Kitabı oku: «Er ging voraus nach Lhasa», sayfa 8

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Anfang August statteten Aufschnaiter und Chicken dem Politischen Offizier in Gilgit, Major Battye, einen kurzen Besuch ab, um mit diesem über eine für 1940 vorgesehene Expedition zur Diamir-Flanke des Nanga Parbat zu sprechen.29 Auch hatte Kenneth Mason Aufschnaiter gebeten, Battye aufzusuchen.30 Im Mai 1939 hatte Mason das „External Affairs Department“ der britischen Kolonialregierung in Simla angeregt, Aufschnaiter bezüglich seiner Einschätzung der aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland befragen zu lassen. Der zuständige Beamte in Simla mahnte allerdings an, diese Befragung äußerst zurückhaltend zu gestalten: „Selbstverständlich könnten Sie feststellen, dass Aufschnaiter sehr gute Gründe haben könnte, davor zurückzuscheuen, seine persönlichen Meinungen offen auszudrücken, und wir wollen ihn in keiner Weise kompromittieren.“31

Das Anschreiben des Berichts von Major Battye wirft ein hochinteressantes Licht auf die Arbeitsweise eines Politischen Offiziers der britischen Armee in Indien:


Persönlich und vertraulich Gilgit. 15 August.

Mein lieber Savidge,

Ich nehme Bezug auf Ihren privaten und vertraulichen Brief vom 12. Mai an den verstorbenen Major Galbraith, in dem die Umsetzung von Kenneth Masons Vorschlägen angesprochen wurde, welche Peter Aufschnaiters persönliche Ansichten über die Lage in Deutschland zum Inhalt hatten.

Die Herren Aufschnaiter und Chicken besuchten mich in Naltar nach der Beendigung ihrer Expedition zum Nanga Parbat. Der Grund für ihren Besuch war ganz einfach der, ihrem Dank für die geleistete Unterstützung in diesem Jahr Ausdruck zu geben, und er dauerte nur 24 Stunden.

Ich füge diesem Schreiben eine sehr kurze Notiz über meine Eindrücke bei, die ich bei informellen Gesprächen mit ihnen sammelte. Wenn sie länger geblieben wären, hätte ich tiefer sondieren können, da sie aber Fremde waren, musste zuerst ein gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden, ehe intensiver gefragt werden konnte, und das nahm viel Zeit in Anspruch.

Ihr Schiff läuft von Bombay am 29. August aus.

Es war offensichtlich, dass sie sich sehr für King-Halls32 ‚News Letters‘ und Ähnliches interessierten.


Mit freundlichen Grüßen Sd/- R. M. Battye

Battyes Notizen dürften die Aussagen von Peter Aufschnaiter und Lutz Chicken weitgehend authentisch wiedergeben und lassen die Überzeugungen der beiden klar zutage treten:

Herr Peter Aufschnaiter.

Ungefähr 40 Jahre alt. Zu Hause in Kitzbühel, Österreich. Arbeitet in einem Büro in München. War ein österreichischer Nazi und ist jetzt ein Mitglied der Nazipartei des Reiches. Besuchte England im vergangenen Jahr und fand die Kleider etc. dort viel weniger teuer als in Deutschland. Nahm teil an der damaligen deutschen Expedition zum Kangchenjunga und ist in Sikkim gereist.

Sagt, dass sich ganz Österreich darüber freut, vom Reich einverleibt worden zu sein, aber gibt zu, dass dies bei den Tschechen nicht der Fall ist, deren Sympathien schon immer gegen die Österreicher und die Deutschen gerichtet waren.

Wollte nicht über die Judenverfolgungen sprechen, aber sagte, dass all dies eine sehr schwierige Frage sei und dass wir Engländer uns nie im selben Maße die Boshaftigkeit und das Verbrechertum der Juden hätten gefallen lassen müssen wie die Deutschen, sodass wir nicht in der Lage seien, den Hass, den die Deutschen auf die Juden hätten, zu verstehen. […]

Er gibt zu, dass die „friedliche“ Vereinnahmung von Danzig durch das Reich sowohl strategisch begründet als auch darauf ausgerichtet war, Anerkennung zu erlangen, indem der Welt gezeigt wurde, dass Deutschland auf lange Sicht alles bekommen konnte, was „er“ [gemeint ist wohl Hitler] wollte.

