Kitabı oku: «Die Dubharan», sayfa 4

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Aufbruch

Der folgende Tag vergeht mit vielen Vorbereitungen.

Ein großer Rucksack wird gepackt und Wanderschuhe bereitgestellt. Maireads Ensiculus Chartorum kommt ebenso wie das Buch »Anwendung magischer Sprüche« in den Rucksack. Eila möchte weitere magische Worte und deren Wirkung kennenlernen, sie will danach in dem alten Buch suchen. Vielleicht muss sie ja doch weiteren Zauber auf ihrer Reise anwenden.

Am Abend sitzen sie, vermutlich für längere Zeit zum letzten mal zusammen im Wohnzimmer. Jeder hält eine dampfende Tasse Kakao in den Händen.

Brian ist aufgeregt: »Sei bitte vorsichtig auf deiner Reise. Ich habe Mairead sehr selten begleiten dürfen. Trotzdem weiß ich, dass es böse Zauberer gibt. Diese können dir gefährlich werden, dich vielleicht sogar töten!«

Eila schaut ihren Großvater liebevoll an: »Das werde ich! Aber pass du auch auf dich auf. Schone dich und drücke mir die Daumen, dass ich Erdmuthe schnell finde.«

Sie hatten in Maireads Schriftstücken und in den alten Büchern den Standort des Klosters »Das heilige Kreuz« erst nach langer Suche gefunden. Eila wird mit dem Zug fahren, aber auch längere Strecken zu Fuß zurücklegen müssen. Das Kloster befindet sich weiter im Süden, etwa in der Mitte des Landes.

Der Großvater und Eila sitzen noch lange zusammen im Wohnzimmer, während draußen der Wind heult und ein heftiger Sommerregen gegen das Fenster gedrückt wird. Eila blickt plötzlich auf: »Wenn ich morgen abreise, wann kommt dann Albin? Ich kenne ihn doch noch nicht einmal.«

Großvater lächelt: »Du wirst Albin morgen kennenlernen. Keine Angst, er passt zu dir und du wirst ihn mögen. Aber jetzt gehe zu Bett und schlafe gut!« Er haucht ihr einen Kuss auf die Stirn und löscht die Kerzen.

»Gute Nacht und schlafe auch du gut.« Eila begibt sich nach oben und hört den Regen aufs Dach trommeln.

In der vergangenen Nacht konnte Eila erst nicht einschlafen. Sie war gestern Abend viel zu aufgeregt von allem Erlebten, besonders wegen der Mitteilungen ihrer Großmutter. Auch die bevorstehende Reise und mögliche Gefahren sorgten für Unruhe. Die Gedanken rasten lange durch ihren Kopf. Erst mit beginnendem Morgengrauen fiel sie in einen leichten, unruhigen Schlaf.

In dieser Nacht ist es nicht so. Kaum liegt sie im Bett, ist sie auch schon eingeschlafen. Sie hört weder den Regen, noch wie Brian das Haus verlässt. Einer regnerischen Nacht folgt ein heiterer Morgen. Eila steht auf. Großvater ist verschwunden, er ist nirgends zu finden. Sie bereitet trotzdem ein Frühstück und wartet.

Brian taucht erst am späten Vormittag, und dazu noch völlig durchnässt, wieder auf. Begleitet wird er von einem riesigen, grauen Hund mit zotteligem Fell.

»Leider hat es wegen des Regens doch länger als erwartet gedauert. Die Wege waren teilweise überspült und sehr glitschig.« Eilas Großvater stellt seinen knorrigen Wanderstock in die Ecke des Flurs, atmet durch und fährt fort. »Das ist Albin — der beschützende Freund. Ich habe ihn heute Nacht von einem alten Einsiedler in den Bergen geholt. Er ist treu und erprobt im Kampf, nicht nur gegen Wildkatzen und Wölfe. Er wird auf der kommenden Reise dein Begleiter sein. Du darfst ihn auf unbegrenzte Zeit behalten, wenn Albin es möchte.«

Albin möchte!

