Kitabı oku: «Einführung Gesundheitspsychologie»
utb 2650 |
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PsychoMed compact – Band 5
Die Reihe wurde begründet von Prof. Dr. Hans Peter Rosemeier (†) und Prof. Dr. Nicole von Steinbüchel; sie wird herausgegeben von Prof. Dr. Nicole von Steinbüchel und Prof. em. Dr. Elmar Brähler.
Prof. Dr. Nina Knoll, Dipl.-Psych., lehrt und forscht am Arbeitsbereich Gesundheitspsychologie der Freien Universität Berlin.
Prof. Dr. Urte Scholz, Dipl.-Psych., lehrt und forscht am Lehrstuhl für Angewandte Sozial- und Gesundheitspsychologie der Universität Zürich.
PD Dr. Nina Rieckmann, Dipl.-Psych., lehrt und forscht am Institut für Public Health an der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
UTB-Band-Nr.: 2650
ISBN 978-3-825-24745-4 (PDF)
ISBN 978-3-846-34745-4 (E-Book)
© 2017 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München
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Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen
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Inhalt
Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches
Vorwort von Ralf Schwarzer zur ersten Auflage
Vorwort der Autorinnen zur vierten Auflage
Teil I Theorien der Gesundheitspsychologie
1 Einführung
1.1 Was ist Gesundheit? Das biomedizinische und das biopsychosoziale Modell
1.1.1 Das biomedizinische Modell
1.1.2 Das biopsychosoziale Modell
1.2 Entstehung des Fachs Gesundheitspsychologie
1.2.1 Gründung von Fachgesellschaften und wichtige Publikationen
1.3 Abgrenzung zu anderen Disziplinen
1.4 Zusammenfassung
1.5 Fragen zum Lernstoff
2 Gesundheitsverhalten
2.1 Modelle des Gesundheitsverhaltens
2.1.1 Die sozial-kognitive Theorie von Bandura
2.1.2 Das Modell gesundheitlicher Überzeugungen (Health Belief Model, HBM)
2.1.3 Die Theorie der Handlungsveranlassung (Theory of Reasoned Action, TRA) und die Theorie des geplanten Verhaltens (Theory of Planned Behavior, TPB)