Er sagte, dass es in Deutschland viele politische Überzeugungen gäbe und dass die Nazipartei nur rund 3 Millionen eigentliche Mitglieder hätte; dass jemand mit nationalsozialistischer Einstellung nicht unbedingt in die Nazipartei aufgenommen werden würde; dass die Leute sagen könnten, was sie wollten, um ihren Überzeugungen Ausdruck zu geben, dass aber jeder, der anfangen würde, organisiert gegen die Nazis vorzugehen, erschossen oder exekutiert werden würde.

Er sagte, dass sich alle Deutschen dahingehend einig seien, dass die Inflation ihrer Währung unter allen Umständen vermieden werden müsste und dass sie deshalb gewillt seien, bestimmte ökonomische Härten, wie hohe Preise für ausländische Bücher, Kleider etc. auf sich zu nehmen, um dadurch die Inflationsgefahr zu verringern.

Ein angenehmer, netter Kerl. Diente 1918 in einem österreichischen Regiment.

Sd./- R. M. Battye.

dt/ - 9. 8. 39

Herr Lutz Chicken.

Ungefähr 22 Jahre alt. Wohnt in Bozen-Bolzano im Italienischen Tirol. Sein Vater ist ein britischer Staatsbürger. Chicken ist Medizinstudent und studiert in München. Er ist ein begeistertes Mitglied der Hitlerjugend und dementsprechend durchtränkt von dieser ganzen etwas unzeitgemäßen Nazi-Philosophie und ihren Parolen, weshalb er auch von der angeblichen englischen Umklammerungspolitik fest überzeugt ist. Er ist offenbar ein viel zu überzeugter Hitleranhänger, um die Wahrheit erfahren zu wollen, obwohl er sich für King-Halls Buch Our Own Times zu interessieren schien, das er in unserem Bungalow herumliegen sah: Er scheint zu jung dafür zu sein, die Verfolgung der Juden in einem anderen Licht sehen können, als dass ihm die Entfernung der Juden Karrierevorteile im medizinischen Bereich verschaffen würde, da früher viele Ärzte Juden waren.

Persönlich ein recht netter Kerl mit einem gewissen Sinn für Humor.

Sd./- R. M. Battye.

Dt./ - 9. 8. 3933

Peter Aufschnaiter scheint zwar mit seinen Überzeugungen nicht hinterm Berg gehalten zu haben, erwies sich aber als wortkarg in den Auskünften über seine Arbeit bei der Deutschen Himalaja-Stiftung, die mit „works in an office“ auffällig oberflächlich beschrieben ist.

Als dieser Bericht verfasst wurde, befanden sich Aufschnaiter und Chicken bereits auf ihrem 200 Meilen weiten Ritt von Gilgit in Nordkaschmir nach Srinagar. Aufschnaiter erlitt mehrere Malaria-Attacken, was das Fortkommen der beiden deutlich verlangsamte. In Srinagar trafen sie Harrer und Lobenhoffer und quartierten sich in einem Hausboot auf dem Wularsee ein. Nach einem mehrtägigen Aufenthalt fuhr die Expeditionsmannschaft mit dem Zug nach Karachi, wo sie nach drei Tagen eintraf. Der Hansa-Dampfer, der sie in die Heimat zurückbringen sollte, lag nicht an der Mole.

Von Karachi aus unternahmen Harrer, Lobenhoffer und Chicken einen Versuch, sich der drohenden Internierung durch die Engländer durch eine Flucht mit dem Taxi nach Persien zu entziehen. Sie wurden jedoch in Las Belas festgenommen.34

Am 1. September schlenderte Peter Aufschnaiter in Karachi durch die Mc Leod-Road hinunter zum Hafen, in der Hoffnung, dass das ersehnte Schiff doch noch eingetroffen war. Da erblickte er ein quadratmetergroßes Plakat aus Zeitungspapier, das in der Mitte nur zwei Worte enthielt:

War on.

Das nationalsozialistische Deutschland hatte durch den Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg ausgelöst.