Er läuft auf Eila zu und stupst mit der Schnauze ihre rechte Hand an. Eila legt ihre feingliedrige, schmale Hand auf seinen Kopf und schaut in seine treuen Augen. Sie fühlt sich in der Nähe des riesigen Tieres gleich beruhigt und wieder sicherer. Die durchgestandenen Ängste und Sorgen der vorletzten Nacht sind verschwunden.

Nach dem späten Frühstück ist es schon fast Mittag und der Zug, den Eila auf der ersten Etappe benutzen möchte, ist heute nicht mehr zu erreichen. Darum wird der Aufbruch verschoben und für den nächsten Vormittag festgelegt. Eila fühlt sich wegen der bevorstehenden Trennung vom Großvater sehr traurig. Sie sorgt sich um ihn, da er nicht mehr so rüstig und agil wie bisher erscheint.

»Hoffentlich hat er sich in der Nacht keine Lungenentzündung zugezogen«, denkt sie.

Nachmittags sitzt Brian lesend in seinem Ohrensessel, während Eila und Albin auf einer der Wiesen in der Nähe herumtollen. Als sie nach einem anschließenden Spaziergang zurückkommen, ist Großvater — wie so oft in letzter Zeit — in seinem Sessel eingenickt. Auf seinen Knien sieht sie ein aufgeschlagenes Fotoalbum. Seine Hand ruht auf einem Bild von Mairead.

Eila bereitet in der Küche zwei Tassen heißen Kakao und bringt diese ins Wohnzimmer. Sie weckt den Großvater vorsichtig.

Verschlafen blickt er zu ihr auf und lächelt: »Eben habe ich dich fast für Mairead gehalten. Sie hat mich auch oft zu einem Kakao aufgeweckt. Du bist ihr in deinem Verhalten sehr ähnlich! Hab’ ich dir eigentlich gesagt, dass du ihr auch etwas ähnlich siehst?« Er zeigt auf das Bild, worauf eine junge Frau im Portrait zu sehen ist.

»Das ist Großmutter, kurz bevor ihr geheiratet habt«, antwortet Eila lächelnd.

»Richtig. Jetzt schau dir ihr Gesicht und die aus der Stirn gestrichenen Haare an.«

»Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.« Sie betrachtet das Bild genauer, die Anordnung ihrer Augen zusammen mit der geraden Nase, um die ebenfalls schwach sichtbare Sommersprossen zu erkennen sind. Ihre hellen Augen sind strahlend zur Kamera gerichtet. Dieses junge Gesicht, mit der gleichen Art das Haar zu tragen, gleicht sehr stark ihrem eigenen. »Sie könnte glatt meine ältere Schwester sein«, staunt Eila.

»Wohl eher deine Zwillingsschwester!«, korrigiert Brian, sie versonnen anlächelnd.

Nun sitzen sie zusammen und unterhalten sich lange, nur kurz vom Abendessen unterbrochen. Albin liegt dabei zu Eilas Füßen und döst vor sich hin. Brian erzählt mit freudig leuchtenden Augen aus alten Zeiten, aus seinem und Maireads Leben. Als sie später zum Schlafen nach oben gehen, hat er gerötete Wangen und ist glücklich. Der große Hund legt sich vor Eilas Bett, schaut sie lange an und legt dann seinen Kopf auf beide Vorderpfoten.

Am kommenden Morgen scheint die Sonne strahlend in die Küche, während Eila und ihr Großvater ein frühes, aber ausgiebiges Frühstück bereiten und zu sich nehmen. Albin bekommt Wasser und ein großes Stück einer Fleischwurst. Als Proviant für die Reise nimmt Eila einige Äpfel, ein Laib Brot, eine Dauerwurst, ein Stück Hartkäse, eine mit Frau Dixons Butterplätzchen gefüllte Blechdose und eine Blechflasche voll Wasser mit.

Brian, Eila und Albin folgen der gewundenen Straße hinauf auf den nächsten Berghang. Von dort, teilweise sichtbar, schlängelt sich die Straße zwischen von Steinmauern eingefassten Wiesen Richtung Süden.

Es folgt ein angenehmer Spaziergang von etwa sechs Kilometern in der wärmenden Vormittagssonne. Schließlich erreichen sie den kleinen Nachbarort mit seinen grauen Steinhäusern. Es gibt hier zwei größere Gebäude, den Dorfgasthof und den Bahnhof.

