Kitabı oku: «SchattenSchnee», sayfa 4
Ein neuer Tag
Der nächste Morgen begann nicht für jeden aus dem Team gleich.
Während Nadja und Wolf übernächtigt aus den Federn gestiegen waren, hatte Peter wie ein Baby geschlafen. Auch Niklas und Nadine konnten auf eine gute Nacht zurückblicken. Sie hatten zwar noch lange über den Fall gerätselt, waren dann aber Arm in Arm in Löffelchenstellung eingeschlafen, aus der sie in den Morgenstunden genauso wieder aufwachten.
Moni schlief in Todenmann derzeit sowieso schlecht. Ohne Wolf an ihrer Seite fühlte sie sich nicht wohl. Die Geborgenheit fehlte. Am meisten jedoch störte sie die Stille. Wenn ihr Verlobter nicht an ihrer Seite schnarchte, schreckte sie oft aus dem Tiefschlaf hoch. Glücklicherweise hatte sie die Hunde Leo und Ole überreden können, rechts und links neben ihrem Bett in komfortablen, viskoelastischen Körbchen zu schlafen. Das sorgte für die notwendige Geräuschkulisse und milderte die Einsamkeit. Wie sehr freute sie sich auf Weihnachten, wenn Wolf endlich wieder nach Hause kommen würde.
In Kleinenbremen stand Peter Kruse unter der Dusche, während sich seine Nadja einen Kaffee eingoss und ein paar Brote schmierte. Sie wusste nicht, wie lang der Tag im Institut werden würde. Aber sie wollte vorbereitet sein, wenn er mehr Zeit in Anspruch nahm.
„Schatz, was gibt’s denn heute Abend zu essen?“, rief Peter von oben, während er sich die Haare abrubbelte.
„Was auch immer du Gesundes kochst“, erwiderte Nadja und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Ich erinnere dich, dass heute unser vegetarischer Tag ist. Bestimmt bin ich länger im Institut als du auf der Dienststelle. Lass dir was Schönes einfallen.“
„Scheiß Körner- und Salatfresserei“, schimpfte Peter oben vor sich hin, aber er musste durchhalten. Er hatte zähneknirschend zugestimmt, als sie sich auf einen fleischfreien Tag geeinigt hatten. Zwei waren überhaupt nicht infrage gekommen.
„Mach doch einen Auflauf“, schlug Nadja vor, der das Fluchen nicht entgangen war.
„Wie soll ich denn Moussaka ohne Fleisch machen?“, stöhnte Peter und kam in die Küche. „Das schmeckt doch nach nix.“
„Doch, lass einfach das Hack weg“, sagte Nadja. „Es hat genug Pfiff durch die Zutaten und dann noch die Käsekruste. Alles perfekt.“
„Das ist wie Sahneheringstopf ohne Heringe“, meckerte Peter weiter. „Isst du da auch nur die Soße und das Gestrüpp aus Zwiebeln und Gurken?“
„Hmm, darauf hätte ich auch mal wieder Appetit, aber bitte mit Kartoffeln“, bat Nadja.
„Ohne Fisch?“, fragte Peter erschrocken.
„Nein, natürlich nicht. Fisch ist immer erlaubt“, erwiderte Nadja. „Ist ja in dem Sinne kein Fleisch.“
Peter tickte sich an die Stirn. „Du legst dir das auch so zurecht, wie es dir passt. Nur weil die Viecher keine Beine haben, ist ihr Fleisch kein Fleisch.“
„Bitte schneid noch zwei frische Äpfel rein“, sagte sie und überhörte sein Geleier, obwohl sie es nur mühsam unterdrücken konnte, ihn darauf hinzuweisen, dass sie auch keine Lungen, sondern Kiemen hatten, dass sie unter Wasser lebten und sich anders als Landtiere ernährten.
„Manchmal kannst du ganz schön penetrant sein“, behauptete Peter. „Ich weiß auch nicht, ob Moussaka mit Äpfeln anstatt Hack schmeckt.“ Er grinste frech.
