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IV. Die Texte
Zur vorliegenden Ausgabe
Wenn nicht anders angegeben, erfolgen die Cusanus-Zitate auf der Grundlage der Übersetzung von Anton Scharpff (Freiburg 1862), überarbeitet und herausgegeben von Eberhard Döring 2005 im Marixverlag Wiesbaden. Die Zwischenüberschriften stammen vom Herausgeber dieser Ausgabe.
Um der Lesbarkeit des oft weit ausholenden, gelegentlich auch umständlich anmutenden Sprachstils entgegenzukommen, sind Auslassungen – wie schon in der Edition von Scharpff und Döring erfolgt – unerlässlich und in der vorliegenden Ausgabe durch (…) kenntlich gemacht.
Der Quellenangabe dienen folgende Siglen:
Ber. De beryllo – Über den Beryll
Conict. De coniecturis – Über Mutmaßungen
Cribr.Alch. De cribratione Alchoran – Über die kritische Sichtung des Korans
D.absc. De Deo abscondito – Über den verborgenen Gott
D.ign. De docta ignorantia – Über die belehrte Unwissenheit
Fil.D. De filiatione Dei – Über die Gotteskindschaft
Gen. Dialogus de Genesi – Dialog über die Schöpfung
Id.de.mente Idiota de mente – Der Laie über den Geist
Lud.gl. Dialogus de ludo globi – Dialog über das Kugelspiel
Non aliud Directio speculantis seu de non alius – Die Ausrichtung des Beobachtenden oder Das Nicht-Andere
Pac.fid. De pace fidei – Über den Frieden im Glauben
Poss. Dialogus de Posset – Dialog über das Seinkönnen
Quaer.D. De quaerendo Deum – Über das Gott-Suchen
Vent.sap. De venatione sapientiae – Über die Jagd nach der Weisheit
Vis.D. De visione Dei – Über die Schau Gottes
1. Unser Wissen als Nichtwissen
Seit der Frühzeit der abendländischen Philosophie besteht eine gewisse Einmütigkeit darin, dass allem menschlichen Weisheitsstreben ein hohes Maß an Bescheidenheit gut anstehe. Ihr befleißigt sich bereits Sokrates mit seinem programmatischen Geständnis vom wissenden Nichtwissen, das jedoch nicht mit Erkenntnisresignation gleichzusetzen ist: »Ich weiß, dass ich nichts weiß.« Dionysios Areopagita (6. Jahrhundert) und die Vertreter der negativen Theologie sind sich dessen bewusst, dass alle vermeintliche Gotteserfahrung einer Nicht-Erfahrung entspricht, zumal menschliches Wissen dem Wesen der Gottesweisheit (theosophia) nicht angemessen ist. Im 19. Jahrhundert ist es der Däne Søren Kierkegaard, der auf den »unendlichen qualitativen Unterschied« zwischen Gott und Mensch hinweist. Der reformierte Karl Barth (1886 – 1968) und die an ihm sich orientierende Theologenschule haben sich diese Einsicht zunutze gemacht, und zwar in prinzipieller Ablehnung jeder Mystik, ja der Religion schlechthin. Nikolaus von Kues unternimmt es u.a. in seinem als Hauptwerk bezeichneten Buch von der wissenden Unwissenheit (De docta ignorantia, 1440), den Nachweis zu erbringen, dass das nach Wahrheit und absolutem Wissen von Gott, Welt und Mensch strebende Wissenwollen seinem »Gegenstand« letztlich nicht entspricht und nicht entsprechen kann. Nach der zugleich als eine Art Vorwort gedachten Begrüßung seines Meisters, des Kardinals und »ehrwürdigen Vaters Julianus«, beginnt Nikolaus im ersten Kapitel des ersten Buches der aus drei Büchern bestehenden Schrift:
Als Gabe Gottes liegt in allen Dingen, wie wir sehen, ein natürliches Verlangen, auf eine bessere Weise zu existieren, wie es ihr natürlicher Zustand zulässt. Für dieses Ziel sind besonders diejenigen Wesen tätig und mit geeigneten Hilfsmitteln versehen, denen der Verstand angeboren ist, entsprechend dem Zwecke des Erkennens, auf dass jenes Verlangen nicht ein vergebliches sei (…)
Daher sagen wir, die gesunde und freie Vernunft erkenne das Wahre, das sie in einem ihr angeborenen unersättlichen Suchen, alles durchforschend, zu erreichen strebt, wenn sie es in liebendem Umfassen ergreift. Und wir zweifeln nicht, vollkommen wahr sei das, dem kein gesunder Verstand widersprechen kann (…) Jede Forschung ist mithin eine vergleichende (comparativa), mittels einer Proportion (…) Bekannt ist dies von der Mathematik, wo die ersten Lehrsätze auf die ersten und ganz bekannten Prinzipien leichter zurückgeführt werden, die späteren Lehrsätze aber schwieriger, weil es nur durch die Vermittlung jener möglich ist. Jedes Forschen bewegt sich also in einer leichten oder schwierigen vergleichenden Proportion nach einem Unendlichen hin, das als Unendliches – indem es sich jeder Proportion entzieht – unbekannt ist.