Zwei Tage später traf sich Aufschnaiter mit dem Polizeioffizier, der ihn unlängst fast 24 Stunden lang hatte festsetzen lassen, zum Mittagessen. Dann ging der Kranke zurück ins Hotel, um sich hinzulegen. Ein weiterer Malaria-Schub. Eben schlug es fünf Uhr nachmittags, als ein Gartentor knarrte. Kommandoworte, sechs Polizisten standen draußen, derselbe Polizeioffizier, mit dem Aufschnaiter eben noch zu Mittag gegessen hatte, stieg die paar Stufen herauf und trat ein: „Tut mir leid, Herr Aufschnaiter, Krieg ist ausgebrochen zwischen seiner Majestät Regierung und Deutschland. Ich muss Sie verhaften!“ Draußen stand ein Lastwagen, noch leer. Aufschnaiter war der Erste, der einstieg. Allmählich füllten sich die Plätze. Das Lager außerhalb der Stadt, zu dem sie gebracht wurden, empfing die Internierten mit Stacheldraht und englischer Bewachung.35

ANMERKUNGEN

1Vgl. Jahresbericht des AAVM, 1935/36, 39 und Brief von Herbert Paidar und Ludwig Schmaderer an Fritz Schmitt vom 17. 02. 1944, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Fritz-Schmitt-Nachlass.

2Vgl. Deutsche Himalaja Expedition 1939, Bücherverzeichnis 06.04.1939, 1, Archiv Germann-Bauer.

3Der Waisenjunge Kim (Kimball O’Hara) ist Sohn eines irischen Soldaten und seiner Frau, die verarmt und opiumsüchtig in einem Elendsviertel der nordindischen Stadt Lahore verstarben. Der pfiffige Kim genießt sein Vagabundendasein im britisch regierten Indien und hält sich mit Betteln und kleinen Botengängen in den Basaren der Stadt über Wasser. Da der Bub keinen Unterschied macht zwischen Arm und Reich, Hoch und Niedrig, nennen ihn die Leute allgemein „little friend of all the world“ – „kleiner Freund der ganzen Welt“. Gelegentlich arbeitet er für den afghanischen Pferdehändler Mahbub Ali, eigentlich einheimischer Undercover-Agent des britischen Geheimdienstes. Kim geht derartig in der lokalen Kultur auf, dass ihn kaum jemand als weißhäutigen Jungen erkennt. Am Hals trägt er ein Amulett, das Dokumente enthält, die seine europäische Herkunft beweisen.

Kim freundet sich mit einem alten tibetischen Lama an, der auf der Suche nach dem legendären „Fluss des Pfeiles“ ist, wo er gemäß einer Prophezeiung die Befreiung vom Kreislauf der Existenzen erlangen soll. Kim wird zum Diener und Schüler des Lama, den er auf seiner Reise durch das dem Himalaya vorgelagerte, dicht besiedelte, fruchtbare Tiefland begleitet. Unterwegs wird Kim von Mahbub Ali mit der Übermittlung einer Botschaft an den Chef des britischen Geheimdiensts in Umballa betraut. Dadurch erhält Kim erste Einblicke in das „Great Game“, das Ringen zwischen den Großmächten Russland und England um die Vorherrschaft im Mittleren Osten.

Durch einen Zufall entdeckt der Kaplan des Regiments, in dem Kims Vater gedient hatte, die im Amulett an Kims Hals versteckten Dokumente; der Junge wird von der Armee in Verwahrung genommen. Der Lama veranlasst Kim, sich zu seinem eigenen Wohl in dieses Schicksal zu fügen, und finanziert ihm die Ausbildung an einer führenden englischen Schule in Lucklow.

Während seiner Schulzeit bleibt Kim in Kontakt mit dem Lama, den er immer mehr verehrt. Aber auch mit dem britischen Geheimdienst hält Kim die Verbindung aufrecht, er bekommt eine Ausbildung als Landvermesser sowie „nebenbei“ eine gründliche Schulung als Undercover-Agent bei dem „Juwelenhändler“ Lurgan Sahib.

Nach dreijähriger Ausbildung wird Kim beim Secret Service angestellt, um seine Rolle im „Great Game“ zu übernehmen. Bevor er seinen Dienst antritt, will Kim jedoch nochmal im Gewand eines buddhistischen Novizen mit seinem Lama unbeschwert durch die Lande ziehen. Kims Vorgesetzter beim Geheimdienst, der dickleibige bengalische Intellektuelle Hurree Chunder Mookherjee, versteht es allerdings, die Schritte der Heilssucher in den Himalaya zu lenken.