Aber Nadja schüttelte nur den Kopf, gab ihm einen Kuss und verschwand mit ihrer Brotdose in Richtung Agaplesion.
Im Vehlener Großklinikum war Rechtsmediziner Enno schon bei der Arbeit und runzelte die Stirn, als Nadja durch die Tür kam.
„Ich kapiere immer noch nicht, was es mit dieser Gebärmutter auf sich hat“, sagte er.
„Meinst du, weil der Blutwert eine Schwangerschaft anzeigt, wir aber keinen Embryo gefunden haben?“, hakte Nadja nach.
„Ja“, erwiderte er, „ich habe sogar schon in den Eileitern nachgesehen und im Bauchraum, falls sich was verirrt hat, aber: Fehlanzeige!“
„Ah, da hast du mir echt was abgenommen. Genau diese Idee hatte ich heute Nacht auch. Das war das Erste, womit ich heute Morgen beginnen wollte, mit der Suche nach dem Fötus.“
„Wir haben keinen“, bestätigte Enno noch mal, „umso verwunderlicher, weil es weitere Schwangerschaftsanzeichen gibt.“
„Welche?“, erkundigte sich Nadja verwundert.
„Laktation“, erklärte Enno. „Ich konnte Milch aus den vergrößerten Brustdrüsen drücken. Außerdem erkenne ich eine Dunklerfärbung der Warzen und Höfe. Normalerweise sind die bei diesem Hauttyp heller. Aber Letzteres ist eher eine Theorie. Ich habe es trotzdem schon oft bei Schwangeren gesehen. Ebenso verändert sich der Gesichtsausdruck, aber das ist wissenschaftlich nicht untermauert.“
„Okay, nehmen wir mal an, sie war schwanger. Der Fötus könnte kürzlich abgegangen sein.“
Enno schüttelte den Kopf. „Das müsste ja kurz vor dem Tod geschehen sein. Dann hätten wir das im Inneren des Uterus gesehen. Plazentareste, dickere Schleimhaut, Vergrößerung, zumindest marginal, wenn sie noch am Beginn der Gravidität war.“
Nadja seufzte. „Gut, dann schauen wir erst mal nach, was das Labor herausgefunden hat.“
„Mache ich“, versprach Enno. „Nimm du dir ruhig erst einen Kaffee, ich habe schon welchen gekocht.“
Kurze Zeit später kam er wieder. Nadja fragte sich, was aus seinem Gesicht zu lesen war. Er wirkte betroffen.
„Was ist?“, erkundigte sie sich.
„Ich glaube, ich habe da was höchst Interessantes für dich.“
„Das will ich hoffen.“
„Wir hatten uns doch beide gewundert, warum die Gebärmutter unserer aktuellen Toten herausgetrennt, aber im Bauchraum belassen worden ist. Schöne Naht drüber und fertig. Stimmt’s?“, fragte er rhetorisch.
Nadja nickte.
„Aber auf eine Sache sind wir überhaupt nicht gekommen, nämlich, dass das Organ nicht ihr gehören könnte“, fuhr Enno weiter fort.
„Was? Das gibt’s ja nicht“, staunte Nadja. „Sagt das der Genabgleich? Nee, damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Warum macht denn jemand so was?“
„Keine Ahnung“, kam es von Enno. „Auf diese Weise ist es jedenfalls nicht verwunderlich, wenn sich trotz erhöhter HCG-Werte kein Embryo in der Gebärmutter befand.“
„Okay, lass uns mal fantasieren“, überlegte Nadja laut. „Wir haben eine Frau, die ein Fortpflanzungsorgan in sich trägt, das nicht ihr eigenes ist. Warum? Und wo ist ihr eigenes oder hatte sie nur einfach kein funktionierendes? So etwas gibt es ja auch, aber dann wäre sie nicht schwanger gewesen. Also: Man hat ihren eigenen graviden Uterus entfernt, aber warum lag der einer anderen Frau in ihr?“
„Ein inoffizieller Abort? Vielleicht gegen Geld? Niemand sollte von der Schwangerschaft erfahren? Du denkst, es könnte bei einem heimlichen Eingriff etwas schiefgelaufen sein?“
„Das würde zumindest erklären, warum man sie so liebevoll in den Park gebettet hat“, sagte Nadja.
