Kitabı oku: «Meine Familie und ihr Henker», sayfa 4
Brigittes Antwort liegt mir nicht vor. Sie muss beinhart gewesen sein. Vermutlich hatte Hans von ihrem Besuch bei Himmler erfahren, bei dem sie Lilly verdächtigte, jüdischen Blutes zu sein, wohl wissend, was ihr dann passiert. Hans schreibt ihr am 15. September 1942 starr vor Entsetzen: Liebe Brigitte! Ich bin zutiefst erschüttert, dass Du in das Lager meiner Todfeinde gegangen bist. Es ist nun jedes Zurück völlig ausgeschlossen. Sonst bitte ich Dich nur: Mich, den Vater Deiner Kinder, nicht durch Dein egoistisches Versagen völlig zur Verzweiflung zu treiben.
Heil Hitler!
Hans
Jetzt benutzt er selbst das Heil Hitler!, wie es sein Vater bei seinem Goldzahnbrief getan hatte. Doch er nimmt es als Metapher für Verachtung – das hat ja Stauffenberg-Qualität!
DIE SCHULD DER RAUEN PREUSSIN
Brigitte dachte nicht daran, ihn freizugeben. Sie klagte ihr Leid ihrem Vertrauten, komischerweise einem Vetter ihres Mannes: Richard Schneider-Edenkoben war Drehbuchautor, Filmemacher und hie und da von der Gestapo mit Misstrauen verfolgt.
Mein lieber Richard, schreibt sie zum Faschingsbeginn am 11. November 1942 vom Schoberhof aus, nun erfuhr ich in Berlin trotz meines kurzen Aufenthalts sehr Wichtiges: »Er hat bei der ersten Fahrt ins Hauptquartier (zu seinem geliebten Führer) auf die Vorhaltungen wahrscheinlich der Lebenshaltung und L. (Lilly) Beschuldigungen wegen sofort geantwortet: »Daran ist meine Frau Schuld, ich werde die Konsequenzen ziehen und mich von ihr trennen!« Und dies ist, wie ich aus zuverlässiger Quelle her weiß »oben« mit Empörung aufgenommen worden, dass er es »so abgeschoben« hat.
Vermutlich war es Bormann, der ihn sich in Hitlers Hauptquartier noch mal an seine verfettete Brust genommen hatte. Wie muss er meinen Vater angegrinst haben, als der angstflatternd alle Korruption im Generalgouvernement auf seine Landesmutti schob. Sicher hat Bormann später Hitler so was gesagt wie: »Mein Führer, Sie müssen Ihren alten Kampfgenossen absetzen. Er hat doch glatt alles auf seine Frau geschoben!«
»Nein«, hat der sicher geantwortet, »der Frank hat einen so lieben hündischen Charakter, den brauch ich noch.«

Brigitte Frank und ihre fünf Kinder. Dieses Foto schickte sie an Hitler.
Brigitte fährt nach Berlin, wohnt sicher in unserer arisierten Villa in Dahlem. Sie fightet, besucht Frau Goebbels, Frau Göring, versucht zu Hitler zu gelangen, schreibt ihm einen Brief, legt ein Familienbild bei, das sie im Kreis ihrer fünf Kinder zeigt und weist darauf hin, dass es doch nicht möglich sei, eine so harmonisch dreinblickende urdeutsche Familie wegen einer bösen verheirateten Frau zu verlassen. Von Berlin aus schreibt sie genau am Tage des hl. Nikolaus, also dem 6. Dezember – dem Namenstag ihres hochbegabten 3-jährigen Jüngsten – an ihren Mann: Kann man glücklich leben, wenn man die Gesellschaft und ihre Gesetze hinter sich wirft? Ist absolute Freiheit nicht gleich absoluter Leere. Du sagtest es selbst – Liebe ist es nicht, die Dich uns nahm, ein Sinnentaumel, der Dir das Blut aufstürmt. Dein größter Feind ist die Eitelkeit. Warum duldest Du nie Menschen mit Geist und Format um Dich? Bist Du so arm, dass Du glaubst, Dein Glanz verringere sich dadurch? Und was ist das Schlimmste, was einem Mann, noch dazu in so gehobener Stellung, widerfahren kann: Wenn man über ihn lächelt! Ja, Hans, ich habe heute den Mut, Dir dies alles schonungslos zu sagen. Mir fällt es selbst unendlich schwer, aber wenn es noch ein Mittel gibt, das grauenvolle Ende, auf das Du jetzt hintreibst, von Dir fernzuhalten, so ist es meiner Meinung nach diese grausame Wahrheit. Feige bin ich nie gewesen. Die Feigheit und Lüge sind die gemeinsten Sünden. Ein kleines Erlebnis von vielen muss ich Dir aber ins Gedächtnis zurückrufen: Wir fuhren unvorschriftsmäßig schnell von Kressendorf nach Krakau ins Theater: Du, Richard und ich. Zwei arme Polen wurden dadurch angefahren, und man sah nur, wie sie mit ihren Rädern durcheinander auf der Straße lagen. So fährst Du als »Landesvater« ruhig weiter, ohne sich um die Armen zu kümmern. Du fährst mit dem Salonwagen ins Reich, Deinen Trieben zu leben, wo die besten unseres Volkes ihr Leben opfern. Ich bitte Dich auch – und das ist die einzige Bitte, die ich für mich habe, entwürdige Dich und mich nicht weiter durch die Art des Zusammenlebens nach zwei Seiten hin. So viel Achtung musst Du vor Dir und mir noch haben.
