Kitabı oku: «Elduria - Dragon der Beschützer», sayfa 4

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Drachenblut

Für den Rest der Nacht kehren Dragon und Runa nicht in die Scheune zurück. Nach der Anwendung der von Danrya benannten Zaubersprüche sind die magischen Fähigkeiten der Freunde wiederhergestellt. Trotzdem verwandeln sie sich nicht erneut in Kolkraben, jedenfalls nicht sofort. Obwohl die Dämmerung noch fern ist, und sie mit dem schwarzen Gefieder kaum bemerkt werden könnten, befürchten sie, alleine dadurch die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu lenken. Denn weder der Junge noch das Mädchen können sagen, ob diese Vögel in der Nacht unterwegs sind. Sie entscheiden sich deshalb dafür, die Gestalten von Erwachsenen anzunehmen, die sich nach ihrer Ausbildung auf Wanderschaft begeben haben. In manchen Berufen ist das üblich, um weitere Erfahrungen zu sammeln und den Horizont zu erweitern.

Das Aussehen Runas erinnert stark an das von Katie, dem rothaarigen Mitglied der Straßenbande, die das Mädchen vor sieben Jahren an Kaytlin, die Wirtin von »Fuchs und Gans« verkaufen wollte. Dragon ähnelt wiederum Willard, dem Bauern aus Ochsenham. Um sich in eine andere Gestalt zu verwandeln, ist erforderlich, sich diese genau vorstellen zu können. Deshalb ähneln die Freunde den von ihnen gewählten Vorbildern, auch wenn kleinere Veränderungen eingeflossen sind.

Eine Umwandlung in die Rabenvögel erscheint schnell erstrebenswert, da sie als Wanderer viel langsamer vorwärtskommen. Die Sonne strahlt inzwischen vom leuchtend blauen Himmel, und die Landschaft wirkt vom gestrigen Regen wie frisch gewaschen. Nach dreistündiger Wanderung ist der bisher zurückgelegte Weg nicht besonders groß. Doch unerfreulicherweise scheinen die Häuser hier dichter, als anderswo zu stehen. Wo das nicht der Fall ist, begegnen ihnen Bauern mit Fuhrwerken und auch Reiter, oder sie werden von anderen überholt. Dadurch bekommen sie nicht die Gelegenheit, unbemerkt ihre Gestalt zu ändern, selbst wenn sie sich hinter einem Gebüsch verbergen wollten. Hinzu kommt, dass es diesen Bewuchs nur vereinzelt gibt und in den seltenen, unbeobachteten Augenblicken keine Bäume am Wegrand stehen. Notgedrungen wandern sie weiter und hören schon bald Hufgetrappel, das zum wiederholten Mal Reiter ankündigt, die sie gleich überholen werden. Doch die Männer, es sind vier, umringen sie und betrachten sie prüfend.

»Woher des Wegs?«, fragt Gwydion.

»Dragon, wir müssen vorsichtig sein!«, ermahnt ihn Runa gedanklich. Der hat bereits den Mund geöffnet und wendet sich erstaunt, aber augenscheinlich leicht übermütig an den Wachtmeister.

»Das ist doch ohne Mühe zu erkennen.« Zu diesen Worten dreht er sich zur Seite und macht eine Kopfbewegung dorthin, von wo sie gekommen sind.

»Mein Bruder ist nicht ganz klar im Kopf«, versucht Runa sofort seine herausfordernde Antwort abzuschwächen. »Er nimmt Fragen immer wörtlich. Doch ihr wollt sicher wissen, weshalb wir unterwegs sind und wohin unser Weg führt, richtig?« Sie senkt die Augen, schaut keinen der Männer direkt an. Das soll demütig wirken, wie es Bewaffnete von einfachen Leuten erwarten. Der Magier richtet seinen forschenden Blick auf das Mädchen. Wieso kommt es ihm nur so bekannt vor?

»Bist du wahnsinnig, dich derart verdächtig aufzuführen. Denke daran, dass du mein Beschützer bist, der alles tun sollte, damit ich nicht in Gefahr komme«, sendet es an Dragon, jedoch ohne ihn anzuschauen. Das wäre auffällig und könnte den Magier auf ungewollte Gedanken bringen.

