Kitabı oku: «Er ging voraus nach Lhasa», sayfa 7
ANMERKUNGEN
1Sektion München des DuÖAV, Protokoll der 5. Ausschusssitzung am 24. 04. 1933, Protokolle über die Ausschusssitzungen der Sektion München vom 22. November 1926 bis zum 7. Juli 1933, S. 365, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München.
2Interview mit Dr. Eugen Allwein am 09. 06. 2009.
3Schreiben von Paul Bauer an Dr. K. Jung vom 15. 01. 1935, Interpunktion wie im Original, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Signatur Zeb, Sm 4.
4BArch R 9361-VIII Kartei/1090326.
5Deutscher Bergsteiger- und Wanderverband, Gruppe Bergsteigen, Rundschreiben 9. An die reichsdeutschen Sektionen, undatiert, Archiv der DAV-Sektion Oberland.
6Vgl. Verhandlungsschrift der 59. Ordentlichen Hauptversammlung des DuÖAV, Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Nr. 12 1933, S. 263 ff., 273.
7Innerhalb des DBWV gab es die beiden Gruppen „Bergsteigen“ und „Wandern“.
8Volksbildung im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung.
9Wilhelm Fendt: Dietarbeit in den Bergsteigervereinen, Mitteilungen der Gruppe Bergsteigen, München, Juli 1934 Nummer 2, S. 3–5, 3.
10Ebd., S. 4.
11Ebd.
12Ebd.
13Fendt wurde am 01. 05. 1937 in München Mitglied der NSDAP und erhielt die Nummer 5094716. NSDAP-Gaukartei/BArch R 9361-IX Kartei/8550305.
14Fritz März: Vermerk über ein Gespräch mit Dr. Heinz Tillmann am 3. Juni 1997, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Signatur Zeb, Sm 1.
15Vgl. Ebd.
16Kneipzeitung des AAVM 1937.
17Kneipzeitung des AAVM 1936. Übersetzung: Unser Eugen Allwein, Vorsitzender der Sektion Hochland des DuÖAV, Mitglied im Verwaltungsausschuss und Mitglied im AAVM, zugleich [JJA?] und Doktor in der Gemeinde Haidhausen, [HVB?] des Reichsbundes für Leibesübungen.
18Vgl. Jahresbericht des AAVM 1932/33, S. 36.
19NSDAP-Gaukartei/BArch R 9361-IX Kartei/861229.
20Vgl. Jochen Zimmer: Mit uns zieht die neue Zeit, S. 114 f.
21Vgl. Protokoll der 51. Sitzung des Hauptausschusses des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins am 12. 05. 1934 in Stuttgart, S. 15, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München.
22Vgl. Jochen Zimmer: Mit dem Wandern fing es an, in: Erdmann, Wulf und Zimmer, Jochen (Hg.): Hundert Jahre Kampf um die Freie Natur. Illustrierte Geschichte der Naturfreunde, 1991, S. 27.
23Sektion München des DuÖAV, Protokoll der 10. Beiratssitzung am 19. 11. 1934, Protokolle (1934–1943) der Sektion München des DAV, S. 53, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München.
24Nach Aussage von Michael Germann-Bauer, einem Sohn Paul Bauers, schuf sein Vater ein juristisches Konstrukt, welches bewirkte, dass die enteigneten Objekte nicht dem Reichsvermögen einverleibt wurden. Deshalb hätten nach 1945 weder die Besatzungsmächte noch die Bundesregierung auf die Immobilien zugreifen können. Sie seien ihrem Eigentümer zurückgegeben worden. Ein hoher Vertreter der Naturfreunde habe in einer Grabrede Paul Bauer dafür gedankt. Vgl. E-Mail von Michael Germann-Bauer an den Tyrolia-Verlag vom 09. 06. 2018.
25Zitiert nach Eric Roberts: Willo Welzenbach. Eine biographische Studie mit ausgewählten Schriften, Pforzheim 1981, S. 245.
26Ebd., S. 246.
27Erwin Schneider: Der letzte Angriff auf den Nanga Parbat, in: Der Bergsteiger 5. (XIII.) Jg. Oktober 1934 bis September 1935, S. 165.
28Schreiben von Paul Bauer an den Reichssportführer von Tschammer und Osten vom 10. 12. 1934, S. 4 und 6, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München.
29Ebd., S. 5.
30Vgl. Schreiben von Paul Bauer an Dr. K. Jung vom 15. 01. 1935, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Signatur Zeb, Sm 4.