Starker Tobak für einen solchen Mann wie meinen Vater. Mutter in Bestform. Schonungslos. Was Vater besonders wahnsinnig gemacht haben dürfte, ist dieser Von-oben-herab-Ton. Spätestens bei Mutters Beschuldigung der Feigheit muss er das Blatt weggelegt haben. Sich klar zu machen, was für ein feiger Wicht er eigentlich Zeit seines Lebens war, wagt er schon aus Feigheit nicht.
Diese Feigheit wird ihn an den Galgen bringen.
Schade, dass unsere Gesellschaft so auf Eigentum am Partner geeicht ist. Es hätte doch ganz anders ablaufen können. Brigitte fragt Hans: »Wo bist du denn wieder gewesen?«
»Ach, ich hab’ mit Lilly geschlafen.«
»Na, Gott sei Dank, ich dachte schon, du hast wieder heimlich geraucht!«
Die beiden, die Menschheit durchrüttelnden Begriffe sind doch »Treue« und »Eifersucht«.
Auch Mutter entblößt sich in ihrer Anklage. Sie mit ihrer Härte, ihrem Mut und ihrem Wissen, dass sie sich von ihren vielen Liebhabern den charakterlich schwächsten als Ehemann ausgewählt hatte: Warum griff sie nach dem Unfall mit den beiden Polen nicht ein? Warum kein: »Hans, wir müssen anhalten! Wir müssen denen helfen – zumindest helfen lassen! Herr Schamper, bitte halten Sie sofort an!«?
Zumal doch Hans, wie mir später sein Nürnberger Gefängnispfarrer Father O’Connor erzählte, »noch im Gefängnis Angst vor Deiner Mutter hatte«.
Waren Brigitte die beiden Polen nicht genauso gleichgültig wie ihrem Mann?
Und selbst Schamper, Franks Stamm-Chauffeur, der sich nach dem Krieg in Rosenheim mit einem glühenden Schürhaken und der Hilfe seiner Frau die SS-Nummer aus dem Oberarm rausbrennen wird (»Mei, Niki, dös hat weh’tan!«), hätte ja sagen können: »Entschuldigen S’, Herr Generalgouverneur, erlauben S’ bitt’schön, ich muss da jetzt anhalten.«
Als Mutter an einer anderen Stelle einer Freundin von diesem Unfall schreibt, macht sie das Bild des Unfalls noch vollständiger: Hans hat nur stumm an seiner Zigarre gezogen.
Was übrigens die von ihr mehrfach als Waffe gegen Hans eingesetzten gemeinsamen Kinder betrifft, so vernachlässigte Mutter ab der Machtübernahme der Nazis zunächst ihre zwei schon in der »Kampfzeit« geborenen Sigrid und Norman zugunsten der schönen Sause als Reichsministergattin und später als Frau Generalgouverneur mit eigenem Mercedes und eigenen Ghettos zum Einkaufen. Ihre drei weiteren Kinder, Gitti, Michel und ich, lernten sie erst nach Kriegsende so richtig kennen, als ihre Zeit als Hohe Dame zwangsweise beendet worden war. Sie hatte uns drei sicher nur als Rückversicherung geboren, auf dass ihr Mann eine gemäß der Nazi-Ideologie so fruchtbare deutsche Frau nicht verlassen könne. Hans’ Mutter, unsere Oma, raunzte nicht zu Unrecht mal auf einem Spaziergang unsere geliebte Kinderschwester Hilde verächtlich auf Bayerisch an: »Brigitte wirft ja d’ Kinder wia a Loas.« Was auf Hochdeutsch Muttersau heißt.