»Dich habe ich doch mal in Homarket gesehen«, beginnt der Zauberer langsam, aber drohend. »Wie kommt es, dass du jetzt hier bist? Und wie lautet dein Name?«

»Verzeihung, hoher Herr«, versucht Runa sich einzuschmeicheln. »Ich heiße Katie. Und es stimmt. Vor Wochen war ich in dem Ort, wo ich eine Ausbildung gemacht habe. Sobald die abgeschlossen war, ich bin jetzt übrigens eine geprüfte Gärtnerin, machte ich mich auf, in den verschieden Regionen des Landes nach seltenen Pflanzen oder Kräutern zu suchen. Für deren Transport nutze ich meinen Rucksack. Auch wenn ich bisher nicht besonders erfolgreich gewesen bin, denn ich habe bis jetzt kaum andere Heilkräuter als Beinwell, Spitzwegerich und Löwenzahn gefunden, werde ich weitersuchen. Die wachsen überall, aber einige Mariendisteln und …«

Der Wachtmeister unterbricht unwirsch die Unterhaltung mit dem Magier.

»Im Gegensatz zu deinem Bruder scheinst du ja recht gerne zu reden. Welchen Beruf hat der denn gelernt? Weshalb begleitet er dich?«

»Ich bin ihr Beschützer!«, sprudelt es selbstbewusst aus Dragon heraus.

»Beherrsche dich«, fordert Runa. Das wirkt sofort.

»Ich habe eine Tischlerlehre abgeschlossen und begleite meine Schwester«, fährt der Junge mit bewusst unsicherer Stimme fort. Er hofft, dadurch einen möglichen Verdacht zu zerstreuen.

»Also habt ihr kein bestimmtes Ziel, auf das ihr zusteuert?« Gwydion ist nicht so leicht zu täuschen. Sollten die Wanderer so harmlos sein, wie sie sich geben? Unbewusst glaubt er nicht daran. In früheren Schlachten und bei anderen Aufgaben hat ihn sein guter Instinkt bisher nicht im Stich gelassen. Und richtig, an ein Ereignis mit der Rothaarigen aus Homarket erinnert er sich jetzt auch. Sie hatte sich mit einem Mädchen gezankt, fällt ihm plötzlich ein, welches über ihre Füße gestolpert war und dadurch das gesammelte Geld verstreut hatte. »Du hast in dem Ort gebettelt, wie passt das dazu, dass du eine Ausbildung abgeschlossen haben willst?«

Runa wird es mulmig zumute. Warum hatte sie nur das Aussehen der jungen Streunerin gewählt? »Weil es leichter ist, bei einer Umwandlung eine bekannte Gestalt vor Augen zu haben, als sich eine erdachte vorzustellen. Da kann es schnell passieren, wichtige Einzelheiten zu vergessen. Aber weshalb ausgerechnet Katie?«

Sie legt unbewusst ihre Stirn in Falten, was dem skeptischen Gwydion nicht entgeht. Er betrachtet ihre Mimik aufmerksam, um eine Lüge erkennen zu können.

»Kaytlin war zu alt und Pulmoria einfach zu korpulent«, liefert sich Runa sofort die Begründung, »und das Mädchen hat grüne Augen, die stark leuchten, wenn sie aufgeregt oder wütend ist. Das hat mich schon als Fünfjährige fasziniert.«

»Was? Diese blöde Streunerin hat dich beeindruckt?«, Dragon kann es nicht fassen.

»Nur ihre Augen, vielleicht aber doch noch mehr?« Die Furchen auf ihrer Stirn scheinen sich zu vertiefen, dann antwortet sie Gwydion.

»Das war, weil mein, – ich wollte sagen, unser Vater Hilfe benötigte.«

»Stimmt«, fällt Dragon ein. »Er war aus dem Kirschbaum gefallen und hatte sich ein Bein gebrochen. In seinem Beruf als Schmiedegehilfe konnte er mit den geschienten Knochen mehrere Wochen nicht arbeiten.«

»Und deshalb erbettelte ich Geld für ihn.« Runa führt, erleichtert über den Einfall des Jungen, die Geschichte fort. Ihre Stirn glättet sich, und ihre Anspannung weicht einem Gefühl der Erleichterung.