31Erwin Schneider: Die 1. Ersteigung des Huascarans, in: Der Bergsteiger, 3. (XI.) Jahrgang, Oktober 1932 bis September 1933, S. 61.
32Vgl. Protokoll der 52. Sitzung des Hauptausschusses des Deutschen u. Oesterreichischen Alpenvereins am 22. 09. 1934 in Vaduz, S. 8, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München.
33Paul Bauer: Keine deutsche Himalajaexpedition im Jahre 1935, in: Mitteilungen des Fachamtes Bergsteigen, März 1935 Nummer 6, S. 1.
34Vgl. Protokoll der 53. Sitzung des Hauptausschusses des Deutschen u. Oesterreichischen Alpenvereins am 01. 06. 1935 in Stuttgart, S. 30–32, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München.
35Vgl. Protokoll der 54. Sitzung des Hauptausschusses des Deutschen u. Oesterreichischen Alpenvereins am 30. u. 31. 08. 1935 in Bregenz, S. 4–10, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München.
36Peter Aufschnaiter: Die Deutsche Himalaja-Stiftung, in: Mitteilungen des Deutschen Alpenvereins, Heft 7 April Jahrgang 1938/39, S. 193/194.
37Schreiben Paul Bauers an: The Private Secretary to His Highness the Maharaja Kathmandu vom 27. November 1935, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Signatur DHS 1935–1939, EXP 2SG 178; aus dem Englischen übersetzt von NM.
38Vgl. Jahresbericht des AAVM 1934/35, S. 34.
39Vgl. Rundschreiben des AAVM 1936/3 vom 16. 07. 1936, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Signatur BGS 1 SG 9.
40Vgl. Deutsche Himalaja-Stiftung, Mitteilungen des Fachamtes Bergsteigen Mai–Juni 1936 2. Jahrgang Nr. 8 und 9, S. 131/132.
41Ebd., S. 99.
42Paul Bauer: Die Deutsche Himalaja-Kundfahrt 1936, in: Jahrbuch des DuÖAV 1937, S. 21.
43Ebd., S. 28.
44Vgl. Gottlieb Rosenschon: Kaukasusfahrt der A.V.S. München, Manuskriptkopie im Besitz des Autors.
45Vgl. Sektion München des DuÖAV, Protokoll der 3. Beiratssitzung am 26. 03. 1936, Protokolle (1934–1943) der Sektion München des DAV, S. 132, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München.
46Vgl. Ludwig Schmaderer: Uschba – Erste Ersteigung über die Westwand, in: Der Bergsteiger 1936/37, S. 434–442.
47Vgl. Sektion München des DuÖAV, Protokoll der 1. Beiratssitzung am 28. 01. 1936, Protokolle (1934–1943) der Sektion München des DAV, S. 124, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München.
48Brief von Herbert Paidar und Ludwig Schmaderer an Fritz Schmitt vom 05. 10. 1944, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Fritz-Schmitt-Nachlass.
49Brief von Herbert Paidar und Ludwig Schmaderer an Fritz Schmitt vom 17. 02. 1944, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Fritz-Schmitt-Nachlass.
Als Peter Aufschnaiter an Bord der „Lindenfels“ nach Indien fuhr, lag noch keine Genehmigung für die geplante Nanga-Parbat-Expedition vor.
KAPITEL 5
WENDEPUNKT NANGA PARBAT
Als Geschäftsführer der Deutschen Himalaja-Stiftung stand Peter Aufschnaiter in regelmäßigem und engem Kontakt mit internationalen Drehscheiben des Bergsports wie dem Alpine Club in London oder dem Himalaya Club in Kalkutta. Privat lebte der introvertierte Tiroler dagegen eher zurückgezogen nahe der Münchner Frauenkirche im dritten Stock des Hauses Löwengrube 14.1 In wenigen Minuten konnte Aufschnaiter zu Fuß die rund 300 Meter entfernte Geschäftsstelle der Deutschen Himalaja-Stiftung im zweiten Geschoss der Weinstraße 8 erreichen.
Peter Aufschnaiters Blick reichte weit über sein administratives Tagesgeschäft hinaus. Eine von ihm angefertigte Bücherliste beinhaltet zusammen mit den internationalen Standardwerken über das Himalaya-Bergsteigen, über Gletscherkunde und Vermessungswesen auch ein tibetisches Wörterbuch, eine Grammatik des Tibetischen sowie eine Grammatik der Balti-Sprache.2 Alexandra David-Neels Vom Leiden zur Erlösung, die History of England des britischen Geschichtswissenschaftlers George Macaulay Trevelyan und die Sieben Säulen der Weisheit von Thomas Edward Lawrence weisen darauf hin, dass ihm spirituelle, geschichtswissenschaftliche und geopolitische Fragestellungen nicht fremd waren.