Da die Proportion ein Zusammenstimmen in einem gewissen Einen und zugleich ein Anderssein ist, so lässt sie sich ohne Zahl nicht denken. Die Zahl schließt somit alles Proportionale in sich. Nicht also bloß in der Quantität ist die Zahl, sondern in allem, was wie immer substanziell oder akzidenziell zusammenstimmen und differieren kann. Deshalb hat wohl Pythagoras gelehrt, alles werde durch die Kraft der Zahlen geordnet und erkannt. Indessen eine präzise Kombination im Körperlichen und eine kongruente Anreihung des Unbekannten an das Bekannte geht über den menschlichen Verstand, weshalb Sokrates meinte, er wisse nichts, außer dass er nichts wisse. Der weise Salomo sagte, alle Dinge seien schwierig und nicht durch Worte zu erklären. Und ein anderer Mann voll des göttlichen Geistes sagt, verborgen seien die Weisheit und die Stätte der Erkenntnis vor den Augen aller Lebenden.
Wenn dem so ist, wie auch der tiefdringende Aristoteles in seiner »ersten Philosophie« sagt, dass selbst in den von Natur ganz unbekannten Dingen uns dieselben Schwierigkeiten begegnen wie der Eule, wenn sie die Sonne sehen will, so geht offenbar, da der Erkenntnistrieb nicht umsonst in uns ist, unser Verlangen dahin, zu wissen, dass wir nichts wissen. Bringen wir dieses Verlangen zur Vollendung, so erlangen wir die Wissenschaft des Nichtwissens (doctam ignorantiam). Auch der Wissbegierigste kann es in seiner Bildung zu keiner höheren Vollkommenheit bringen, als wenn er über die Unwissenheit, die dem Menschen eigen ist, recht unterrichtet erfunden wird. Zu dem Ende habe ich mir die Mühe genommen, über eben diese Wissenschaft des Nichtwissens einiges zu schreiben. (D.ign. I,1)
Nach einer Überlegung darüber, inwiefern Vergleichungen aus Gegenständen der Sinnenwelt auf das Geistige übertragbar seien, geht Nikolaus der Frage nach, auf welche Weise es zutrifft, dass die präzise Wahrheit unerfassbar sei. Das Größte, über das hinaus es nichts Größeres geben kann – mithin »im einstimmigen Glauben aller Nationen ›Gott‹ genannt« – vereint in sich die höchste Fülle (abundantia). Ihr allein kommt die Einheit zu, auf die das Erkenntnisstreben des Kusaners gerichtet ist. Um der Klärung willen kann es auch nicht angehen, sich nur an den Buchstaben eines Textes zu halten, denn:
Wer daher meinen Sinn erforschen will, muss über die Wortdeutung hinaus sich zum geistigen Verständnis erheben und nicht an der eigentlichen Bedeutung der Worte hängen bleiben, die zur Bezeichnung solcher Mysterien des Geistes in ihrer gewöhnlichen Bedeutung nicht ausreichen. Auch Vergleichungen aus der Sinneswelt muss man zur Anleitung anwenden, indem man sie auf das Geistige überträgt, auf dass der Leser leichter sich zur einfachen Vernunfterkenntnis (intellectus) erhebt. Den Weg hierzu bemühte ich mich auch gewöhnlichen Talenten so deutlich als möglich, mit Vermeidung aller Härte der Darstellung, zu zeigen. (D.ign. I,2)
Da es an und für sich klar ist, dass das Unendliche und Endliche in keiner Proportion zueinander stehen, so ist auch das ganz klar, dass man da, wo sich Ausschreitungen18 finden, auf ein einfach Größtes nicht kommt, weil die Ausschreitungen endlich sind, das Größte aber als solches notwendig unendlich.
