Kitabı oku: «Lotta und ich», sayfa 2

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Vorfreude

Lotta

Hach Leute, es ist alles so aufregend. Inzwischen weiß auch Tina, die Chefin hier, dass wir existieren.

Die Tierärztin hat dieses Ultraschalldings gemacht. Das ist ein Gerät, mit dem sie Mama in den Bauch leuchten, um uns zu sehen. Alle freuen sich jetzt wie Bolle.

Die Assistenzhundesache wird immer öfter Thema. Mir entgeht hier nichts.

Gestern habe ich aufgeschnappt, dass Nicole bei einer Frauenberatungsstelle war. Tina kennt die Chefin von dort – Frau Schmitt. Die beiden stehen in engem Kontakt. Chefs unter sich eben. Auf jeden Fall hat Frau Schmitt Nicole bei diesem komplizierten Antrag geholfen. Sie hat ihr Mut gemacht.

Nicole hat sich dann getraut, bei einem speziellen Fonds, finanzielle Unterstützung zu beantragen, und zwar für die Anschaffung, Ausbildung und Haltung eines – jetzt haltet euch fest – Assistenzhundes. Das heißt, sie glaubt an mich und will mich zu sich holen. Jetzt guckt nicht so. Wenn ihr denkt, dass wir hier im Bauch von Mama nichts mitbekommen, dann täuscht ihr euch gewaltig. Auch, wenn ich nicht alles begreife, geht nichts an mir vorbei. Ich spüre mehr, als ihr denkt und die Dinge, die ich nicht verstehe, die schnappe ich von meiner Mama oder Oma Lilli auf.

Assistenzhund zu werden, das ist mein großer Traum, meine Bestimmung, das liegt mir einfach im Blut. Den Rest macht nachher meine Spezialausbildung. Aber es schadet ja nichts, gut vorbereitet zu sein. Deshalb saug ich über die Nabelschnur und mit meiner übermenschlichen Wahrnehmung alles dazu auf.

Ich will unbedingt Nicoles Assistenzhündin werden.

Wir gehören zusammen. Das spüre ich.

Ich erfahre jeden Tag Neues. Zum Beispiel, dass es verschiedene Arten von Assistenzhunden gibt, mit komplett unterschiedlichen Aufgaben. Je nach Einschränkungen des Menschen, den sie unterstützten. Das können Menschen mit körperlichen Behinderungen sein, aber häufig auch welche mit psychischen Problemen. Oft gibt es Zusatzaufgaben, die die Assistenzhunde leisten, die sie dann gleichzeitig zu sogenannten Warnhunden machen. In solchen Fällen können sie spüren und erschnuppern, dass sich im Körper ihres Menschen etwas gefährlich verändert.

Ob der Blutzuckerspiegel sinkt, oder ob ein epileptischer Anfall droht. Das ist der Hammer. Will ich unbedingt lernen, wenn ich groß bin. In Nicoles Fall müsste ich beides sein, hat Oma gesagt. Wenn man es genau nimmt, sogar drei in einem. Quasi ein Assistenz-Warn-Schutzhund. Seelentröster bin ich obendrein.

Nicole hat zwar keine Epilepsie aber die Anfälle, die sie hat, ähneln diesen sehr. Sie ist dann vollkommen hilflos und im besten Fall warne ich sie später einmal so früh, dass der Anfall sie gar nicht erst überwältigt. Beschützen tue ich sie auch noch. Vor den Menschen, die ihr oft Angst machen. Da wäre ich ihre Rückendeckung. Ich schirme sie ab oder verbelle einen aufdringlichen Menschen, wenn es sein muss. Ich führe sie aus Menschenmengen an einen ruhigeren, sicheren Ort, wenn sie Angst bekommt oder die Orientierung verliert.

Wenn ich Tina richtig verstanden habe, dann schafft Nicole es gar nicht mehr allein raus. Könnt ihr euch das vorstellen?

Gar nicht mehr vor die Tür zu gehen? Das ist doch furchtbar.

Mit mir könnte sie das aber wieder lernen. Das sind alles wichtige und spannende Aufgaben und ich will diesen Beruf unbedingt machen. Hoffentlich klappt es! Ich lerne, so gut ich kann. Ich weiß schon ganz viel über diese Trauma-Sache. Jeder Mensch braucht unterschiedliche Aufgaben von einem Assistenzhund. So individuell, wie wir Hunde sind, sind eben auch Menschen und so geht jeder anders mit schlimmen Erfahrungen um. Die Symptome sind vielfältig und doch werden sie alle unter dem Begriff PTBS zusammengefasst. PTBS steht für Posttraumatische- Belastungsstörung. Die haben Menschen, wenn ihnen was ganz Schreckliches zugestoßen ist. Zum Beispiel, wenn sie eine schwere Krankheit bekommen, die sie belastet oder wenn ihnen jemand anderes wehgetan hat und sie sich nicht wehren konnten.