Fast am Anfang des Bücherverzeichnisses steht das Buch Kim des britischen Nobelpreisträgers Rudyard Kipling. Auf diesen Roman nimmt Aufschnaiter sein ganzes späteres Leben lang in seinen Tagebüchern und in Briefen an enge Freunde immer wieder Bezug. Offenbar hat sich Aufschnaiter mit dem Romanhelden Kim hochgradig identifiziert, und es ist nicht auszuschließen, dass er das Buch zu einer Art Blaupause für sein eigenes Leben gemacht hat. Deshalb wird die Handlung in einer Fußnote zusammengefasst.3
Aufschnaiters weiter geistiger Horizont, seine Sprachkenntnisse, seine umfassende Bildung, seine Bescheidenheit und seine Weltläufigkeit machten den administrativen Leiter der Deutschen Himalaja-Stiftung allgemein beliebt. Schlüsselpersönlichkeiten des englischen Bergsteigens erkannten in ihm einen wesensverwandten Gentleman, mit dem sie auf Augenhöhe verkehren konnten. Das kam der Deutschen Himalaja-Stiftung auch bei der Vorbereitung der für 1937 unter der Leitung von Karl Wien geplanten Nanga-Parbat-Expedition zustatten. Diese Vorbereitungen waren bereits im Sommer 1935 angelaufen. Ein Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14. September 1935 enthält den Rat, „dass es sich empfehlen dürfte, möglichst bald nach Eingang des endgültigen Bescheids [der englischen Stellen] eine Anmeldung für das Jahr 1937 vorzunehmen“.4 Ende November 1935 bat Paul Bauer die höchsten Instanzen des nationalsozialistischen Staates um Hilfe: „Ich ersuche das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda höflichst, die geplanten Unternehmungen zu unterstützen und die britische Regierung auf dem raschesten Weg von den für 1936 und 1937 geplanten Himalaja Expeditionen zu unterrichten und sie zu ersuchen, dass sie bei den zuständigen Stellen die für die Durchführung erforderlichen Genehmigungen erwirkt […]“5.
Paul Bauer war seit 1933 Mitglied des Alpine Club und Karl Wien seit 1935.6 Ihr Nanga-Parbat-Vorhaben wurde sowohl vom Vorsitzenden des Alpine Club, Oberstleutnant E. L. Strutt, als auch von dem bekannten Geografen Oberstleutnant Kenneth Mason – ebenfalls prominentes AC-Mitglied – befürwortet.7 So nimmt es nicht wunder, dass die Genehmigungen bereitwillig erteilt wurden.
Zur Expeditionsmannschaft gehörten zusammen mit dem Leiter Dr. Karl Wien der Tiroler Pert Fankhauser (Telfs), Adolf Göttner (München), Dr. Hans Hartmann (Berlin), Dr. Günther Hepp (München), Peter Müllritter (Ruhpolding) und Martin Pfeffer (München) sowie der Arzt Dr. Ulrich Luft (Berlin) und der Geografieprofessor Dr. Carl Troll (Berlin). Viele der Teilnehmer waren im Staatsdienst beschäftigt. Deshalb hatte Peter Aufschnaiter als Geschäftsführer der Himalaja-Stiftung alle Hände voll zu tun, für sie die Beurlaubung und die Fortzahlung ihrer Bezüge zu erwirken. Die Durchführung eines umfangreichen wissenschaftlichen Forschungsprojekts, an dem Troll, Hartmann, Wien und Luft beteiligt waren, machte die Beantragung der notwendigen Zuschüsse beim Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin notwendig. Da der beim Reichsluftfahrtministerium tätige Dr. Ulrich Luft auch höhenphysiologische Forschungen durchführen sollte, wurden diesem Ministerium die Kosten für seine Teilnahme mit 7500 Reichsmark in Rechnung gestellt, unterfüttert mit einer lückenlosen Aufstellung der Einzelposten.8 All dies erforderte akribische Detailarbeit. Dazu musste die Reise der Expeditionsteilnehmer vorbereitet, die Visa beantragt, der Proviant und die Ausrüstung besorgt, verpackt und verschifft, das erhebliche Medieninteresse befriedigt und der Transport von Mensch und Material im fernen Indien arrangiert werden. Die Akten der Deutschen Himalaja-Stiftung aus jener Zeit belegen, dass Peter Aufschnaiter diesen Berg an Aufgaben strukturiert und gewissenhaft abgearbeitet hat. Es fällt auf, dass der Namen des ungemein fleißigen und hochqualifizierten Geschäftsführers nur ganz vereinzelt in den Dokumenten auftaucht, die meisten sind von Paul Bauer und Karl Wien unterschrieben.
