Kitabı oku: «Quantitative Methoden kompakt», sayfa 3

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4Der Forschungsprozess mit verschiedenen Erhebungsinstrumenten

4.1 Vom Thema zur strukturierten Forschungsfrage

Dieser Abschnitt stellt die Anfangsschritte einer empirischen Untersuchung zunächst unabhängig vom Erhebungsinstrument vor. Der Forscher legt hier fest, um welches Forschungsdesign es sich bei seiner Fragestellung handelt und führt die Schritte der Präzisierungsphase durch: die Sammlung und Systematisierung von Dimensionen, die Definition von Begriffen im Forschungskontext sowie die Formulierung von Hypothesen bzw. konkreten Forschungsfragen. Im Abschnitt wird zudem begründet, inwiefern die Präzisierungsphase eine wichtige Rolle im Forschungsprozess spielt.

4.1.1 Das Forschungsdesign

Arten und Inhalte von Forschungsthemen können vielfältig sein. Manchmal beginnt der Forscher mit einem allgemeinen Thema, das noch viele Konkretisierungsmöglichkeiten aber auch -anforderungen beinhaltet, z. B. die Bedeutung sozialer Netzwerke im Internet für Jugendliche oder die Veränderung des Eltern-Kind-Verhältnisses in den letzten Jahrzehnten. In anderen Fällen steht ein bestimmter Ursache-Wirkungs-Zusammenhang schon stärker im Mittelpunkt, etwa bei der Frage, wie sich Armut auf den Alltag von Kindern auswirkt. Armut wird hier als wichtiger Einflussfaktor angesehen, verschiedene – noch zu bestimmende – Aspekte des Alltagslebens sind das Phänomen, das der Forscher erklären möchte. Haben diese Themen den Schwerpunkt der Beschreibung und somit zunächst allenfalls eine lockere Anbindung an theoretische Ansätze, richten sich andere Forschungsfragen wiederum darauf, eine Theorie zu überprüfen: Trifft etwa die Individualisierungsthese (Beck 1986) zu, die unter anderem eine Freisetzung der Individuen aus traditionellen Bindungen wie der sozialen Herkunftsklasse seit den 1960/70er Jahren postuliert?

Ein wiederum anderes potenzielles Forschungsziel besteht in einer Evaluation (vgl. Stockmann/Meyer 2014). Hierbei werden oft Maßnahmen (z. B. in der Politik oder in Unternehmen, wie etwa neue Familienförderungs- oder Arbeitszeitkonzepte) daraufhin überprüft, ob sie ihre Ziele erreichen – falls ja, mit welchen Kosten und »Nebenwirkungen«, falls nicht oder nur teilweise, aus welchen Gründen dies so ist. Eine Evaluation ist zugleich ein Beispiel für ein Forschungsdesign, das stärker anwendungsorientiert ist, während etwa eine Untersuchung dazu, welche kulturellen Bindungen die Vornamenvergabe durch Eltern aufweist (Gerhards 2003), eher der Grundlagenforschung zuzuordnen ist.

Die Formulierung solcher Untersuchungsziele ist Bestandteil des Forschungsdesigns. Damit ist ein übergreifender Forschungsplan gemeint, der neben dem Ziel der Untersuchung unter anderem ihre raum-zeitliche Einordnung und ein grundsätzliches Konzept des Vorgehens beinhaltet. Das Ziel der Untersuchung unterscheidet sich also danach, ob die Deskription (Beschreibung), die Überprüfung einer Theorie oder ein Anwendungsbezug wie z. B. bei einer Evaluation im Vordergrund steht. Die zeitliche Einordnung richtet sich darauf, ob es einen oder mehrere Messzeitpunkte geben soll, ob es sich also um eine Querschnitt- oder um eine Längsschnittuntersuchung handelt. Führt der Forscher eine Momentaufnahme durch, etwa zur Situation von Hartz-IV-Empfängern in Sachsen, oder ist er an einem Verlauf interessiert? Im letzteren Fall muss er gegebenenfalls von Beginn an mehrere Datenerhebungen einplanen und Befragte darauf vorbereiten, dass er sie nach einiger Zeit möglichst nochmals interviewen möchte. Die räumliche Einordnung legt fest, ob die Studie beispielsweise Aussagen über eine Region oder mehrere Staaten im Vergleich treffen soll.