Das kann in der Kindheit passiert sein oder später.

Viele Soldaten haben das zum Beispiel, wenn sie aus dem Krieg wieder nach Hause kommen.

Was genau Krieg ist, weiß ich nicht, aber es muss etwas Schlimmes sein, weil es mit Kämpfen und Tod zu tun hat. Auf jeden Fall sind da immer, wenn Menschen davon reden, unangenehme Gefühle dabei. Hass, Wut und Verzweiflung habe ich schon gespürt. Es ist gar nicht so leicht, weil alles so heftig in den Menschen durcheinanderwirbelt. Bei Nicole habe ich das auch bemerkt.

Ob in ihr drin Krieg herrscht? Das muss ich unbedingt herausfinden.

Sie braucht einen PTBS-Assistenzhund. Ihr sind nämlich schlimme Sachen zugestoßen. Bestimmt hat sie deshalb auch solche Probleme mit dem Vertrauen in Menschen. Ja, sie kämpft innerlich mit extremen Gefühlen. Ihre Angst, die Unsicherheit und wie verloren und verletzt sie ist, habe ich sogar durch Mamas Bauch gespürt. Jetzt weiß ich schon ein wenig, wieso sie so fühlt, und ich will ihr unbedingt helfen. Ich spüre, dass ich das kann. Hoffentlich sieht das die Chefin auch. Sie kennt sich ja auf dem Gebiet gut aus. Wäre doch gelacht, wenn ihr das nicht direkt ins Auge springt, sobald ich hier endlich rauskomme und sie mich sieht. Ich bringe die Eigenschaften für einen solchen Job mit. Das ist schon mal sicher, oder? Und ich strenge mich an, noch so viel wie möglich zu erfahren, damit ich bestens vorbereitet bin.

Das muss klappen. Drückt mir die Pfoten!

4

Hoffnung und Zweifel

Nicole

Eine weitere schlimme Nacht liegt hinter mir. Die Sonne lugt zaghaft durch dicke, schwere Wolken hindurch. Die Übelkeit und Panikwellen haben etwas nachgelassen. Tee und der Zwieback sind im Magen geblieben. Chris und ich haben einen kleinen Vorrat eingekauft, damit immer etwas davon da ist.

Der Darm grummelt und krampft zwar noch missmutig vor sich hin, aber immerhin hat mich die Toilette jetzt über eine Stunde nicht mehr gesehen.

Alles tut weh, am schlimmsten Unterleib und Kopf.

Es ist, als würde eine grausame, unsichtbare Kraft an jedem Zentimeter meines Körpers so lange herumzerren, bis ich endlich zerreiße. Als Sahnehäubchen obendrauf treibt mich dieses abartige Brennen in Blase und Becken in den Wahnsinn. Ich kann nicht sitzen. Liegen ist genauso unerträglich. Also rutsche ich von einer Pobacke auf die andere, während ich meinen Kräutertee trinke. Ich stehe immer wieder auf und wandere ziellos durch die Wohnung, als könnte ich den Schmerzen und unangenehmen Bildern von früheren Erinnerungen entkommen, die auf mich einströmen wie ein Blitzlichtgewitter.

Den Traum vom eigenen Hund, träume ich schon seit Kindertagen. Schon immer wünschte ich mir einen treuen Begleiter, der an meiner Seite ist, dem ich vertrauen kann, der mich aufrichtig liebt, ohne Bedingungen und Forderungen zu stellen. Dem ich das auch glauben kann. Gibt es so etwas?

Ein Hund, der mir all das schenkt und mir dazu noch hilft, die Hürden meines Lebens zu überwinden?

Darf ich mir das wünschen?

Im Moment ist das Ganze so unrealistisch wie Weihnachten im Juli.

Die Angst, dass ich wieder einer Wunschvorstellung hinterherjage, die niemals in Erfüllung gehen kann, verdunkelt jeden kleinen Funken Hoffnung. Zu oft bin ich bei meinen Versuchen gescheitert, etwas zum Besseren zu verändern.