Der spirituelle und der geheimdienstliche Faden der Erzählung sind das ganze Buch hindurch miteinander versponnen. Die Geschichte erreicht ihren kritischen Höhepunkt, als der Lama von einem russischen Geheimdienstler geschlagen wird, der dem Alten eine Abbildung des buddhistischen Kreislaufs der Existenzen entreißen will. Kim gelangt in Besitz aller Unterlagen, die von den für Russland tätigen Spionen mitgeführt werden – von ihnen gefertigte Karten und andere militärisch relevante Aufzeichnungen sowie das hochbrisante Schreiben eines afghanischen Regionalfürsten an die russische Regierung. Kim verwahrt das erbeutete umfangreiche Material, um es dem britischen Geheimdienst zu übergeben. Der als Quacksalber auftretende Mookherjee gewinnt das Vertrauen der Spione und macht sie auf dem Weg nach Simla, dem Sitz der britischen Kolonialregierung, zum Gespött der einheimischen Bergbevölkerung. Derweil hilft Kim seinem durch den Angriff des Russen schwer angeschlagenen Lama, wieder die indische Tiefebene zu erreichen, da dieser überzeugt ist, nur dort die Erleuchtung erlangen zu können.

Hier findet der Lama dann seinen Fluss und erreicht sein spirituelles Ziel. Der Leser kann selbst entscheiden, ob Kim weiterhin an dem auf weltlichen Erfolg ausgerichteten „Great Game“ teilnehmen, dem spirituellen Weg des Tibetischen Buddhismus folgen – oder beides miteinander verbinden wird. Jedenfalls endet der Roman mit den Worten „I am not a Sahib. I am thy chela.“ („Ich bin kein Herr. Ich bin dein Diener.“)

4Zitiert nach Schreiben Paul Bauers an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda vom 27. 11. 1935, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Signatur EXP 2SG 178.

5Ebd.

6E-Mail von Glyn Hughes, Archiv Alpine Club, vom 10. 03. 2016 an den Autor.

7Vgl. Schreiben Paul Bauers vom 27. 11. 1935, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Signatur EXP 2SG 178.

8Schreiben des Leiters der Deutschen Himalaja Expedition an den Reichsminister der Luftfahrt vom 23. 1. 1937, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München, Signatur EXP 2SG 178.

9Protokoll der 58. Sitzung des Hauptausschusses des DuÖAV am 16. 7. 1937 in Kufstein, S. 5, Archiv des Deutschen Alpenvereins, München.

10Vgl. [Keine Autorenangabe]: Der Schicksalsberg der deutschen Bergsteiger – Die Deutsche Kundfahrt zum Nanga Parbat 1937, in: Der Bergsteiger September 1937, S. 741–745.

11Vgl. Peter Aufschnaiter: Wir gedenken der gefallenen Kameraden – Die Toten des Nanga Parbat 1937, in: Der Bergsteiger September 1937, S. 746–754, 754.

12Vgl. Peter Aufschnaiter: Nanga Parbat 1938, in: Der Bergsteiger Oktober 1938, S. 1–15, 3.

13Vgl. Raimund von Klebelsberg: Reichsstatthalter Dr. Arthur Seyß-Inquart der Führer des Deutschen Alpenvereins, in: Der Bergsteiger 11 1938, S. 225/226, 225.

14Bericht über Besprechung vom 6. April 1938 beim Reichssportamt, 2, Archiv des Österreichischen Alpenvereins, Innsbruck, Signatur ZV 4.1 Protokolle.

15Ebd.

16Die kleinere Schrift für „Deutscher Bergsteigerverband“ war amtlich.

17Vgl. Bericht über Besprechung vom 6. April 1938 beim Reichssportamt, 2, Archiv des Österreichischen Alpenvereins, Innsbruck, Signatur ZV 4.1 Protokolle.

18Vgl. Peter Aufschnaiter: Nanga Parbat 1938 und Fritz Bechtold: Nanga Parbat 1938, in: The Alpine Journal May 1939 No. 258, S. 70–78.

19Fritz Bechtold: Nanga Parbat 1938, in: The Alpine Journal May 1939 No. 258, S. 78.

20Vgl. Lutz Chicken: Nanga Parbat Reconnaissance 1939, in: The Himalayan Journal, Volume XIV 1947, S. 53–58, 53.

21Schreiben von Paul Bauer an Hans von Tschammer und Osten vom 12. 04. 1939, Archiv Otto Kompatscher.

22Schreiben von Peter Aufschnaiter an Lt. Col. H. W. Tobin vom 16. 04. 1939, © Völkerkundemuseum der Universität Zürich, Inv.-Nr. VMZ S/J/009.12.1 / Verfasser/Urheber: Peter Aufschnaiter.

23Vgl. Roger Croston: Prisoners of the Raj, in: The Alpine Journal 2006, S. 213–225, 213–215.