2.1.4 Die Theorie der Schutzmotivation (Protection Motivation Theory, PMT)
2.1.5 Die Intentions-Verhaltens-Lücke
2.1.6 Planung
2.1.7 Das Prozessmodell gesundheitlichen Handelns (Health Action Process Approach, HAPA)
2.1.8 Das Transtheoretische Modell der Verhaltensänderung (Transtheoretical Model, TTM)
2.1.9 Das Prozessmodell präventiven Handelns (Precaution Adoption Process Model, PAPM)
2.1.10 Kurze Bilanz zu den Theorien des Gesundheitsverhaltens
2.2 Rückfall
2.2.1 Modelle des Rückfalls
2.2.2 Krankheitsmodell vs. moralisches Modell des Rückfalls
2.2.3 Modell des Rückfallprozesses nach Marlatt
2.3 Spezielle gesundheitsrelevante Verhaltensweisen
2.3.1 Rauchen
2.3.2 Ernährung
2.3.3 Körperliche Aktivität
2.3.4 Kondombenutzung
2.3.5 Sonnenschutzverhalten
2.4 Zusammenfassung
2.5 Fragen zum Lernstoff
3 Stress und Gesundheit
3.1 Stresstheorien
3.1.1 Reaktionsorientierte und psychophysiologische Stresstheorien
3.1.2 Stimulusorientierte Stresstheorien
3.1.3 Die kognitiv-transaktionale Stresstheorie
3.1.4 Die Theorie der Ressourcenerhaltung
3.2 Stressbewältigung
3.2.1 Die Ursprünge: Abwehrmechanismen
3.2.2 Dispositionelle Bewältigung
3.2.3 Aktuelle Bewältigung
3.2.4 Aktuell und dispositionell verwendbare Inventare
3.2.5 Bewältigung und die Zeitperspektive
3.2.6 Kritik an der Bewältigungsforschung
3.3 Zusammenfassung
3.4 Fragen zum Lernstoff
4 Persönlichkeit und Gesundheit
4.1 Typenmodelle
4.1.1 Typ A: Koronarpersönlichkeit?
4.1.2 Typ C: Krebspersönlichkeit?
4.2 Die „resiliente“ Persönlichkeit
4.2.1 Resilienz als Personeneigenschaft
4.2.2 Resilienz als Person-Umwelt-Konstellation
4.2.3 Welchen Beitrag leistet die Resilienzforschung zur Gesundheitspsychologie?
4.3 Zusammenfassung
4.4 Fragen zum Lernstoff
5 Soziale Unterstützung und Gesundheit
5.1 Soziale Integration und soziale Unterstützung
5.1.1 Differenzierung von erhaltener und wahrgenommener Unterstützung
5.1.2 Funktionen der sozialen Unterstützung
5.1.3 Versuche der objektiven Erfassung sozialer Unterstützung
5.1.4 Was macht soziale Interaktion zur sozialen Unterstützung?
5.1.5 Erfassung der Perspektiven sozialer Unterstützung
5.1.6 Soziale Unterstützung und Geschlecht
5.1.7 Unterstützung für alle – Unterstützung von allen?
5.2 Wie trägt soziale Unterstützung zur Gesundheit bei?
5.2.1 Soziale Integration / Soziales Netzwerk und Gesundheit: So fing alles an
5.2.2 Mediatoren und Moderatoren zwischen sozialer Unterstützung und Gesundheit
5.2.3 Soziale Unterstützung und die Stressbewältigungsperspektive
5.2.4 Soziale Unterstützung und die Gesundheitsverhaltensperspektive
5.3 Die Partnerperspektive: Stress, Unterstützung und Bewältigung in der Dyade
5.3.1 Besonderheiten bei der Untersuchung von Unterstützung in der Partnerschaft
5.3.2 Andere Formen der Stressbewältigung in Partnerschaften: Modelle
5.4 Zusammenfassung
5.5 Fragen zum Lernstoff
6 Mind-Body-Interaktionen: Wie beeinflussen psychische Faktoren die Gesundheit?
6.1 Körperliche Stressreaktionen
6.1.1 Die neuroendokrine Stressantwort
6.1.2 Stress und das Immunsystem
6.2 Zusammenfassung
6.3 Fragen zum Lernstoff
Teil II Gesundheitspsychologische Forschung und Praxis
7 Herzerkrankungen
7.1 Koronare Herzkrankheit – was ist das?
7.2 Risikofaktoren für die koronare Herzerkrankung
7.3 Prävention, Diagnostik und Behandlung
7.4 Verhaltensänderung bei KHK-Patienten
7.5 Feindseligkeit und Depression: Welche Rolle spielen sie bei der Entwicklung der KHK?
7.6 Bewältigung der KHK
7.7 Zusammenfassung
7.8 Fragen zum Lernstoff
8 Krebserkrankungen
8.1 Krebserkrankungen: Merkmale
8.2 Was können psychosoziale Faktoren zum besseren Verständnis von Krebserkrankungen beitragen?
8.3 Die Genese von Krebserkrankungen: Risiken und Mechanismen
8.3.1 Prävention von Krebserkrankungen
8.3.2 Stress und die Genese von Krebserkrankungen – mögliche Mechanismen