Mitglieder der Expeditionsmannschaft von 1937.
Während die Expeditionsmannschaft – sie hatte den Münchner Hauptbahnhof am Abend des 10. April 1937 mit dem Nachtzug nach Genua verlassen – dem fernen Himalaya entgegenreiste, eskalierte daheim die Auseinandersetzung zwischen dem Alpenverein und dem Reichssportführer. Auf seiner Sitzung am 4. Mai sah sich der DuÖAV-Hauptausschuss mit einem Erlass des Reichssportamtes konfrontiert, der darauf abzielte, die Vereinsstrukturen umzukrempeln.
Das Reichssportamt wollte über den „Reichsdeutschen Sektionentag“ auf die Beschlüsse des DuÖAV-Hauptausschusses Einfluss nehmen. Aufgabe des Reichsdeutschen Sektionentags sollte es sein, die Interessen des Fachamts für Bergsteigen und Wandern und des Deutschen Bergsteigerverbandes, denen Paul Bauer vorstand, gegenüber dem DuÖAV durchzusetzen. Der Reichsdeutsche Sektionentag wurde von Fritz Rigele, dem Schwager Görings und Erstbegeher der Wiesbachhorn-Nordwestwand und sowie langjähriger Vorsitzender der AV-Sektion Saalfelden, geführt.
Für die Alpenvereinsführung galt es als ausgemachte Sache, dass Paul Bauer diese Dynamik veranlasst hatte. Im „Bauer-Krieg“, wie diese Vorgänge in der Geschichtsschreibung des Alpenvereins heute mit leisem Spott genannt werden, setzte die AV-Seite jetzt auf Vorwärtsverteidigung.
Der Hauptausschuss verwehrte sich schriftlich gegen die Einflussnahme des Reichssportamtes auf die Besetzung der HA-Positionen, „mit dem Bemerken, daß im Falle einer Ablehnung der Einsprache der Schriftsatz als Beschwerde aufzufassen sei“.9 In langwierigen Verhandlungen erzielte der Alpenvereinsschatzmeister Dr. Friedrich Weiß einen beachtlichen Erfolg: Der Führer des Reichsdeutschen Sektionentags Rigele erhielt den Sektionen gegenüber keine Weisungsbefugnis, sondern wurde Verbindungsmann zwischen Verwaltungsausschuss und Fachamt. Damit blieb die Binnenstruktur des Alpenvereins vorerst unangetastet.
Während sich der Alpenverein in Berlin erfolgreich gegen die Gleichschaltung verteidigte, machte die Nanga-Parbat-Mannschaft zunächst gute Fortschritte am Berg. In der Nacht vom 14. auf 15. Juni 1937 waren sieben Bergsteiger und neun Träger in dem auf 6185 Meter gelegenen Lager 4 versammelt. Wenige Minuten nach Mitternacht kam es jedoch zur Katastrophe: Vom Hängegletscher im Hang eines Ausläufers des Rakhiot Peak brach eine riesige Eislawine ab und begrub das Camp samt allen dort schlafenden Menschen. Die Wucht war so groß, dass die Lawine auf der fast ebenen Terrasse eine Strecke von 400 Metern zurücklegte. Als der Expeditionsarzt Dr. Luft am 18. Juni zum Ort der Katastrophe aufstieg, fand er dort nur ein riesiges Lawinenfeld.