Die Loas hat ihren letzten Geschlechtsverkehr mit Hans »im Dezember 1942«, wie sein Anwalt dem Landgericht München II am 15. Februar 1943 bekannt gibt. Wenn das Lilly erfahren hätte! Auch Mutter hat ihren Anwalt. Durch den könnte sie vor Gericht öffentlich machen, was sie Monate vor dem letzten Beischlaf ihrem Hans geschrieben hatte: Hans, weißt Du noch die Nacht vom 12. auf den 13. Mai, als Du neben mir im Bett lagst und mir diese furchtbaren Sachen gestanden hast – mit den KZs und der Ermordung von Menschen und so? Guck an: Die Shoah als Betthupferl! Du hast mir empfohlen, mich unbedingt scheiden zu lassen. Und jetzt merke ich, dass Du nur wegen Lilly die Scheidung willst. Vaters widerwärtiges Manöver hat Mutter trefflich durchschaut. Sein Antwortbrief auf ihren ihn entlarvenden Nikolaus-Namenstag-Brief, war am 12. Januar 1943 kurz, hilflos und dennoch ein kleiner Prankenhieb gegen die ungeliebte Ehefrau: Er trug als Absender Garmisch, woselbst die Mutter von Lilly ein Haus besaß, in dem sich das Liebespaar oft aufhielt:
Liebe Brigitte!
In Deinem Brief übermittelst Du mir die merkwürdigen Anschauungen, die schon so oft mein Entsetzen erregt haben. Ich handle – glaube es mir doch endlich – in vollem Bewusstsein. Willst Du Deinen Kindern den Vater erhalten – dann beschwöre ich Dich, auf mein lebensdringendstes Ersuchen einzugehen. – Bevor alles zu spät ist –
Hans
Mit süß geschwächten Lenden und durch Lilly zur Scheidung geistig gestärkt, fährt er in seinem Salonwagen zurück zu seinem Dienstsitz in Krakau und schreibt ihr am 27. Januar 1943:
Liebe Brigitte.
Es bleibt nur der Dir von mir so dringlichst nahegelegte Schritt. Ich kann nicht anders, sollte ich mich nicht völlig aufgeben und damit ohnedies alles verloren sein. In dieser entsetzlichen Zeitepoche, da ganze Welten sich neu formen, muss ich dem Schwersten mich bereithalten. Lass uns in Frieden den formalen Schritt der Scheidung gehen. Die fünf Kinder können nur dann ihren Vater bewahren.
Ich stehe im Ablauf meiner Kämpfe. Meine Zeit ist um. Ich schreite der ewigen Sonne zu. Jeder ist unglücklich, der mir jetzt zugehört. Rette die Kinder! Ich beschwöre Dich!
Hans
Viel falsches Pathos, viel Druck von Lilly und eine Prise Realität, wenn er schreibt, dass er im Ablauf seiner Kämpfe stünde und jeder unglücklich sei, der ihm angehöre. Es ist wahr: Mit dem Unglück, ihm anzugehören, mussten sich die fünf Kinder ein Leben lang herumplagen.
Merkwürdigerweise müsste er doch auch Lilly bedauern, die ja, weil sie ihm zugehört, gleichfalls unglücklich sein müsste. Doch weit gefehlt. Kaum ist der Brief an seine Frau beendet, schreibt er mit Lust an seine große Liebe:
Meine Lilly – meine über alles geliebte Lilly!
Bitte bleibe mir gut. Ich liebe Dich bis in das tiefste Mark meines Lebens. Die letzten Tage waren für mich wieder in all’ meinen wilden Kämpfen eine so unsagbare Qual und mühevolle Belastung, dass ich am Telefon wie geschlagen war. Du, meine Lilly! Du mein Alles! Bei Dir bin ich daheim! Bleibe mir! Bleibe mir! Harre noch wenig aus!