„Ist romantisch, aber unlogisch“, meinte Enno.
„Inwiefern?“
„Warum sollte man ihr die Gebärmutter mit Fötus entfernen und eine andere ohne Kind einsetzen?“, wollte Enno wissen. „Ein einfacher Schwangerschaftsabbruch hätte es da auch getan.“
„Vielleicht war sie doch schon zu weit“, überlegte Nadja laut, „aber ich muss dir recht geben. Dann wäre immer noch eine illegitime Beendigung der Gravidität möglich gewesen.“
„Denkst du an eine Art Engelmacher oder an einen Trank aus Sadebeeren?“, erkundigte sich Doktor Enno Liebermann.
„So in etwa“, bestätigte Nadja. „Oder sie hat gerade ein Kind verloren, was die Gebärmutter geschädigt hat, weswegen sie eine neue brauchte.“
Enno schüttelte den Kopf. „Dann hätte man das Organ doch wenigstens festgenäht, aber dafür ist trotzdem der Hormonwert zu hoch. Wäre der Fötus abgegangen, hätte es vorab schon einen Abfall der HCG-Konzentration gegeben.“
„Stimmt“, gab Nadja zu, „es ist noch zu früh am Tag. Ich hatte einen Denkfehler. Es würde auf die Art nur einen Sinn machen, wenn wir eine andere Gebärmutter – chirurgisch einwandfrei transplantiert – mit einem Kind in ihr gefunden hätten, aber so etwas ist wiederum völlig unmöglich.“
„So oder so wird kein Schuh daraus“, stöhnte Enno. „Die Intention des Täters liegt vollkommen im Dunklen.“
„Leider“, bedauerte Nadja. „Es ist einfach nur pervers. Wer stiehlt einer Frau das ungeborene Kind und gleichzeitig die Möglichkeit, jemals wieder schwanger zu werden?“
„Einer, dem ihr Weiterleben augenscheinlich so oder so egal war“, vermutete Enno. „Darum liegt sie bei uns auf dem Tisch.“
„Ich war bisher immer von einem unglücklichen Versehen, einem Kunstfehler oder Ähnlichem ausgegangen“, erklärte Nadja. „Verstehe ich dich richtig, dass du pure Absicht vermutest? Jemand wollte TEILE von ihr?“
„Genau!“
„Das glaube ich nicht“, wandte Nadja ein. „Erstens spricht die Auffindesituation dagegen. Als Ersatzteillager hätte man sie irgendwo in einen Container oder auf die Müllkippe schmeißen können. Und, was noch viel entscheidender ist: Derjenige hätte sich garantiert keine Schwangere ausgesucht, wäre es nur darum gegangen, jemandem eine intakte Gebärmutter einzusetzen. Das ist ja überhaupt erst seit Kurzem möglich.“
„Möglicherweise hat der Täter das weder geahnt noch bemerkt, und die Frau konnte es ihm auch nicht mehr sagen, dass sie guter Hoffnung ist“, schlug Enno vor.
„Das wiederum spräche gegen ein Projekt, das aus finanziellen Gründen zustande gekommen ist. Wir haben hier dann keine gut bezahlte Prostituierte oder Lebendspenderin vor uns. Das hätte übrigens auch genetisch passen müssen. Woher sollte der Täter so etwas wissen? Eine Abstoßungsreaktion wäre vorprogrammiert.“
„Also Entführung? Würde dann auch keinen Sinn machen.“
„Trotzdem. Wir spielen es mal durch“, sagte Nadja. „Das Opfer wird gekidnappt. Nehmen wir mal an, es wird sofort betäubt oder gleich narkotisiert und dann geknebelt und gefesselt. Frage: Hat man sie bewusst nach genetischen Gesichtspunkten ausgesucht oder nach Optik?“
„Das ist erst mal nicht relevant“, meinte Enno. „Sprich einfach weiter, wie dir der Schnabel gewachsen ist. Nur so funktioniert Brainstorming.“
„Also gut“, fuhr Doktor Nadja Serafin fort. „Man hat sie für die OP vorbereitet und den Bauchraum eröffnet. Dabei müsste man die Vergrößerung des Organs gesehen haben, den auch eine noch nicht allzu weit fortgeschrittene Schwangerschaft verursacht. Man hätte den Uterus also niemals entfernt. Das würde sonst lebensbedrohliche Blutungen verursacht haben. Wir hätten sie im Park also entweder gar nicht gefunden, weil man sie einfach wieder zugenäht hätte, oder man hätte sie zwar verblutet, aber ohne Gebärmutter dort gefunden.“
„Wie wir es drehen und wenden, für das fremde Organ gibt es keine Erklärung“, stimmte Enno zu.