Will ich zu viel? Ich möchte doch nur ein normales Leben führen. Darf ich das erwarten? Habe ich die Kraft, gegen noch mehr hartnäckige Windmühlen zu kämpfen? Steht mir solch ein Hund überhaupt zu? Wie finanziere ich das Ganze auf lange Sicht? Stiftungen und Fonds sind nicht auf Dauer dafür da und die Krankenkasse übernimmt erst gar keine Kosten. Gesetzlich sind sie nur für die Finanzierung von Blindenführhunden verpflichtet und selbst das müssen sich die meisten hart erkämpfen, da der ›Medizinische Dienst der Krankenversicherungen‹ oft der Meinung ist, ein Blindenstock hätte denselben Nutzen.

Hoffnung und Verzweiflung spielen Tauziehen in meinem Kopf.

»Das klappt eh nicht. Wird bestimmt genauso abgelehnt wie alles andere«, sagt meine innere Stimme, der ich mit jedem Tag mehr Glauben schenke. Aber immer, wenn ich im Internet auf Beiträge über Assistenzhunde stoße und sehe, wie sie Menschen mit PTBS helfen, kommen mir die Tränen. Dann flammt die Hoffnung neu auf, dass mir ein Hund den Alltag auf diese Weise erleichtern könnte. Aber bin ich den Belastungen, die durch Haltung und Ausbildung dieses Hundes neu hinzukommen, gewachsen?

Vom ganzen im Kreis drehen wird mir schwindelig. Ich fühle mich unsagbar müde.

Wie soll das werden, wenn ich mich zusätzlich noch um einen Hund kümmern muss? Ich bin doch null belastbar. Solche Tage wie heute sind die Regel bei mir. Was mache ich dann mit dem Hund?

Wer geht Gassi? Wer sorgt für Auslastung und Beschäftigung, wenn ich nicht vom Klo komme oder mich vor Schmerzen kaum bewegen kann? Chris hat mir zwar Hilfe versprochen, aber er ist durch seine Vollzeitstelle als Fahrer die meiste Zeit des Tages gar nicht zu Hause.

»Mach dir nicht immer so einen Kopf. Das kriegen wir schon hin«, hat er gesagt. Er sieht das alles nicht so eng und ist der Meinung, dass ich generell zu viel und zu oft zweifle.

Das stimmt zwar, aber es geht hier nicht um die Anschaffung eines neuen Computers. Es geht um ein Lebewesen. Das tauscht man nicht mal eben wieder um oder gibt es zurück, wenn es dann doch nicht funktioniert. Nein. Das Ganze muss schon vorher gut durchdacht sein.

Was ist, wenn ich wieder ins Krankenhaus muss oder von jetzt auf gleich zur Krisenintervention in eine Klinik?

Wer versorgt dann den Hund? Chris kann ihn nicht mit auf die Arbeit nehmen und einen Welpen acht bis zehn Stunden zu Hause allein lassen geht auf keinen Fall.

Ein gutes soziales Netzwerk zur Unterstützung wäre hier mehr als sinnvoll, aber wo soll ich das jetzt auf die Schnelle hernehmen? Ich habe nur Chris. Er und die Katzen sind meine Familie.

Die Online-Kontakte auf den Social-Media- Plattformen können mich mit dem Hund zu Hause nicht unterstützen und die paar Freunde, die ich habe, wohnen entweder zu weit weg oder kämpfen selbst mit ihrem Alltag.

Sabrina, die Hunde-Trainerin, zu der ich Kontakt aufgenommen habe, hat mich versucht zu beruhigen. »Ich bin auf jeden Fall für dich da und helfe dir, wo ich kann. Das packen wir zusammen schon. Die vielen Zweifel sind völlig normal. Das legt sich, glaub mir«, hat sie im letzten Telefonat zu mir gesagt. Das liegt jetzt schon Wochen zurück und ich erreiche sie nicht mehr. Das ist ein Problem und gibt mir ein mulmiges Gefühl.

Als ich den Kostenvoranschlag für den Antrag beim Fonds von ihr gebraucht habe, musste ich ihr auch ewig hinterhertelefonieren. Sie hat tagelang nicht reagiert, weder auf Anrufe noch auf Mails. Kein gutes Zeichen. Aber, wenn ich sie endlich einmal an der Strippe habe, dann ist sie immer nett und einfühlsam. Ich habe das Gefühl, dass sie mich und meine Probleme versteht.

Noch dazu gibt es kaum Hundetrainer, die auf die Ausbildung von Assistenzhunden spezialisiert sind. Erst recht nicht bei einer komplexen PTBS, unter der ich leide.

