Kitabı oku: «Der Duft der indischen Nelke», sayfa 3
Dieser kalte Dezembernachmittag hat schon sein Tageslicht eingebüßt. Ziemlich windig ist es an der Kreuzung. Ein rotes Herzass taumelt vom Bordstein auf den Asphalt. Hat das etwas zu bedeuten? Mein schwarzer Wintermantel mit der albernen Pelerine, den mir Mutter gekauft hat, ist nicht sehr wärmend. Die Flügel dieser Pelerine schlackern mir um die Ohren. Das sieht sicher komplett albern aus. Vielleicht würde das zu einem Pferdekutscher auf seinem Bock, der auf den Namen Gustav hört, passen. Aber ich schreie hier weder Hüüü! noch ist mir nach Auspeitschen eines Hotte-Birr zumute. Ich bin hier in Erwartung von Evelyn und dabei so was von aufgeregt. Sie will doch mit mir spazieren gehen!
Da steht sie ja! Keine Fata Morgana eines Winterabends!
Meine süße Fee! Sie hatte sich hinter einer Litfaßsäule, auf der Reklame für einen Film mit dem seltsamen Titel Easy Rider gemacht wird, versteckt.
Wir küssen uns sofort ungeniert neben einer Traube von Menschen, die an der Bushaltestelle wartet, während uns Sascha mit seiner Leine die Beine wenig lustvoll, aber kunstvoll zusammenschnürt.
„Gehen wir zum Kanal?“ Ihre strohblonden Haare wehen ihr um die Stupsnase, während sie mir das Lächeln einer Elfe schenkt. Wäre ich Tolkien, wäre sie meine Elbe oder auf elbisch, meine Eledhes bain, meine wunderschöne Elbenfrau!
„Du meinst da hinten an der Sieversbrücke, also bei dir zu Hause vorbei?“ Ich greife nach ihrer Hand, die trotz der Kälte warm und samtweich ist.
„Ja, da sind wir ungestört. Ich habe extra einen Rock an und wieder nur Strumpfhosen darunter. Allerdings sind die heute aus flauschiger, dicker Baumwolle.“
Wir gehen die Kaiser-Wilhelm-Straße in Richtung Teltowkanal und kommen natürlich auch an der Nummer 99 vorbei.
„Komm‘, lass uns hier ein bisschen schneller gehen. Wenn mein Bruder uns zufällig aus dem Fenster beobachten sollte, kommen nur wieder blöde Bemerkungen!“
Doch danach kurz vor der Kreuzung Alt-Lankwitz ist es höchste Zeit für eine Knutschpause. Sascha gefällt das gar nicht, denn er zerrt mächtig an der Leine und will unbedingt weiter.
Nach der Kreuzung erreichen wir die Brücke.
„Schau mal da oben! Hast du den Mond schon mal so riesig gesehen? Er scheint doppelt so groß wie sonst.“ Ich richte meine Hand gen Erdtrabanten und sie folgt meinem Blick.
Wir verharren für einen Moment in Bewunderung des Mondes.
„Ehe die Menschen das Feuer, Werkzeuge und eine Sprache besaßen, war der Mond ihnen ein treuer Verbündeter. Er war sicher eine Art Himmelsleuchte und erhellte die finstere Welt und linderte Ängste.“
„Mein philosophischer Hubert. Das hast du schön gesagt.“ Ich freue mich über ihr Kompliment. Aber auch der Vierbeiner ist ja noch da. Und ihm ist der Mond schnurzpiepegal. Ich muss Sascha verstärkt halten, denn er ist ja kein Wolf, den la bella Luna zum Gesang inspirieren würde.
„Lass uns auf die andere Seite gehen. Da ist eine schmale Treppe. Unter der Brücke ist jetzt bestimmt niemand.“ Sie schenkt mir einen Kuss auf meine Nasenspitze.
Ich lasse Sascha von der Leine und er genießt die plötzliche Freiheit in Form von ungebremsten Sprints, die Treppen zum Kanal immer wieder hoch und runter, man könnte meinen, er sei einer Horde imaginärer Kaninchen auf der Spur.
Der dunkle Bereich unter der Brücke ist erfreulicherweise menschenleer.
Wir gehen Arm in Arm bis zur Mitte. Ich spüre ihre Lippen und ihre Zunge ergreift Besitz von mir. Ihre Hände schlüpfen unter ihren Teddymantel, unter ihren Rock und lassen ihre Strumpfhose bis zu den Knöcheln abwärts gleiten. Dann ergreift sie meine linke Hand und führt sie zu ihrer flauschigen Venus.
