Kitabı oku: «Afrikanische Europäer», sayfa 3

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Die Autoren nutzten die Erzählung, um eine bestimmte Sicht auf die Ästhetik des Schwarzseins zu stärken, und ihre Entscheidung, Moses’ Leben zu einem Narrativ über das Schwarzsein, über Demut und Selbstverleugnung zu simplifizieren, unterstrich den geringeren Status – und gar die geringere Menschlichkeit – des Heiligen. Die hier widerhallenden Themen – Vorurteile gegenüber schwarzer Haut, die Verbindung von Schwarzer Heiligkeit mit übermäßiger Demut, das Zusammenspiel von Innerem und Äußerem – fand sich auch in den frühmodernen Hagiografien Schwarzer Heiliger wieder.44

Ein langsamer Wandel trat ein, als viele Europäer öfter mit Afrikanern in Kontakt kamen. Geschichten über die Rolle des äthiopischen Priesters Johannes, ein legendärer König, der über eine östliche christliche Nation geherrscht haben soll, fanden Verbreitung und boten eine hoffnungsvolle Grundlage für die Ausweitung des Christentums. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nahm die Repräsentation Schwarzer Heiliger eine neue Wendung. Vorstellungen über das Schwarzsein von Sündern, wie es in den Skulpturen von Schwarzen Heiligen dargestellt wurde, oder die Anerkennung der Rolle Schwarzer Figuren wie den Heiligen Drei Königen als Grundlage des Christentums wurden allmählich durch eine weltlichere Schwarze Präsenz ersetzt. Auslöser dafür waren das Knüpfen von Verbindungen zwischen äthiopischen Mönchen und Rom, Konstanz und Florenz und die Möglichkeiten von Allianzen zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche, die von Papst Eugen IV. unterstützt wurden.45 Im 16. Jahrhundert sah Südeuropa das Aufkommen einer ganzen Reihe von Schwarzen Heiligen, darunter die sizilianischen Franziskaner Benedikt von Palermo und Antonio da Noto.

Benedikt von Palermo, auch bekannt als Benedetto da San Fratello oder Benedictus de San Philadelphio, wurde als Kind subsaharischer Eltern in Sizilien geboren. Seine Mutter war eine freie Frau, sein Vater dagegen ein versklavter Afrikaner. Beide waren fromme Christen und erzogen ihre Kinder dazu, sich an christliche Werte zu halten und der Kirche ergeben zu sein. Infolgedessen wurde der junge Benedikt zu einem Eremiten und schloss sich dann einer franziskanischen Bruderschaft an, ehe er in ein Kloster in der Nähe von Palermo eintrat.46 Die Geschichte von Antonio da Noto unterscheidet sich stark von jener Benedikts. Aus Antonio Dazas Chronik der Franziskaner aus dem Jahr 1611 lernen wir, dass Antonio, der in Nordafrika zur Welt kam, »Schwarz wie die Menschen aus Guinea, Xalose und Manikongo war, aber auch ein Maure, geboren und aufgewachsen unter dem Gesetz Mohammeds«.47 Er wurde von sizilianischen Piraten gefangen genommen und in Sizilien in die Sklaverei verkauft, wo er zum Katholizismus konvertierte. Rowe hat diese Quelle gründlich studiert und stellt fest, dass Daza die Frage des Übertritts diskutierte und im Hinblick auf Antonios Konvertierung zum Christentum die daraus resultierenden weltlichen Freiheitsgewinne betonte.48 Sie argumentiert, dass »heiliges Schwarzsein sowohl von der Geistlichkeit als auch von den Afroiberern konstruiert wurde. Die weiße Geistlichkeit verfasste zahlreiche Betrachtungen über die Rolle Schwarzer Katholiken in der Kirche, mit einer Rhetorik, die sich meist um die Überschneidung von Heiligkeit und unterschiedlicher Hautfarbe – also Schwarzsein – drehte.«49 In der Folge spielten gedruckte Werke, die für ein weißes Publikum bestimmt waren, eine wichtige Rolle bei der Bildung rassifizierender Kategorien.

Wie es scheint, war das mittelalterliche Europa gegenüber dem Platz und der Rolle von Schwarzen Heiligen in der Gesellschaft, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche, ambivalent eingestellt. Mehrere Beispiele, wie etwa die Geschichten vom heiligen Mauritius und von der Königin von Saba, beleuchten dies. Die erwähnten Ambivalenzen wiederholen sich in Bezug auf die mittelalterlichen europäischen Sichtweisen auf Schwarze Frauen.50 So entwickelte das Europa des 13. Jahrhunderts ein Interesse an den Körpern Schwarzer Frauen und an ihren angeblichen Fähigkeiten, Milch von besserer Qualität zu produzieren und Vergnügen zu schenken. Sich auf Aristoteles’ Beobachtungen über die Verbindungen zwischen Menstruationsblut und Hitze stützend, behaupteten medizinische Gelehrte des 13. Jahrhunderts, die Milch Schwarzer Frauen enthalte mehr Nährstoffe. Jene Aussagen erzeugten Debatten, in denen einige Gelehrte den Standpunkt vertraten, die qualitativ beste Milch sei für jedes Kind die seiner Mutter, unabhängig von deren Hautfarbe. Die Diskussion hielt in den europäischen Metropolen an, und im Jahr 1300 wurde in Paris, Köln und anderen Städten verbreitet, die Körperwärme von dunkelhäutigen Frauen ließe ihre Milch leichter verdaulich werden und führe daher zu besserer Qualität für das Kind. Dieser Diskurs über Muttermilch fand zur selben Zeit statt wie Diskussionen über Körperwärme und sexuelle Charakteristika. Medizinische Gelehrte stritten über das Verlangen und die sexuellen Fähigkeiten von Schwarzen und weißen Frauen, eine Debatte, die seit Jahrhunderten geführt wurde und ihren Ursprung in den griechischen und arabischen medizinischen Traditionen hatte. Es wurde behauptet, Schwarze Frauen hätten ein stärkeres Verlangen nach Geschlechtsverkehr, da sie aus wärmeren Klimazonen kämen, während weiße Frauen aufgrund ihres angeblich übermäßigen Menstruationsblutes zu mehr Geschlechtsverkehr imstande wären. Der englische Theologe Thomas von Chobham beschäftigte sich im Jahr 1215 intensiv damit, die Institution der Ehe zwischen einem weißen Mann und einer Schwarzen Frau zu regulieren, während sich Albertus Magnus in seiner Kölner Vorlesung aus dem Jahr 1258 an Lust und Begierde abarbeitete und beispielsweise behauptete, die Form der Vulva einer Schwarzen Frau würde Männern ein größeres Vergnügen bereiten.