Am 20. Juni erreichte die Nachricht München. Das Vorstandstrio der Himalaja-Stiftung beschloss, sofort eine Hilfsexpedition zu entsenden, die sich auf dem Luftweg nach Indien begeben sollte. Die Leitung übernahm der Chef des Fachamtes persönlich. Zusammen mit Bechtold, von Kraus und Kuhn traf Paul Bauer bereits am 8. Juli im Basislager ein. Für ihren Transport hatte General Sir Roger Wilson, Militärsekretär im Londoner India Office, eigens ein Truppentransportflugzeug von der Front in Wasiristan, einer Bergregion zwischen dem heutigen Pakistan und Afghanistan, abgezogen und der Bergungsmannschaft zur Verfügung gestellt. Mittels langer Lawinensonden, die er in der Werkstätte der englischen Luftwaffe in Lahore hatte fertigen lassen, suchte Bauer mit seiner Mannschaft das Lawinenfeld ab. Am Abend des vierten Tages wurden sie fündig. Es gelang, unter der zweieinhalb Meter dicken Lawinenschicht zwei Zelte mit den Leichen von Karl Wien, Hans Hartmann, Günther Hepp, Martin Pfeffer und Pert Fankhauser freizulegen. Ihren entspannten Gesichtszügen war anzusehen, dass sie nichts von dem Herannahen der Lawine geahnt hatten. Auf dem Zelt von Adolf Göttner und Peter Müllritter war ein riesiger Eisblock zum Liegen gekommen, der nicht bewegt werden konnte. Der Sirdar des Sherpa-Teams bat Paul Bauer und seine Freunde ausdrücklich, die Hochträger entsprechend ihrer tibetisch-buddhistischen Glaubensvorstellungen dort ruhen zu lassen, wo der Tod Mingma Tsering, Nima Tsering I, Pasang „Picture“, Nima Tsering II, Jigmay, Chong Karma, Ang Tsering, Gyaltsen Monjo und Karmi ereilt hatte.10
Die Bergungsexpedition am Nanga Parbat mit ihrem erheblichen logistischen Aufwand hatte Peter Aufschnaiter dank seiner hervorragenden britischen Kontakte von München aus praktisch im Alleingang arrangiert und begleitet. Parallel dazu bewältigte er die umfangreiche Pressearbeit. Bereits die Septemberausgabe des Magazins Der Bergsteiger enthielt nicht nur einen detaillierten und kenntnisreichen Bericht von den rezenten Geschehnissen am Nanga Parbat, sondern auch fundiert recherchierte Nachrufe für die dort verunglückten Alpinisten sowie eine Würdigung der am Berg gebliebenen Sherpas. Diese zeigen allerdings deutlich den Zeitgeist: […] Sie haben alle Kennzeichen einer guten Rasse an sich: sie sind mutig und tapfer, ihr Wesen ist ruhig und ausgeglichen, wenn auch nach unseren Begriffen kindlich, aber sie sind doch richtige Männer in ihrer Art, sie teilen die Gefahren mit den Bergsteigern, nicht weil sie diese Gefahren nicht kennen. […]11 Nach Abklingen des Medieninteresses galt es, die umfangreiche Korrespondenz mit den bezuschussenden Institutionen abzuwickeln und die versicherungstechnische Versorgung der Hinterbliebenen in die Wege zu leiten.
Parallel dazu bereitete die Deutsche Himalaja-Stiftung schon den nächsten Versuch am „deutschen Schicksalsberg“ vor. Paul Bauer hatte bereits Anfang August 1937 noch von Indien aus ein entsprechendes Gesuch an die Regierung Britisch-Indiens eingereicht.12 Wieder übernahm der Fachamtsleiter selbst die Führung des Unternehmens.
Am 11. März 1938, also rund einen Monat vor Abreise der geplanten Nanga-Parbat-Expedition von München, hatte Adolf Hitler den Rücktritt des österreichischen Bundeskanzlers Kurt Schuschnigg zugunsten des Nationalsozialisten Arthur Seyß-Inquart erzwungen. Am 12. März 1938 waren Soldaten der Wehrmacht unter dem Jubel großer Teile der österreichischen Bevölkerung in das Nachbarland einmarschiert. Seyß-Inquart bildete eine nationalsozialistische Regierung und machte den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März perfekt.