Nimmt man also irgendeinen Gegenstand, der nicht das schlechthin Größte selbst ist, so lässt sich immer ein größerer auffinden. Und da die Gleichheit eine stufenmäßige ist, sodass etwas dem einen gleicher ist als dem anderen, nach der generischen19, spezifischen20, räumlichen, zeitlichen etc. Übereinstimmung und Verschiedenheit, so erhellt, dass nicht zwei oder mehrere so ähnlich und gleich sich finden lassen, dass sie nicht unendlich ähnlicher sein könnten.
Zwischen dem Maß und dem Gemessenen wird bei der größten Gleichheit immer noch eine Differenz übrig bleiben. Der unendliche Verstand kann mithin die Wahrheit der Dinge durch Aufsuchung der Ähnlichkeit (per similitudinem) nicht präzise erkennen. Denn die Wahrheit ist nicht ein Mehr und nicht ein Weniger, ein ungewisses Unteilbares, was von allem, das nicht die Wahrheit selbst ist, nicht präzise gemessen werden kann, so wenig, was nicht Kreis ist, den Kreis, dessen Sein in einem ungewissen Unteilbaren besteht, messen kann.
Unser Verstand (ratio)21, der nicht die Wahrheit ist, erfasst daher die Wahrheit nie so präzise, dass nicht ein unendlich präziseres Erfassen möglich wäre. Er verhält sich zur Wahrheit wie das Vieleck zum Kreise. Mögen auch der Winkel noch so viele gemacht werden, so wird doch das Vieleck nie dem Kreise gleich, bis es sich in die Identität mit demselben auflöst. Wir wissen somit von der Wahrheit nichts anderes, als dass sie in präziser Weise unerfassbar ist. Sie ist die absoluteste Notwendigkeit, die nicht mehr und nicht weniger ist, als sie ist, unser Verstand ist die Möglichkeit. Das Was (quidditas) der Dinge, das die Wahrheit des Seienden ist, bleibt in seiner Reinheit unerreichbar. Alle Philosophen haben es gesucht, aber keiner, wie es an sich ist, gefunden. Je gründlicher aber unsere Überzeugung von diesem Nichtwissen ist, desto mehr werden wir uns der Wahrheit selbst nähern. (D.ign. I,3)
2. Zum Erfassen göttlicher Wahrheiten – De docta ignorantia
Überzeugt davon, dass die Vielheit der Dinge ohne den Begriff und die Anwendung der Zahl nicht bestehen könne, weil sie es ist, die Unterscheidung, Ordnung, Proportion und Harmonie gewährleistet, hat sich Nikolaus schon während seiner Studienjahre der Mathematik als einem unverzichtbaren Erkenntnisinstrument zugewandt. In der und durch die Einheit sieht er sowohl das quantitativ Kleinste als auch das Größte umfasst. Einheit ist zwar nicht Zahl, doch stelle sie das Prinzip aller Zahlen dar. Von daher blickt er auf die Einheit, der kein Gegensatz gegenübersteht. Unter diesem Blickpunkt hält Nikolaus die Mathematik für ein treffliches Erkenntnismittel, sich selbst göttlichen Wahrheiten im Sinne einer Entsprechung anzunähern. So ist es kein Zufall, dass er sich in seinen Darlegungen neben anderen namhaften Gewährsleuten der Antike wiederholt auf Pythagoras beruft. Als Christ hält er dieses Vorgehen für mit seinem Gottesglauben vereinbar, hat sich doch letztlich Gott selbst als Schöpfer der Zahl bedient, um das Universum, Inbegriff einer letzten großen Einheit, ins Werk zu setzen. Darüber schreibt er in seiner »Docta ignorantia«, indem er der Zahl in der Hand des Schöpfers geradezu archetypische Bedeutung beilegt:
Alle unsere weisen und frommen Kirchenlehrer sagen einstimmig, die sichtbaren Dinge seien Abbilder der unsichtbaren Welt. Der Schöpfer könne auf diesem Wege wie in einem Spiegel und Rätsel erkannt werden. Dass aber die geistigen, an sich von uns unerfassbaren Dinge auf dem Wege des Symbols von uns erkannt werden, hat seinen Grund in dem oben Gesagten, weil alle Dinge in einem uns freilich unbekannten Verhältnis zueinander stehen, sodass aus allen das eine Universum sich herausstellt, und alles in dem einen Größten das Eine selbst ist.