„Komm‘ und streichle mich. Ich habe den ganzen Tag an nichts anderes gedacht, als das du mich da ein wenig verwöhnst!“ Sanft drückt sie meine Hand auf alles, was heiß und feucht ist.
Langsam gleitet mein Mittelfinger hin und her und sie beginnt leise zu stöhnen.
„Ja, das ist wunderbar, so wunderbar. Ich wusste, das du so zärtlich mit mir sein würdest!“
Ihre rechte Hand bahnt sich den Weg unter meinen Mantel und öffnet Knopf für Knopf die Jeans, die ihren Namen dem Franken Levi Strauss verdankt.
„Da ist ja jemand schon sehr aufgeregt!“, stellt sie gut geschauspielert fest.
So wie ich sie vorsichtig streichele, so macht sie es in gleicher Weise mit mir. Ich fange an zu zittern, nicht vor Kälte, sondern vor Auf- und Erregung.
„Komm‘, ich möchte, dass er mich jetzt dort kennenlernt, wo er schließlich hingehört!“ Sie drückt ihren feuchten, heißen Körper zu meiner spürbaren Erregung und so gleite ich langsam dorthin, wo er, wie sie meint, hingehört. Sie macht eine geschickte Bewegung, verändert ihre Position ein wenig nach hinten und ohne dass ich eigentlich viel dazu beitrage, merke ich, wie ich nun sanft in sie hineintauche. Wir halten inne in dem Moment, da ich gänzlich in ihr bin. Ein Moment wie in Trance. Ein Augenblick der Glückseligkeit, wenn es denn so etwas wirklich gibt. Ich merke, wie es in mir in einer seltsamen Art und Weise anfängt zu vibrieren, denke ich jedenfalls, dabei sind wir beide in dieser vermeintlichen Minute wie Dornröschen an der Spindel weggeschlafen, regen uns nicht, wollen für immer und ewig so verbleiben, weil wir uns eins fühlen mit uns, weil es danach nie wieder so sein wird, wie dieses erste, wie dieses einmalige Mal des intimen Verschmolzenseins. Ein Moment für die Ewigkeit. Jedenfalls in einer kleinen Ewigkeit dieses Seins, dieses Lebens. Doch Evelyn weiß und spürt, dass die Biologie unserer Körper ihren Tribut zu zahlen hat. Zwar sind es keine einhundert Jahre, vielleicht gerade mal einhundert Sekunden und sie ist ja auch kein Königssohn, der Dornen in Blumen verwandelt, aber sie wandelt mein Empfinden. Sie spielt mit und ergibt sich uns in das Schicksal der Hormone, die uns dirigieren. Ganz langsam, aber sehr bestimmt, entlässt sie mich aus der warmen weichen Umhüllung. Doch gemach, es droht ihm keine langfristige, eisige Sievers-Brücken-Winter-Luft. Bevor er sich‘s versieht, ergreift sie ihn wieder und immer wieder. Sie schickt ihn immer nur ganz kurz nach draußen, um ihm zu zeigen, wie schön es bei ihr ist, und holt ihn stets sofort zurück. Manchmal gewährt sie ihm wieder für eine kleine Endlosigkeit Asyl. Auch unsere Kussschnuten sind verschmolzen und turnen miteinander eine Art Schlangentanz.
„Siehst du!“, stöhnt sie, „ich will dich ganz! Ich will dich!“
„Ja, ich dich auch!“ Ich bin in dieser Sekunde kein Wortakrobat!
„Ich glaube, ja, ich spüre, du bist so weit. Das pulsiert, wie ist das schön!“ Sie entlässt mich abrupt in die Dezemberluft unter ihrem Rock. Doch ihre Hand lässt mich nicht im Stich und ergreift mich sehr, sehr hilfreich!
„Komm! Schenk mir, was du mir zu geben hast. Ich sehne mich danach, dann damit gestreichelt zu werden!“
Wie ein elektrischer Blitz eingehüllt in das Aroma einer Frühlingslandschaft von Tagetes, der sich in mir und folgend über meinen ganzen Rücken zu entladen scheint, kommt es nun dorthin zu ihr, wohin sie es sich wünscht und wonach sie sich sehnt.
„Das funktioniert inzwischen hervorragend! Sie haben schon viel hinzugelernt. Ich erlebe alles sehr plastisch, so als wäre ich mit dabei.“
Ein enormer Stoß fährt durch das Gebäude. Unten im Küchenbereich scheppern einige Flaschen, und Gläser gehen zu Bruch.