Es ist nicht leicht, einen guten Trainer zu finden. Teuer sind sie aber alle. Fast 10.000 Euro sollen die Stunden bei Sabrina insgesamt kosten, bis Lotta ein fertig geprüfter Assistenzhund ist. Dafür reicht das Geld vom Fonds gerade so aus. Nur für die Ausbildung. Alles andere muss ich anders finanzieren. Aber wie?

Die vielen Unsicherheiten und Zweifel treiben mich in den Wahnsinn und schieben mich eher in die entgegengesetzte Richtung: Ich sollte mir besser keinen Hund anschaffen.

Wenn überhaupt, dann wäre es besser, er würde in einer Patenfamilie großgezogen werden und dort die Ausbildung erhalten, wie es zum Beispiel in den USA Usus ist.

Überall lese und höre ich, wie anstrengend die Welpenzeit ist und egal wie ich es drehe und wende, ich bin nicht belastbar.

Ich sehe mich schon heulend allein mit dem Hund hier sitzen, einem Nervenzusammenbruch nahe und völlig überfordert, während das arme Fellbündel völlig verunsichert um mich herumspringt.

Was, wenn ich es mit dem Hund nachher doch nicht raus vor die Tür schaffe? Wenn ich dem kleinen Würmchen nicht das bieten kann, was er oder sie braucht? Was, wenn ich als hundeunerfahrene, blutige Anfängerin Fehler mache und dem Hund schade?

Was, wenn der die Prüfung nachher dann gar nicht schafft oder nicht mehr geeignet dafür ist?

Was, wenn ich heillos überfordert bin und den Hund zurückgeben muss? Eine Horrorvorstellung.

Also den Hund doch lieber in die Fremdausbildung oder bei einer Patenfamilie aufwachsen lassen?

Nein, wenn ich es mir recht überlege, will ich meinen Hund gar nicht in eine fremde Familie oder in so ein Drill-Institut geben. Der gehört an meine Seite, von Anfang an. Wie soll er sich denn sonst auf mich und meine ganzen Baustellen einstellen?

Wie soll ich mich an den Alltag mit Hund gewöhnen, wenn der gar nicht bei mir ist?

Mal abgesehen davon, dass ich es mir gar nicht leisten könnte, den Hund fremdausbilden zu lassen. Das würde nochmal mindestens das Dreifache kosten als die Selbstausbildung mit Trainerunterstützung. Woher soll ich die mindestens 30.000 Euro dafür nehmen? Und will ich das überhaupt?

Nein, ich will meinen Hund vom ersten Tag an begleiten und an meiner Seite wissen. Ich möchte keinen Tag mit ihm verpassen und er soll sich auf mich einstellen können. Oder besser gesagt: Wir wollen uns aufeinander eingrooven.

Ja, das wäre der Optimalfall, aber bin ich dem Ganzen gewachsen?

Das Vorhaben kann ich ohnehin abhaken, wenn mein Antrag beim Fonds abgelehnt wird.

Ich habe nicht einmal das Geld für die Anschaffung, geschweige denn für die Ausbildung, die mehr kostet als ein neues Auto.

By the way – ich hoffe, mein alter Toyota hält durch.

Wie blöd bin ich eigentlich? Ich bin doch finanziell schon mit dem Unterhalt und der Pflege meiner Katzen heillos überfordert. Ist noch gar nicht lange her, da hat mich die Nabelbruch-OP meines blinden, kleinen Katzen-Neuzugangs Stevie über 500 Euro gekostet. Also mehr als das Doppelte an Geld, das mir monatlich zur Verfügung steht, um Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs zu bezahlen. Stevie hätte ich streng genommen erst gar nicht aufnehmen dürfen.

Ich war und bin unvernünftig, was Tiere – vor allem Katzen – angeht, und verzichte für sie auf vieles.

Das, was sie mir schenken, ist unbezahlbar.

Neben unbeschwerten, glücklichen Momenten lassen sie mich durchhalten, geben mir eine Aufgabe und vor allem Liebe, die ich von Menschen nicht zulassen könnte. Tiere lieben bedingungslos.

Bei Menschen frage ich mich immer, was dahintersteckt, was sie im Gegenzug dafür erwarten. Und die meisten erwarten nach meinen Erfahrungen immer etwas im Gegenzug. In solchen Dingen bin ich ein Totalversager. Freundschaften zu knüpfen und zu halten ist etwas, das ich letztlich fast immer vergeige.