»Wie passt das dazu, dass ihr jetzt hier herumwandert? Benötigt er eure Hilfe nicht weiter?«

Der Wachtmeister will offenbar nicht so schnell aufgeben. Er misst dem kleinen Versprecher durchaus Bedeutung zu. Etwas an der Erzählung erscheint ihm faul. Das könnte mehr sein, als die angebliche geschwisterliche Beziehung zwischen den beiden.

»Lass sie doch«, fordert jetzt der Magier. »Egal ob ihre Geschichte stimmt, oder nicht. Die Gesuchten sind sie nicht! Wenn wir uns nicht Creulons Unmut zuziehen wollen, sollten wir weiterreiten.« Der Mann wendet bereits sein Pferd und setzt es mit einem Schnalzen der Zunge in Trab.

»Was fällt dir ein?«, poltert Gwydion. »Ich gebe hier die Befehle. Wie willst du wissen, ob das nicht diejenigen sind, hinter denen wir her sind. Deren Erzählung klingt mehr als dünn und auch das Gesicht des jungen Mannes, der vermutlich nicht Katies Bruder ist, kommt mir bekannt vor. – Hey, bleib hier! – Aus der Miene des Jungen spricht reine Aufsässigkeit, und die kann ich nicht durchgehen lassen. Einem Wachtmeister des königlichen Heeres, der gleichzeitig der Vertraute des Heerführers ist, gebührt mehr Respekt.«

»Das ist mir egal«, entgegnet der Magier, der nicht daran denkt, anzuhalten. »Ich habe den Test gemacht, ob sie magische Fähigkeiten besitzen. Es ist daher unmöglich, dass wir nicht ihre wahre Gestalt zu sehen …«

Mehr bekommen Runa und Dragon von der Diskussion nicht mit, da mittlerweile nicht nur das Pferd des Wachtmeisters, sondern auch die Tiere der Soldaten in Trab fallen und davonstieben, dem Magier hinterher. Das sich entfernende Hufgetrappel übertönt die Worte.

»Puh, das war knapp!«, stellt Dragon erleichtert fest. Er wischt mit einer Handbewegung etwas Schweiß von seiner Stirn.

»Aber nur, weil du völlig untypisch für einen Beschützer, einen Gegner unnötig herausforderst. Dabei wäre es sinnvoll, eine mögliche Auseinandersetzung zu vermeiden.«

»Ich hatte plötzlich wieder vor Augen, wie mich dieser dunkle Zauberer mit Feuerkugeln angriff. Er war dadurch beinahe für unseren Absturz verantwortlich. Das Drachenblut reagiert manchmal unerwartet heiß, Schwesterchen!«

Sein verschmitztes Grinsen und der gesenkte Kopf tragen dazu bei, dass seine Augen wie die eines Hundes in die des Herrchens blicken. Um zusätzlich von seinem Fehlverhalten abzulenken, schiebt er eine Frage hinterher. »Aber was meinte der Magier, als er von einem durchgeführten Test der magischen Fähigkeiten sprach?«

»Ich kann es lediglich vermuten und gehe davon aus, dass er eine Überprüfung unserer Kräfte mit »Aperio« gemacht hat. – Wenn er nicht weiß, dass der von den Hexenmeistern gewobene Mix aus Zaubersprüchen unwirksam gemacht werden kann, wird er deine und meine Gestalt nicht infrage stellen. Ich bin deshalb überzeugt, dass sie trotz der vielen Fragen die erzählte Geschichte vielleicht im Detail, aber ansonsten nicht bezweifeln. Unabhängig davon könnten wir Zauberkräfte haben und womöglich zu Verbündeten der Gesuchten werden. In dem Fall hätte er uns als gefährlich eingestuft und zu überwältigen versucht. Er führte den Test heimlich aus, um uns gegebenenfalls durch einen Überraschungsangriff außer Gefecht setzen zu können. Dass die Täuschung gelungen ist, dafür hat Danryas Rat gesorgt. Unsere magischen Fähigkeiten sind ihm verborgen geblieben.«

»Und das ist gut so«, bestätigt Dragon mit einem Grinsen. Er ist zufrieden, dass sie trotz seines manchmal überschäumenden Temperaments glimpflich davongekommen sind. Außerdem hat er Runa davon abgebracht, ihm weitere Vorhaltungen zu machen. Das allein ist schon viel wert.

