass er für einige Zeit ganz bestimmt kein Gulasch essen würde, auch wenn sein Bœuf bourguignon eine ganz besondere Delikatesse war.

Sonntagabend

Als Hetzer nach Hause kam, sah er erleichtert, dass die Mülltonne schon an der Straße stand. Ein Glück, das scheußliche Zeug war aus seiner Tonne verschwunden. Dafür warf er jetzt die Overalls hinein und zog die Tonne wieder auf den Hof. Irgendwie fühlte er sich durch diese ungewollte Gabe bedroht. Jemand war auf sein Grundstück gekommen und hatte ihm schaden wollen. Und dieser Jemand war in seine Privatsphäre eingedrungen. Gaga stand längst am Tor, als er den Wagen in der Garage geparkt hatte. Emil machte hinter seinem Zaun einen langen Hals und schlug mit den Flügeln. Er hatte sich einen ganz besonderen Begrüßungston angewöhnt. Man hätte das sanfte Gackern fast „Gurren“ nennen können.

Weil es mittlerweile dämmerte, war es wohl am besten, wenn er den Ganter gleich in den Stall brachte. Dann musste er später nicht noch einmal raus. Sobald die Sonne unterging, wurde es jetzt schon empfindlich kalt. Nachdem sich vorhin erste Wolken gezeigt hatten, sah es jetzt so aus, als ob es bald regnen würde.

„Komm, Emil, mein Guter. Willst du ein paar Körner? Put, put, put“, lockte er das Tier in den Stall, füllte Wasser nach und machte die Wärmelampe an. Dann kraulte er Emil zwischen den Flügeln und an der Brust. Er streckte sich vor Vergnügen.

Aus dem großen Sack füllte er mit einer Schütte das Körnergemisch in Emils Napf. Sofort ließ dessen Interesse an ihm nach. Hetzer lachte und sagte: „Da seid ihr alle gleich. Wenn es ums Fressen geht, bin ich abgeschrieben.“

Gaga wartete vor dem Stall. „Ja, du auch! Von wegen treue Seele. Alle korrupt.“

Mit diesen Worten ging er zufrieden schmunzelnd durch den Hauswirtschaftsraum ins Haus. Es waren eben Tiere und das sollten sie auch bleiben dürfen. Sein Magen sagte ihm, dass er auch essen wollte. Da fiel ihm der Topf wieder ein. Er vermutete, dass dessen Inhalt einmal Benno gehört hatte. Ein unteres, delikates Stück Benno. Gut, dass es heute kein Fleisch bei ihm gab. Wahrscheinlich würde er in den nächsten Tagen eher Fisch oder vegetarisch essen. Wenigstens bis er wusste, ob seine Vermutung richtig war. Nach einem Abend ohne besondere Vorkommnisse schlief Wolf friedlich ein. Dazu hatten auch das Nudelgericht und der Weißwein ihren Beitrag geleistet.

Mitten in der Nacht schreckte er plötzlich hoch. Er musste wieder geträumt haben. Aber das Einzige, woran er sich noch erinnerte, war ein riesengroßer, haarloser Säugling mit den Gesichtszügen eines alten Mannes. Etwas stimmte an dem Bild nicht. Doch er wusste nicht was, weil es längst verblasst war.

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Litres'teki yayın tarihi:
25 mayıs 2021
Hacim:
575 s. 9 illüstrasyon
ISBN:
9783827198884
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