Ich bin gut darin, Leute zu vergraulen. Wo kein Vertrauen ist, kann leider keine Freundschaft wachsen, egal wie sehr ich mir die wünsche.

Ohne meine Katzen wäre ich heute nicht mehr hier.

In den Momenten, in denen ich verzweifle und das Gefühl habe, keine Sekunde länger durchzuhalten, sind sie wichtig.

Wenn ich nicht mehr will und nicht mehr kann und überlege, wie ich es am besten anstelle, mein Leben zu beenden, ist der erste Gedanke, der mir in den Kopf schießt: »Was wird aus meinen Katzen?«

Das reicht, um den lebensmüden Mist bleiben zu lassen, und ich mache weiter – mit dem stärkenden Schnurren und Liebesbekundungen meiner Fellnasen im Ohr.

Nun ist aber so ein Hund um einiges teurer als eine Katze.

Ich will ja keinen Handtaschenhund. Ich brauche einen Hund, der mir Sicherheit gibt, mich im Notfall beschützt und verteidigt.

Am besten direkt einen Dobermann oder einen Rottweiler, aber an diese Rassen traue ich mich als Hunde-Anfänger nicht ran.

Es soll daher, wenn überhaupt, ein Labrador werden.

Ein Labrador-Retriever ist anfängerfreundlich, gutmütig und leicht zu trainieren, habe ich gelesen.

Für Unterhalt und Futter nehmen wir also zum Vergleich den Labrador. Der wiegt locker das Zehnfache einer Katze und frisst entsprechend mehr. Beim Tierarzt fallen auch schnell mal ein paar Hunderter, im schlimmsten Fall sogar Tausender an, die genauso bezahlt werden müssen wie das teure Futter. Ganz zu schweigen von den Mehrkosten, wenn der Hund aus gesundheitlichen Gründen einmal Spezialfutter oder Medikamente benötigt. Und nicht zu vergessen die Hundesteuer. Alles zusammen sprengt meinen winzigen finanziellen Rahmen gewaltig.

Mache ich mir zu viele Sorgen oder bin ich einfach nur dumm und hoffe auf ein Wunder? Auf jeden Fall kommt nichts einfach so auf einen zugeflogen, erst recht kein Geld.

Und was ist mit meinem Alltag, den ein Hund auf den Kopf stellen wird? Auf der einen Seite soll genau der anders werden, aber kann ich das zulassen? Wenn mich an manchen Tagen bereits das unerwartete Klingeln des Telefons in Panik versetzt?

Veränderung ist harte Arbeit und bedeutet oft Rückschläge. Sie sind ein ständiges Tauziehen zwischen Angst und Hoffnung.

Allein der Gedanke an Veränderung und daran, dass etwas an meinem Alltag anders laufen könnte, löst unangenehme Gefühle bei mir aus. Dabei wünsche ich mir doch, dass mein Leben anders verläuft. Ich will raus aus meinem Gefängnis. Warum bereitet mir das Ganze denn eine solch große Angst? Das ist doch paradox.

5

Die Liste

Lotta

Mensch Leute, ich wüsste zu gerne, was auf dieser Liste steht. Nicole hat sie Tina geschickt.

Es geht da um meine zukünftigen Aufgaben. So habe ich das zumindest aus den Gesprächen hier rausgehört.

Dieselbe Liste hat auch die Trainerin bekommen.

Nicole hat all das da draufgeschrieben, was sie sich von mir als Assistenzhund wünscht.

Für Tina ist das wichtig, um mich dahingehend zu prüfen. Also ob ich diese Arbeiten später mal schaffen kann. Und die Trainerin muss wissen, was sie mir genau beibringen muss.

Die Einzige, die wieder einmal im Dunkeln tappt, bin ich.

Zu blöde, dass ich noch in Mamas Bauch bin. Von hier komme ich auf keinen Fall an diese Liste dran.

Warum liest die keiner vor?

Geduld ist gar nicht meins. Habe ich euch das schon gesagt?

Dafür bin ich aber gut darin, Dinge hinzunehmen, und ärgere mich nicht allzu lange über die Tatsache, dass ich diese Liste vorerst nicht in die Pfoten bekomme. Es gibt so viel, was meine Aufmerksamkeit verlangt. Bei euch Menschen ist das anders. Ihr könnt euch tagelang über Kleinigkeiten aufregen, die gar nicht zu ändern sind. Was für eine Energieverschwendung.

6

Kampf gegen Windmühlen

Nicole

Auseinandersetzungen mit Behörden, Ämtern und Versicherungen sind für mich gleichbedeutend mit einem Kampf gegen Windmühlen.