Und wiewohl jedes Abbild dem Urbilde ähnlich ist, so ist doch außer dem größten Abbilde, welches dasselbe, was das Urbild ist, in der Einheit der Natur kein Abbild so ähnlich oder auch gleich, dass es nicht unendlich ähnlicher oder gleicher sein könnte (…)
Keiner der berühmten Alten hat schwierige Untersuchungen anders als mittels der Ähnlichkeiten, welche die Mathematik darbietet, angestellt. So lehrte Boethius22, der berühmte römische Gelehrte, niemand könne es in den göttlichen Dingen zu einer Wissenschaft bringen, der keine Übung in der Mathematik habe. Und setzte nicht Pythagoras, der erste Philosoph, dem Namen und der Tat nach, alle Untersuchung der Wahrheit in das Verständnis der Zahl? Ihm folgen die Platoniker und die ersten christlichen Philosophen in dem Grade, dass unser Augustin und nach ihm Boethius behaupteten, die Zahl sei im Geiste des Schöpfers das Urbild der zu erschaffenden Dinge gewesen.
Wie konnte uns Aristoteles, der durch Widerlegung seiner Vorgänger als Einziger dastehen wollte, in der Mathematik anders die Differenz der Arten lehren, als indem er sie mit den Zahlen verglich? Indem er uns über die Gestalt der Naturwesen und wie eine in der andern enthalten ist, belehren wollte, nahm er zu den mathematischen Formen seine Zuflucht, wenn er sagt: Wie das Dreieck in dem Viereck, so ist das Niedere in dem Höheren enthalten, um nichts von unzähligen anderen Vergleichungen zu sagen (…)
Hat nicht die Lehre der Epikureer von den Atomen und vom leeren Raume, eine Ansicht, die Gott leugnet und alle Wahrheit aufhebt, nur durch den mathematischen Beweis der Pythagoreer und Peripatetiker ihre Widerlegung gefunden, indem sie zeigten, man könne nicht auf unteilbare und einfache Atome kommen, die Epikur als Prinzip aufnahm? Auf diesem Wege der Alten also, mit ihnen vorgehend, sagen wir, dass wir uns, da man einmal zum Göttlichen mittels der Symbole gelangen kann, der mathematischen Zeichen wegen ihrer unzerstörbaren Gewissheit am passendsten bedienen können. (D.ign. I,11)
Im weiteren Verlauf seiner Suche nach der wissenden Unwissenheit (docta ignorantia) kommt Nikolaus auf die sich ihm ergebenden Folgerungen zu sprechen, die er ebenfalls unter Zuhilfenahme mathematisch-geometrischer Vorstellungen erläutert:
Die endliche Linie ist teilbar, die unendliche nicht. Allein die endliche ist nicht teilbar (bis) in eine Nicht-Linie, daher ist die endliche Linie im Wesen der Linie unteilbar (…) Eine fußlange Linie ist demnach nicht kleiner als eine ellenlange Linie. Hieraus folgt, dass die unendliche Linie der rationelle Grund der endlichen ist. So ist denn auch das Größte der rationelle Grund von allem und als solcher das Maß von allem.