»Du solltest die Verbindung zu mir unterbrechen, damit deine Gedanken nicht ungewollt von mir mitgehört werden.«

Das helle Lachen des Mädchens zeigt, dass es seinem Beschützer nicht zürnt. Dragon atmet erleichtert auf.

»Ich versuche, mein Drachenblut besser im Zaum zu halten. Versprochen. – Inhibeo.«

Gefahr!

Die zwei Gefährten haben es vorerst aufgegeben, auf eine Gelegenheit zum Gestaltwandeln zu warten. Sie finden einfach keine Möglichkeit, das unbemerkt durchführen zu können. Sie wollen notgedrungen den heutigen Tag nutzen, einen Eindruck vom Verhalten der Bevölkerung zu bekommen, die auf dem Gebiet der Triqueta in Merion lebt. Spätestens in der Nacht, so hoffen sie, werden sie erneut die Gestalt von Kolkraben annehmen.

Runa und Dragon kennen den direkten Einflussbereich Drakonias lediglich aus Erzählungen, die sie im Wirtshaus »Fuchs und Gans« oder auf dem Markt in Homarket aufgeschnappt haben. Obwohl ihr bisheriger Aufenthaltsort auch in Merion liegt, wird über die weit im Osten liegende Festung Grimgard und die sie umgebenden Gebiete wenig Gutes erzählt.

Fast alle männlichen Jugendlichen werden dort seit Jahren zum Kriegshandwerk herangezogen. In den Gesprächen ist die Rede von mörderischen Ausbildungslagern, in denen die neuen Soldaten für Drakonias Heer durch eine harte Schule gehen. Es wird berichtet, dass zu Übungszwecken scharfe Waffen genutzt werden. Obwohl das vermutlich nicht stimmen wird, denn das vermag sich Runa nicht vorzustellen, wird es so in Homarket behauptet. Der Nachwuchs an ausgebildeten Kämpfern wird gerade in einem militaristisch orientierten Königreich wie Merion nicht leichtfertig durch derartiges Gebaren aufs Spiel gesetzt werden. Auch wenn die Auseinandersetzungen mit dem einverleibten Elduria viele Jahre zurückliegen, wurde die Mannschaftsstärke des Heeres seitdem nicht reduziert. Männliche Einwohner der vereinten Länder, die in Elduria leben oder deren Wurzeln dort liegen, werden allerdings von der Ausbildung im Kriegshandwerk ausgeschlossen. Diese Verordnung hatte die Herrscherin sofort nach der Einverleibung des eroberten Königreiches erlassen. Sie wollte damit möglichen zukünftigen Aufständen vorbeugen.

In den letzten Jahren sieht es danach aus, als ob Drakonia ein neues Ziel ins Auge gefasst hätte. Für eine denkbar erscheinende Auseinandersetzung mit den Nordlanden, so wird gemunkelt, werden mehr Kämpfer als bisher benötigt.

Gerade dorthin haben sich viele Elfen aus anderen Gebieten zurückgezogen. Auch wenn sie friedliebend sind, werden sie ihren letzten Einflussbereich mit allen Kräften verteidigen. Deshalb wurde in Merion vor fünf Jahren der Befehl erlassen, dass die Ausbildung zum Soldaten oberste Bürgerpflicht sei. Bisher wird die Erfüllung dieser Anordnung in den meisten Landesteilen eher lasch gehandhabt, aber nicht so in der Triqueta. Das liegt vermutlich daran, dass Grimgard die Mitte dieser Region bildet, aber gleichermaßen auch an der Ergebenheit der drei Hexenmeister gegenüber Drakonia.

Die Fähigkeiten für die Ausübung vieler Berufe werden üblicherweise innerhalb der Familien weitergegeben. So bleibt es nicht aus, dass Söhne von ihren Vätern bereits von frühester Kindheit an ausgebildet werden. Gleiches gilt für Töchter und ihre Mütter, in deren Belange die Königin bisher durch keine Verordnung eingegriffen hat.

Wenn einer der sogenannten Männerberufe auszusterben droht, der für den Fortbestand des Königreiches wichtig ist, wird einem der Söhne aus der jeweiligen Familie erlaubt, sich darin ausbilden zu lassen.