Nach dem Überfall auf Österreich reagierte die Alpenvereinsführung blitzschnell: Am 14. März 1938 meldete der Erste Vorsitzende Raimund von Klebelsberg die Umbenennung des DuÖAV in „Deutscher Alpenverein“ (DAV) nach Berlin und Wien. Die Strategen des Alpenvereins – vor allem von Klebelsberg, der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses Paul Dinkelacker, der Schatzmeister Friedrich Weiß sowie der Erste Sekretär Walter von Schmitt-Wellenburg – entwickelten eine rege diplomatische Tätigkeit. Dabei kam ihnen ein belastbares Vertrauensverhältnis zu dem aktiven Bergsteiger und AV-Mitglied Arthur Seyß-Inquart sehr zustatten. Im Kern ging es den AV-Granden darum, die „Bestandserhaltung“ des Alpenvereins zu sichern und zu verhindern, dass der DAV nach dem stattgefundenen „Anschluss“ der „Ostmark“ im von Paul Bauer geführten Deutschen Bergsteigerverband aufging.13
Bei einer Besprechung im Reichssportamt am 6. April 1938 mit Regierungsdirektor Wolf-Werner Graf von der Schulenburg, Vertreter des Reichssportführers, fielen wichtige Entscheidungen. Vom Alpenverein war Friedrich Weiß beteiligt. Nach Auffassung von der Schulenburgs hatte Paul Bauer „[…] zu wenig Geschick in der Verwaltung eines Verbandes gezeigt und nicht genügend Vertrauen im DAV, sodass er als Führer auch nicht in Betracht kommt. […]“14 Oberregierungsrat Hans Ritter von Lex, Leiter des Sportamts, äußerste „ […] dagegen Bedenken, dass man den getreuesten Gefolgsmann des Reichssportführers beseitige. […]“15 So schlug von der Schulenburg folgende Regelungen vor: Der Deutsche Bergsteigerverband und das Fachamt Bergsteigen werden aufgelöst. Der Alpenverein heißt Deutscher Alpenverein (Deutscher Bergsteigerverband)16. Der Alpenverein wird Mitglied des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen (DRL) und einziger Fachverband für Bergsteigen im Deutschen Reich. Arthur Seyß-Inquart wird Führer des Alpenvereins. Ihm unterstehen zwei Abteilungen, eine für Verwaltungsangelegenheiten, geführt von Friedrich Weiß, eine zweite für bergsteigerisch-fachliche Angelegenheiten, geführt von Paul Bauer. Beide Abteilungsleiter sind Stellvertretende Führer des Deutschen Alpenvereins. Der Vereinssitz wird nach Innsbruck verlegt, die demokratischen Führungsstrukturen des Alpenvereins werden aufgelöst.17
Ein bitterer Sieg für den Alpenverein und eine bittere Niederlage für Paul Bauer!
So dürfte Paul Bauer in gedämpfter Stimmung zum Nanga Parbat gereist sein. Mit von der Partie waren Fritz Bechtold, der versierte Extremalpinist Matthias „Hias“ Rebitsch aus Brixlegg in Tirol, der dem Leser bereits bekannte Ludwig Schmaderer, der Expeditionsarzt Dr. Bruno Balke und der Physiologe Dr. Ulrich Luft, einziger überlebender Bergsteiger der Mannschaft des Vorjahrs. Dazu kamen noch Stefan Zuck von der SS-Ordensburg in Sonthofen, Rolf von Chlingensperg aus Augsburg und Hans Herbert Ruths aus Hamburg. Am 24. Juni 1938 erreichte das Spitzenteam auf rund 6200 Meter eine weite Gletscherfläche und richtete dort Lager 4 ein, etwa 400 Meter nordöstlich des Unfallorts von 1937. Schlechtes Wetter verhinderte den Vorstoß in die Gipfelregion. Am 22. Juli fanden Bauer, Bechtold, Luft und Zuck auf rund 7100 Meter im Windschatten des sogenannten Mohrenkopfes die Leichen von Willy Merkl und seinem persönlichen Träger Gay-Lay. Sie wurden an Ort und Stelle begraben. Zwei Tage später erreichten Rebitsch und Ruths eine Höhe von etwa 7250 Metern. Extrem stürmische Höhenwinde verhinderten jeden weiteren Aufstieg, sodass Paul Bauer nichts anderes übrig blieb, als das Unternehmen am 5. August 1938 abzubrechen.18
Bauer und Bechtold ritten durch die Hitze des Industals nach Gilgit, um sich von den englischen Kolonialbeamten zu verabschieden. Luft und Zuck folgten auf Geheiß des Expeditionsleiters den längst verwehten Spuren Albert Frederick Mummerys hinüber ins Diamir-Tal, um die Chancen einer Besteigung des Nanga Parbat von dieser Seite zu prüfen.19 Mummery hatte 1895 in der Diamir-Flanke des Nanga Parbat eine Höhe von rund 6100 Metern erreicht. Der Aufstieg von Nordwesten her mochte zwar steil sein. Dafür war der Weg auf den Gipfel aber wesentlich kürzer als drüben auf der Rakhiot-Seite – ungefähr fünf statt rund 15 Kilometer. Wenn eine passable Route durch die Steilwand gefunden werden konnte, versprach dies einen relativ schnellen Aufstieg und einen kurzen Aufenthalt in großer Höhe.