Warum ist es für den Forscher wichtig, sich vorab Gedanken zum Forschungsdesign zu machen, und warum sollte er im Weiteren akribisch die weiteren Schritte der Präzisierungsphase durchführen? Man könnte doch auch direkt mit der Formulierung von Fragebogenfragen oder Kategorien für eine Inhaltsanalyse bzw. Beobachtung beginnen? Zu den oben beispielhaft genannten Themen fallen einem sicherlich spontan auch schon einige Fragen ein. Doch es sei ganz deutlich gesagt: Das »Überspringen« der Präzisierungsphase ist eine gravierende methodische »Sünde«, die sich spätestens im Ergebnis der Studie rächen wird. Die Gründe dafür sind folgende:

 Aspekte, die in der Präzisierungsphase nicht berücksichtigt wurden, drohen im Zuge der späteren »Kleinarbeit« der Instrumententwicklung, der Datenerhebung und der statistischen Auswertung unterzugehen. Bei einer Befragung wird es etwa nicht praktikabel sein, 1.000 Befragte nochmals anzurufen und ihnen drei Fragen zu stellen, die in der ersten Fragebogenversion nicht enthalten waren.

 Der Forscher erspart sich durch ein von Beginn an systematisches Vorgehen einige Probleme der weiteren Forschungsschritte. Überlegt er beispielweise, wie er einen bestimmten Sachverhalt genau messen soll, ist es hilfreich, auf eine Definition zurückgreifen zu können. Forscht er etwa über Gewalt an Schulen, erleichtert die Festlegung, ob es um physische, seelische und/oder verbale Gewalt geht und worum es sich dabei jeweils handelt, die Bestimmung von Beobachtungskategorien (gehört etwa das kurze Anrempeln auf dem Schulhof dazu oder nicht?). Auch die Auswertung kann sich ohne systematisches Konzept schnell in die Handhabung eines unübersichtlichen Datenbergs verwandeln. Folglich besteht ohne Präzisierungsschritte die Gefahr, am Ende unsystematische Ergebnisse zu erhalten, die mehr Fragen offen lassen als beantworten.

4.1.2 Schritte der Präzisierungsphase

Die Schritte der Präzisierungsphase sind folgende:


1.Sammlung relevanter Dimensionen
2.Systematisierung und Auswahl der Dimensionen
3.Definition wichtiger Begriffe im Forschungskontext
4.Formulierung von Hypothesen oder konkreten Forschungsfragen

Schritt 1: Sammlung relevanter Dimensionen

In diesem Schritt geht es darum, relevante Dimensionen, das heißt Aspekte des Themas – zunächst noch ungeordnet – festzulegen. Das konkrete Vorgehen hängt hier auch vom gewählten Forschungsdesign ab: Bei einem deskriptiven Design können die Quellen zur Sammlung von Dimensionen vielfältig sein, von bisherigen Studien zu diesem oder einem ähnlichen Thema bis zu theoretischen Überlegungen aus verschiedenen Bereichen: Forscht man z. B. über Berufspendler, könnten mindestens die Arbeits- die Familien-, die Stadt- und die Ungleichheitssoziologie wichtige Konzepte liefern. Im Falle einer Theorieüberprüfung sind wichtige Aspekte durch die Theorie bereits vorgegeben und müssen nun auf ein Anwendungsbeispiel bezogen werden: Was bedeuten z. B. Individualisierung und Freisetzung im Ansatz von Beck im Hinblick auf die Berufswahl? Bei einer Evaluation müssen zunächst die Ziele der Maßnahme bestimmt werden, um ihr Eintreffen überprüfen zu können: Sollte z. B. das neue Arbeitszeitmodell die Effizienz der Abläufe steigern oder vielleicht auch das Betriebsklima verbessern? In jedem Fall stellt die Erarbeitung des bisherigen Forschungsstands an dieser Stelle eine unverzichtbare Vorarbeit und Basis dar.

Beispiel: Familienfreundlichkeit von Städten und Landkreisen

Bei diesem Beispiel handelt es sich um ein deskriptives Design. Im »Familienatlas 2012« sollte die Familienfreundlichkeit von 402 Kreisen und kreisfreien Städten im Vergleich bestimmt werden (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2012). Nur eine Auswahl aus einem möglichen Brainstorming hierzu wäre etwa (ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit):

Spielplätze und Grünanlagen, Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Verkehrsanbindung, Zahl verschiedener Schulen, Kinderärztinnen und Jugendzentren, familienfreundliche Regelungen in Betrieben, Kinderfreundlichkeit der Bevölkerung, Anzahl für Familien geeigneter Wohnungen, die wirtschaftliche Lage der Kommune etc.