In der Verordnung wurde eine weitere Ausnahme genannt. Bei den Berufen, die für die Versorgung mit Nahrungsmitteln benötigt werden, das schließt deren Erzeugung, Verarbeitung, Transport und Verkauf mit ein, wird ausdrücklich festgelegt, den jeweils Erstgeborenen im väterlichen Betrieb zu behalten.

In beiden Ausnahmefällen wird der entsprechende Jugendliche vom Dienst an der Waffe befreit. Gibt es in einer dieser Familien mehr als ein Sohn, der eingezogen werden kann, darf anstelle des ersten einer der Nachgeborenen ausgewählt werden. Da die Musterung und Einziehung der geeigneten Jungen alle drei Jahre erfolgt, ist eine Auswahl zwischen dreien der Kinder einer Familie möglich. Das jedoch nur, wenn die Mutter alljährlich einen Sohn bekommen hat. Sollten Zwillinge geboren worden sein, stehen in seltenen Fällen sogar vier zur Wahl, die den väterlichen Betrieb übernehmen könnten. Alle anderen Jungen müssen direkt nach der Musterung zur Soldatenausbildung das bisherige Heim verlassen.

Die getroffene Auswahl wird penibel im Gemeinderegister festgehalten, damit Betrügereien ausgeschlossen werden können. Trotzdem wird gemunkelt, dass einige Söhne gegen Zahlung größerer Geldsummen vom Dienst mit der Waffe befreit worden sein sollen.

In den Fällen, wo bereits der Vater Soldat ist, bleibt jedem Jungen, egal welchen Alters, keine andere Berufswahl offen. Das war schon vor der Neuerung der Kriegsverordnung üblich. Durch die Summe dieser Maßnahmen steigt die Mannschaftsstärke von Drakonias Kriegsheer beständig.

Für Brendan ap Owain stand somit mit seiner Geburt fest, welche berufliche Laufbahn er einschlagen würde. Dass er sie nicht mit dem von vielen anderen Jungen gezeigten Widerwillen ausfüllt, liegt vermutlich am Vorbild des Vaters. Seine Mutter starb, bevor der Knabe fünf Jahre alt geworden war. Seitdem lebt er quasi als Anhängsel des Heerführers und wurde somit auch zu jedem seiner Einsätze mitgenommen. Größere Kämpfe hat er zwar nicht miterlebt, doch bei der Niederschlagung einzelner Aufstände war er dabei. Er durfte sogar sofort nach seiner abgeschlossenen Ausbildung kleinere Einheiten befehligen, wobei er äußerst umsichtig und erfolgreich agierte. Das erfüllte seinen Vater mit unbändigem Stolz. Auch die Königin förderte Brendans Aufstieg mit Wohlwollen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wie herablassend sich der junge Mann anderen Soldaten oder gar dem in seinen Augen gewöhnlichen Volk gegenüber verhält. Er darf seit dem Ende der Ausbildung nur mit Syr und möglichst seinem vollen Namen, also Syr Brendan ap Owain, angesprochen werden. Das entspricht einem Adelstitel, obwohl er weder eigene Güter noch einen Herrschaftsbereich besitzt. Er ist inzwischen siebzehn und gilt somit seit mindestens vier Jahren als erwachsen.

Einiges davon hat Runa bereits in Homarket aufgeschnappt, anderes erst im Laufe des Tages. Sie und Dragon wundern sich darüber, dass die Bevölkerung überwiegend aus uniformierten Menschen zu bestehen scheint. Die Hintergründe dafür erfahren sie in vorsichtigen Gesprächen mit älteren Bewohnern, die ihnen mit offensichtlichem Staunen begegnen. Dabei knüpfen sie geschickt an deren Fragen an.

»Wie kommt es, dass ihr frei herumwandern könnt?«

»Du bist doch ein stattlicher Junge, warum tust du dann keinen Dienst bei den Soldaten?«

»Wohin führt eure Wanderschaft?«

»Willst du dich melden, um an den Waffen ausgebildet zu werden? Sei froh, wenn du nicht eingezogen wirst.«

»Geht es zur Marine, junger Mann?«

»Mädchen werden weder beim Heer, noch in der Seefahrt benötigt.«

In den sich daraus entwickelten Gesprächen, stellt sich Runa besonders geschickt an. Dadurch erhalten sie Informationen, die die Erklärung für den mit Soldaten übervollen Landesteil ergeben.