Und damit meine ich nicht die schnuckeligen Fachwerkmühlen aus Holz, sondern diese riesigen, unkaputtbaren Elektro-Windräder. Selbst der starke Hulk hätte seine Probleme, dagegen anzukämpfen. Ich wage mich einen Schritt vor, schöpfe Hoffnung, noch einen weiteren zu schaffen, und schon werde ich mindestens zehn zurückgepustet. Das ist Frust pur und macht mich auf Dauer mürbe. Anscheinend eine gut funktionierende Taktik bei diesen Institutionen.

Oft bin ich einfach nur müde und versuche vieles gar nicht erst.

Erschöpfung ist ein Zustand, der mir immer wieder aufs Neue beweist, wie wichtig es ist, gut mit den eigenen Kräften zu haushalten. Gleichzeitig lerne ich, dass immer etwas geht, selbst wenn ich denke, dass ich am Ende bin. Genau hier fängt dann die Gratwanderung an. Keine Ahnung, ob ich es jemals schaffe, ein Körpergefühl zu entwickeln, das mir sagt: »Stopp, Nicole. Es reicht.«

Ein Assistenzhund, der entsprechend trainiert wird, könnte mich darauf aufmerksam machen, wenn ich den Punkt mal wieder verpasse und über meine Belastungsgrenze sprinte.

Ich bemerke es nicht, übergehe oft diesen Punkt und tue Dinge, die ich besser lassen sollte. Was ist nötig und wichtig zu tun? Wann muss ich auf mich achtgeben, und gut zu mir sein?

Wann ist der Punkt der Überforderung? Bin ich nicht ständig überfordert? Verlangt mir dieses Leben nicht andauern Unmögliches ab, oder bin ich nur – wie so viele sagen, und vor allem aber meine eigene gemeine Stimme, – faul und unfähig?

Wie soll ich da die Balance finden und das tun, was erforderlich ist, um die eine entscheidende Veränderung herbeizuführen? Das lassen, das mir nur schadet und hoffnungslos ist.

Woher weiß ich, wann ein Kampf aussichtslos ist? Schließlich gibt es da noch die Sache mit den Behörden. Ja, das sind die wichtigen Angelegenheiten, um die man sich kümmern muss, egal was ist.

Ein Paradoxon der Extraklasse. Du musst diese Dinge regeln – immer aber vor allem dann, wenn du krank bist. Gerade dann. Ich will etwas an meinem Zustand ändern und trotz allem, müssen die Rechnungen weiterhin bezahlt werden. Wovon willst du leben, wenn du nicht mehr arbeiten kannst? Ich habe es zwar bis zur letzten Minute versucht, mich immer wieder auf die Arbeit geschleppt, blöderweise die Arbeitszeit reduziert, in der Hoffnung wenigstens eine Halbtagsstelle bewältigen zu können, aber da hatte ich mir mal wieder zu viel vorgenommen. Dabei war besonders die Arbeit in der Apotheke für mich in den letzten Jahren ein großer Halt, den ich mir hart erkämpft hatte. Vorne im Kundenverkehr hinter der Beratungstheke zu stehen und mich nicht mehr nur im Labor zu verstecken, war nicht immer leicht, aber die vielen positiven Erfahrungen, die ich mit den Kunden machen durfte, haben mir geholfen, den Mut zu behalten. Sie haben mich darin bestärkt, dass ich sowas doch kann: mit Menschen real interagieren und anderen helfen. Aber das war alles vor dem ganzen Operationshorror, der den bisherigen Erfolg meiner Trauma-Arbeit nicht nur wieder auf Null, sondern in den Minusbereich katapultiert hat.

Vor allem die älteren Kunden, die nicht nur für ihre regelmäßige Medikation in die Apotheke kamen, sondern hauptsächlich für einen Plausch, für den sozialen Austausch, haben mir damals geholfen. Ihre Einsamkeit war auch mein ständiger Begleiter und so trafen diese Menschen bei mir auf verständnisvolle Ohren und schenkten mir das Gefühl, etwas dagegen tun zu können.

Das Bewusstsein dafür, einen wichtigen Beitrag in dieser Gesellschaft zu leisten, sogar etwas verändern zu können, ist in mir essenziell. Das ist die Kraft, die ich brauche, um weiterzumachen und auch schlechte Tage durchzustehen.