24Vgl. Anschreiben vertraulicher Bericht des External Affairs Department in Simla vom 25. 08. 1939, Archiv Germann-Bauer.

25Vgl. Lutz Chicken: Nanga Parbat Reconnaisance 1939, in: The Himalayan Journal Volume XIV 1947, S. 53–58, 54/55.

26Ebd., S. 56.

27Vgl. Peter Aufschnaiter: Nanga Parbat and Tibet, Kapitel 1–9, handschriftliches Manuskript in englischer Sprache, Archiv Germann-Bauer.

28Ebd., S. 9

29Vgl. ebd., S. 10.

30Vgl. Anschreiben vertraulicher Bericht des External Affairs Department in Simla vom 25. 08. 1939, Archiv Lobenhoffer.

31Anschreiben vertraulicher Bericht des External Affairs Department in Simla vom 25. 08. 1939, Archiv Lobenhoffer.

32William Stephen Richard King-Hall, Baron King-Hall (21. 01. 1893–02. 06. 1966) war ein britischer Marineoffizier, Schriftsteller und Politiker.

33Bericht von Major R. M. Battye vom 09. 08. 1939 vertraulichen Bericht des External Affairs Department in Simla vom 25. 08. 1939, Archiv Lobenhoffer.

34Vgl. Peter Aufschnaiter: Nanga Parbat and Tibet, Kapitel 10, handschriftliches Manuskript in englischer Sprache, Archiv Germann-Bauer sowie Peter Aufschnaiter: Maschinengeschriebenes Buchmanuskript in 36 Kapiteln („Typoskript Aufschnaiter“), Kapitel 2, Archiv Germann-Bauer.

35Vgl. ebd.

KAPITEL 6
FAST FÜNF JAHRE HINTER STACHELDRAHT

Peter Aufschnaiter und seine Freunde waren nicht die einzige deutsche Kleinexpedition gewesen, die sich im Frühjahr 1939 trotz der krisenhaft zugespitzten Weltlage auf den Weg gemacht hatte, um im Himalaya alpinistisches Neuland zu suchen.

Die dem Leser bereits bekannten Münchner Nachwuchs-Extrembergsteiger Ludwig Schmaderer und Herbert Paidar waren zusammen mit ihrem Schweizer Freund und Mäzen Ernst Grob am 5. März 1939 in den Sikkim-Himalaya gefahren, um endlich den vielumworbenen Siebentausender Tent Peak zu besteigen. Obwohl Peter Aufschnaiter zu den beiden persönlich eine gute Beziehung hatte, erhielten Paidar und Schmaderer von der Himalaja-Stiftung keinen Groschen Unterstützung. Weder in den Mitteilungen des Fachamts noch in den Mitteilungen des Alpenvereins war ihre internationales Aufsehen erregende Zweitbesteigung des Siniolchu zusammen mit Grob im Sommer 1937 mit nur einer Silbe erwähnt worden. Wahrscheinlich, weil sie aus Spaß an der Freud unterwegs waren und nicht zum „Ruhme des Vaterlands“.

Wie bereits 1936 die Seilschaft Göttner/Wien waren 1937 auch Paidar, Schmaderer und Grob an diesem schwierigen Tent Peak gescheitert. Diese Scharte galt es jetzt auszuwetzen! Am 2. Mai 1939 hatten sich Schmaderer, Paidar und Grob in rund 7000 Metern Höhe für den Gipfelgang in Position gebracht. In einer von ihnen zuvor angelegten Spur bestiegen sie den 7180 Meter hohen Nepal Peak. Kurz genossen die Bergsteiger den atemberaubenden Blick hinüber zum nur zehn Kilometer entfernten Kangchenjunga. Dann nahmen die drei den schmalen, zum Teil stark überwechteten Verbindungsgrat zum Tent Peak in Angriff. Im letzten Büchsenlicht überkletterten sie die tiefste Scharte zwischen den beiden Gipfeln. Ein eisiger Nordsturm heulte um die Grattürme. Zum Glück war es ein wenig höher möglich, im Windschutz einer Spalte das kleine Batistzelt aufzustellen. Doch der Weg zum Gipfel erwies sich am andern Tag nicht als Spaziergang. Ludwig Schmaderer berichtet:

„Gegen 10 Uhr hänge ich Eishaken und Hammer griffbereit und verbeiße mich an den äußerst steilen und vereisten Felsen. Nach kurzem Aufstieg quere ich über der hier 2000 m tief abbrechenden Ostwand nach rechts. Um einen vereisten Kamin zu gewinnen, muß ich Griffe ins 80 Grad geneigte Eis meißeln und mich hinüber hangeln. […] Als ich mich endlich im Kamin verklemmen kann, bin ich ehrlich froh und schnaufe wie ein alter Postgaul. Nach 7 m schließt ein Block den Kamin ab. Glatte Platten leiten unter weitere überhängende Klötze. Die schwere Kletterarbeit stellt in 7200 m Höhe unerhörte Anforderungen an Lunge und Herz.“1

Noch vier Seillängen über die schneebrettgefährdete Gipfelwand. Ein kurzes Gratstück. Um 15 Uhr rammten Schmaderer, Paidar und Grob ihre Pickel auf 7363 Meter in den Gipfelfirn des Tent Peak. Abstieg zum Zelt im Höhensturm. Nach einer bangen Nacht kämpften sich die drei Münchner den langen Grat zum Nepal Peak zurück und jenseitig hinab ins Hochlager, wo sie von den Hochträgern mit einem stürmischen „Salaam!“ begrüßt wurden. Aber von wegen Frieden! Als sich die kleine Karawane einige Tage später ihrem Basislager am Green Lake näherte, war nicht zu übersehen, dass dort ein zweites Camp entstanden ist. Schmaderer dachte sofort an Krieg: „Die sind gekommen, um uns abzuholen“, meinte er bitter. „Da gehen wir am besten gar nicht hinunter.“ Doch dieses Mal ging der Kelch noch an ihnen vorüber. Ihre neuen Nachbarn waren britische Landvermesser. Erst bei ihrer Rückkehr in die Zivilisation wurden Paidar und Schmaderer unter Bewachung gestellt. Einzig Ernst Grob durfte als gebürtiger Schweizer an die Isar zurückkehren. Als Paidar vom Kriegsausbruch in Europa erfuhr, wusste er sofort, dass ein Lebensabschnitt zu Ende gegangen war: „Wir, die wir vor kurzem noch Pläne für künftige Fahrten geschmiedet hatten, sahen uns nun für unbestimmte Zeit festgehalten, getrennt von unseren Freunden, von den Bergen, von der Heimat.“2

In der zweiten Hälfte des Monats September 1939 wurden alle internierten Deutschen in das Zentral-Internierungslager Ahmednagar überführt, nahe der gleichnamigen 300 Kilometer östlich von Bombay gelegenen Garnisonsstadt. Unter diesen „Deutschen“ waren auch die vier Mitglieder der Nanga-Parbat-Expedition. Das Camp war als Militärlager eingerichtet und mit einem vierfachen, zum Teil zweieinhalb Meter hohen Stacheldrahtzaun umgeben. Indische Soldaten bewachten das Lager. Einige der Internierten waren in großen, in den Jahren 1909 und 1910 erbauten Steinbaracken einquartiert, andere in Zelten. Allen standen Bade- und Duschräume zur Verfügung, und jeder Lagerteil hatte eine gemeinschaftliche Küche.3 In einem ausführlichen Brief in englischer Sprache an seine Mutter vom 26. September 1939 schildert Peter Aufschnaiter seine Lage recht anschaulich:

Meine liebe Mutter,

wir kamen hier am 21. September an nach einer fünftägigen Zugreise. Normalerweise dauert eine Fahrt mit der Bahn von Karachi hierher kaum zwei Tage, aber ein Zug legte mehrere längere Aufenthalte ein.

Dies ist ein großes Lager mit derzeit rund 500 Gefangenen, aber wir gehen davon aus, dass bald weitere von überall in Indien hier eintreffen werden. Ein Teil der Gefangenen wurde in Baracken untergebracht (Juden und Priester), andere in Zelten. Ich bin in einem Zelt. Die Zelte sind groß, jedes beherbergt 8 Männer, es ist nicht ganz so bequem wie eine Baracke, aber für uns, die wir gerade vom Nanga Parbat heruntergekommen sind, ist es nicht gar zu unangenehm. (Es gibt elektrisches Licht.) Die Organisation des Lagers wird nach und nach aufgebaut. Die weißen Ameisen, welche alles auffressen, führen zu einiger Besorgnis. Gestern sah ich ein Hemd, das am Abend zu Boden gefallen war und von dem am andern Morgen nur noch einige kleine Fetzen dalagen.