„Offensichtlich finden sie immer mehr Gefallen an ihrem Erlebten. Wir müssen sehen, dass wir noch so viel wie möglich zurückholen. Schließen sie die Augen und kümmern sich nicht weiter um mich.“
Hinter den großen Schaufenstern von Wertheim laden Märchenbilder mit sich bewegenden Puppen zum kindlichen Träumen ein. Als Kind war ich hier mit meiner Mutter, auch diese Auslagen bewundernd und in gespannter Erwartung eines neuen Adventskalenders mit seiner glitzernden Oberfläche, die mit winzigen Lametterbröseln angereichert war.
Wir schlendern Hand in Hand vom kleinen Lederwarengeschäft, wo ich für meine Großmutter Handschuhe gekauft habe, in Richtung Bushaltestelle.
„Guck mal da drüben! Dort habe ich gestern eine neue Platte gekauft.“ Meine Hand zeigt auf den Schallplattenladen Ton und Welle. Evelyn schmiegt ihren Kopf an meine Schulter und schnurrt:
„Bekomme ich die nachher zu hören?“
Mir wird plötzlich schwindlig. So als ob ich auf einem rasenden Karussell säße und mich gegen die Drehung stemmte. Weit entfernt höre ich den Nachrichtensprecher:
Zum Abschluss noch eine Meldung aus dem Bereich der Beat-Musik: Bei einem Konzert der Rolling Stones in Altamont in den USA töteten Mitglieder der berüchtigten Rockergruppe „Hell’s Angels“ einen achtzehnjährigen Farbigen. Das waren die Nachrichten des RIAS Berlin, einer freien Stimme der…
Ich schalte das Radio aus. Kleine weiße Kristalle schmelzen an der Fensterscheibe.
„Hoffentlich hat es dir Spaß gemacht, mit mir die Handschuhe für deine Omi auszusuchen?“ Evelyn setzt sich neben mich auf meine Couch, während uns Christian Anders mit Geh‘ nicht vorbei, als wär‘ nichts gescheh‘n per selbst gebastelter Lautsprecher seinen offensichtlichen Liebeskummer kundtut.
„Ja, es war toll mit dir, die Schloßstraße im dunklen Dezemberwetter zu erkunden. Wenn ich denke, wie dieser Tag heute früh anfing!“
„Stimmt! Ich war ein wenig spät dran. Du Armer hast fast eine halbe Stunde in der Kälte auf mich warten müssen.“ Sie zeigt mir traurig schelmische Augen.
„Dafür waren wir dann im Bus fast alleine!“
„Ja, aber wir kamen fast eine halbe Stunde zu spät zu Mathe!“
Sie boxt mich sanft in meine Rippen.
„Und Ringer konnte sich so richtig an uns auslassen!“ Ich versuche es bei ihr mit einer kleinen Kitzeleinheit an der Taille.
„Hör mal, wenn du meinst, dass du mich damit …“ Ich unterbreche den Satz mit einem Kuss, doch sie fährt fort:
„… zu irgendetwas Verbotenem `rumkriegst? Jedenfalls hat dieser Mathe-Heini bei mir auf Granit gebissen! Was bildet der sich überhaupt ein! Als die Tür im Klassenzimmer gerade hinter uns zugefallen war, kam diese dämliche Bemerkung, ‚man könnte meinen, Fräulein Barz, dass sie mit Hubert heute zu spät aus dem Bett gehüpft sind?‘“ Sie äfft ihn mit einem versucht dunklem Tonfall nach.
„Ich glaube, der Ringer hat uns schon lange auf’m Kicker. Seitdem der Wind davon bekommen hat, dass wir zusammen sind, sind wir für den ein rotes Tuch. Nun, deine Antwort war jedenfalls super!“
Ein verschmitztes Grinsen huscht über ihr Gesicht, als sie mir den morgendlichen Satz wiederholt:
„Sie haben ja so recht, Herr Ringer! Wir haben aber nur ein ganz kleines Bett und da ist auch null Platz für Mathe-Aufgaben!“
Wir umschlingen uns mit unseren Armen. Bloß gut, dass wir nicht zur Gattung der Oktopusse gehören, weil wir uns dann vermutlich nie wieder entwirren könnten. Ich küsse sie auf ihren Mund, ihre Nase, ihre Stirn, ihre Augenlider und ihre kleinen süßen Ohren. Das mag sie besonders, denn ich spüre sofort, wie es in ihr bebt. Sie steht mir in nichts nach und so endet diese Kuss-Salve schließlich mit unseren Lippen, die sich genüsslich vereinen.
„Und dann auch noch die Musikstunde und die Schmidt, die fast komplett ausgerastet ist.“ Der Schulvormittag hält mich noch im Bann.