Herzinnigst
Dein Hans
DER TIEFPUNKT EINER HOHEN LIEBE
Es ist Brigitte, die ihrem Hans diese unsagbare Qual bereitet, sodass er die drängende Lilly immer wieder beruhigen muss. Also spitzt er seinen Scheidungsanwalt Kuglstatter an, der am 11. Februar 1943 aus München seiner Noch-Ehefrau diesen unglaublich hochnäsigen Brief schreibt:
Sehr verehrte gnädige Frau!
Gnädige Frau stellen sich offenbar auf den Standpunkt, das Verhalten Ihres Mannes sei schwankend und Ihnen und den Kindern gegenüber ein Unrecht, berufen sich auf eine 17-jährige Ehe und sind nicht zuletzt darauf bedacht, die durch Ihren Mann erworbene Stellung als Ehefrau einer der führendsten Persönlichkeiten unter allen Umständen zu erhalten. Ihre nachweisbare Äußerung, dass sie lieber die Witwe als eine geschiedene Frau eines Ministers sein wollen, bestätigt diese letztere Annahme.
Gnädige Frau übersehen aber dabei die besonderen Umstände, die zu dieser Ehe geführt haben und die Tatsache, dass Ihr Mann 17 Jahre an einer Ehe festgehalten hat, obwohl er seelisch vor allem wegen der grundlegenden Verschiedenheit der Naturen auf das schwerste darunter gelitten hat. Sein Leben hatte alle diese Jahre hindurch keine Erfüllung. Trotzdem war er Ihnen gegenüber immer ritterlich und wurde Ihren Ansprüchen stets gerecht. Sie selbst wissen, dass Ihr Mann eine maßlose Vitalität und Schaffenskraft besitzt, die ihm die Möglichkeit gibt, für Führer und Volk das Höchste zu erreichen. Nach schwerstem Kampf mit sich selbst hat sich Ihr Mann zu dieser letzten Entscheidung durchringen müssen, um sich vor einer lebenslänglichen maßlosen Leere und Vereinsamung zu bewahren. Wie er Ihnen bereits mitgeteilt hat, muss sein Leben entweder neu beginnen oder enden. Schon allein diese Tatsache wird Sie bei einigermaßen vernünftiger Überlegung erkennen lassen, worum es geht. Ihr Hoffen auf eine Rückkehr ist daher völlig aussichtslos. Er muss, das verlangt jetzt das Geschick des Reiches, in die Lage versetzt werden, auf der Grundlage eines neuen privaten Lebens mit letzter Kraft und den ihm in seltener Weise gegebenen Fähigkeiten ruhig und gemessen dem Führer und dem Vaterland dienen zu können.
Mit besten Empfehlungen
Heil Hitler!
Ihr sehr ergebener
Dr. Kuglstatter
Vater muss dieses ekelhafte Dokument seiner Selbstbeweihräucherung gesehen, am Ende vielleicht sogar diktiert haben. Brigitte schickt ihm am 21. Februar 1943 eine Stellungnahme, deren erste Zeile schon große Raffinesse zeigt, denn gleich soll der Adressat ob ihres maladen Zustands einen Stich bekommen:
Die Maschinenschrift bitte ich zu entschuldigen, da ich heute nicht anders schreiben kann.
Hans, nein das kann nicht sein, das darfst und wirst Du Dir, mir und Deinen Kindern nicht antun, dass Du mich vor die Schranken des Gerichts bringst. Unendlich litt ich während dieser 10 Monate, aber nach jeder noch so großen Leidensstation warst Du wieder da, kamst wieder zurück, beteuertest Dein Glück, und ich konnte mir wieder Kraft holen. Nun aber stößt Du mich von Dir und lieferst mich der Öffentlichkeit aus. Du ließest mir durch Deinen Anwalt schreiben, Du hast 17 Jahre unter einem schweren Familienschicksal gelitten. Hans, lese Deine Briefe vom Kriegsbeginn! Weiter sage ich nichts! Diese schönen Briefe, die mich so beglückten, sie wanderten nun zur Photokopie. Und das – nur uns beide Angehende – muss nun vors Gericht gezerrt werden.
Nun stelle ich mich als Bürgerin unter den Schutz des deutschen Rechtes, und da ich mit einem Mann des Rechts seit fast 18 Jahren verbunden bin und von ihm 5 Kinder habe, werde ich mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln dieses mein Recht fordern und für uns alle kämpfen bis zum Letzten, damit ich einst vor meinen Kindern und meinem Gewissen sagen kann: »Ich habe alles getan, um den Kindern das Vaterhaus zu erhalten.« Ich bitte Dich, bringe keine Hassgefühle gegen mich auf. Ich tat Dir doch nichts. Ich liebe Dich ja. An dem Tage, an dem Du mich aber vors Gericht stellst, mich hilflos der Öffentlichkeit auslieferst, will ich mit letzter Kraft versuchen, um Dich zu kämpfen. Ich betrachte dies für eine heilige Mission, die ich zu erfüllen habe.