Solch ein Brainstorming ließe sich beispielsweise auch in Form einer »Mind Map« erstellen.

Schritt 2: Systematisierung und Auswahl von Dimensionen

In diesem Schritt besteht die Aufgabe darin, die gesammelten Dimensionen zu systematisieren und dadurch die Fragestellung weiter zuzuspitzen. Möglicherweise fallen einige der zuvor aufgeführten Dimensionen begründet auch wieder fort. Eine Systematisierung kann sich auf verschiedene Schwerpunkte richten. Beispielsweise können Ober- und Unterdimensionen festgelegt werden – etwa Spielplätze und Jugendzentren als Unterdimensionen von Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche. Zeitliche Abläufe können ein weiterer Fokus sein (z. B. Aspekte der bisherigen Berufsbiografie, der aktuellen Erwerbssituation und der beruflichen Zukunftsaussichten). Dimensionen einer Evaluation ließen sich etwa gliedern in Ziele, Umsetzung, positive und negative Wirkungen einer Maßnahme. Eine grundsätzlich zentrale Systematisierung ist die Einteilung in erklärende und zu erklärende Faktoren: Welches Phänomen ist die zu beschreibende Wirkung (z. B. der Privatschulbesuch von Mittelschichtkindern), und welche Ursachen werden dafür vermutet (z. B. bestimmte Ressourcen und Werthaltungen in der Mittelschicht)? Gläser und Laudel (2001: 47 f.) halten eine Fragestellung erst dann für eine (soziologische) Forschungsfrage, wenn sie mit Blick auf einen Erkenntnisgewinn nach einem allgemeinen Zusammenhang fragt. Eine Beschreibung ohne die Zuordnung von Erklärungsfaktoren und Bedingungskonstellationen wäre danach nicht ausreichend.

Beispiel: Familienfreundlichkeit von Städten und Landkreisen

Es lassen sich zunächst Ober- und Unterdimensionen unterscheiden. Eine Oberdimension könnte etwa Spielplätze, Grünanlagen und Jugendzentren zu »Freizeitangeboten« zusammenfassen, eine andere die Verkehrsanbindung und die Zahl der Kinderärzt/innen zur »Infrastruktur«. Die wirtschaftliche Lage der Kommune beschreibt nicht die Familienfreundlichkeit selbst, sondern gehört zu zentralen Erklärungsfaktoren dafür, warum sich Kommunen in ihrem Grad der Familienfreundlichkeit unterscheiden, etwa wenn sich »reichere« Kommunen eher ein breites Freizeitangebot leisten können. Die Forscher könnten sich weiterhin dafür entscheiden, die Dimension »Kinderfreundlichkeit der Bevölkerung« nicht aufzunehmen. Die Begründung lautet: Es handelt sich um eine Dimension, die Kommunen nur schwer bzw. indirekt beeinflussen können, während die Steuerungsmöglichkeiten bei Kinderbetreuungsplätzen größer sind. Die Dimensionen im Familienatlas 2012 – dort Handlungsfelder genannt – lauten (BMFSFJ 2012: 8):

Handlungsfelder:


1.Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Unterdimensionen: Kinderbetreuungsangebot, Beschäftigungschancen für Eltern, familienbewusste Arbeitgeber)
2.Wohnsituation und Wohnumfeld (Unterdimensionen: Angebot an preisgünstigem Wohnraum, Freiräumen, Infrastruktur und Sicherheit, organisierte Sportangebote)
3.Bildung (Unterdimensionen: Qualität der allgemeinen Schulbildung, Ausbildungschancen für Jugendliche, frühe Förderung, Angebote der Familienbildung, Bildungschancen für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund)
4.Angebote und Organisation der regionalen Familienpolitik (Unterdimensionen: ausgewählte Angebote für Familien und Maßnahmen zur Berücksichtigung von Familienbelangen in der Verwaltung)

Hinzu kommen zwei Erklärungsfaktoren (Rahmenbedingungen):