„Wie oft hat sie uns aufgefordert, für die letzten fünf Minuten eine Platte mitzubringen.“ Sie streicht mir von vorne nach hinter übers Haar.
„Ich fand das total mutig von dir, ausgerechnet Je t’aime … moi non plus vorzuschlagen! Ich glaube, die letzte halbe Minute, wenn Jane Birkin anfängt zu stöhnen …“
„… wäre die Schmidt am liebsten geplatzt oder wie eine Rakete durch die Decke geflogen“, fällt sie mir ins Wort.
„Wenn Sie es nochmal wagen so etwas Widerwärtiges mitzubringen, setzt es einen Tadel!“ Evelyn kann die Schmidt so hervorragend nachmachen.
Ich denke an die nachfolgende Pause, die uns beiden dann tatsächlich einen Tadel der Musiklehrerin beschert hat.
Wir standen am großen Fenster im Treppenhaus und knutschten. Doch unten auf dem Schulhof stand die Schmidt!
„Hubert! Du kannst Euer Abendbrot holen!“, tönt von unten die wenig genüssliche Stimme meiner Mutter. „Und die Musik bitte etwas leiser.“
Als ich mit einem Tablett belegter Brötchen und zwei Gläsern Cola wieder in meinem Zimmer ankomme, schenkt mir Evelyn einen Blick, der keine Zweifel aufkommen lässt.
„Guck mal aus dem Fenster! Es schneit schon wieder wie verrückt. Da haben wir es hier so schön kuschelig. Jedenfalls gemütlicher als unter der Brücke!“ Sie zeigt mir einen Kussmund, doch ich muss erst das Tablett auf dem Tisch abstellen, ehe ich mich wieder neben sie setzen und ihrem Angebot folgen kann.
„Ich glaube, wir haben jetzt genug von Christian Anders. Ich lege uns mal meine neueste Errungenschaft auf.“ Den Plattenspieler stelle ich auf Wiederholung und komme zurück zu ihr.
Als die ersten Töne der Orgel uns erreichen, befindet sich mein Ohr in Obhut ihrer Lippen. Ihre nimmermüde Zunge liebkost mich und sie flüstert: „Das ist also die neue Single von Ton und Welle! Bist du sicher, dass niemand von deiner Familie uns hier überrascht?“
Je t’aime, je t‘aime, ô oui je t’aime!, schmachtet Jane Birkin und Serge Gainsbourg beteuert moi non plus!
„Meine Mutter hat mitbekommen, dass wir da ewig in der Dezemberkälte waren und sie hat mir angeboten, hier in meinem Zimmer ungestört sein zu können!“
„O, wie schön! Und dass du meine Lieblingsmusik besorgt hast!“ Ihre Lippen wandern zu meinem Mund. Eine ihrer Hände erkundet die Situation unter dem Reißverschluss. Offensichtlich ist sie mit dem Ergebnis zufrieden. Die Brötchen lassen wir wohl eher Brötchen sein.
Sie erhebt sich und lüftet den dunkelblauen Faltenrock. Die baumwollenen, farbgleichen Strumpfhosen rutschen ihre langen Beine hinunter. Entweder ihre Unterhose hat sich in der Strumpfhose versteckt oder aber sie hat wieder auf dieses Kleidungsteil verzichtet.
„Komm, steh‘ auf!“ Natürlich folge ich ihrer begehrlichen Anweisung. Wie in vielen meiner Fantasien öffnet sie mir die Hose, die wie von alleine nach unten fällt. Meine Unterhose, die zeltförmig gewölbt ist, ereilt dasselbe Schicksal. So steht sie vor mir. Das kleine strohblonde Gebüsch ihrer Venus sieht so verlockend aus. Sie nimmt meine linke Hand und lässt meinen Mittelfinger zielsicher landen.
„Was spürst du?“
„Es ist so weich, heiß und feucht!“
„Setz dich! Ich komme zu dir!“
Ich lasse meinen Po zurück auf die Couch fallen und so kann sie auf mir Platz nehmen.
„Mmhh, ich merke, dass du dir den Weg gemerkt hast. Lass uns einen Moment so ruhen. Du bist so tief in mir. Ich spüre dich so gerne. Er pulsiert so aufgeregt. Ich liebe diesen Rhythmus!“
Ihre Zunge ertastet mein linkes Ohr und ihre linke Hand holt sich meine rechte auf ihre linke Poseite.
Entre tes reins, meint Serge Gainsbourg. Seine Stimme scheint so unendlich weit, doch ist er uns mit seinen Gedanken so nahe.