Nach der letzten großen Operation ging dann plötzlich gar nichts mehr. Es dauerte eine Weile, bis ich mir das eingestehen konnte. Ich wollte lange nicht wahrhaben, dass das Leben, in das ich mich fast zwanzig Jahre lang zurückgekämpft hatte, auf einmal so nicht mehr funktionierte. Es ging mir schlechter als jemals zuvor. Nichts half. Der tiefe Fall und der soziale Abstieg waren unvermeidbar.

Der Abgrund, der sich vor mir auftat, wurde mit jedem Tag größer und dunkler. Ich wollte kein Sozialfall werden. Dann lieber die Stunden reduzieren. Ich dachte, dass ich die halbe Arbeitszeit pro Woche packen könnte. Ein fataler Fehler. Obendrein haben diese vergeblichen Bemühungen, mich nachher unter das Existenzminimum katapultiert. Das Kranken- und Arbeitslosengeld sowie die Rente, die prozentual aus dem zuvor verdienten Lohn berechnet werden, sinken bei einem Teilzeitjob enorm. Dabei war das Krankengeld noch viel, im Vergleich zu dem finanziellen Loch, in das ich danach gefallen bin, als mein Anspruch nach anderthalb Jahren aufgebraucht war und ich von der Versicherung ausgemustert wurde.

Na ja, zum Glück haben wir überhaupt ein Sozialsystem, auch wenn es überarbeitungsbedürftig ist und einen Papierkrieg erfordert, der weltweit einzigartig ist.

Der Kampf mit Arbeitsamt, Jobcenter und Rentenversicherung hat fast zwei Jahre gedauert. Seit 2017 stapeln sich die Akten in ungeahnte Höhen.

Den Überblick in diesem Chaos zu behalten, ist ein Ding der Unmöglichkeit für mich, aber ich versuche es.

In der ganzen Zeit werde ich hin- und hergeschoben. Keine Behörde fühlt sich für mich zuständig. Noch mehr Untersuchungen sowie völlig sinnfreie und oft demütigende Gutachten folgen. Ständig falle ich durch irgendein blödes Raster. Na hallo, roter Faden meines Lebens, da bist du ja wieder! Nirgendwo passe ich rein. Zum Arbeiten bin ich wegen meiner Krankheiten nicht vermittelbar. Maßnahmen zur Rehabilitation sind inzwischen alle ausgeschöpft. Nur die Rentenversicherung, zu der mich alle hinschieben, sieht das komplett anders, schließlich bin ich doch noch so jung.

Es dauert, bis ich den neuen Stempel ›Erwerbsunfähigkeit‹ erhalte, der mir von allen am unangenehmsten ist. Ich will den nicht. Ich will doch arbeiten! Ich will nicht unfähig sein.

Aber was kann ich in meinem Zustand denn schaffen?

Vom Schreiben, das ich zur Selbsttherapie betreibe, kann man ja nicht leben, es sei denn, man wird der nächste Stephen King oder haut den neuartigen Harry Potter in die Tasten. Ein schöner Traum, aber kaum zu realisieren.

Die Erde dreht sich trotzdem weiter und bald spielen Ärzte und Therapeuten dasselbe Lied: ›Ich kann Ihnen nicht mehr helfen‹. ›Austherapiert‹ heißt der neue Stempel auf meiner Akte und der Eindruck, ein hoffnungsloser Fall zu sein, wird mein neues Lebensgefühl.

»Das alles ist ambulant auf keinen Fall in den Griff zu bekommen«, höre ich immer öfter von Therapeuten und Psychologen, bei denen ich Hilfe suche.

Blöd, dass stationäre Aufenthalte für mich zurzeit unmöglich sind, weil sie meinen psychischen Zustand verschlimmern würden, anstatt ihn zu verbessern.

Jeden Tag komme ich mir vor wie ein Jammerlappen, dem sein Leben entgleitet. Ich kann mich selbst nicht mehr ausstehen. Konnte ich das jemals? Soll das das Ende sein? Das war's jetzt also?

Die Wahrheit fühlt sich so an. Manchmal muss man den Tatsachen ins Auge sehen und die brüllen mich an.

Ich habe mir mein Leben definitiv anders vorgestellt.

Wofür habe ich überlebt? Wofür habe ich so lange gekämpft?

Sicher nicht, um jetzt hier zu hängen, wie ein Schluck Wasser in der Kurve, der von Tag zu Tag durch Horrornächte plätschert und in einem See aus Selbstmitleid ertrinkt.

Ich kann mich nicht damit abfinden, kein Teil der Gesellschaft mehr zu sein, keinen Job mehr zu schaffen. Mutter kann ich nicht mehr werden, ganz zu schweigen davon, vernünftig meinen Haushalt zu schmeißen.