Mit Recht sagt daher Aristoteles in der Metaphysik, das Erste sei das Maß von allem, weil der Grund von allem. Ferner: Wie die unendliche Linie unteilbar, deshalb auch ewig und unveränderlich ist, so auch Gott als Grund von allem. Hier zeigt sich wieder der Geist des großen Dionysios23, wenn er sagt, das Wesen der Dinge sei unzerstörbar. Der göttliche Platon sagte mit den Worten des Chalkidios im Phaidon, Eines sei das Urbild oder die Idee von allem, sofern es in sich ist. In Hinsicht aber auf die Vielheit der Dinge scheint es mehrere Urbilder zu geben. Allein wenn ich eine Linie von zwei und eine andere von drei Fuß habe, so ist das Wesen der Linie in beiden gleich. Die Verschiedenheit bezieht sich auf die Länge. In der unendlichen Linie fällt diese Verschiedenheit weg, und nur der rationelle Grund der Linie bleibt in ihr für beide (…)
So kann die Vernunft durch Vergleichung des Größten mit der unendlichen Linie sich helfen und im Heiligtum des Nichtwissens (in sacra ignorantia) große Fortschritte machen. Denn das sehen wir nun klar, dass wir Gott nur durch Entfernung der Partizipation aller Dinge finden. (Das heißt:) Alles partizipiert an dem Sein. Nehmen wir dieses Partizipieren hinweg, so bleibt das einfachste Sein selbst, die Wesenheit der Dinge übrig. Der große Dionysios sagt, die Erkenntnis Gottes führe mehr zum Nichts als zum Etwas hin. Das heilige Nichtwissen belehrt uns aber, dass, was der Vernunft Nichts zu sein scheint, eben das unbegreiflich Größte ist. (D.ign. I,17)
Nach Besprechung des Dreiecks als der vereinfachten Figur eines Vielecks kommt Nikolaus auf den unendlich gedachten Kreis als Versinnbildlichung der Einheit zu sprechen. Von daher fällt auch ein Licht auf seine Einschätzung der verschiedenen Stadien der Zeit, die seiner Überzeugung nach einander entsprechen. Letztlich aber geht es ihm darum, zu einem – wenigstens analogen und annähernden – Verständnis der Wesenheit Gottes zu gelangen:
Der Kreis ist die vollkommene Figur der Einheit und Einfachheit. Das Größte, unter dem Bilde des unendlichen Kreises betrachtet, ist daher die absolute Einheit und Identität seines Wesens, ohne Verschiedenheit und Anderssein, sodass seine Güte nicht anders ist als seine Weisheit, sondern dasselbe. Alle Verschiedenheit (diversitas) ist in ihm Einheit (unitas). Da mithin seine Macht, wenn ich so sagen darf, die geeinteste (unissima) ist, so ist sie auch die stärkste und unendlichste (infinitissima). In der geeinigten Dauer des Größten ist die Vergangenheit nicht etwas anderes als die Zukunft und die Zukunft nichts anderes als die Gegenwart – Ewigkeit ohne Anfang und Ende.
Da im größten Kreise auch der Durchmesser der größte ist, und es nicht mehrere Größte geben kann, so ist der größte Kreis so sehr geeint (in tantum unissimus), dass Durchmesser und Umkreis Eins sind. Ein unendlicher Durchmesser hat aber auch eine unendliche Mitte oder Zentrum. Im größten Kreise sind mithin Zentrum, Durchmesser und Peripherie Eins. Daraus folgert unser System des Nichtwissens (ignorantia nostra), dass das Größte auch auf das Vollkommenste in allem ist, einfach und unteilbar, weil das unendliche Zentrum außer allem, alles umfassend, weil unendliche Peripherie alles durchdringend, weil unendlicher Durchmesser (…)
Nur das Eine bemerke ich noch: Die ganze Gotteslehre ist kreisförmig und bewegt sich im Kreise, sodass die göttlichen Attribute sich gegenseitig bewahrheiten: Die höchste Gerechtigkeit ist die höchste Wahrheit, und die höchste Wahrheit ist die höchste Gerechtigkeit. Dehnst du diesen Gedanken weiter aus, so werden dir viele theologische Materien, die dir jetzt noch verborgen sind, ganz klar werden. (D.ign. I,21)
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich für Nikolaus nun eine Fortführung – der Schritt vom Kreis zur Kugel –, bei dem die wiederum unendlich gedachte Kugel einen Vergleich mit Blick auf die alles bewirkende Existenz Gottes nahelegt.