„Ich bleibe so sitzen, bis das Lied zu Ende ist. Komm, rutsch mal unter meinen Pulli und zeig mir, dass du auch meinen Busen magst. Schließlich habe ich extra meinen BH im Wäschefach vergessen! Bin ich nicht ein böses Mädchen?“
Ich spüre seinen Blick, so als würde ein Sonnenstrahl durch eine Lupe auf meine Stirn gebündelt. Es wird heiß und es ist hart an der Schmerzgrenze.
„Es wird Zeit, dass ich interveniere und Fragen stelle. Sie müssen sich über so einiges klar werden.“
Es regnet nicht mehr. Dafür pfeift ein ausgewachsener Sturm um den Turm. Seltsam! Im Moment steht er wie der Fels in einer Brandung. Kein Rucken und kein Beben.
„Welche Gefühle haben sie, wenn sie jetzt an Evelyn denken?“
„Ich bin sehr sentimental. Sie hat mein Frauenbild geprägt. Alle die, die folgten, habe ich bewusst oder unbewusst mit ihr verglichen!“
„Das ist kein Gefühl! Das geht in Richtung Analyse! Sagen Sie mir, was sie empfinden. Sie müssen doch noch die Situation spüren, die wir gerade eben zurückgeholt haben.“
Doch wie in einem Flashback einer Droge sitze ich augenblicklich im Haus meiner Eltern unten am Telefon im Esszimmer.
„Hier bin ich!“, höre ich ihre Stimme aus dem Hörer.
„Was machst du denn so heute am zweiten Weihnachtstag?“
„Evelyn! Damit habe ich gar nicht gerechnet. Ich bin allein zu Hause. Meine Eltern sind mit meiner Schwester bei Verwandten. Und was machst du?“ Ich räuspere mich, habe offensichtlich vor Überraschung oder Aufregung einen Kloß im Hals.
„Ich bin auch allein zu Hause! Rate mal, was ich anhabe.“
„Keine Ahnung. Einen Pulli und `nen Rock?“
Es entsteht eine kleine Pause und dann flüstert sie:
„Ich liege auf meinem Bettchen und habe gar nichts an. Möchtest du nicht zu mir kommen und mich zudecken?“
Kalt und metallisch schallt mir seine Stimme entgegen.
„Und? Sind sie zu ihr gegangen?“
„Ja! Es war das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben. Es war so wunderbar, wie in einem romantischen Märchen! Ich kann die grenzenlose Zartheit ihres Körpers erahnen. Jetzt, wo ich sie nochmal erleben durfte, bin ich überwältigt von allem. Sie war mein blonder Engel, meine Elfe. Sie passte wunderbar zu den Elben im Herrn der Ringe. Aber das habe ich ja schon gesagt. Wir waren doch beide furchtbar jung. Nie wieder …“ Mir steigen Tränen in die Augen, so als wüsste ich in diesem Moment schon ihr Schicksal.
Er fragt kurz:
„Warum haben Sie sie nicht wiedergesehen?“
„Sie hatte mir zu meinem Geburtstag die Langspielplatte The Turning Point von John Mayall geschenkt. Sie war nur zwei kurze Stündchen geblieben. In ihrem weißen Kleid sah sie umwerfend aus. Wir saßen beide hinten in der Ecke auf der großen Couch im Sousterrain im Herrenzimmer. Davon rührt das einzige Foto, das ich noch von ihr habe. Ich glaube, ich habe mich während dieser zwei Stunden um niemanden sonst gekümmert.“
„Verdammt nochmal! Das wollte ich jetzt nicht wissen!“ Wäre er ein Stier, käme ihm jetzt Dampf aus den Nüstern.
„Was ist passiert nach der Episode bei ihr zu Hause zu Weihnachten?“
„Ein paar Tage danach hat sie mir einen Brief geschickt und ein Bild von sich hineingelegt. Sie hatte sich die wunderbaren blonden Haare kurz schneiden lassen und mir geschrieben, dass wir uns nie wieder sehen würden. Ich sei entschieden zu gut für sie und ich sollte sie besser nie ganz und gar kennenlernen. Zum Anfang des neuen Jahres würde sie auf eine andere Schule wechseln. Ihr Abschiedssatz war: Mein lieber romantischer Junge! Ich werde Dich nie vergessen!“ Moi non plus! weinte ich vor mich hin, als ich im Garten das Bild und den Brief verbrannte.
Am Fenster gibt es ein platschendes, knirschendes Geräusch. Ein Fregattvogel ist gegen die Scheibe geflogen. Er muss sich dabei das Genick gebrochen haben, denn der Kopf zeigt in einem unmöglichen Winkel nach oben. Seine Augen glänzen mit einer traurigen Leere, während der leblose Körper langsam nach unten gleitet.