1.Demografische Rahmenbedingungen (Altersstruktur, Geburten, Zu- und Fortzüge von Familien)
2.Wirtschaftliche Rahmenbedingungen (Beschäftigungssituation/Arbeitsmarkt)

Grafisch wären die Zusammenhänge dann so darstellbar:


Abb. 4.1: Dimensionen zum Thema »Familienfreundlichkeit von Kommunen«

Dies ist nur eine Möglichkeit der Systematisierung; andere Dimensionen oder Zuordnungen kämen ebenfalls in Frage, wie nicht zuletzt die leicht veränderten Dimensionen im Vergleich zum Familienatlas 2007 zeigen. So hieß 2007 etwa das Handlungsfeld 4 noch »Freizeit- und Kulturangebote«, dessen Unterdimensionen in Teilen zum neuen Handlungsfeld 4 gehören; Sportangebote sind nun Handlungsfeld 2 zugeordnet. Die Begründung ist vor allem pragmatisch: Zu den Angeboten gab es teilweise keine aktuellen Daten. Außerdem sei der Vergleich 2007 und 2012 ohnehin durch einige Kreisgebietsreformen eingeschränkt (BMFSFJ 2012: 9).

Schritt 3: Definition wichtiger Begriffe im Forschungskontext

Ein zentraler Punkt dieser Begriffsbestimmung besteht darin, hier nicht quasi als Pflichtaufgabe einige allgemeine Lexikondefinitionen einzufügen, um dann im weiteren Verlauf nicht mehr darauf zurückzukommen, sondern die Begriffe im Forschungskontext zu bestimmen, so dass sich die weiteren Forschungsschritte daran orientieren können. Gefragt ist also eine für die Problemstellung möglichst zweckmäßige Definition. Der Forscher muss dafür seine Ziele, den theoretischen Hintergrund und den Forschungsstand in den Blick nehmen. Gerade beim Forschungsdesign des Theorietests wird man hierbei auf wichtige Begriffe der zu prüfenden Theorie und ihre dortige Bestimmung zurückgreifen.

Beispiel: Familienfreundlichkeit von Städten und Landkreisen

Um zumindest ansatzweise eine Vorstellung dieses Forschungsschritts zu vermitteln, könnte man beispielsweise sagen, dass eine »Familie« im Kontext der Familienfreundlichkeit von Kommunen vor allem private Lebensformen von mindestens einem Elternteil (leibliche, Adoptiv- oder Stiefeltern) mit minderjährigen Kindern in den Blick nimmt. Demgegenüber wären etwa Konstellationen von Mehrgenerationenhaushalten mit pflegebedürftigen Großeltern für die Fragestellung nachrangig. Die »Familienfreundlichkeit« richtet sich insbesondere auf solche Handlungsfelder, die kommunalpolitisch »zum guten Teil direkt gestaltbar oder zumindest mittelbar beeinflussbar sind« (BMFSFJ 2012: 7). Ob Restaurantbesucher in Oldenburg es eher als in Landshut tolerieren, wenn Kinder am Nachbartisch laut sind, wäre daher ein weniger wichtiger Aspekt aus kommunalpolitischer Sicht.

Schritt 4: Formulierung von Hypothesen oder konkreten Forschungsfragen

Die Präzisierungsphase schließt ab mit der Formulierung konkreter Hypothesen oder Fragestellungen. Stand gegebenenfalls am Anfang zunächst ein grobes Thema, sollte der Forscher nun genauer wissen, welche Bedingungskonstellationen er untersuchen, welches Forschungsrätsel er lösen möchte. Eine Zuspitzung seiner bisherigen Überlegungen ermöglicht es ihm zudem, seine Aufmerksamkeit in der Operationalisierungsphase darauf zu richten, wie die zu untersuchenden Sachverhalte gemessen werden sollen – und nicht mehr darauf, was überhaupt wichtig ist, auf welche Ebene es gehört etc.