Nadja seufzte. „Warten wir also die anderen Untersuchungen ab. Vielleicht bringen die uns weiter.“
Weitere Erkenntnisse
Kurz vor 13 Uhr fuhr Wolf Hetzer mit seinem Elektrorolli bergab in Richtung Ulmenallee. Die diensthabenden Kommissare hatten sich zur Lagebesprechung verabredet und ihn dazugebeten. Wenn er ehrlich war, hätte er sich nach den anstrengenden Morgenübungen mit seinem Therapeuten am liebsten hingelegt, aber so etwas wollte er gar nicht erst anfangen. Damit begann die Verweichlichung. Außerdem wollte er sich keine Blöße geben. Der alte, versehrte Knacker würde pünktlich vor Ort sein, um nichts zu verpassen. Er konnte halt nicht aus seiner Haut. Der Fall interessierte ihn, weil er so ungewöhnlich war. Hätte einfach einer den anderen erschlagen, könnten sie gerne ohne ihn ermitteln. Vorsichtig passierte er den Fußgängerüberweg an der Herminenstraße und rollte kurze Zeit später an der Grundschule am Harrl vorbei. In den Klassen war noch Betrieb.
Zwei Minuten vor eins stand er oben im Flur vor dem Besprechungsraum und klopfte. Sie hatten schon auf ihn gewartet und freundlicherweise nicht ohne ihn begonnen. Gegen 14 Uhr wollte die Rechtsmedizin hinzustoßen, um weitere Ergebnisse zu präsentieren, die dann auch gleich erörtert werden sollten.
Wolf Hetzer staunte nicht schlecht über die Geschichte mit der fremden Gebärmutter, konnte sich aber auch keinen Reim darauf machen. Die Sache war bizarr. Entweder hatten sie es mit einem Verrückten zu tun oder sie verstanden einfach noch nicht, worum es ging.
„Wisst ihr denn inzwischen, wer die Tote ist?“, fragte er ins schweigsame Grübeln hinein. Jeder hing irgendwie seinen Gedanken nach.
„Nein, wir haben leider noch keine Ahnung“, gab Nadine zu. „In unserer Vermisstendatei gibt es niemanden, der so aussieht, aber ich werde später noch via Interpol suchen, auch wenn ich mir davon nicht viel verspreche.“
„Kann man nie wissen“, wandte Wolf ein. „Was Neues wegen der Schrift?“
Niklas stöhnte. „Wir haben uns an ein paar Sätzen versucht, die man aus den Anfangsbuchstaben konstruieren könnte, kommen aber zu der Erkenntnis, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist.“
„Da gehört wirklich schon was dazu, so ein großes Bauchorgan herauszutrennen“, bemerkte Wolf. „Hat sich Nadja schon dazu geäußert, ob die Entnahme pro
fessionell oder stümperhaft erfolgt ist?“
„Das müssen wir sie gleich unbedingt fragen“, sagte Peter und nickte. „Danke, Wolf! Siehst du, wie gut, dass wir dich dabeihaben. Daran haben wir noch nicht gedacht, weil uns die Tatsache als solche zu schaffen macht. Wer tut so etwas?“
Wolf fühlte sich wider Willen geschmeichelt. „Jemand, der einen guten Grund dafür hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Vorgehen für den Verursacher keinen Sinn hat. Es muss etwas dahinterstecken, was sich uns jetzt momentan noch nicht erschließt. Wie ein Bild, das wir nicht verstehen. Ihr seht doch, dass er sich unglaubliche Mühe mit dieser Frau gegeben hat, fast als bereute er die Tat im Nachhinein oder hat sie nicht freiwillig begangen.“