Was die heilige Missionarin nicht wusste: Lilly bekam sogar von Hitler selbst die große Chance, ihre Jugendliebe Hans endgültig zu erobern – aber das wird sie von Hans, diesem Feigling, nie erfahren.
Am 3. März 1943 liest nämlich Hans das entscheidende Telegramm aus dem Führerhauptquartier. Er hatte doch tatsächlich Hitler seine Scheidungsakten zuschicken lassen. Nicht wissend, dass ihn auch Brigitte mit rührendem Familienfoto und erschütterndem Brief belatscherte.
Meine Geschwister und ich waren im Bewusstsein aufgewachsen, dass Hitler unserem Vater die Scheidung »bis nach dem Krieg« verboten hätte. Doch der Führer war geborener Österreicher, der also den Schmäh kannte und ihn hin und wieder zwischen seine Vernichtungspolitik setzte. Mitten im blutigsten Krieg diktierte er seinem Intimus und Sekretär Martin Bormann einen Text, von dem er wusste, dass er wieder einmal den hündischen Charakter seines Gefolgsmanns Frank offenbaren würde. Ich kann mir sogar vorstellen, dass er grinsend zu Bormann geschnarrt hat: »Wetten, Bormann, dass er die Scheidung nicht mehr will?«
Das Telegramm lautete:
Der Führer hat mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, dass er Ihre Ehescheidungs-Akten eingehend geprüft habe und dass er danach sich nicht mehr in der Lage sehe, Ihnen die Genehmigung zur Scheidung Ihrer Ehe zu geben, solange Sie das Amt eines Generalgouverneurs und Reichsministers bekleiden.
Das saß! Was für eine Pleite für meinen Vater! Sich jetzt entscheiden zu müssen zwischen Schloss, Burg, Mercedes, Titel eines Generalgouverneurs, Titel eines Reichsministers – und einer wiedergefundenen Jugendliebe, die sogar älter war als er, wenn auch nicht fünf Jahre wie Brigitte, sondern nur drei, aber immerhin drei!
Ohne Amt und Macht würde ja das Hohle seines Charakters total nackt aufscheinen! Was hatte der Ur-Nazi Otto Strasser am 27. März 1931 über ihn verlauten lassen?: »Rechtsanwalt Dr. Frank II ist ein eitler und gewissenloser Streber.« Oder wie ihn sein Schulkamerad Karl-Heinz Becker schon als Jugendlicher durchschaut hatte. In seinen »Erinnerungen« charakterisiert er Hans Frank so: »Er war ein mäßig begabter, wegen seiner unaufrichtigen Freundlichkeit unbeliebter Mitschüler. Noch sehe ich ihn in unserer grünen Wehrkraftuniform im Fahrtenquartier 1915 als Vierzehnjährigen bei einer einfachen Allgäuer Familie, auf die er mit einer mich beängstigenden Sicherheit und Gewandtheit einredete, auf dem Sofa sitzen, vor sich einen riesigen Gugelhupf, den er für zu Hause erhamstert hatte.«
Unvorstellbar, dass der Hamsterer sein Herrscherleben in Polen aufgeben könnte. Allein schon seine Adresse: Herrn Generalgouverneur, Burg, Krakau!
Wo unterhalb der Burg doch alles seinen geordneten Gang nahm, wie die Anweisung für die Durchführung von Exekutionen seines Höheren SS-und Polizeiführers Krüger mit einem so menschlichen Schlusssatz und zugleich so humorig deutsch kundtat: Ferner erinnere ich in diesem Zusammenhang an den persönlichen Wunsch des Reichsführers SS, dass die Exekutionskommandos nach der Exekution einer Zerstreuung mit geistig wertvollem Inhalt zuzuführen sind.
Das alles aufgeben? Nicht von Hans Frank, dem Gugelhupfesser. Sollte er etwa die Ikone im Schoberhof aufhängen müssen, die ihm Hitlers Adjutant Fritz Wiedemann am 17. Oktober 1935 zustellen ließ? Anbei das von Ihnen für Ihren Schreibtisch in Ihrem neuen Arbeitszimmer erbetene Bild des Führers mit Unterschrift.