Dragon fühlt sich geschmeichelt, dass er wegen seiner Statur als offenbar kriegstauglich eingestuft wird. Sein Selbstwertgefühl führt dann dazu, dass er mit herausgedrückter Brust und weiten Schritten voranstürmt. Runa gönnt ihm jede einzelne geäußerte Bewunderung, die für ihn die Bestätigung seiner selbstgewählten Aufgabe als Beschützer darstellt. Auch wenn in manchen Situationen sein Drachenblut überschäumt und ihn unüberlegt handeln lässt, verlässt sie sich mittlerweile darauf, dass er ihr notfalls durch seine Stärke beistehen wird.

Runa betrachtet kopfschüttelnd die beständig dichter zueinanderstehenden Häuser. Zuerst folgten alle paar hundert Meter verschiedene bäuerliche Anwesen aufeinander. Sie werden inzwischen von Besitztümern abgelöst, die einander in einem wesentlich engeren Abstand folgen. Obwohl die Gebäude vermutlich nur direkt an der strikt geradeaus führenden Straße Richtung Grimgard liegen, wirken sie insgesamt wie eine gewaltige Stadt. Mit jeder weiteren Stunde rücken die Häuser noch enger zusammen. Im gleichen Maße, wie diese dichter zusammenrücken, sind beständig mehr Menschen unterwegs. Wie sollen die Freunde da eine Gelegenheit finden, sich erneut in Kolkraben zu verwandeln?

Sie legen gegen Mittag eine kurze Rast ein, sobald sie einen der in regelmäßigen Abständen vorhandenen öffentlichen Brunnen erreichen. Im warmen Sonnenschein schöpfen sie mit den Händen Wasser. Der Junge benetzt außerdem seine Haare, um sich zusätzlich Abkühlung zu verschaffen. Den Durst können sie zwar stillen, aber ihre Mägen knurren wie hungrige Wölfe.

»Wir sollten Ausschau nach einem Gasthof halten«, schlägt Dragon vor.

»Meinst du das ernsthaft? Denke nur an unser Erlebnis in Ostford!«

»Nicht jedes Wirtshaus wird von einem Ganoven wie dem Wirt von »Hai und Makrele« geführt. Du bist doch außerdem in Begleitung eines stattlichen Beschützers. Das bestätigten heute so viele Leute, dass daran schon etwas Wahres sein wird.«

»Sie sagten nichts von einem möglichen Schutz, sondern lediglich, dass du als Soldat eine gute Figur machen würdest. Das ist nicht das Gleiche!«

»Nicht ganz, das stimmt schon. Es widerspricht dem aber auch nicht!«

Das Mädchen und der Junge grinsen sich an, dann fährt der Beschützer fort.

»So dicht wie hier ein Haus auf das nächste folgt, werden wir kaum eine Obstwiese finden, auf der wir Äpfel pflücken können. Und selbst wenn wir eine entdecken sollten, müssten wir damit rechnen, als Diebe bezeichnet und verfolgt zu werden.«

»So scheint es!«, bestätigt Runa. »Wir hätten schnell einige der Soldaten auf unseren Fersen. Andererseits müssen wir dringend etwas zu essen bekommen. Vielleicht ergibt sich eine Gelegenheit, wenn wir einer der Seitenstraßen folgen. Schau nur, da vorne führt eine nach links.«

Sie deutet auf einen schmalen Pfad, der sich zwischen zwei Anwesen in östlicher Richtung hindurchschlängelt. In einiger Entfernung sehen sie einen sanft ansteigenden Berghang, auf dessen grüner Wiese eine Schafherde weidet. Noch bevor sie auf den Schotterweg abbiegen und dem Verlauf folgen können, bemerken sie eine Gruppe Soldaten, die auf sie zugeritten kommt. Interessiert, worum es geht, zumal ein plötzliches Ausweichen auf den Weg womöglich Verdacht erregt hätte, gehen sie dem Trupp entgegen.

»Dragon?«

Das Mädchen nimmt vorsichtshalber erneut gedanklichen Kontakt zu dem Jungen auf.