„Also, ich würde mir von keinem sagen lassen, dass ich jemandem ein Organ herausnehmen soll“, konterte Peter. „Wie meinst du das von wegen freiwillig?“
„Nicht wörtlich, Peter“, erklärte Wolf, „eher so, als ob einer dazu getrieben wird und gar nicht anders kann. Nach Erreichen seines Ziels gibt er alles, um das, was passiert ist, wieder ungeschehen zu machen. Fast so, dass alles oder noch schöner ist als vorher.“
„Puh“, kam es von Detlef. „Haben wir dann noch mehr solche versehrten Flügelwesen zu erwarten, weil derjenige immer wieder dazu getrieben wird? Das ist doch die Frage.“
„Wenn die Unternehmung einem bestimmten Zweck gedient hat, der jetzt erfüllt ist, könnte es die einzige Tat bleiben. Möglich ist alles“, konstatierte Wolf. „Wer will das wissen?“
„Wer will was wissen?“, kam es von der Tür. Nadja lehnte im Rahmen und grinste. „Ich sehe, ihr braucht mich für weitere Erkenntnisse, weil ihr auf der Stelle tretet.“
„Du sagst es“, antwortete Peter und seufzte. „Setz dich, ich hole dir einen Kaffee. Ich hoffe, du kannst Licht ins Dunkel bringen.“
„Das kann ich natürlich nicht garantieren, aber ich habe ein paar beachtenswerte Neuigkeiten, würde ich sagen“, antwortete Nadja. „Ob ihr damit was anfangen könnt, müsst ihr selbst entscheiden. Das Organ, das wir im Unterleib der Frau gefunden haben, war, wie ihr bereits seit meinem Anruf wisst, nicht ihr eigenes.“
„Kurze Frage“, bat Wolf, „ich will dich nicht lange unterbrechen. Wurde es denn eigentlich fachmännisch entfernt?“
„Das muss man unumwunden zugeben“, berichtete Nadja. „Sauber gemacht. Anschließend hat er sie ausbluten lassen und das Blut parallel mit einem unbekannten Mittel ersetzt, das dann allerdings auch wieder entfernt worden ist. Fakt ist, dass es die Leiche konserviert hat und zwar jenseits uns bekannter Methoden, die die Zellen entweder schrumpfen oder platzen lassen. Ihre waren nahezu unversehrt. Das ist ganz unglaublich.“
„Was kann ich mir darunter vorstellen?“, erkundigte sich Peter. „Selbst wenn man sie irgendwo liegen lässt, bleibt sie so und verwest nicht?“
„So in etwa“, sagte Nadja und nickte. „Zusätzlich ist ihr ganzer Körper mit dem Mittel getränkt worden. Sie muss also einige Zeit darin gelegen haben.“
„Hört sich nach einer Art Formalin an“, überlegte Detlef.
„Ist es aber nicht“, erklärte Nadja. „Diese chemische Verbindung ist mir unbekannt. Da muss ein Fachmann ran.“
„Vielleicht weiß ich da wen“, informierte Wolf die Kollegen.
„Schön, aber lass mich erst fortfahren“, bat Nadja. „Uns ist nämlich noch ein vielleicht nicht ganz unwichtiges Detail aufgefallen. Es stach uns ins Auge, als wir untersuchten, ob die Gebärmutter in der Unbekannten auch ihre eigene war.“
„Sag nicht, dass sie verwandt sind“, stöhnte Peter laut.
„Das nicht, zumindest nicht, was du darunter verstehst, so mit Blutsverwandtschaft und so, aber es gibt gewisse Sequenzen in der DNA, die übereinstimmen“, berichtete Nadja.
„Und was soll uns das sagen?“, fragte Nadine.