Begleitet wird der Abgang dieses gefiederten Gesellen von an Konfetti erinnernden, weiß gefrorenen Kristallen, die vom Sturm durch die Nacht gewirbelt werden.
3 Auf einem roten Kimono
„Wir wechseln jetzt den Standort! Kommen Sie mit!“
Er zeigt mit einer Hand in den hinteren Teil der Kajüte. Die Tür, die dort geöffnet ist, war mir vorher nicht aufgefallen. Wir gehen nacheinander einen matt beleuchteten Gang entlang. Ich folge ihm wie in Trance und habe das Gefühl, als ob wir leicht in Serpentinen abwärts laufen. Ein mächtiges Dröhnen ist zu vernehmen, so als ob ein Ozeanriese einen Eisberg rammt.
Er bleibt stehen und öffnet rechter Hand eine Tür.
Ein Raum mit samtenem, braunem Bezug an Decke, Wänden und Boden. An der linken Längsseite steht eine Couch mit einer Leopardimitatdecke. Direkt an der Kopfseite befindet sich eine Stehlampe, die den Zeitsprung aus den 50er-Jahren schadlos überstanden hat.
„Legen Sie sich nun hin. Aus Sicherheitsgründen muss ich sie an Armen und Beinen anschnallen.“
Ich lege mich, so wie er es sich wünscht, und fühle mich augenblicklich entsetzlich schwer, so als wollte mein Körper durch die Couch hindurchfallen. „Wir haben ein weiteres Niveau erreicht.“
„Was bedeutet das?“
„Wir werden eintauchen in Ihre Welten. Ich will das mal so nennen. Ich injiziere Ihnen nun eine zerebral-projektive Substanz. Dadurch werde ich alle Denkvorgänge in Ihrem Gehirn auf dem Schirm da vorne miterleben können. Außerdem kann ich, so es nötig sein sollte, etwas aufzeichnen.“
In der Tat ist auf der Stirnseite des Raumes ein riesiger Bildschirm zu sehen.
Er lässt sich auf einem Sessel neben mir nach hinten fallen und fixiert mich mit stechendem Blick.
„Schließen Sie die Augen! Sie entspannen sich jetzt. Alles wird leicht und leichter. Sie verschwinden im Zeitennebel. Ich weise Ihnen Liane. Sie sind mit Liane. Sie erleben Liane wieder, jetzt!“
Der kleine Raum ist sehr plüschig gehalten. Die zwei Funzellampen erlauben keine klare Sicht. Die Wände und das geräumige Sofa, auf dem ich sitze, sind mit flauschigen Decken überzogen. Nebenan wechselt die Musikrichtung. Dancing Queen von Abba erfreut die Anwesenden. Die Mädchen, die sich auf der Drehscheibe den Zuschauern hinter den Fensterchen präsentieren, dürfen sich ihre Musik für ihre fünfminütigen Auftritte selber aussuchen und mitbringen. Auf der rechten Seite des Séparées ist eine Tür, die ich wie gebannt anstarre. Irgendwann wird sie sich öffnen. Die Musik hat ja gewechselt. Ihre Musik ist nicht die von Abba. Sie tanzt nach Pink Floyd. Dancing Queen kommt mir endlos vor. Plötzlich denke ich an die Fünf-Doppel-Acht. Ich habe die Taxe haarscharf am Parkverbot vorbei gegenüber am Theater des Westens geparkt. Schon oft hatte ich hier eine kleine Pause eingelegt, wenn ein Fahrgast zum Kudamm gebracht werden wollte. Gewöhnlich kann ich sie mittwochs während der Frühschicht bewundern. Ihr Standardsong ist Cymbaline. Außen am Rondell, wo die Kabinen mit den Fensterchen angeordnet sind, ist eine Showtafel mit vier Fotos angebracht. Jedes Foto hat am unteren Rand ein Namensschild und über dem Bild ein Lämpchen. Wenn das Lämpchen leuchtet, heißt das, dass das entsprechende Mädchen auf der Drehscheibe ist. Noch nie hatte ich mich getraut, zum Tresen zu gehen und der Frau dort einen Namen zu nennen und ihr die fünfzehn Mark für fünfzehn Minuten mit einer der Ladys im Séparée zu geben. Vielfältigen Fantasien habe ich nachgegeben, seit ich sie das erste Mal gesehen habe. Sie war im roten Kimono auf die sich drehende Bühne gekommen. Einen Moment war sie so stehen geblieben und hatte ins Rund zu uns Bewunderern geschaut und jedem Einzelnen zugelächelt, aufmunternd zugelächelt. Dabei war ihr ihr Kimono, wie es schien, völlig unabsichtlich langsam am Körper nach unten geglitten.