In der unendlichen Kugel sehen wir die drei größten Linien der Länge, Breite und Tiefe im Zentrum zusammenlaufen. Das Zentrum der größten Kugel ist aber gleich dem Durchmesser und der Peripherie. Es ist folglich das Zentrum jenen drei Linien gleich. Ja, das Zentrum ist sie alle: Länge, Breite und Tiefe (…)
Wie die Kugel die höchstmögliche Vollendung der Figuren ist, so ist das Größte die vollkommenste Vollendung von allem, sodass alles Unvollkommene in ihm das Vollkommenste ist, wie die unendliche Linie Kugel und in ihr das Krumme gerade, das Zusammengesetzte einfach, das Verschiedene identisch, das Anderssein Einheit ist. Wie könnte dort eine Unvollkommenheit sein, wo die Unvollkommenheit die höchste Vollkommenheit, die Möglichkeit die unendliche Wirksamkeit ist etc.? (…)
Gott ist daher der einzige, einfachste rationelle Grund (ratio) des ganzen Universums. Und wie aus unendlich vielen Umkreisen (circulationes) die Kugel entsteht, so ist Gott als die größte Kugel das einfachste Maß aller kreisförmigen Bewegungen, denn alle Belebung (vivificatio), Bewegung und Intelligenz ist aus ihm, in ihm und durch ihn, bei dem eine Kreisbewegung der achten Sphäre nicht kleiner ist als die der unendlichsten, weil er das Ziel aller Bewegung ist, in dem alle Bewegung als in ihrem Ziele zur Ruhe kommt. Es ist nämlich dasjenige die größte Ruhe, in dem alle Bewegung Ruhe ist.
So ist denn die größte Ruhe das Maß aller Bewegung, wie das größte Gerade das Maß aller Umkreise, die größte Gegenwart oder die Ewigkeit das Maß aller Zeiten ist. Und weil Gott das Sein alles Seins ist und alle Bewegung sich auf das Sein bezieht, so ist er, das Ziel der Bewegung, auch die Ruhe der Bewegung. Das ist das Prinzip (forma) und die Wirksamkeit des Seins.
Alles Seiende hat daher einen Zug zu ihm. Weil es aber endlich ist und nicht auf gleiche Weise an ihm partizipieren kann, so partizipieren die einen Wesen an dem Ziel aller Dinge mittels der andern, wie die Linie mittels des Dreiecks und Kreises, das Dreieck mittels des Kreises, der Kreis durch sich selbst zur Kugel wird. (D.ign. I,23)
Nikolaus ist sich dessen bewusst, dass eine affirmative Theologie, das heißt eine solche, die von bestimmten Aussagen über angenommene Eigenschaften Gottes bestimmt ist, dem letztlich unbeschreibbaren Wesen Gottes nicht gerecht wird. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass alle Beschreibungen oder Vergleiche, die wir Gott beilegen, aus dem Vergänglichen und aus dem Augenschein genommen sind. Dennoch kann das religiöse Leben in Kultus und Verkündigung auf derartige positive Aussagen nicht verzichten. Doch es sind – gemäß 2 Kor 4,7 in der Luther-Verdeutschung – bestenfalls »irdene Gefäße«, aber nicht sein nichtdinglicher, überirdischer Inhalt. Das ist der Grund, weshalb er der affirmativen Theologie eine negative Theologie als Korrektiv gegenüberstellt und vorzieht, wie sie ihm in der Hauptsache bei dem von ihm hochgeschätzten »großen Dionysios« begegnet ist. Ein anderer Gewährsmann ist für ihn Meister Eckhart, obwohl er und Nikolaus sich in dieser Hinsicht unterscheiden. Bezüglich des erwähnten Unterschieds der beiden theologischen Ansätze gibt Nikolaus zu bedenken:
Da die Gottesverehrung im Geiste und in der Wahrheit sich notwendig auf positive Aussagen von Gott gründet, so erhebt sich jede Religion in ihrer Gottesverehrung notwendig mittels der affirmativen Gotteslehre zur Anbetung Gottes als des Einen und Dreieinigen, Weisen, Gnädigen, des Lebens, der Wahrheit etc., indem sie dieser Verehrung durch den Glauben, den sie durch die Wissenschaft des Nichtwissens richtiger auffasst (verius attingit), die Richtung gibt, durch den Glauben nämlich, der, den sie als den Einen anbetet, sei alles in Einheit, und den sie als das unzugängliche Licht verehrt, sei nicht ein physisches Licht, das die Finsternis zum Gegensatze hat, sondern das einfachste und unendliche Licht, in dem die Finsternis unendliches Licht ist, das beständig in der Finsternis unseres Nichtwissens leuchtet, aber in dieser Finsternis nicht erfasst werden kann.