Ich wäre dankbar, wenn Du mir eine Ausgabe der Kitzbühler Nachrichten schicken könntest, die sie – weil es eine kleine lokale Zeitung ist – höchstwahrscheinlich die Zensur passieren lassen. […] Bitte schreibe mir, wie es all meinen Freunden in K. und St. J. [Kitzbühel und St. Johann] geht und besonders, ob es Dir gut geht.


Mit herzlichen Grüßen

Vom Lagerleben in Ahmednagar liefert ein ehemaliger Internierter, dessen Name nicht ermittelt werden konnte, eine sehr farbige und detailreiche Beschreibung. Sie stammt aus einem Brief an Schmaderers und Paidars Bergkameraden Ernst Grob, der inzwischen wieder seine „kriegswichtige“ Maschinenfabrik in München leitete:


„NB. Ich bin nur freigeworden, weilich schon über 60 Jahre alt bin.


Sehr geehrter Herr Grob! den 15. Juni 1940

Mit Herrn Schmaderer und Paidar habe ich des öftern gesprochen, und befinden sich beide Herren wohlauf. Beide Herren trainieren fleißig, Herr Schmaderer macht sogar an den Steinvorsprüngen der Baracken jeden Tag seine Kletterübungen. […] Das Essen ist auch reichlich und gut. Die Herren bekommen von der Lagerverwaltung jeden Monat im Betrag von 20 Rupien Zuwendungen an Seife, Rasierseife, Hemden, Anzüge usw. Die Hauptsache ist, dass die Herren Geld bekommen, um sich Bier oder Whisky kaufen zu können, ebenso Früchte, was ja in Indien alles zu einer Notwendigkeit gehört. Es sind noch zwei Herren, die eine Expedition im Himalaja gemacht haben, im Lager, zwei Österreicher […]. Herr Schmaderer hat einmal über seine Expedition einen sehr interessanten Vortrag gehalten, ebenso ein Herr der Österreicher.

Die Stimmung im Lager ist eine sehr zuversichtliche, alle glauben an einen Sieg und an einen nicht zu langen Krieg. Es kann im Lager jede Art Sport getrieben werden, ebenso ist ein Lagerkino vorhanden, auch können unter Bewachung Ausflüge in die nähere Umgebung gemacht werden. Jeden Tag wird die Zeitung „Times of India“ im Lager gelesen. Wenn wir auch natürlich nur einseitig unterrichtet sind und natürlich die Siege alle auf englischer Seite liegen, so haben wir doch gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen und oft mit einem Lächeln die großspurigen „Siege“ der Engländer verfolgt. So war es im polnischen Feldzug, jeden Tag konnten wir lesen, dass wir zurückgeschlagen wurden, und plötzlich waren wir in Warschau. Also diese Meldungen haben uns absolut nicht irritiert.

Früh ½ 7 Uhr wird geweckt, um ½ 8 Uhr ist Appell, dann wird zur Arbeit, wie Kartoffelschälen oder Gemüseputzen angetreten, Einzelne müssen das Fleisch holen, eben wie beim Militär die verschiedenen Lagerarbeiten. Deutsche Herren kochen, um 1 Uhr ist Mittag, nachdem um 8 Uhr Kaffee mit Brot verabreicht wurde, Mittagessen ist Suppe und Eintopfessen, manchmal auch anderes Fleisch und Gemüse.

Dann kann man sich auf sein Lager legen und schlafen. Der ganze Nachmittag ist frei bis nachts. Man geht um ½ 3 Uhr in das Kino, beteiligt sich an den verschiedenen Sorten von Sport. Schmaderer und Paidar betreiben viel Medizinball und Kugelstoßen, ebenso die Wanderungen an der Hauswand.

Abends 7 Uhr ist Appell hernach Abendessen, wieder Fleisch oder Mehlspeise und Tee. Ebenso gibt es nachmittags um 4 Uhr Tee und Brot. Um 10 Uhr 15 muss alles im Bett sein. Nach dem Abendessen sind oft Vorträge oder Konzerte von Herren aus dem Lager, sie sehen also Abwechslung, ebenso ist eine Bibliothek da. Ebenso geht es nach dem Abendessen in der Kantine recht lustig zu.

Ich hoffe, Ihnen gedient zu haben und verbleibe …“5

Wohl im Februar des Jahres 1940 erhielt Peter Aufschnaiter im Lager Ahmednagar die folgende handschriftliche Notiz, über die er sich sehr gefreut haben dürfte. Sie stammte von einem gewissen L. Krenek, der am „Forman Christian College“ in Lahore angestellt war.