8.3.3 Stress, Depression, Bewältigung als Prädiktoren der Krebsentstehung: Spielen sie eine Rolle?
8.4 Psychische Faktoren bei der Diagnose und Behandlung von Krebserkrankungen
8.4.1 Die Diagnose und Behandlung von Krebs: Psychische Folgen
8.4.2 Die Bewältigung von Krebserkrankungen
8.4.3 Bewältigung von Krebserkrankungen: Die vielen Gesichter der Sinnfindung
8.5 Rezidiv und Überleben: Psychosoziale Prädiktoren?
8.6 Zusammenfassung
8.7 Fragen zum Lernstoff
9 Von der Theorie zur Praxis: Gesundheitsprogramme
9.1 Was ist Gesundheitsförderung?
9.2 Was ist Prävention?
9.3 Settings von Gesundheitsförderung und Prävention
9.4 Zielbereiche von Gesundheitsförderung und Prävention
9.4.1 Verhaltensänderung
9.4.2 Stressbewältigungsprogramme
9.5 Zusammenfassung
9.6 Fragen zum Lernstoff
Literatur
Sachregister
Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches
Zur schnelleren Orientierung werden in den Randspalten Piktogramme benutzt, die folgende Bedeutung haben:
Forschungen, Studien | |
Begriffserklärung, Definition | |
Pro und Contra, Kritik | |
Beispiel | |
Fragen zur Wiederholung am Ende des Kapitels |
Vorwort von Ralf Schwarzer zur ersten Auflage
Die Gesundheitspsychologie befasst sich mit dem menschlichen Erleben und Verhalten angesichts gesundheitlicher Risiken und Beeinträchtigungen sowie mit der Optimierung von Gesundheit, im Sinne von Fitness oder Wellness. Die Forschung fragt danach, wer krank wird (und warum), wer sich von einer Krankheit wieder gut erholt (und warum) und wie man Erkrankungen von vorneherein verhütet. Im Unterschied zur Klinischen Psychologie, die sich mit seelischen Störungen und Verhaltensabweichungen befasst, richten sich die Fragestellungen innerhalb der Gesundheitspsychologie vor allem auf körperliche Erkrankungen sowie auf riskante und präventive Verhaltensweisen. Die Gesundheitspsychologie ist eine noch junge, empirisch orientierte Disziplin und wird von einer biopsychosozialen Modellvorstellung geleitet. Dies bedeutet, dass in Abgrenzung zum biomedizinischen Modell den psychischen und sozialen Einflussgrößen sowie deren Wechselwirkungen auf Krankheit und Gesundheit besondere Beachtung geschenkt wird.
Mehrere Lehrbücher, Editionen und Enzyklopädien zur Gesundheitspsychologie kommen zurzeit auf den Markt (z. B. Jerusalem / Weber 2003; Schwarzer 2004; 2005). Das junge Fach ist dabei, sich nun auch in Deutschland zu etablieren. Aber dennoch hinken wir im internationalen Vergleich hinterher. Nachdem in den USA schon 1978 die APA Division 38 „Health Psychology“ gegründet wurde, folgte die europäische Entwicklung erst 1986 mit einer kleinen Tagung in Tilburg unter der Leitung des Niederländers Stan Maes. Die Tagung war von den Amerikanern Charles Spielberger und Irwin Sarason maßgeblich angeregt worden. Andere Gründungsmitglieder, die später an Einfluss gewannen, waren Marie Johnston und John Weinman (Großbritannien), Ad Kaptein (Niederlande), Jan Vinck (Belgien) sowie Lothar Schmidt, Ralf Schwarzer und Peter Schwenkmezger (Deutschland). Es kam zur Gründung der European Health Psychology Society (EHPS) mit jährlichen Kongressen, deren Beliebtheit und Bedeutung rasch anstieg. Aus den 60 Teilnehmern in Tilburg wurden im Jahre 1996 schon über 500, und auf diesem Teilnehmerniveau hat sich die Gesellschaft inzwischen stabilisiert. Auch viele nationale Gesellschaften wurden in Europa gegründet, so z. B. im Jahre 1992 die Fachgruppe Gesundheitspsychologie innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Viele Zeitschriften wurden ins Leben gerufen.
Aber das größte Hindernis für die schnelle Ausbreitung der Gesundheitspsychologie als universitäre Disziplin war die alte Rahmenordnung für den Diplomstudiengang, die ein solches Fach nicht vorsah. Erst im Zuge der neuen Entwicklung von Bachelor- und Masterstudiengängen ist mit einer festen Etablierung des Faches nun auch in Deutschland zu rechnen.