Der Bahnhof ist reichhaltiger verziert als die grauen, schmucklosen Häuser des Ortes. Die roten Backsteineinfassungen an den Gebäudeecken und die Umrandungen der vielen Fenster und des Eingangs aus Sandstein lassen das Gebäude großartig erscheinen.

In der gefliesten, altmodischen Eingangshalle befindet sich der Fahrkartenschalter. Ein freundlicher Angestellter in dunkler Eisenbahnuniform gibt Eila die gewünschte Fahrkarte Richtung Süden.

Der Zug fährt um 10:15 Uhr, also erst in etwa zwei Stunden. Zur Verkürzung der Wartezeit gehen sie zum gegenüber liegenden Dorfgasthof. Der Gastraum ist leer. Auf ihr Rufen erscheint erst nach einiger Zeit ein kleiner Mann mit roten Wangen und einer weißen Schürze vor seinem runden Bauch.

»Was kann ich für euch tun?«, fragt er schnaufend. »Ich musste noch erst das Brot aus dem Ofen nehmen, da es sonst verbrannt wäre. Deshalb hat es etwas länger gedauert bis ich kommen konnte«, entschuldigt er sich.

»Das ist schon in Ordnung«, antwortet Brian. »Wir möchten gerne jeder eine dicke Scheibe von deinem leckeren Landbrot, dazu etwas Butter und Käse. Zu Trinken nehmen wir dazu beide einen heißen Kakao. Für unseren Hund möchten wir eine Schüssel mit Wasser und ein großes Stück Fleischwurst.« Dann setzen sie sich an einen der Tische am Fenster, mit Blick auf den Bahnhof.

Der Wirt blickt etwas ängstlich auf den großen Hund.

»Kommt sofort«, sagt er erleichtert, als sich Albin friedlich vor Eilas Füßen auf dem Boden zusammenrollt. Es dauert nicht lange, und das Gewünschte wird ihnen gebracht. Albin blickt fragend zu Eila hoch. Erst als sie ihm zunickt, steht dieser auf und beschnuppert die Wurst. Auf einmal schnappt er die Wurst, zerteilt sie mit einem Biss und verschlingt das erste Stück. Sofort danach wird auch das zweite Wurststück heruntergeschlungen. Nun steht Albin über die Wasserschüssel gebeugt und schlabbert sie leer. Zufrieden legt er sich erneut zu Eilas Füßen. Brian und Eila haben ihm zugesehen und lächeln sich an.

»Wir wollen uns das Essen jetzt auch schmecken lassen.« Sie genießen es in aller Ruhe und auch der Kakao schmeckt ihnen.

»Wirt, das war wirklich gut!«, loben beide das Essen.

Nachdem sie bezahlt haben, wechseln sie wieder hinüber zum Bahnhof. Dort gehen sie zum Bahnsteig und sitzen die verbleibenden 15 Minuten auf einer gusseisernen Bank mit grün gestrichenen Holzbrettern.

Der Zug kommt pünktlich, pustend und schnaufend fährt er vor. Die Dampflok sieht beeindruckend aus. Sie ist dunkelgrün und schwarz gestrichen, versehen mit glänzenden Messingverzierungen. Die Lokomotive zischt noch einmal, eine weiße Wasserdampfwolke umströmt sie und sie scheint weiterfahren zu wollen. Dann steht die Lok mit ihren angekoppelten acht Waggons still.

Türen öffnen sich nur im zweiten und im letzten Wagen. Eine alte Frau mit einem kleinen Hund an der Leine steigen aus dem zweiten Waggon aus. Sie wendet sich zum Bahnhofsgebäude. Aus dem letzten steigt ein Mann aus, der sich umdreht und einem kleinen Kind beim Aussteigen hilft. Anschließend gehen beide auch zum Bahnhofsgebäude, das Kind an der Hand des Mannes.

Eila und Brian umarmen sich lange Zeit.