Hypothesen können solche Zuspitzungen sein, das heißt Behauptungen, die Dinge in einen (kausalen) Zusammenhang stellen. Gemäß den Prinzipien des Kritischen Rationalismus (vgl. Kap. 3) müssen diese Behauptungen falsifizierbar, also widerlegbar sein (ein Gegenbeispiel wäre: »Kommunen sind mehr oder weniger familienfreundlich«). Die inhaltlichen Begründungen dazu, wie der Forscher zu seinen Vermutungen kommt, erschließen sich entweder aus den vorigen Schritten oder müssen spätestens jetzt in einem Forschungsprojekt (dagegen nicht in diesem Methodenlehrbuch) ausdrücklich formuliert werden. Am klarsten erfolgt dieser Schritt bei einer streng theoriegeleiteten Untersuchung, die möglicherweise sogar zwei Theorien gegenüberstellt, im Stil von: »Trifft Theorie A zu, müsste unter bestimmten Bedingungen Befund x eintreten; trifft jedoch Theorie B zu, ist unter gleichen Bedingungen Befund y zu erwarten«. Hypothesen können unterschiedlichen Informationswert haben. Wenn jemand widerlegt, dass Kommunen vollständig familienfeindlich sind, ist das ein schönes Ergebnis, aber allzu viel an Informationen hat man noch nicht gewonnen. Die Aussagekraft ist höher, wenn man genauere Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge ausmachen kann.

Nicht in jedem Forschungskontext lassen sich klare Hypothesen formulieren, das heißt Richtungen von Zusammenhängen benennen. Dies gilt insbesondere für deskriptiv angelegte Forschungsdesigns. In diesem Fall kann der Forscher zumindest Forschungsfragen formulieren, die deutlich konkreter und systematischer geordnet sind als die Fragen zu Beginn der Präzisierungsphase. Sowohl für Hypothesen als auch für Forschungsfragen gilt jedoch, dass nun nicht noch einmal ganz andere Dimensionen und Begriffe auftauchen sollten als die, die in den vorigen Präzisierungsschritten als relevant herausgearbeitet wurden.

Beispiel: Familienfreundlichkeit von Städten und Landkreisen

Im Beispiel der Familienfreundlichkeit von Städten und Kreisen würde der Forscher vielleicht nicht vorab postulieren wollen, dass das Wohnumfeld in Dresden besser ist als in Münster oder umgekehrt. Auch der Zusammenhang mit den demografischen Strukturen kann in unterschiedliche Richtungen gehen. Einerseits könnte man annehmen, Städte mit wenigen Geburten würden angesichts des fehlenden Bedarfs nur in geringem Maße in die Kinderbetreuung investieren. Andererseits könnte es aber auch gerade umgekehrt sein, als Maßnahme, um Familien in die Region zu locken. Konkrete Forschungsfragen könnten entsprechend lauten:


1.Wie familienfreundlich sind Städte und Kreise im Hinblick auf die vier Handlungsfelder? Kumulieren oder kompensieren sich Stärken und Schwächen in den Handlungsfeldern? (Ziel ist ein Ranking der Familienfreundlichkeit, das die Kommunen vergleicht).
2.In welchem Zusammenhang steht der Platz im Ranking der Familienfreundlichkeit mit wirtschaftlichen und demografischen Faktoren im Kreis/in der Stadt?

An dieser Stelle hat der Forscher nun im Idealfall sein Forschungsthema soweit strukturiert und konkretisiert, dass er im nächsten Schritt – der Operationalisierung – überlegen kann, wie er die Elemente der Hypothesen und Forschungsfragen messbar macht. Mit dieser Forschungsphase beschäftigt sich der folgende Abschnitt.

4.1.3 Zusammenfassung

 Das Forschungsdesign ist ein übergreifender Forschungsplan, der das Ziel der Untersuchung und ein grundsätzliches Konzept des weiteren Vorgehens bestimmt. Solche Ziele sind z. B. die Deskription, der Theorietest oder die Evaluation. Das Forschungsdesign beeinflusst den Ablauf der Präzisierungsschritte.

 Die Präzisierungsphase ist bedeutsam, um die Berücksichtigung zentraler Aspekte sicherzustellen und um durch ein systematisches Vorgehen die weiteren Forschungsschritte anzuleiten.

 Die Präzisierungsphase strukturiert die Forschungsfrage in vier Schritten: 1) Sammlung relevanter Dimensionen; 2) Systematisierung und Auswahl der Dimensionen – insbesondere nach zu erklärenden Sachverhalten und ihren Erklärungsfaktoren; 3) Definition wichtiger Begriffe im Forschungskontext; 4) Formulierung von Hypothesen oder konkreten Forschungsfragen.