Der vorliegende Band von Nina Knoll, Urte Scholz und Nina Rieckmann liefert auf knappem Raum einen breiten und fundierten Überblick über das ganze Fach. Die Autorinnen haben mit großem Sachverstand alle wesentlichen Punkte berücksichtigt und die aktuelle internationale Literatur aufgearbeitet. Dabei ist es ihnen gelungen, auch die komplizierteren Sachverhalte so darzustellen, dass das Werk für Studierende verständlich geblieben ist. Damit liegt nun erstmalig ein handliches Taschenbuch für das Studium der Gesundheitspsychologie vor. Ich wünsche diesem Buch eine große Verbreitung und verbinde damit auch die Erwartung, dass unser junges Fach eine noch höhere Akzeptanz erfährt und bald – wie z. B. in England – an fast allen Universitäten maßgeblich zum Profil der Psychologie beiträgt.
Berlin, im Sommer 2004 | Ralf Schwarzer Professor für Gesundheitspsychologie, Freie Universität Berlin |
Literatur
Jerusalem, M., Weber, H. (Hrsg.) (2003): Psychologische Gesundheitsförderung. Hogrefe, Göttingen
Schwarzer, R. (2004): Psychologie des Gesundheitsverhaltens. Eine Einführung in die Gesundheitspsychologie. Hogrefe, Göttingen
– (Hrsg.) (2005): Gesundheitspsychologie. Enzyklopädie der Psychologie. Hogrefe, Göttingen
Vorwort der Autorinnen zur vierten Auflage
Gesundheit ist eine komplizierte Sache. Seit mehreren Jahrzehnten wird sie nicht mehr nur über die Abwesenheit von Krankheit, sondern ebenso über soziale, verhaltensmäßige und emotionale Charakteristiken definiert. Zu den Fächern, die sich der Erforschung dieser biopsychosozialen Sicht auf Gesundheit angenommen haben, gehört die Gesundheitspsychologie. Sie hat sich vor etwa 25 bis 30 Jahren als eigenständige Disziplin innerhalb der Psychologie etabliert und ist seither rapide gewachsen (s. Kap. 1).
Auf die Frage, über welche „Pfade“ Erleben und Verhalten mit körperlichen Zuständen verbunden sind, werden derzeit vor allem zwei Antworten gegeben: erstens über gesundheitsrelevantes Verhalten und zweitens über Stress. Die wichtigsten Theorien zu beiden Antworten werden im Teil I des Buchs dargestellt: Zunächst werden Determinanten gesundheitsrelevanten Verhaltens anhand unterschiedlicher Modelle erläutert. Anschließend geht es vorwiegend, wenn auch zum Teil „inoffiziell“, um den zweiten großen „Mind-Body-Pfad“, nämlich den Stress. Dargestellt werden Stress- und Bewältigungstheorien sowie Persönlichkeitseigenschaften und Person-Umwelt-Konstellationen, die zu besonders viel oder besonders wenig Stress disponieren. Es wird beschrieben, wie andere Menschen direkt oder indirekt auf unseren Stress und unser Risikoverhalten Einfluss nehmen, und schließlich, auf welchen Wegen der Stress unsere physiologischen Reaktionen aus dem Gleichgewicht bringt.
In Teil II werden dann empirische Befunde zu den im ersten Teil dargestellten Theorien präsentiert, und zwar im Rahmen der Forschung zu den beiden Haupttodesursachen der westlichen Industrienationen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Abschließend wird umrissen, wie sich die Erkenntnisse gesundheitspsychologischer Theorien in Programme zur Gesundheitsförderung übersetzen lassen.