„Es könnte Zufall sein oder tatsächlich eine sehr entfernte Verwandtschaft“, klärte Nadja auf. „Im vorliegenden Fall müsste man auch über einen genetischen Zwilling nachdenken. Jemand hat dieser Frau eine Gebärmutter eingesetzt, die wahrscheinlich nicht abgestoßen worden wäre.“
„Sprichst du von bewusster Organtransplantation?“, hakte Wolf nach.
„Darüber muss man zumindest einmal nachdenken“, erwiderte Nadja.
„Aber wozu“, wunderte sich Peter. „Die war doch schon schwanger. Was sollte die mit einer anderen Gebärmutter?“
„Das Kind könnte krank gewesen sein. Möglicherweise hatte es schon öfter Probleme in der Gravidität gegeben“, wandte Nadja ein. „Aber das liegt wahrscheinlich eher an der Genetik als am Organ selbst. Um das jedoch genauer zu wissen, müsste ich den Uterus der Frau untersuchen. Auch eine Anomalie käme infrage, sodass jede Schwangerschaft ab einem gewissen Zeitpunkt während der 40 Wochen nicht mehr möglich war. Hier sind mir aber die Hände gebunden. Das kann ich wirklich nicht herausfinden. Vielleicht taucht die Gebärmutter ja noch auf. Dann wissen wir unter Umständen mehr.“
„Wäre es möglich, dass bei der OP etwas schiefgegangen ist, weil man die neue Gebärmutter nicht mehr mit dem Körper verbunden hat? Sie hätte doch mit sämtlichen Gefäßen etc. angenäht werden müssen. Und wenn du sagst, sie hat noch gelebt, als die andere herausgenommen worden ist, dann ist sie vielleicht verblutet, quasi jemandem unter den Händen weggestorben, der sie gerne behalten hätte und darum dieses Konservieren“, kam es von Wolf.
„Und das Zurschaustellen in diesem engelartigen Outfit“, fügte Peter hinzu.
Nadja zuckte mit den Achseln. „Ich bin hier überfragt“, gab sie zu. „Einfach weil mir nicht alle Details vorliegen.“
„Wir, äh, ich meine, ihr müsst wegen des Organaustausches mit Fachleuten sprechen“, schlug Wolf vor. „Was ist mit dem Doktor Niederegger, der mich und Niklas operiert hat? Das ist doch ein guter Bekannter von dir, Nadja.“
„Klar“, stimmte sie zu, „ich kann Till gerne anrufen. Das ist kein Problem. Wenn einer uns raten kann, dann er.“
„Oder sein Chef, der Professor“, fiel Wolf noch ein. „Professor Doktor Severin Pichlmayr ist auch eine Koryphäe in der Transplantationsmedizin. Und er ist mit meinem Freund Büthe sehr gut bekannt. Ich schlage vor, wir holen uns bei ihm parallel eine zweite Meinung ein.“
„Einen Chemiker oder besser noch einen Biochemiker bräuchten wir auch“, sagte Nadja. „Da muss ich mich aber erst mal schlaumachen. Wenn ich mich recht erinnere, hat eine meiner früheren Freundinnen aus dem Gymnasium Biochemie studiert. Die müsste ich ich versuchen ausfindig zu machen.“
„Ja, erkundige dich mal“, erwiderte Peter, „aber vielleicht fragt Wolf auch da seinen Kumpel Büthe. Ich könnte mir vorstellen, dass der Chef der Operativen Fallanalyse bestimmt so jemanden an der Hand hat. Verteilen wir also die Aufgaben: Wolf, wenn er so lieb ist, telefoniert mit Thorsten Büthe aus Hannover, Nadine, du checkst, ob wir wegen der Unbekannten bei Interpol weiterkommen. Nadja spricht mit Niederegger, dem Transplantationsspezi, Detlef soll was für die Presse vorbereiten und sich mit dem Momo Dietsch von der Landeszeitung abstimmen. Ich hab ihm versprochen, dass er das exklusiv kriegt. Bearbeite ihm ein Foto, auf dem man nur das Gesicht der Toten sieht und nicht das Drumherum mit Löckchen und so. Niklas, du kümmerst dich weiter um die Schrift im Schnee. Wissen wir, wessen Blut das war?“ Er sah Nadja an.