4.2 Die Operationalisierungsphase

Die Aufgabe der Operationalisierung besteht darin festzulegen, wie die strukturierte Forschungsfrage empirisch beantwortet werden soll. Sie übersetzt damit theoretische Konstrukte in messbare Variablen und Erhebungsanweisungen. Am Ende hat man ein fertiges Erhebungsinstrument, das im Feld zum Einsatz kommen kann. Auch hier lassen sich vier Schritte unterscheiden:


1.Begründung der Erhebungsmethode
2.Festlegung von Indikatoren und Korrespondenzregeln
3.Entwicklung des Erhebungsinstruments
4.Treffen weiterer Entscheidungen, z. B. zum Auswahlverfahren und zur Erhebungssituation

Zu Schritt 1 und 2 liefert dieser Abschnitt zunächst einige allgemeine Hinweise. Weitere Ausführungen sowie Konkretisierungen zu Schritt 3 und 4 enthalten die weiteren Kapitel.

Schritt 1: Begründung der Erhebungsmethode

Bereits bei Überlegungen zum Forschungsdesign hat die Forscherin wahrscheinlich eine Vorstellung dazu, mit welchen Arten der Datenerhebung sie arbeiten möchte. So liegt bei der Analyse der Entwicklung von Vornamen eine Inhaltsanalyse von Registern nahe, Lebensziele erfährt man eventuell am besten durch eine Befragung etc. Dennoch sollte der Forscher an dieser Stelle im Forschungsprozess noch einmal ausdrücklich begründen, welche Erhebungsinstrumente er wählt. Denn von der Fragestellung hängen die möglichen Instrumente, von der Entscheidung dafür aber auch die weitere Übersetzung in Messoperationen ab. Hat man sich beispielsweise erst einmal für eine telefonische Befragung entschieden, kann man den Befragten nicht mehr problemlos Fotos von prominenten Politikern und Künstlern zeigen und fragen, ob sie wissen, um wen es sich handelt. Die begründete Wahl des Instruments bzw. der Instrumente gehört somit zu einem reflektierten und transparenten Vorgehen.

Beispiel

Der Familienatlas 2012 etwa basierte zum einen auf Daten, die die Verwaltungen zur Verfügung stellen konnten (sogenannte »prozessproduzierte Daten«). Mehrheitlich handelte es sich um Angaben vom Statistischen Bundesamt, den Statistischen Landesämtern, der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Zum anderen wurden (für Informationen zum Handlungsfeld 4) Verwaltungsleitungen der Kreise und kreisfreien Städte schriftlich befragt (BMFSFJ 2012: 11).

Schritt 2: Festlegung von Indikatoren und Korrespondenzregeln

Hier handelt es sich um ein Kernstück der Operationalisierung. Zunächst zu Klärung wichtiger Begriffe (vgl. auch Burzan 2014):

Indikatoren sind Anzeiger für Sachverhalte. Sie haben die Eigenschaft, direkt beobachtet oder gemessen werden zu können und weisen auf Sachverhalte – Dimensionen und Begriffe aus den Forschungsfragen und Hypothesen – hin, die selbst nicht direkt beobachtbar sind.

Ein Indikator für die Dimension »Armut« einer Person könnte z. B. das bei Mehrpersonenhaushalten gewichtete »Haushaltsnettoeinkommen« des letzten Jahres sein.

Korrespondenzregeln verbinden den Indikator mit dem Sachverhalt, den diese anzeigen. Während der Indikator bestimmt, was den Sachverhalt anzeigt (im Beispiel das Haushaltseinkommen), legt die Korrespondenzregel fest, wie der Indikator mit dem Sachverhalt verbunden ist. Dies geschieht oft durch Wenn-dann- oder Je-desto-Verknüpfungen.