Es war unser Anliegen, eine handliche Einführung in einige der zurzeit wichtigsten Ideen und Forschungsbereiche der Gesundheitspsychologie zu bieten. Um die Arbeit mit dem Text zu erleichtern, haben wir neben Orientierungshilfen, wie Stichpunkte und Piktogramme, auch Kapitelzusammenfassungen und Wiederholungsfragen in den Text aufgenommen.
Wir gedenken Herrn Prof. Dr. Hans Peter Rosemeier, der am 19. Februar 2006 nach schwerer Krankheit verstarb, und sind dankbar für sein unermüdliches Engagement bei der Initiierung und Förderung dieses Buchprojekts. Auch gilt unser Dank allen Kolleginnen und Kollegen, die wertvolle Rückmeldungen zu Inhalten und Formaten des Texts geliefert haben: Dr. Isolde Daig, Dr. Rolf Kienle, Dipl.-Psych. Ulrike Landersdorfer und Prof. Dr. Ralf Schwarzer.
Berlin und Zürich im Sommer 2016 | Nina Knoll Urte Scholz Nina Rieckmann |
I Theorien der Gesundheitspsychologie
1 Einführung
Gesundheitspsychologie ist eine Subdisziplin der Psychologie, die sich in den 1980er Jahren als eigenständiges Fach in Forschung und Lehre etabliert hat und ein rapides Wachstum erlebt. Sie integriert Fragestellungen und Wissen aus allen Bereichen der Psychologie und den Gesundheitswissenschaften.
Ihr Gegenstand sind psychologische Prozesse, die bei der Förderung und Erhaltung von Gesundheit, Vermeidung von Krankheit und in der Gesundheitsversorgung und Rehabilitation eine Rolle spielen (Matarazzo 1980).
Gesundheitspsychologen untersuchen, wie Verhalten, Kognitionen, Emotionen, Motivation und Persönlichkeit einer Person ihre Gesundheit beeinflussen. Zu den zentralen Forschungsfragen der Gesundheitspsychologie gehören: „Welche Verhaltensweisen fördern den Erhalt von Gesundheit?“, „Was sind wirksame Maßnahmen zur Prävention von Krankheiten?“ und „Welche Faktoren fördern die Lebensqualität bei vorhandener Krankheit?“
Forschungs -schwerpunkte
Die Gesundheitspsychologie gehört zu den anwendungsbezogenen Fächern der Psychologie. Innerhalb der Gesundheitspsychologie kann man dennoch grundlagenbezogene Forschungsfelder von den rein angewandten Forschungsgebieten unterscheiden. Spezifische Grundlagen-Forschungsfelder sind beispielsweise gesundheitsrelevantes Verhalten (z. B. Ernährung), Stressbewältigung, Risikowahrnehmung oder subjektive Krankheitstheorien. Dabei werden sowohl individuelle Faktoren wie Persönlichkeit, konstitutionelle Veranlagung, Informationsverarbeitungsprozesse als auch soziale Faktoren wie soziale Netzwerke, konkrete Unterstützungsleistungen, Verhaltensnormen und Zugang zu medizinischen Versorgungssystemen berücksichtigt. Die angewandte Gesundheitspsychologie beschäftigt sich mit der Entwicklung und Evaluation von Gesundheitsförderungsprogrammen.
Kennzeichnend für die Gesundheitspsychologie als wissenschaftliche Disziplin ist die Integration von Befunden aus verschiedenen Bereichen der Psychologie wie Sozialpsychologie, Wahrnehmungs- und kognitive Psychologie, Entwicklungspsychologie sowie die Verpflichtung gegenüber dem biopsychosozialen Modell (s. Abschnitt 1.1.2).