„Peter Aufschnaiter Flügel Nr. 2

Lieber Aufschnaiter,

dies ist ein Zitat aus einem Brief von Kenneth Mason:

„Ich habe vernommen, dass mein alter Freund Peter Aufschnaiter sicher aufgehoben ist in Ahmednagar. Ich hatte gehofft, Nachricht von seiner Nanga-Parbat-Erkundung zu erhalten, aber bislang hat mich nichts erreicht. Bitte richte ihm Grüße von mir aus.“

Der Brief ist auf den 28. Januar 1940 datiert.

Hochachtungsvoll L. Krenek“6

Kenneth Mason hatte seinen Freund Aufschnaiter also nicht vergessen und sollte ihn auch später, so gut es ging, im Auge behalten. 1941 wurden Aufschnaiter, Chicken, Harrer und Lobenhoffer in das frühere Militärlager Deolali ungefähr 160 Kilometer nördlich von Bombay verlegt. Die Bedingungen hier waren furchtbar. Das Lager war unerträglich überfüllt, heiß und staubig. Die Gefangenen wehrten sich durch einen Hungerstreik.

Um Abhilfe zu schaffen, veranlassten die Engländer einen internierten deutschen Architekten, eigens für die gefangenen Ausländer ein Lager zu bauen. Als Standort wurde die klimatisch günstige kleine Stadt Dehra Dun ausgewählt, rund 200 Kilometer nördlich von Delhi in den subtropischen Sewalik-Hügeln am Fuß des Himalayas.

Das „Central Internment Camp Premnagar“ lag rund acht Kilometer westlich des Stadtzentrums von „Doon“ in unmittelbarer Nachbarschaft zu der 1932 gegründeten Indian Military Academy. Das Lager war auf rund 800 Meter Meereshöhe in einem ehemals landwirtschaftlich genutzten Areal am Südufer des Asan River errichtet worden. Wasser führte dieser oft mit dem Tons-Fluss verwechselte linke Zulauf des Yamuna-Stroms nur zur Monsunzeit.7 An der Südseite des Camps verlief die große asphaltierte Charakrata Road. Das Lager war in sieben Teilbereiche oder „Wings“ unterteilt. Links (westlich) vom „German Wing“ waren italienische Gefangene untergebracht und rechts (östlich) von den Deutschen ausgerechnet in Indien internierte Juden und Antifaschisten. Westlich der italienischen Abteilung bog die Hauptstraße nach Charakrata im rechten Winkel nach Norden ab und überquerte den Asan River auf einer steinernen Brücke, um dann dem Flusslauf weiter in Richtung Yamuna zu folgen. Jenseits des Flusses erstreckte sich eine Talebene mit Reisfeldern, die bald in einen lockeren Waldbestand übergingen. Über dem fruchtbaren Kulturland erhob sich die dicht bewaldete Steilflanke der südlichsten Vorkette des Himalayas. Vom Gipfelgrat leuchteten nachts die Lichter der rund 2000 Meter hoch gelegenen langgezogenen Hill Station Mussoorie zu den Internierten herunter.

Der gesamte Lagerkomplex war von einem dreieinhalb Meter hohen doppelten Stacheldrahtzaun umgeben, der einen Laufgang bildete. Hier standen in 80 Schritt Abstand die Wachen. Es waren Gurkha-Soldaten, welche die Engländer bei den kriegerischen Stämmen Nepals rekrutiert hatten. Sie galten als ausgezeichnete Scharfschützen, ihre Lieblingswaffe war jedoch ein rasierklingenscharf geschliffenes, armlanges Krummmesser – der gefürchtete Kukri. Diese Gurkhas waren fröhliche, stets zum Lachen bereite Burschen, für ihre „Beißhemmung“ waren sie allerdings nicht bekannt: Wer sich in dem Drahtverhau verfangen hatte, brauchte nicht ihr Erbarmen zu erhoffen. Die Stacheldrähte waren in handbreitem Abstand gezogen und durch eine am Boden liegende, auf Spannung gespulte Drahtrolle verstärkt. Dass der Innenzaun einen weit ausladenden stacheligen Überhang aufwies, lud auch nicht gerade zum Fluchtversuch ein. Nachts war der Laufgang hell erleuchtet, die Wachen patrouillierten mit extrem hoher Frequenz.8

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