„Es war das der Toten, aber mit Heparin versetzt, damit es nicht gerinnen konnte. Sonst wäre die Botschaft auf diese Weise unmöglich gewesen.“
„Eins können wir auf jeden Fall sagen“, kam es aus dem Rollstuhl. „Der Mörder hat sowohl medizinisches als auch biochemisches Fachwissen.“
„Wohl so eine Art Universalgenie mit ein bisschen zu hoher Drehzahl im Gehirn“, meinte Peter.
„Gar keine so schlechte Idee“, fand Nadja. „Vielleicht haben wir es mit jemandem zu tun, der eine Inselbegabung hat. So eine Form von Autismus oder so.“
„Ihr sprecht also von einem Menschen, der auf der einen Seite genial ist, aber andererseits auch heftige Defizite aufweist?“, hakte Detlef nach.
„Genau das war meine Überlegung“, antwortete Peter und kratzte sich das Kinn. „Aber mir wäre es verdammt noch mal lieber, wenn wir es nicht mit einem durchgeknallten Typen zu tun hätten.“
Nadja schüttelte den Kopf. „Da bist du vollkommen auf dem Holzweg. Von verrückt kann überhaupt keine Rede sein. Diese Menschen sind klar im Kopf, zum Teil sogar hochbegabt, strukturiert, fixiert und pedantisch. Oft fehlt ihnen die Empathie.“
„Sag ich doch, durchgeknallt“, beharrte Peter auf seiner Meinung.
„Das ist Definitionssache“, erwiderte Nadja. „Ich glaube aber, bei so einem Tätertyp könnte es sich viel schwieriger gestalten, ihm auf die Spur zu kommen, als bei einem von dir als Verrückten bezeichneten. Ein Mensch mit einer schweren psychosozialen Persönlichkeitsstörung handelt nämlich eher impulsiv und weniger überlegt. Seine Aktionen sind spontaner, also nicht geplant. Jemand mit Grips könnte schwer zu überführen sein.“
„Möglich, für mich sind beide Arten von Typen durchgeknallt“, behauptete Peter, „und fertig.“
„Wollen wir uns dann unseren Aufgaben widmen?“, schaltete sich Wolf ein und beendete die Diskussion. Er war müde, auch wenn er das ungern zugeben wollte.
„Also gut“, lenkte Peter ein. „Dann verabreden wir uns wieder für den nächsten Nachmittag. Passt das mit deinen Übungsstunden, Wolf? Ich hätte dich wieder gerne mit dabei.“
„Das kriegen wir hin“, versprach Wolf. „Die Stunden sind vormittags und noch etwas Massage am Abend. Es ist sicher auch möglich, kurzfristig etwas umzustellen, denn der Mann ist ja nur meinetwegen hier.“
„Okay, dann ran an die Arbeit“, ordnete Peter an.
Detlef, Nadine und Niklas gingen in ihre Büros. Wolf winkte zum Abschied an der Tür.
Als alle weg waren, nahm Peter seine Frau in den Arm. „Wie kommst du mit dem Fall klar, Nadeschda?“, fragte er besorgt. Seit ihrer Eileiterschwangerschaft konnte sie keine Kinder mehr bekommen.
„Ganz gut, mein Schatz“, sagte Nadja und lächelte ihn an. Es war rührend, dass er so mitfühlte. „Ich wüsste nur zu gerne, was einen Menschen dazu bringen kann, einer Frau den Uterus samt Embryo zu entfernen und eine andere Gebärmutter in den Unterleib zu legen. Das beschäftigt mich. Mit der anderen Sache habe ich abgeschlossen. Außerdem habe ich ja dich. Zwei von der Sorte, um die ich mich kümmern muss, wären mir zu viel.“
Peter brummte. Er war doch kein Kind.
„Wir werden es herausfinden“, versprach er ihr, „und das Schwein einkassieren, das das gemacht hat.“
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