Dabei versteht sie sich
„als ein neues psychologisches Fach, das sich mit den Entstehungsbedingungen und der Prävention von gesundheitlichen Störungen und Risikofaktoren befasst. Dies geschieht unter Rückgriff auf Erkenntnisse anderer psychologischer Fächer und unter besonderer Berücksichtigung protektiver Faktoren von Gesundheit.“ (Schwarzer 2001)
1.1 Was ist Gesundheit? Das biomedizinische und das biopsychosoziale Modell
Die Erforschung des Zusammenspiels zwischen psychischen und somatischen (körperlichen) Phänomenen hat eine lange Tradition in der Psychologie. Die Untrennbarkeit dieser beiden Phänomene wird durch empirische Befunde verschiedener Disziplinen verdeutlicht. Sie haben gezeigt, dass z. B. das Immunsystem von emotionalen Zuständen beeinflussbar ist oder dass genetische Veranlagungen und Verhaltensweisen in der Entstehung von Krankheiten interagieren. Diese Erkenntnisse sind allerdings neueren Datums, und Bemühungen, daraus resultierende Präventionsideen in die Versorgungsstruktur somatischer Erkrankungen zu übertragen, sind andauernd.
1.1.1 Das biomedizinische Modell
Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit
Im 19. Jahrhundert wurde eine Vorstellung implementiert, in der Krankheit und Gesundheit vollständig als naturwissenschaftlich objektivierbare Zustände biologischer Organismen definiert werden. Die Definition von Krankheit stützt sich allein auf operationalisierbare und empirische Kriterien, z. B. Abweichungen biologischer Funktionen von einer statistischen Norm einer Referenzgruppe (wie etwa der Altersklasse) oder Störungen des Organismus, die das Überleben und die Reproduktionsfähigkeit gefährden. Ursachen für Krankheiten werden ausschließlich genetischen oder externen Ursachen zugeschrieben, wie etwa Bakterien oder Viren. Konsequenterweise sind die Behandlungskonzepte rein somatischer Natur (z. B. Operationen, Chemotherapie, medikamentöse Behandlung) und entbinden den Kranken jeglicher Verantwortung für seinen Zustand und seine Heilung.
Dies gilt gleichermaßen für Gesundheit: Nach dem biomedizinischen Modell wird Gesundheit als die Abwesenheit von Krankheit verstanden. Daher gibt es auch keine Verantwortlichkeit für die eigene Gesundheit; Körper und Geist werden als getrennte Einheiten betrachtet. Krankheiten können zwar psychisches Unwohlsein hervorrufen, aber nicht umgekehrt. Präventivmaßnahmen beinhalten Impfungen und die Reduktion schädlicher Stoffe in der Umwelt.
1.1.2 Das biopsychosoziale Modell
Die Denkart des biomedizinischen Modells wurde im 20. Jahrhundert abgelöst von der Vorstellung, dass Krankheiten von einem Wechselspiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren verursacht werden (s. Abb. 1.1). Sowohl bei der Entstehung als auch im Verlauf von Krankheiten sind psychische Faktoren wie Emotionen (z. B. chronische Angst, Depression, Trauer) und Kognitionen (z. B. subjektive Theorien über Verhaltensweisen, die zur Genesung beitragen, Erwartungen an den Krankheitsverlauf) sowie sozial-gesellschaftliche Faktoren (z. B. Erwartungen an das Krankheitsverhalten, finanzielle Entlastung in der Versorgung) beteiligt.
Gesundheit und Krankheit werden im biopsychosozialen Modell nicht als dichotome Entitäten angesehen, sondern als Endpunkte eines Kontinuums. Dabei spielen Auftretenszeitpunkt, Chronizität und die Auswirkungen auf das Funktionieren im Alltag eine wichtige Rolle für Annahmen über die Belastung, die eine Erkrankung mit sich bringt.Kontinuum Gesundheit – Krankheit So ist es für einen gesunden Menschen „normal“, gelegentlich an einer Erkältung zu erkranken. Aber häufiges oder verlängertes Auftreten einer solchen gilt als ungesund und behandlungsbedürftig. Ferner wird die Unterscheidung „gesund / krank“ prinzipiell nicht unabhängig vom subjektiven Befinden einer betroffenen Person oder von sozialen und moralischen Werten oder Normen gesehen. So können zwei Personen mit einer Hausstauballergie sich in unterschiedlichem Maße in ihrem Wohlbefinden oder in ihrer allgemeinen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt fühlen oder in unterschiedlichem Maße das Versorgungssystem in Anspruch nehmen. Oft richten sich die Behandlungsentscheidungen einer Ärztin oder eines Arztes nach dem Ausmaß subjektiver Beschwerden ihrer Patientinnen und Patienten.