»Ja? Was ist?«

»Hoffentlich suchen die nicht nach uns. Dem Wachtmeister könnte die Begegnung mit uns im Nachhinein mehr als verdächtig vorgekommen sein.«

»Das glaube ich nicht. In dem Fall wäre er längst umgekehrt. Nein. Der Magier hätte sicher den … wie sagte Danrya noch? Genau, er würde den magischen Sprung genutzt haben. Es muss um etwas anderes gehen. Für uns besteht vermutlich keine Gefahr.«

Trotz dieser Einschätzung nähern sie sich dem berittenen Trupp nur vorsichtig. Dieser hält auf einem Platz, wo die Häuser etwas zurückweichen. Hier sind die Gebäude tiefer gestaffelt und umschließen eine Art Marktplatz. Die Männer steigen ab, treten zu den Haustüren und klopfen heftig dagegen. Mit lauten Stimmen rufen sie die Bewohner der umliegenden Häuser zusammen. Immer mehr Menschen strömen herbei und beginnen den Platz zu füllen. Runa und Dragon bleiben vorsichtshalber in einiger Entfernung vor der Versammlung stehen. Ein grimmig aussehender alter Soldat liest eine Verordnung vor.

»Unsere kluge Herrscherin lässt hiermit Folgendes kundtun:

Um die Sicherheit des Herrschaftsbereiches aufrecht erhalten zu können, ist eine zusätzliche Einberufung waffentauglicher Jungen notwendig.

Die Bedrohungen von außen steigen ständig. Wir werden insbesondere durch grausame Kämpfer aus den Nordlanden bedroht. Erste Angriffe auf die aufmerksamen und tapferen Verteidiger unseres Königreiches konnten erfolgreich an der Grenze zurückgeschlagen werden. Nach Informationen des Geheimdienstes, zu deren Beschaffung ich besonders meinem obersten Magier Creulon zu großem Dank verpflichtet bin, verbünden sich derzeit Menschen mit Elfen des Nordens. Sie schicken grausame Fabelwesen gegen unsere Soldaten. Darunter sollen sich Greife und feuerspeiende Lindwürmer befinden. Meine Kämpfer werden zuverlässig durch Schutzzauber gesichert, um auch diesen Kreaturen der Hölle widerstehen zu können. Niemand muss somit um seine Kinder fürchten, die wir gezwungen sind, heute und in den nächsten Wochen als zusätzliche Reserve einzuziehen.

Gezeichnet Drakonia, Königin von Merion und Elduria.«

Der Mann streicht über die geschwungenen Enden seines gewaltigen Schnurrbarts und blickt in die Runde. Vereinzelt strömen noch verspätete Menschen herbei. Er räuspert sich und erhebt erneut seine Stimme.

»Ihr habt es gehört, Leute. Die bisher geltenden Ausnahmen werden mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt. Geht heim und bringt eure Söhne herbei. Sie bekommen die Ehre, die Feinde unserer Herrscherin zu vertreiben!«

Der alte Kämpfer sitzt als Einziger im Sattel seines Pferdes, vermutlich, um seine Stimme weithin erklingen zu lassen. Er beugt sich zu einem seiner Begleiter hinab und flüstert ihm etwas zu. Seine Augen sind dabei auf Dragon gerichtet. Dem Jungen wird unbehaglich, als der Soldat dieser Blickrichtung folgt. Der drängt sich durch die Menge und fordert mit Handzeichen zwei weitere Kämpfer auf, ihm zu folgen. Die drei umrunden die Umstehenden. Das sind fast ausschließlich ältere Frauen und auch wenige Greise, die ihnen sofort aus dem Weg gehen. Die Bewaffneten nicken sich zu und stürmen auf Dragon und Runa zu.

»Was hat das zu bedeuten?« Das Mädchen weicht etwas zurück und dreht sich um.

»Können wir gegen ein uns unbekanntes Gesetz verstoßen haben?« Der Junge mag es nicht glauben. »Wir haben doch lediglich einer Bekanntmachung gelauscht. Sollte das in diesem Landesteil verboten sein?« Jetzt wendet auch er der Versammlung den Rücken und eilt Runa hinterher. Noch machen sie nur raumgreifende, große Schritte. Rennen wollen sie vermeiden, da das verdächtig wirken würde.

»HALT!«, erklingt eine befehlende Stimme hinter ihnen. »Hier wird nicht weggelaufen. Das Heer der Königin braucht dich!«

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