Unfähig.

Ich schiebe das Gefühl beiseite und krame nach der Hoffnung in meinem Kopf. Irgendwas muss doch da noch für mich sein.

Das kann es nicht gewesen sein. Ich bin immer noch da. Ich bin doch wer. Ein Mensch mit Gefühlen, Wünschen und Träumen, auch wenn einige dieser Träume nicht mehr in Erfüllung gehen werden. Trotzdem will und darf ich doch etwas anderes in meinem Leben erfahren als Schmerz, Verlust, Angst und Verzweiflung.

Da gibt es noch jede Menge Leben, das ich erfahren möchte. Ich will leben. Aber wie?

Mein Schrank quillt über mit starken, verschreibungspflichtigen Medikamenten. Meine eigene, kleine Apotheke des Grauens. Beruhigungsmittel, Psychopharmaka, starke Schmerzmittel, wie Tilidin, Morphium und andere Betäubungsmittel.

Bei mir haben viele dieser Mittel leider dieselbe Wirkung wie ein Bonbon – nämlich gar keine. Manche haben dann wiederum so starke Nebenwirkungen, dass sie mich in regelmäßigen Abständen in die Notaufnahme schießen.

Der Behördenwahnsinn ebbt nicht ab. Der Kampf mit meiner Krankenversicherung, der nun fast vier Jahre andauert, zermürbt mich mehr und mehr.

Es geht darin um die Kostenübernahme für ein Medikament, das seit 2017 zur Schmerztherapie zugelassen ist und bis dahin als Kiffer-Droge verpönt war. Auf Deutsch: Es geht um die Kostenübernahme für medizinischen Cannabis.

Mittlerweile liegt mein Fall seit Ende 2017 beim Sozialgericht und kann sich noch Jahre hinziehen. Die Logik dahinter ist mir bis heute ein Rätsel.

Warum soll ich für den Rest meines Lebens stark abhängig machende Schmerz- und Beruhigungsmittel sowie Psychopharmaka einwerfen, die mir mehr schaden als helfen? Warum soll ich meinem Körper noch mehr Leid zufügen? Warum soll ich weiterhin Tabletten einwerfen, die ich gar nicht vertrage?

Mal abgesehen davon, dass eben diese Medikamente für die Krankenkasse um ein Vielfaches teurer sind.

Die Wirkstoffe der Cannabispflanze lindern die schlimmsten Schmerzen. Die ›Nebenwirkungen‹ helfen zudem noch, die Daueranspannung, Panikattacken und Angstzustände in den Griff zu bekommen und lassen mich wieder schlafen. Sogar die Depressionen, meine Albträume und Trauer werden davon weniger.

»Die will doch nur auf Rezept kiffen«, höre ich immer wieder. Aber ich habe nie gekifft. Ich hatte viel zu viel Schiss vor den Folgen. Hatte ich doch, weiß Gott, schon genug Probleme an der Backe. Auch sonst hatte ich in meinem Leben keinen Kontakt zu Drogen, außer zu Alkohol und Zigaretten.

Die Kontrolle über meinen Körper und über jede Situation zu behalten, ist für mich nach wie vor ein großer Schutzmechanismus, weshalb ich anfangs skeptisch war, was Cannabis angeht. Das Gefühl ›stoned‹ zu sein und nicht mehr reagieren zu können, will ich überhaupt nicht haben. Ich muss immer Herrin der Lage bleiben, so gut ich das vermag. Ich will mich nicht abschießen. Die Verzweiflung, sehr viele positive Berichte und die Hoffnung auf weniger Schmerzen waren dann aber stärker und ich habe Cannabis ausprobiert. Von einer Bekannten bekam ich eine kleine Menge für einen Joint. Ich hatte große Angst davor und es hat enorme Überwindung gekostet, dieses ›gefährliche‹ Kraut anzuzünden und zu rauchen. Vor allem hat es stärker gestunken als die nach alten Socken muffelnden Baldrian-Mäuse meiner Katzen. Zu meiner Überraschung ist nichts Schlimmes passiert, im Gegenteil. Plötzlich war diese fiese Übelkeit wie weggewischt. Auch die Schmerzen, die mich kaum haben atmen lassen, traten auf einmal in den Hintergrund. Ich konnte zum ersten Mal seit Jahren wieder entspannen und schlafen. Ich glaube, ein Lottogewinn hätte mich kaum glücklicher gemacht.

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