Daher ist die negative Gotteslehre eine so notwendige Ergänzung der positiven, dass ohne sie Gott nicht als unendlicher Gott, sondern vielmehr als Geschöpf verehrt würde. Dies Letztere ist Götzendienst, der dem Abbilde erweist, was nur der Wahrheit gebührt. Daher dürfte es zweckmäßig sein, über die negative Gotteslehre noch einige Worte beizufügen.
Unsere heilige Wissenschaft des Nichtwissens (sacra ignorantia) hat uns belehrt, dass Gott unaussprechlich ist, weil er größer ist als alles, was genannt werden kann. Da dies ausgemacht ist, so werden wir von ihm richtiger auf dem Wege des Ausschließens und Negierens, gleich dem großen Dionysios, der ihn weder Wahrheit noch Vernunft, noch Licht, noch irgendetwas, was sich aussprechen lässt, genannt wissen wollte, denken. (D.ign I,26)
Wie weitreichend die Forderung nach Ausschluss und Negation positiver dogmatischer Sätze ist, ergibt sich folgerichtig daraus, dass er selbst so elementare Glaubensaussagen wie die über die göttliche Trinität betroffen sein lässt:
Ihm folgten der Rabbiner Salomon und alle Philosophen. Nach dieser negativen Gotteslehre ist daher Gott weder Vater, noch Sohn, noch Heiliger Geist, sondern nur unendlich. Die Unendlichkeit als solche ist weder zeugend noch gezeugt, noch hervorgehend. Daher hat Hilarius von Poitiers sehr scharfsinnig in der Unterscheidung der göttlichen Personen gesagt: Im Ewigen ist Unendlichkeit, Idee, Ausübung. Er will sagen: Obwohl wir in der Ewigkeit nur die Unendlichkeit sehen können, so kann doch die Unendlichkeit, die die Ewigkeit ist, weil negativ, nicht als zeugend aufgefasst werden, wohl aber die Ewigkeit, weil sie die Affirmation der Einheit oder größten Gegenwart ist. Sie ist daher der Anfang ohne Anfang. Die Idee (species in imagine) ist der Anfang vom Anfang (principium a principio), die Ausübung ist das Hervorgehen aus beidem.
Dies ist durch das früher Gezeigte ganz klar, denn obwohl die Ewigkeit Unendlichkeit ist, sodass die Ewigkeit ebenso wenig Ursache des Vaters ist, als die Unendlichkeit, so wird doch in der Betrachtungsweise die Ewigkeit dem Vater, nicht dem Sohne und Heiligem Geist zugeschrieben, die Unendlichkeit hingegen nicht einer Person mehr als der andern, weil die Unendlichkeit als Einheit betrachtet der Vater, als Gleichheit der Einheit der Sohn, als Verbindung beider der Heilige Geist ist (…) (D.ign. I,26)
Nikolaus kommt mit seinen bei erstem Hinsehen bisweilen befremdlich erscheinenden Gedankengängen bezüglich der von ihr entworfenen Gottesvorstellung daher zu folgendem Resultat:
Aus dem Gesagten erhellt, dass in der Gotteserkenntnis die Negation wahr, die Affirmationen unzureichend sind. Je mehr Unvollkommenheit eine Negation von dem vollkommensten Wesen entfernt, desto wahrer ist sie. So ist es wahrer, Gott sei kein Sein, als er sei nicht das Leben oder die Intelligenz, wahrer, er sei nicht die Trunkenheit, als er sei nicht die Tugend. Das Gegenteil gilt von den Affirmationen. Es ist eine wahrere Affirmation, Gott sei die Intelligenz oder das Leben, als er sei Erde, Stein, Körper. Alles dies ist aus dem früher Gesagten ganz klar.
Als Schlusswahrheit ergibt sich, dass die präzise Wahrheit in der Finsternis unseres Nichtwissens in unerfassbarer Weise leuchtet, und das ist die Wissenschaft des Nichtwissens (docta ignorantia), die wir gesucht haben, durch die wir allein dem größten, dreieinigen Gott von unendlicher Güte auf den Stufen dieser Wissenschaft des Nichtwissens uns nahen können, um ihn aus allen unseren Kräften ewig dafür zu loben, dass er selbst sich uns als unbegreiflich zu erkennen gibt, der über alles gepriesen sei in Ewigkeit. Amen. (D.ign. I,26)
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