»Pass bitte auf dich auf«, und: »Pass auf dich auf«, sagen beide gleichzeitig, während sie sich ansehen. Der Großvater blinzelt eine Träne weg. Eila und Albin – nicht an einer Leine geführt, sondern frei laufend – steigen in den zweiten Wagen ein und laufen nach hinten durch, bis zu einem freien Abteil. Brian schließt die Waggontür und Eila lässt das Abteilfenster zum Bahnsteig herunter. Sie beugt sich hinaus und winkt zum Großvater. Ein Pfiff ertönt. Die Dampflok beginnt zu zischen. Weißer Wasserdampf umwabert sie. Mit einem Ruck beginnt der Zug zu rollen. Brian winkt zurück, obwohl er wegen der aufsteigenden Tränen fast nichts erkennen kann. Eila fährt am Großvater vorbei und lässt ihn weit hinter sich zurück, während die Zugmaschine immer mehr beschleunigt.

Die Lok pfeift noch einmal durchdringend und Eila kann den Großvater nicht mehr sehen. Der Zug fährt durch eine langgestreckte Kurve. Brian sieht die letzten Waggons nach der Kurve in der Ferne verschwinden. Er schnäuzt sich mit einem Taschentuch und seufzt leise: »Mairead, behüte Eila! Ich hoffe, sie erreicht Erdmuthe ohne Zwischenfall!« Er will den Bahnsteig verlassen und dreht sich zum Bahnhofsgebäude. Aus dem Augenwinkel heraus sieht er ein kurzes Flirren der Luft. Er dreht sich wieder zurück.

»Stand dort nicht eben noch ein junger Mann? Wo ist der denn geblieben, so schnell kann er nirgends hingegangen sein?«, fragt er sich. »Hoffentlich bedeutet das nicht, dass ein böser Magier auf Eilas Fährte ist!« Beunruhigt geht Brian ins Bahnhofsgebäude und von dort auf die Straße davor. Er macht sich auf den langen Weg zurück zu seinem Haus im Weidenweg.

Unterwegs zerbricht er sich den Kopf, wie er etwas zu Eilas Schutz unternehmen könnte. Ein Zug fährt erst wieder am nächsten Tag nach Süden, dorthin, wohin Eila unterwegs ist. Dann ist sie bereits lange auf dem Weg zu Erdmuthe, so dass er sie keinesfalls mehr erreichen kann.

Mit einem heißen Kakao sitzt er dann in seinem Ohrensessel und schaut zu dem leeren hinüber. Gestern saß Eila noch dort, mit Albin zu ihren Füssen. Brian beruhigt sich etwas. Albin ist stark und treu. Er ist nicht durch Zauberer zu verwirren und wird Eila beschützen, hofft er. Als Brian kurz einnickt, glaubt er beim Erwachen Mairead im anderen Ohrensessel sitzen zu sehen. Sie lächelt ihn an und strahlt dabei eine Ruhe aus, die sich auf ihn überträgt. »Ich kann auf Maireads Vorkehrungen vertrauen. Eila ist nicht allein. Sie wird in Erdmuthe eine fähige Lehrerin finden und eine solide Ausbildung erhalten.«

Ein neuer Auftrag

Vor drei Tagen im Nordland.

Es ist etwa eine Stunde vergangen, seitdem Finley verschwunden ist. Roarke sinnt über die aktuellen Ereignisse nach, versucht Möglichkeiten durch Gewissheit zu ersetzen. Größere Auseinandersetzungen mit den Dubharan hat es in den letzten Jahren so gut wie keine gegeben. Trotzdem kamen immer wieder Zwischenfälle vor, in denen es ungewöhnliche Todesfälle gab. Diese lassen sich nur durch das Wirken von dunklen Zauberern erklären. Dies geschieht immer häufiger. Sie werden stärker und treten immer öfter aus dem Verborgenen hervor. Sie bereiten sich vielleicht auf eine letzte Auseinandersetzung vor. Besondere Besorgnis bereitet ihm der Tod von Riley und Robert, die beide Träger eines Armreifs waren.

Roarke grübelt über die ungewöhnlichen Orte nach, an denen in den letzten Wochen Aktivierungsimpulse bemerkt worden sind. Es waren eindeutig Rileys und Roberts Armreifen, aber nachdem diese getötet worden waren. Seine Beobachter der Karte sind sehr aufmerksam und zuverlässig. Kann es aber doch sein, dass seine Beobachter etwas nachlässig waren?