Die riesige, über dem Diamir-Tal aufragende Flanke des Nanga Parbat hatte Dr. Ulrich Luft sowohl vom Talboden als auch vom Expeditionsflugzeug aus fotografiert. Auf diesen Bildern ließen sich mehrere Durchstiegsmöglichkeiten ausmachen. Damit die für das Jahr 1940 angesetzte Expedition unter der Leitung von Luft von Anfang an zielgerichtet ans Werk gehen konnte, beauftragte Paul Bauer seinen zuverlässigen Freund und Mitarbeiter Aufschnaiter damit, diese Optionen in der Vormonsun-Periode des Jahres 1939 genau unter die Lupe zu nehmen.20
Dem von Peter Aufschnaiter geleiteten Erkundungsteam gehörten außer ihm drei weitere Bergsteiger an: der durch seine Teilnahme an der Erstbegehung der Eiger-Nordwand bekannt gewordene Grazer Heinrich Harrer, der Medizinstudent Lutz Chicken aus Bozen und Heinrich Lobenhoffer aus Bamberg. Ursprünglich sollten an der Stelle von Harrer seine beiden Eiger-Nordwand-Kameraden Anderl Heckmair und Ludwig Vörg mit von der Partie sein. Jedoch waren alle Bemühungen Paul Bauers fehlgeschlagen, sie von der SS-Ordensburg in Sonthofen freistellen zu lassen.21
Peter Aufschnaiter genoss ein hervorragendes Standing bei den Engländern, seit er im Herbst 1938 ihrer Einladung zum Klettern in die schottischen Highlands gefolgt war. Dennoch reiste Aufschnaiters kleine Mannschaft nach Indien, ohne dass die Engländer ihnen Einreisevisen erteilt hatten, geschweige denn eine Genehmigung für die geplante Nanga-Parbat-Kundfahrt.
Von der ägyptischen Hafenstadt Port Said richtete Peter Aufschnaiter an den britischen Verbindungsoffizier der beiden Kantsch-Expeditionen, Oberstleutnant H. W. Tobin, mit dem sich der Tiroler während seines Englandaufenthaltes angefreundet hatte, ein recht zuversichtliches Schreiben:
Lieber Tobin,
vielen Dank für das Telegramm und den Brief, die Sie mir freundlicherweise nach Antwerpen geschickt haben. Ich war sehr froh, dass ein alter Freund sich meiner erinnert.
Bislang hatten wir eine gute Reise, das Meer ist immer glatt und meist scheint die Sonne. Die politische Situation macht uns etwas zu schaffen, aber wir denken nicht daran umzukehren. Vielleicht hat Sie Mason davon unterrichtet, dass wir Schwierigkeiten haben, von der Regierung eine Genehmigung zu erhalten. Tatsächlich haben wir das Visum für Indien noch nicht bekommen, aber ich hoffe, das wird bei unserer Ankunft geregelt werden. In den zehn Jahren, in denen wir es mit den britischen Behörden zu tun gehabt haben, ist es noch nicht vorgekommen, dass sie Politik und Bergsteigen vermischt haben. […]22
Wie von Peter Aufschnaiter erhofft, gelang es seinem Freund Kenneth Mason, die diplomatischen Wogen zu glätten. Die Expeditionsteilnehmer erhielten letztlich ihre Einreisepapiere, und die britische Kolonialregierung genehmigte dem kleinen deutschen Team unter Aufschnaiters Führung den Aufenthalt im Diamir-Tal auch ohne Verbindungsoffizier. Bei beiden Vorgängen spielte der einflussreiche Kenneth Mason, der sich mit Peter Aufschnaiter angefreundet hatte, eine entscheidende Rolle.23 Masons Motive waren jedoch keineswegs rein freundschaftlicher Natur, denn er sah Aufschnaiter auch als wichtige Informationsquelle für den britischen Geheimdienst.24 Auf den ersten Blick scheint es erstaunlich, dass die Engländer damals einen Trupp deutscher Staatsbürger ohne Überwachung im notorisch sensiblen westlichen Himalaya agieren ließen. Mason vertraute wohl auf das Prinzip der langen Leine und wusste, dass Aufschnaiter das in ihn gesetzte Vertrauen nicht missbrauchen würde.
Die weltpolitische Lage war inzwischen äußerst prekär. Schließlich hatten am 15. März 1939 deutsche Wehrmachtstruppen die tschechische Grenze überschritten. Am folgenden Tag wurde die Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren verkündet. Da Frankreich und England den Bestand der Tschechoslowakei garantiert hatten, war jetzt täglich mit einer Kriegserklärung zu rechnen.