Abb. 1.1: Das biopsychosoziale Modell (nach Engel 1977; 1980)
aktive Rolle des Patienten
Das biopsychosoziale Modell betont die aktive Rolle von Individuen bei der Erhaltung und Förderung ihrer Gesundheit sowie im Genesungs- und Rehabilitationsprozess. Diese aktive Rolle des Patienten zu unterstützen ist eines der wesentlichen Ziele der Gesundheitspsychologie. Sie greift dabei auf Erkenntnisse insbesondere der sozialpsychologischen Grundlagenforschung zurück: Beispielsweise wird erforscht, welche spezifischen Emotionen (z. B. Angst, Schuld oder Trauer), kognitiven Inhalte (wie Pessimismus oder beständiges Ruminieren) und Verhaltensweisen (z. B. aktive Suche nach sozialer Unterstützung vs. passiver sozialer Rückzug) Krankheitsprozesse fördern oder auch abschwächen (s. Kap. 2 und 5). Desgleichen werden diese Faktoren im Hinblick auf ihr gesundheitsförderndes und -erhaltendes Potenzial auch während der Abwesenheit von Krankheit untersucht. Über das Ausmaß der Zusammenhänge dieser Faktoren mit Gesundheit / Krankheit liegen mittlerweile zwar viele Daten vor. So ist über die genauen Mechanismen noch wenig bekannt, durch die positive oder negative Emotionen und Kognitionen auf so unterschiedliche Erkrankungen wie Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Krankheiten einwirken. Das Immunsystem und der Kreislauf endokriner (hormoneller) Stressreaktionen scheinen dabei eine große Rolle zu spielen (s. Kap. 6).
Gesundheitsverhaltensänderung
Ein weiterer Teil gesundheitspsychologischer Forschung beschäftigt sich mit dem Verständnis von Faktoren, die gesundheitsförderliches Verhalten, z. B. körperliche Aktivität, eine gesunde Ernährung oder Nichtrauchen, beeinflussen. Es existieren verschiedene Modelle und Theorien zur Gesundheitsverhaltensänderung, die in der Regel sehr ähnliche kognitive Faktoren wie Selbstwirksamkeitserwartungen als wichtig für einen Verhaltensänderungsprozess, wie etwa das Rauchen aufgeben, ansehen (s. Kap. 2). Auch diese Modelle legen das biopsychosoziale Modell zugrunde, denn hier steht klar das Individuum im Mittelpunkt der Bemühungen: Diese Modelle und Theorien würden nicht ohne die Vorstellung existieren, dass ein großer Teil der Verantwortlichkeit für die eigene Gesundheit beim Individuum liegt und dass dieser Verantwortlichkeit die Aufnahme von gesundem Verhalten und die Aufgabe von Risikoverhalten beinhaltet.
Negative Definition – biomedizinisches Modell:
Gesundheit ist das Fehlen von Krankheit.
Positive Definition – biopsychosoziales Modell:
Gesundheit ist ein positiver funktioneller Gesamtzustand im Sinne eines dynamischen biopsychologischen Gleichgewichtszustandes, der erhalten bzw. immer wieder hergestellt werden muss (WHO 1986; zit. nach Quaas 1994, 184).
Kasten 1.1: Definition von Gesundheit
1.2 Entstehung des Fachs Gesundheitspsychologie
Die Gesundheitspsychologie verdankt ihre Entstehung als anerkannte wissenschaftliche Disziplin einigen wesentlichen Trends im Gesundheitsbereich der westlichen Industrienationen (Schwarzer 2002):
1. der drastischen Zunahme chronisch-degenerativer Erkrankungen, die die großen Infektionskrankheiten (z. B. Tuberkulose) als Hauptursachen von Krankheit und Tod abgelöst haben,
2. der Entdeckung, dass Risikoverhaltensweisen die Entstehung und den Verlauf dieser Erkrankungen wesentlich beeinflussen und
3. der Kostenexplosion im Gesundheitswesen.