Ein leises Quietschen ist zu hören, als sich die Tür langsam öffnet.
Nur ihr Kopf mit den langen blonden Haaren ist zu sehen. Nach zwei, drei Sekunden scheint sie mich zu erkennen. Sie lächelt mich spitzbübisch an. Sie ist ganz vom roten Kimono umhüllt. Dann zieht sie eine kleine, weiße Eieruhr auf und stellt sie auf ein Tischchen neben der Tür. Es beginnt zu ticken.
„Ich schenke dir fünf Minuten für unser erstes Mal. Ist dir recht, dass ich zwanzig Minuten eingestellt habe?“
Ich zittere am ganzen Körper und höre mich mit heiserer Stimme „na klar!“ sagen.
Sie kommt auf mich zu. Ich stehe auf. Sie umarmt mich und küsst mich auf den Mund. Ein betörendes Parfum. Ich schätze Opium.
Sie zieht ihren Kimono aus und breitet ihn auf dem Sofa aus.
„Komm, setzen wir uns und machen es uns gemütlich.“
Wir nehmen nebeneinander auf ihrem Kimono Platz. Sie schmiegt sich an mich und dreht sanft meinen Kopf zu sich.
„Du zitterst ja! Bist du so aufgeregt? Ich weiß was.“
Ihre Lippen erobern meine und unsere Zungen lernen sich kennen.
„So! Nun hast du dich also endlich getraut, mich ins Séparée zu bitten?“
„Ja.“ Mir ist, als ob ich mehrfach Ja sage, aber es ist nur ein kleines, schüchternes und karges Ja.
„Was möchte denn mein dunkelhaariger, schüchterner Held mit mir machen?“
„Sag du doch mal, was du mit mir machen könntest.“
„Also, wenn du mir dreißig Mark schenkst, dann würde ich dich gerne mit der Hand massieren.“ So nah vor mir wirkt Lianes Lächeln noch viel betörender als drüben von Weitem auf dem großen Plattenteller.
„Gibt es noch etwas, was wir tun könnten?“
Sie schaut mich an und wieder sind ihre weichen vollen Lippen auf meinem Mund.
„Na klar! Ich verwöhne dich auch mit meinem Mund. Das wäre dann aber noch ein bisschen teurer.“
Drüben wechselt die Musik. Ein anderes Mädchen rekelt sich zu Hotel California.
„Okay, das würde ich gerne haben.“
„Dann gib mir bitte fünfzig Mark.“
Ich krame in meinem Portemonnaie und reiche ihr einen braunen Schein. Sie verstaut ihn in einer Art Kulturtasche und widmet sich meinem Reißverschluss.
„O là, là! Da ist aber jemand sehr vorlaut!“
„Das ist nicht meine Schuld!“, flüstere ich ihr ins Ohr.
„Ich gestehe ja, ich bin die Schuldige!“
Ihr Daumen bildet mit ihren Fingern einen nicht perfekten, aber sehr effektiven Kreis und dieses kleine Rund vollführt wunderbare Bewegungen auf und ab, während ihre Haare mein Gesicht kitzeln und ihr Mund mich von ihrer Hand abzulenken sucht.
„Sag mir Bescheid, wenn es dir zu viel wird. Wir wollen doch möglichst die ganze Zeit ausnutzen. Was hältst du davon, wenn du dich mal ausziehst?“
„Okay!“ Ich entledige mich meiner Klamotten und sofort steht sie Körper an Körper mit mir und schmiegt sich an mich. Ich erlebe eine Gänsehaut vom kleinen Zeh bis zu den Ohrläppchen. Links hinten auf dem Beistelltisch flackert ein etwas unscharfer Porno. Eine schwarzhaarige Lady sitzt mit dem Rücken zur Kamera auf einem Kerl und führt sich mit einer behandschuhten Hand sein Teil in ihren Po ein. Der schwarze Handschuh aus transparentem Spitzenchiffon geht ihr fast bis zur Achsel. Wohl ein Exemplar, welches anständige Frauen auf einen Ball ausführen und dazu mit ihrem Ehegatten Sechzig Jahre – und kein bißchen weise von Curd Jürgens tanzen würden.
Der ziemlich große Fernseher schenkt uns keinen Ton. Den liefert erneut Dancing Queen des Mädchens im Showroom. Und als ob die Lady mit dem Teil in ihrem Allerwertesten Abba hören könnte, nimmt ihr Rhythmus jenen von Dancing Queen auf.
Liane gleitet mit ihrer Hand an mir, nach einem eigenen inneren Metronom.