Im genannten Beispiel könnte die Regel lauten: »Wenn jemand ein Haushaltseinkommen unter X Euro hat, dann definiert die Studie ihn als arm.« Diese Korrespondenzregeln sind Festlegungen, die den Forschungsprozess transparent machen und zeigen, dass die Messungen sinnvoll mit der Forschungsfrage verknüpft sind. Es sollte nicht passieren, dass der Forscher nicht so recht weiß, was es für seine Forschungsfrage bedeutet, wenn 60 Prozent der Befragten einem Item zugestimmt haben, sondern er sollte z. B. festlegen: Je mehr Befragte dem Item zustimmen, desto zufriedener sind sie mit XY. Die Korrespondenzregeln werden selbst nicht empirisch überprüft: In einer Studie wird die einmal getroffene Festlegung einer Armutsschwelle z. B. nicht dadurch beeinflusst, ob sich jemand mit einem darunter liegenden Einkommen arm fühlt. Das kann der Forscher zwar erheben, doch wäre dies eine zusätzliche Information, so dass er aussagen könnte, dass sich X Prozent der Einkommensarmen nicht arm fühlen. Hätte er zuvor nicht festgelegt, wer einkommensarm ist, hätte er diese Aussage nicht treffen können. Falls sich allerdings ein auffällig hoher Anteil Einkommensarmer nicht arm fühlt, sollte der Forscher seinen Indikator und konkret die Armutsschwelle überdenken. Die Festlegung der Indikatoren und Korrespondenzregeln ist dabei also immer eng mit theoretisch-konzeptionellen Entscheidungen der Forschenden verknüpft.

Manchmal ist es nicht möglich, einen Sachverhalt durch einen einzigen Indikator angemessen darzustellen. Fügt man mehrere Indikatoren zu einem Sachverhalt zusammen, spricht man von einem Index.

So könnte Armut auch durch verschiedene Indikatoren gemessen werden, z. B. durch das Einkommen, die finanziellen Rücklagen und die Ausstattung der Wohnung mit moderner Dämmung und Heizung. Der Forscher benötigt dann eine Idee, in welcher Weise er die Teilindikatoren verknüpft, ob sie alle gleichermaßen oder unterschiedlich gewichtet werden.

Teilweise scheint der Indikator recht banal bzw. der Zwischenschritt der Indikatorenbildung zwischen Sachverhalt und Fragebogenfrage kaum notwendig zu sein. Beispielsweise ist es keine aufwändige Übersetzungsarbeit, wenn der Sachverhalt »Geschlecht der befragten Person« mit den üblichen binären (aber auch hier: hinterfragbaren) Antwortkategorien weiblich und männlich gemessen wird. In vielen Fällen ist es jedoch zugunsten der Systematik des Vorgehens hilfreich, Indikatoren und Korrespondenzregeln vor der detaillierten Entwicklung des Erhebungsinstruments festzulegen, am besten in systematischer tabellarischer Form mit der Zuordnung zu den entsprechenden Sachverhalten aus den Hypothesen bzw. Forschungsfragen. Diese Systematik kommt wiederum den weiteren Forschungsschritten und der Transparenz der Untersuchung zugute. Wie im Zusammenhang mit den Gütekriterien schon angesprochen wurde, ist die Angemessenheit der Indikatoren zudem ein zentrales Kriterium für die Gültigkeit der Ergebnisse.

Beispiel

Der Familienatlas 2012 dient noch einmal als empirisches Beispiel. Ob Städte oder Landkreise familienfreundlich sind, hängt nicht nur davon ab, welche Dimensionen überhaupt Berücksichtigung finden, sondern auch, wodurch sie gemessen werden. In der Studie wurden für das Handlungsfeld »Wohnsituation und Wohnumfeld« folgende Indikatoren festgelegt: Erschwinglichkeit von Wohneigentum (Kaufkraft/Baulandpreis), Entfernung zu Mittelzentren, Freifläche und Erholungsfläche je Einwohner, Anteil Familienwohnungen (mehr als 3 Räume), Anteil der unter 18-Jährigen, die Mitglied in Sportvereinen sind, verunglückte Kinder im Straßenverkehr, Kriminalitätsrate (Körperverletzung und Einbrüche) sowie die Kinderarztdichte. Um diese Indikatoren in der Verwaltung abrufen zu können, bedurfte es teilweise noch konkreterer Festlegungen, so wurde die Entfernung zum nächsten Mittelzentrum als durchschnittliche Pkw-Fahrzeit ermittelt (a. a. O.: 50–52).

Korrespondenzregeln lauten dann etwa: »Je mehr Erholungsflächen es gibt, desto familienfreundlicher ist das Wohnumfeld«, zugleich aber auch »je größer die Entfernung zum nächsten Mittelzentrum, desto weniger familienfreundlich ist das Wohnumfeld«. Optimale Einschätzungen erreichten also weder per se ländliche Gemeinden im Grünen noch zentral gelegene Großstädte.