Jedenfalls hatten sie an zwei Orten im Westen diese Aktivierungen festgestellt, die ihn stutzig machten. Eine erfolgte in der Burg, in der vor Jahrhunderten ein heftiger Kampf zwischen ihnen und den Dunklen stattfand. Die Überprüfung zeigte aber eine menschenleere Burg, die lediglich von Seevögeln, Krähen und Dohlen bewohnt wird.

An dem zweiten Ort gab es wiederholt Aktivierungen. Das Seltsame ist, sie fanden auf einem einsamen Berg statt. Sein Späher konnte dort aber weder ein menschliches Wesen, noch eine Behausung entdecken. Er fand auch keine Ansiedlung in der näheren Umgebung. Warum gab es die Aktivierungen dort, oder hatten seine Beobachter die Orte falsch lokalisiert?

Roarke schreckt auf. Es poltert laut, dann wird heftig an die Tür seines Studierzimmers geklopft. Es hört sich so an, als solle sie eingeschlagen werden.

»Wer zum Donner ist das«, brummelt er. Laut fordert er: »Herein, aber mit etwas mehr Ruhe!« Seine Augen blicken unter den Augenbrauen erwartungsvoll zur Tür.

Trotz des immer vorhandenen blauen Dunstes in dem Zimmer, seine Pfeife geht nur selten aus, sieht er, wie die Tür schnell geöffnet wird. Im Türrahmen steht etwas atemlos, Finley. Mit seinem rechten Arm hält er eine schlaffe, gehörnte Gestalt fest.

»Also doch!«, murmelt Roarke. Dann fordert er Finley auf: »Lege den Faun dort in die Ecke. Ich werde ihn nachher verhören.« Finley legt seinen Gefangenen in die bezeichnete Zimmerecke.

Nun spricht Roarke einige Worte, während er mit beiden Händen vor der schlaffen Gestalt durch die Luft fährt. Auf der Innenseite seiner linken Hand ist dabei kurz eine Sonne zu erkennen. Silbern glänzende Eisenketten umschließen Arme und Beine des Gefangenen.

»Nun erzähle, was ist passiert?«, wendet er sich an Finley.

»Ich kam direkt vor Maireads Haus an. Sofort durchsuchte ich mit meinen Blicken den Vorgarten. Als ich nichts Verdächtiges sah, betrat ich das Grundstück und schaute durch die Fenster. Ich konnte nur einen alten Mann im Wohnzimmer entdecken, der im Ohrensessel eingenickt war. Das Badezimmerfenster stand offen, also betrat ich von dort das Haus. Ich horchte, ob außer dem Atmen des alten Mannes irgendwelche Geräusche zu hören seien.

Ich bemerkte eine Stiege, die in den Keller führt. Von dort kam ein leises Zischen. Ich hörte: »Wo ist es, wo versteckt es sich?« Vorsichtig spähte ich die Kellerstiege hinab. Eine schemenhafte, dunkle Gestalt suchte etwas im Kellerraum.

Bei der flackernden Kellerbeleuchtung sah die alte Holzstiege nicht besonders vertrauenerweckend aus. Sie würde vermutlich laut knarren, wenn ich darauf in den Keller hinabsteigen wollte. Also machte ich einen magischen Sprung direkt zu dem Wesen und versuchte es sofort mit einem Blitz zu betäuben. Leider hatte ich mich etwas verschätzt und den Gegner nicht getroffen«, Finley schaut leicht verlegen zu Roarke. Er erinnert sich nur zu gut an dessen mahnende Worte. Schnell fährt er fort: »Es gab einen heftigen Kampf zwischen dem Gehörnten und mir. Wir haben ein ziemliches Durcheinander verursacht. Der Lärm scheint aber nicht bemerkt worden zu sein, da niemand in den Keller gestürzt kam. Endlich konnte ich einen zweiten Blitz setzen. Darauf kam ich sofort zu dir zurück.« Er ist erneut etwas verlegen: »Leider bin ich direkt an deiner Tür angekommen und dagegen gefallen. Der Kampf war doch etwas anstrengend.«

Roarke schaut Finley ernst an: »Alles in allem hast du das gut gemacht. Du solltest aber zukünftig etwas weniger leichtsinnig sein. Du musst dich immer genau auf das konzentrieren, was du vorhast. Sonst ergeht es dir mal schlecht!« Finley nickt einsichtig, erwidert aber nichts.