Mit deutschem Gruß!
Jetzt schmückte es natürlich sein Arbeitszimmer auf der Burg zu Krakau.
Nein, er würde dieses herrliche Generalgouvernement seiner geliebten Lilly vorziehen. Zumal die ja nicht allein für sein Lendenwohl sorgte, wie aus Mutters Abschrift vom 9. März 1941 hervorgeht. Ohne sich offensichtlich um meinen zweiten Geburtstag zu kümmern, schreibt sie mit doppelter Klammersetzung den Teil eines um Verzeihung flehenden Briefes von Hans an sie ab: (da rechtfertigt er sich einer von mir bezichtigten Untreue wegen. Allerdings handelte es sich um seine Sekretärin Helene, von der ich mehrere Liebesbriefe besitze, die mir seine Untreue leider bestätigen.): »Ich bin ein alter Stimmungsschwärmer. Das weißt Du. Aber ganz Dein. Nur Dein … Dich umarme ich in herzlichster Liebe und Verehrung: Bleib immer gut zu Deinem alten »Sorgenkind«, dem umworbenen »Meister«.
Hans
Eben: Helene! Das laut Major Kelley ältliche Frauenzimmer, das ihm doch so schmachtend anhing. Und die er deshalb vor allem für Quickis auf der Burg abnutzen konnte. Die würde er ja dann auch verlieren. Wohin dann zwischendurch mit seinem strammen Glied? Nee, nee, mein Generalgouvernement, diesen Pfuhl der Sinnlichkeit und Pracht – na gut, auch mit ein paar Verbrechen gegen die Menschlichkeit a bisserl besudelt – geb ich nicht her. Also belog er seine Lilly, dass sie leider noch bis zur siegreichen Beendigung des Krieges warten müsse. Davor wolle Hitler keine Scheidung.
Merkwürdigerweise: Seiner ihm so lästig gewordenen Ehefrau Brigitte offenbarte er den wahren Inhalt von Bormanns Telegramm, allerdings erst viele Monate später. Mutter muss bei diesem Geständnis mit größter Minenkraft ihr allseits gefürchtetes überlegenes Lächeln unterdrückt haben.
Doch bevor sie davon erfuhr, bewegen Brigitte – auf einem Meer von Blut übrigens, das derweil von Unschuldigen im Generalgouvernement Tropfen um Tropfen gefüllt wird – ähnliche Gedanken wie Hans: Wenn ich diese Knallcharge von Ehemann freigebe, wie kann ich dann noch auf Schlössern und Burgen herrschen, im Ghetto Einkaufen fahren? Da hab ich dann zwar den Schoberhof und sicher eine üppige monatliche Apanage, aber dazu leider diese anstrengenden Nichtsnutze von Kindern. Wo bleiben dann die Staatsbankette? Die Lobhudeleien der Neuhauser? Das untertänige Verhalten aller meiner Freundinnen aus meinen Tagen als Sekretärin?
Also dreht sie die Garrotte wieder enger um die Seele ihres Ehemanns, pestet im April 1943 ohne Datum und ohne Anrede:
Ich glaube, Du erkennst nur noch eine Autorität an, und das ist der Führer, das wäre der Einzige, der Dich auf den Weg Deiner Pflicht bringen könnte. Stattdessen hast Du Sorgen, die L. wieder zu befreien von ihrer Dienstverpflichtung und schreibst sogar persönlich an Herrn Sauckel und reklamierst sie als Deine Sekretärin. Dann scheinst Du nur immer wieder nachzusinnen, was Du uns alles noch antun könntest. Mein Gott, was ist aus Dir geworden? Oder warst Du wirklich immer so? Habe ich Dich nur falsch gesehen? Habe ich Deine Genialität zu hoch eingeschätzt und Dich deswegen charakterlich nicht richtig beurteilt?