Aufschnaiter und seine Begleiter verließen Rawalpindi am 11. Mai 1939. Sie marschierten durchs Kaghan-Tal, überschritten den Babusar-Pass und folgten dann dem Indus bis zur Einmündung des Bunar-Flusses, dessen Tal sie in südlicher Richtung hinaufmarschierten, um dann südwestlich durch die enge Schlucht des unteren Diamir-Tals die Moräne des Diamir-Gletschers zu erreichen, wo am 1. Juni auf knapp 4000 Meter das Basislager errichtet wurde.25
Eine düster-bedrohliche Umgebung. Über dem kleinen Basislager die steile 4000 Meter hohe Nordwestflanke des Nanga Parbat. In dieses zum Hauptgipfel hinaufführende, von Hängegletschern bedrohte Bollwerk ist eine Serie von drei Rippen eingelagert, über die Mummery 1895 den Aufstieg versucht hatte. Um einen Einblick in die komplexe Topographie der Diamir-Wand zu erlangen, wurde in der ersten Woche des Aufenthalts der deutschen Erkundungstruppe die Südflanke des gegenüberliegenden Ganolo-Grates ein Stück weit erstiegen. Erst aus dieser Perspektive rückte eine zweite Serie von Rippen ins Blickfeld, die östlich des Mummery-Aufstiegs in Richtung Nordgipfel hinaufzog, der von dem zum Hauptgipfel leitenden Grat durch einen vergletscherten Sattel getrennt war: die Bazhin-Scharte.
In der Südflanke des Ganolo-Grates gegenüber der Diamirflanke.
Am 13. Juni stiegen Chicken und Lobenhoffer entlang der historischen Mummery-Route bis zum oberen Ende der zweiten Rippe. Hier fanden sie ein rund 25 Zentimeter langes Stück Holz. Eine Hinterlassenschaft des englischen Himalaya-Pioniers? Sie zogen sich ins Lager 2 zurück. Einige Tage später beobachteten sie von hier aus, wie eine riesige Eislawine von der Zunge des Bazhin-Gletschers abbrach. Diese Eislawine überschwemmte das gesamte Amphitheater des Diamir-Gletschers und überspülte auch den als Standort für Lager 3 vorgesehenen Kopf der zweiten Rippe. Das linker Hand zum Nordgipfel emporziehende Rippensystem machte einen weit weniger gefährdeten Eindruck. Im unteren Teil herrschte bei Sonneneinstrahlung zwar Steinschlaggefahr. Dennoch erreichten Harrer und Lobenhoffer eine Höhe von ungefähr 6100 Metern, wo sie Lager 4 errichteten. Von hier aus schienen mit Eisabbrüchen durchsetzte steile Schneefelder zum Nordgipfel emporzuleiten. Für gute Bergsteiger durchaus machbar! Eine verschleppte Angina, die Lobenhoffer um ein Haar das Leben gekostet hätte und das Basislager in eine medizinische Intensivstation verwandelte, durchkreuzte jedoch vorerst alle Pläne und Hoffnungen.26 Anfang Juli unternahmen Harrer und Lobenhoffer einen weiteren Versuch, brachen diesen aber wegen der erheblichen Steinschlaggefahr ab.
Heinrich Harrer stillt seinen Hunger im Basislager im Diamirtal.
Immerhin: Die von Aufschnaiter geführte Erkundungstruppe hatte eine potenzielle Aufstiegsmöglichkeit durch die Diamir-Flanke gefunden und festgestellt, dass im Monat Juni mit den besten Schneeverhältnissen bei relativ geringer Steinschlaggefahr zu rechnen war.27
Ende Juli brachen die Bergsteiger das Basislager ab. Lobenhoffer und Harrer machten sich mit dem Großteil des Gepäcks auf den Rückweg nach Rawalpindi, während Aufschnaiter und Chicken das Rakhiot-Tal aufsuchten. Sie waren begeistert von der ausgesprochen freundlichen Landschaft. Ein krasser Gegensatz zum düsteren Diamir-Kessel. Doch die erhabene Schönheit war trügerisch. Chicken und Aufschnaiter saßen gerade an der zum Gedächtnis an die Opfer des Nanga Parbat errichteten Steinpyramide, als die Hölle losbrach: […] der unvermeidliche „Expresszug“ in Form einer riesigen Eislawine donnerte nieder von den Eisbrüchen über dem Aufstieg zum Lager 2 und schleuderte eine riesige Eisstaubwolke empor – ein Ehrfurcht einflößender und zugleich düsterer Anblick – der den sonnigen Frieden dieser unvergesslichen Landschaft Lügen strafte.28
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