Roarke überlegt. Er hat seine Pfeife wieder angesteckt und pafft Rauchwolken in die Luft. Nach längerer Zeit spricht er zu Finley: »Die Dubharan konnten vermutlich nicht genau feststellen, von wo das Aktivierungssignal kam. Sie haben offensichtlich Späher zu verschiedenen Orten geschickt, um zu ermitteln, an welchem Ort sich dieser Armreif befindet. Trotzdem haben sie die Aktivierung mitbekommen. Das alleine bedeutet, sie haben ihre Möglichkeiten verbessert und vermutlich ihren Einflussbereich ausgeweitet. Sie werden wieder stärker!«

Erneut schweigt er, um dann fortzufahren: »Daher ist es immens wichtig, dass Maireads Armreif vor ihrem Zugriff geschützt wird! Du musst sofort zurück und beobachten, was weiter geschieht. Falls es erforderlich ist, musst du den Armreif und dessen Träger schützen. Bitte sei diesmal wirklich vorsichtig, es steht viel auf dem Spiel!«

Roarke setzt noch hinzu: »Falls es nicht anders geht, musst du als letztes Mittel den Armreif nehmen. Damit kommst du zu mir, oder zu einem anderen der oberen Drei. Nur wir können ihn sicher verwahren, bis der auserwählte Besitzer des Armreifs gefunden ist.«

»Ich werde diesmal vorsichtiger sein und dich nicht enttäuschen!«

Finley lässt seine linke Hand auf dem Medaillon unter seinem Obergewand ruhen. Er spricht: »Portaro« und ist verschwunden.

Mittlerweile sind drei Tage vergangen, in denen Roarke unruhig auf Finleys Rückkehr wartet.

In dieser Zeit hat das wiederholte Verhör des Fauns nichts Neues ergeben. Angeblich weiß er nicht einmal, wie er in den Keller gekommen ist. Ein böser Zauberer muss ihm einen Streich gespielt und dorthin gezaubert haben. Solche Dinge geschehen immer wieder, besonders einem armen Faun kann so etwas ungestraft angetan werden. Er hat nichts Böses vorgehabt, sondern lediglich den Ausgang gesucht. Einen Auftraggeber gibt es nicht, also kann er auch keine Namen nennen. Der Faun bleibt verstockt bei seiner Version.

Am dritten Tag und nach einem weiteren, vergeblichen Verhör, sagt Roarke zu ihm: »Da du ja nur ein harmloser Faun bist, kann ich dich nicht weiter gefangen halten.«

Freudig blickt der Faun ihn an und setzt sich auf. Er zweifelt jedoch an den gehörten Worten: »Dann darf ich jetzt gehen?«

»Nein! Ich behalte dich noch etwas hier. Ich warte auf Nachrichten von einem Boten. Er versucht, die Wahrheit deiner Worte zu überprüfen.«

Niedergeschlagen legt sich der Faun wieder in die Ecke. Er faucht gehässig: »Mit einem Faun kann man es ja machen!«

Es ist kurz nach Mittag. Roarke pafft schnell nacheinander kleine Wölkchen in die Luft. Rauchringe wollen heute bei seiner Unruhe nicht gelingen. Die Luft flimmert und Finley steht mitten im Raum.

»Ah, endlich!« Roarke steht auf. »Erzähle schnell, was du festgestellt hast.«

Finley berichtet alles, was er bei Eila und ihrem Großvater beobachtet hat.

»Das Mädchen aus Maireads Haus ist zusammen mit dem großen Hund gerade im Zug Richtung Süden abgereist«, beendet er seinen Bericht.