Mit diesen Trends ist die Bedeutung von Lebensgewohnheiten, Gesundheits- bzw. Risikoverhalten und Umweltbedingungen in der Gesundheitsversorgung wesentlich in den Vordergrund gerückt. So entstand der Bedarf nach psychologischer Forschung, die Erkenntnisse über diese Faktoren, ihre Zusammenhänge mit Gesundheit / Krankheit sowie die Bedingungen ihrer Modifizierbarkeit liefert.
1.2.1 Gründung von Fachgesellschaften und wichtige Publikationen
englischsprachige Gesellschaften und Zeitschriften
Innerhalb der American Psychological Association (APA) wurde 1978 eine Division of Health Psychology gegründet, die heute fast 3.000 Mitglieder zählt. Kurz darauf erschien erstmalig in den Vereinigten Staaten ein Lehrbuch mit dem Titel „Gesundheitspsychologie“ (Stone et al. 1979). Die offizielle Fachzeitschrift der APA Division 38 ist Health Psychology. Weitere Zeitschriften in englischer Sprache sind Psychology and Health, Journal of Health Psychology, Journal of Occupational Health Psychology und das British Journal of Health Psychology. Auch die British Psychological Society verfügt seit 1986 über eine Fachgruppe Gesundheitspsychologie. Im selben Jahr wurde die European Health Psychology Society (EHPS) gegründet.
deutsche Gesellschaften und
In Deutschland etablierte sich das Fach Ende der 80er Jahre. Die Freie Universität Berlin war die erste Universität, die im Jahr 1988 Gesundheitspsychologie als Wahlpflichtfach anbot. Mit der Fachgruppe Gesundheitspsychologie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) wurde 1992 erstmals eine deutsche Organisation für das Fach gegründet. Die Fachgruppe organisiert Workshops und Konferenzen, widmet sich der Nachwuchsförderung und bietet ein breites Netzwerk für grundlagen- und anwendungsorientierte gesundheitspsychologische Forschung in Deutschland. Originalbeiträge empirischer Forschung, aber auch theoretische Beiträge werden vierteljährlich in der Zeitschrift für Gesundheitspsychologie veröffentlicht.
Eher an außerhalb der Wissenschaft praktizierende Psychologen gerichtet ist die Sektion Gesundheitspsychologie – Umweltpsychologie – Schriftpsychologie (G.U.S.) des Berufsverbands Deutscher Psychologen (BDP). In Zusammenarbeit mit der DGPs bietet der BDP über die Deutsche Psychologen Akademie (DPA) ein Fortbildungszertifikat „Psychologische Gesundheitsförderung BDP an. Neben theoretischen und methodischen Grundlagen beinhaltet diese Fortbildung anwendungsspezifische Module zur allgemeinen und spezifischen Gesundheitsförderung und Prävention bei verschiedenen Personengruppen und Settings (z. B. Familien, Schulen und Betriebe).
Das Modul „Existenzgründung in der Gesundheitspsychologie“ bietet einen Überblick über die verschiedenen Berufs- und Aufgabenfelder.
1.3 Abgrenzung zu anderen Disziplinen
Neben dem Fach Gesundheitspsychologie existieren eine Reihe von Fächern, die sich ebenfalls dadurch auszeichnen, dass sie sich mit dem Zusammenspiel psychologischer Prozesse und Gesundheit / Krankheit auseinander setzen. Abb. 1.2 verortet diese Disziplinen entlang den Achsen Psychologie-Medizin und psychische-somatische Störungen. Selbstverständlich stellen diese Kategorisierungen eine Vereinfachung der Realität dar.