Nach alledem, was ich jetzt Grauenvolles über Deinen wirklichen Scheidungsgrund hörte, kann ich auch Deinen Brief v. 15. September 42 verstehen, in dem Du mich beschworst, nicht in das Lager Deiner Todfeinde zu gehen. Ich wollte ja nur zu Bormann oder Himmler gehen und fragen: »Was hab ich getan, wessen klagt man mich an?« Bin ich doch zutiefst verzweifelt gewesen über die immer wieder auftauchenden Gerüchte, die Scheidung werde von oben gewünscht, ich habe irgendwelche Geschäfte mit Pelzen und Juwelen mit Lasch gehabt usw. Ja, ebenso gut hätte man ja von mir behaupten können, ich habe einen Menschen umgebracht. Später glaubte ich dann den Schlüssel zu Deinem Verhalten gefunden zu haben, als man mir sagte, Du selbst habest damals im Hauptquartier gesagt: »Daran ist meine Frau Schuld, ich werde mich von ihr trennen.« Dies kann Dir nur Deine Lebens- oder Todesangst eingegeben haben, denn das tatest Du wider besseres Wissen.

Hans Franks Mutter Magdalena, geb. Buchmayer.
Ich kenne Deine schnelle impulsive Art und auch Deine Methode, allem Unangenehmen aus dem Wege zu gehen.
Ich will den Kindern den Vater erhalten und bete täglich an den drei Bettchen der Kleinen für Dich. Du kannst es gebrauchen! Ich bin so fest davon überzeugt, dass die Stunde nicht mehr allzu ferne ist, wo Du einsehen wirst, dass ich stets Dein bester Freund war und bin. Möge es dann nicht zu spät sein!
Und das wirst Du niemals von mir erreichen, dass ich mit Quittungen belegen werde, was ich für die Kinder usw. ausgebe. Und nicht genug damit! Du verlangst sogar, dass ich eine Summe, die sich aus den Monaten November, Dezember und Januar zusammensetzt und die schon lange vor Deiner Klageeinreichung in Deinem Besitz und von Dir wie immer genehmigt wurde, nachträglich detaillieren soll, was davon für die Kinder und was für mich ist. Aber dies alles entspringt wohl mehr aus den Ratschlägen Deiner Mutter und Schwester, vielleicht auch der Frau L. G., die mir ja hat sagen lassen, sie würde immer schauen, dass wir keine Not zu leiden hätten.
Das Leben ist der Güter höchstes nicht,
Der Übel größtes aber ist die Schuld.
Brigitte
Meine verwundete Mutter konnte scharf zurückschlagen. Sie wusste wahrlich, Menschen zu sezieren. So auch diese drei bösen Frauen: Hans’ Mutter, seine Geliebte Lilly, seine Schwester Lilli! Was für eine abgrundtiefe Bosheit gehört doch bei der Geliebten dazu, die hoffentlich bald verlassene Ehefrau wissen zu lassen, sie würde nie Hungers klagen müssen!
Fazit für den von Schmäh-Hitler gebeutelten Hans: Er muss verärgert und enttäuscht zu ihr zurückkehren, was er ihr auf amtlichem Briefbogen kundtut, damit es des Privaten ja nicht zu viel wird:

Hans Franks Schwester Lilli.
DER GENERALGOUVERNEUR Krakau, Burg den 16. Juli 1943
Liebe Brigitte!
Unter dem Eindruck der außerordentlichen Zeit und meines sich mählich beruhigenden Innenlebens möchte ich mit Dir gerne über die Normalisierung unserer Beziehungen sprechen. Frau L.G. hat sich von mir getrennt. Auch ich bin nun zu der Überzeugung gekommen, dass angesichts des außerordentlichen Ernstes der mir gestellten Aufgabe und der Notwendigkeit der völligen Bereinigung unseres familiären Zustandes unsere beiderseitigen Beziehungen sich der Regel beugen. Wenn auch in diesen stürmereichen Monaten vieles geschah, was die Wirkung haben konnte, uns für alle Zukunft zu trennen, so musst Du auch das Außerordentliche bedenken, was über mich in diese Zeit hereingebrochen ist.
Ich kann mich vielleicht Ende dieses Monats auf einige Tage freimachen und wäre dankbar, wenn Du mit mir in München zusammenkommen könntest.
Wir können dann über alles in Frieden und Harmonie sprechen.
Bis dahin begrüße ich Dich herzlichst als
Dein Hans
Und wo bleiben wir fünf Kinder? Will er die nicht sehen? Hat er keine Sehnsucht nach Ihnen? Der Schoberhof liegt nur 65 Kilometer von München entfernt. Was für eine Bereinigung unseres familiären Zustands? Da ist keine Reue, da ist keine neu aufgeflammte Liebe zu den Seinen.
Die Ehe blieb bestehen, die Partner lebten verbissen getrennt.