„Komm, lass uns wieder hinsetzen. Erzähl mir ein bisschen von dir. Ich möchte dich gerne kennenlernen. Ich möchte gerne wissen, was dich so richtig anmacht.“
Wir sitzen wieder nebeneinander auf ihrem seidenen, roten Kimono. Ihre Hand streichelt mich und ihr Mund schleckt mein Ohr ab. Die Lady in der Glotze ist inzwischen von ihrem Typ abgestiegen und hält sich sein Teil vor ihren knallrot geschminkten Mund, um es sofort darin verschwinden zu lassen. Ihre Lippen umfassen seine nicht gerade kleinen Ausmaße und saugen ziemlich genüsslich daran.
„Gefällt dir der Film?“
„Na ja“, sage ich. Ich konzentriere mich auf mich selbst und bekomme zudem die Bemühungen der schwarzhaarigen Lady geboten.
„Das mache ich auch gleich mit dir“, flüstert sie mir in meine feuchte Ohrmuschel. „Aber vorher möchte ich ein paar geile Bemerkungen von dir. Schließlich ist meine Yoni auch am Programm hier beteiligt.“
„Wer ist Yoni?“
„Das ist tibetisch und heißt Möse“, belehrt sie mich. Sie verlässt mich mit ihrer Hand und führt meine zu ihrer Yoni. Dort ist es sehr warm und feucht. Im Fernseher verlässt ein weißer Schwall das Gigantoteil des Pornohelden, um letztendlich halb auf der Zunge und halb auf den roten Lippen der Lady zu landen. See the girl, watch that scene, digging the dancing queen singen Agnetha und Frida.
„Ich stehe sehr auf schöne Klamotten. Das macht mich unheimlich an.“ Ein kleiner, aber wichtiger Teil ihrer Yoni wächst unter meinen Fingerspitzen.
Und ich? Ich wusste gar nicht, wie hart ich werden kann. Jedenfalls fühle ich mich dermaßen stark zwischen ihren Fingern. Das beflügelt so einige Hoffnungen in mir.
„Was für Klamotten meinst du?“ Plötzlich wird aus ihren zarten Streicheleinheiten ein stahlharter Griff, eine Umklammerung, als wollte sie zeigen: So weit und nicht weiter. Ein lustvoller Schmerz brennt in ihrer Hand.
God knows, I want to break free!, queent es, denn nebenan zeigt sich ohrenscheinlich erneut ein anderes Mädel und in der Glotze verschlingt eine zierliche Blonde ein enormes Teil eines Blonden, der ihr dabei sehr behilflich sein mag, denn er umfasst ihren Goldschopf mit beiden Händen und gibt ihr so mit sanftem Zwang sein Tempo vor.
„Na, ich fände es zum Beispiel sehr erregend“, gehe ich auf ihre Frage ein, „wenn du einen Rock aus weichem, fließendem Stoff tragen würdest und darunter einen Hüftgürtel mit Strapsen, an denen Seidenstrümpfe befestigt wären. Dann würdest du einen weiteren Strumpf nehmen, ihn langsam aufkrempeln, bis zur Strumpfspitze, und ihn mir dann über meinen ... Wie heißt mein Teil auf Tibetisch?“
„Warja“, haucht sie.
„Über meinen Warja ziehen“, vervollständige ich den Satz.
In diesem Moment löst sie ihren Griff um eben diesen Warja und es wird warm und feucht um ihn. Ich öffne die Augen. Ihre langen Haare bedecken in wohligen Bewegungen meinen Schoß. Ihr Mäulchen nimmt mich gefangen, entlässt mich, aber nur für Sekunden, denn sofort spüre ich wieder ihre Zunge und ganz vorsichtig ihre Zähne.
„Liane, du Hexe! Du verzauberst mich!“
„Ich bin doch nur … “, das folgende Wort verschluckt sie, „lieb zu dir.“
„Meine Mutter hat immer gesagt, mit vollem Mund spricht man nicht!“
Ich spüre ihre Zähne am Rande der Schmerzfreiheit.
Der Blonde in der Ecke des Raumes vergräbt sein Teil zwischen den Brüsten der Blonden und hinter der Wand bitten die Eagles zum Hotel California.
„Liaaaane! Wann bist’n da endlich fertich? Ick hab‘ ooch `n Solo!“, zetert eine Kollegin hinter den hauchdünnen Wänden.
„Cindy! Ich komme, wenn die Zeit hier abgelaufen ist.“ Zu mir flüstert sie: „Fühl dich wohl, mein Lieber. Stell dir vor, du seist in meiner süßen Yoni.“