»Gut. Gehe zu deinen Eltern und ruhe dich dort etwas aus. Am späten Nachmittag kommst du bitte wieder zu mir. Ich werde in der Zwischenzeit versuchen, einen Sinn aus deinem Bericht zu gewinnen. Vermutlich musst du noch heute Abend wieder los.«

Finley nickt kurz und verlässt den Raum. Roarke nimmt seine mittlerweile erloschene Pfeife, zündet sie umständlich wieder an. Er grübelt, die Stirn in schwere Falten gelegt. Er nimmt ein altes Buch zu Hilfe und blättert eifrig darin herum.

»Wohin geht die Reise, zu Artagan, Alveradis, Erdmuthe oder Sisgard? Nach Serengard und zu Wisgard kann ich ausschließen, da die Reise nicht in Richtung Norden erfolgt.«

Er grübelt lange weiter, bis es an der Tür klopft und Finley, auf seine Aufforderung hin eintritt. Der Rauch im Zimmer ist womöglich dichter als sonst, aber Roarke blickt zufrieden zu Finley.

»Hast du dich etwas ausgeruht?«

»Ja, ich fühle mich taufrisch.«

»Das ist gut, denn du musst auch sofort wieder los.«

Roarke erläutert Finley seine Überlegungen und schließt: »Also, das Mädchen ist Maireads Enkelin Eila. Sie ist offensichtlich der auserwählte Zauberer für Maireads Armreif. Mit Hilfe ihres Großvaters Brian, und vermutlich durch Aufzeichnungen von Mairead, wissen sie, – oder vielleicht vermuten sie es – , dass Eila in Gefahr ist. Da sie keine ausgebildete Zauberin ist, muss sie eine entsprechende Ausbildung bekommen. Brian kann sie nicht unterrichten, aber er kennt Erdmuthe als Ausbilderin aus Mairead Erzählungen und wird sie dorthin geschickt haben. Das passt auch zu der Fahrtrichtung ihres Zuges. Der große Hund ist wohl zum Schutz bei ihr, da Brian für die Begleitung auf der Reise zu alt ist.«

Finley nickt zustimmend.

»Da wir aber nicht wissen, wo sich Eila jetzt befindet, beginnst du am besten in der Nähe von Erdmuthe, also am Rande des Klosters »Das heilige Kreuz«. Von dort gehst du erst übers Moor und dann in Richtung der Eisenbahnstation, die ich dir genannt habe. So wirst du Eila finden.« Roarke fährt eindringlich fort: » Bitte beeile dich, vielleicht sind die Späher der Dubharan ebenfalls auf der Suche nach ihr!«

»Ich habe mich bereits von den Eltern verabschiedet und kann sofort los.«

»Das ist sehr gut. Und achte auf mögliche Späher. Vielleicht wirst du plötzlich angegriffen, also sei immer extrem vorsichtig!«

»Das werde ich« , erwidert er, jetzt ohne jede Überheblichkeit.

Seine linke Hand berührt sein Medaillon unter dem Obergewand, er spricht: »Portaro« und ist verschwunden.

»Und nun zu dir«, spricht Roarke den Gefangenen an.

»Kann ich jetzt gehen?«, fragt dieser harmlos zurück.

»Ja, du kannst weg von hier. Da du nichts weißt, macht deine Gefangenschaft hier keinen Sinn.«

»Wo bin ich hier eigentlich und wie komme ich zurück? Du musst mich wieder zurückbringen«, fordert er frech.

»Ich bringe dich hier weg, allerdings nicht dorthin, wohin du möchtest! Du sollst nichts verraten können und wirst an einem sicheren Ort untergebracht bleiben.« Damit umfasst er mit seiner linken Hand den rechten Arm des Faun, dann sind beide verschwunden.

Eine halbe Stunde später erscheint er wieder und setzt sich in seinen bequemen Lehnstuhl. Er lächelt etwas, stopft seine Pfeife neu, entzündet sie und pafft den ersten Ring in die Luft.

»Der Faun ist bei den Elfen in deren Festung Serengard gut und sicher untergebracht. Sobald das gefahrlos möglich ist, wird er freigelassen. Zuerst muss Eila in Sicherheit sein!«, murmelt er zufrieden. Ein weiterer Rauchring verlässt seinen Mund, von seinen Blicken verfolgt.

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