Zudem erfolgte für den Index »Wohnsituation und Wohnumfeld« die Festlegung, dass die drei letztgenannten Indikatoren im Vergleich zu den anderen geringer gewichtet werden (Faktor je 0,5), weil sie als weniger zentral für die Wohndimension angesehen wurden als z. B. die Verfügbarkeit von preiswerten größeren Wohnungen. Eine Stadt oder ein Kreis erhält nun zunächst pro Indikator einen Rangplatz und dann durch den Durchschnitt der Rangwerte der Einzelindikatoren mit Berücksichtigung der Gewichtungen einen Rangplatz für das gesamte Handlungsfeld. Auf diese Weise kam etwa der Landkreis Dingolfing-Landau auf Rang 1 in diesem Handlungsfeld, hatte also nach diesen Indikatoren die familienfreundlichsten Wohnsituationen und -umfelder aufzuweisen (a. a. O.: 20). So schuf man eine gewisse Vergleichbarkeit der Städte und Kreise. Im letzten Schritt wurden die Regionen im oberen, mittleren und unteren Drittel der Rangplätze über alle Handlungsfelder hinweg daraufhin geprüft, welche demografischen und wirtschaftlichen Randbedingungen sie typischerweise hatten. Jede Stadt, jeden Kreis konnte man so in einem Spektrum zwischen Top-Regionen (dazu gehört z. B. Potsdam) und strukturschwachen Regionen (wie z. B. Duisburg) verorten (a. a. O.: 38) und auf diese Weise die Fragestellungen aus der Präzisierungsphase beantworten.

Solche Zusammenfassungen sind natürlich immer mit Einschränkungen zu interpretieren, die hier nicht im Einzelnen diskutiert werden können. Beispielsweise haben Familien mit Kindern im Vorschulalter andere Bedürfnisse der Familienfreundlichkeit als Familien mit älteren Kindern.

Man sieht, dass mit jeder Konkretisierung von Indikatoren Kritikmöglichkeiten einhergehen oder auch Stellschrauben, um eine Situation zu beschönigen oder zu dramatisieren. Es gibt jedoch nicht die eine »objektive« Möglichkeit, die Familienfreundlichkeit eines Wohnumfeldes oder einer Stadt zu messen. Der Forscher muss sich möglichst konzeptionell stringent für eine empirische Umsetzung entscheiden. Wichtig ist dabei, dass er seine methodischen Entscheidungen transparent macht, damit man nachvollziehen kann, unter welchen Bedingungen er zu seinen Ergebnissen gekommen ist.

Zusammenfassend »übersetzt« die Operationalisierung konkrete Forschungsfragen in Erhebungsprozeduren. Dazu müssen zunächst die Erhebungsmethode begründet festgelegt sowie Indikatoren und dazugehörige Korrespondenzregeln gefunden werden. Dabei sind die stringente Orientierung an den Forschungsfragen und dem theoretischen Konzept sowie die Beachtung der Gütekriterien (hier insbesondere der Gültigkeit und der Intersubjektivität) zentrale Aufgaben. Was den Operationalisierungsprozess im Hinblick auf die Erhebungsmethoden Inhaltsanalyse, Beobachtung und Befragung sowie eine Sekundäranalyse jeweils kennzeichnet, zeigen die folgenden Abschnitte.

Literatur zu 4.1 und 4.2

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2012): Familienatlas 2012. Regionale Chancen im demografischen Wandel sichern. http://www.prognos.com/fileadmin/pdf/Atlanten/Familienatlas_12/Familienatlas_2012.pdf (Zugriff 1.9.14).

Burzan, Nicole (2014): Indikatoren, in: Baur, Nina; Blasius, Jörg (Hrsg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, Wiesbaden: Springer VS, 1029–1036.

(neben Erläuterungen zur Präzisierung und Operationalisierung in Methodenbüchern ist es hier vor allem auch sinnvoll, empirische Studien aus einer methodischen Perspektive zu betrachten.).

Übungsaufgabe zu 4.1 und 4.2

Führen Sie – soweit ohne ausgiebiges Studium der Fachliteratur möglich – die Schritte der Präzisierungsphase und die ersten beiden Schritte der Operationalisierungsphase für folgendes Forschungsthema durch: »Der Einfluss der sozialen Herkunft auf den Studienerfolg von Studierenden der Fächer Germanistik und Maschinenbau«.

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