Diese Debatten waren nicht frei von Scham, Verwirrung und morbider Faszination. Im 13. Jahrhundert verfestigten sich zirkulierende Vorstellungen zu weithin anerkannten Ansichten. Zum Beispiel glaubten die Mediziner in den meisten europäischen Zentren, Schwarzen Menschen kämen im Zusammenhang mit Reproduktion, Kindererziehung und Sexualität bestimmte Eigenschaften zu. Paradoxerweise verwies man Begegnungen zwischen weißen Männern und Schwarzen Frauen dabei jedoch in den privaten Bereich und sicherte sie nicht durch die Institution der Ehe mit Weihen. Es gibt ein paar wenige Beispiele von gläubigen Schwarzen Frauen, die sich der rassifizierten Wahrnehmung entzogen und in Aufzeichnungen als fromme Christinnen beschrieben wurden, darunter Benedetta, die Nichte von Benedikt von Palermo. Aber mehrheitlich wurden sie weiterhin auf negative Weise wahrgenommen – auch die Geschichte der Königin von Saba bildet dabei keine Ausnahme.

Auch wenn es Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser biblischen Gestalt gibt, bieten ihre Darstellungen im Laufe der Zeit auch einen Einblick in die sich wandelnden Ansichten über die Rolle der Frauen und das Gewicht der Religion in den verschiedenen Gemeinschaften. Die Königin von Saba erscheint hauptsächlich in äthiopischen Gemälden und Kunstwerken,51 außerdem findet man sie im 1. Buch der Könige 10, 1–13 und im 2. Buch der Chronik 9, 1–12 der hebräischen Bibel und in Sure 27, 23–44 des Koran.52 In der hebräischen Bibel wird sie als wohlhabende Monarchin dargestellt, die von König Salomons Ruf und Reichtum erfuhr und beschloss, seine Weisheit auf die Probe zu stellen. Im Koran ist es Salomon, der einen Bericht über die Königin von Saba bekam und drohte, in ihr Land einzumarschieren, wenn sie und ihre Untertanen nicht aufhörten, ihre mannigfachen Gottheiten anzubeten. In beiden Geschichten geht es um ihren Übertritt zu einer monotheistischen Religion und ihre Unterwerfung unter Gottes Willen. Im Neuen Testament ist ihr Name geändert zur »Königin des Südens« (Lukas 11, 31 und Matthäus 12, 42). Weitere Transformationen der Geschichte finden sich in der aramäischen Version des Buches Ester (Targum Sheni, ca. 500–1000), in dem Salomon einen Wiedehopf zur Königin schickt, der sie auffordert, zu seinem Palast zu reisen. Die Begegnung erhält eine neue Wendung, als Saba beim Überqueren eines Glasfußbodens, den sie für ein Wasserbecken hält, ihre Kleidung rafft und dabei ihre behaarten Beine zeigt. Von jenem Augenblick an wurde Saba mit Dämonen assoziiert, da Körperbehaarung typischerweise Männern oder Teufelswesen zugeschrieben wurde. In diesem Fall ist es auch ein Hinweis darauf, dass fremde Frauen, die andere Gottheiten anbeteten, eine Gefahr für Familienstrukturen und die Gesellschaftsordnung darstellten, da es der Frau oblag, sich um die Erziehung der Kinder und das Wohlergehen der Familie zu kümmern.

Die Darstellungen der Königin von Saba in der europäischen Kunst zeigen auch interessante Interpretationen von Anderssein. Vielen mittelalterlichen Auslegungen des Hohelieds 1, 5 zufolge war es die Königin von Saba, die Salomon gegenüber erklärte: »Ich bin Schwarz und schön.«53 In einer Skulptur der Königin aus dem 13. Jahrhundert am Portail Sainte-Anne der Kathedrale Notre-Dame de Paris jedoch steht sie neben König Salomon und dem heiligen Petrus, und sie haben alle dieselbe Hautfarbe, vermutlich weiß. Später, in Lavinia Fontanas Der Besuch der Königin von Saba (ca. 1600), ist sie erneut weiß. Die Veränderlichkeit der Hautfarbe der Königin verstärkt den Eindruck, Anderssein möge keine Bedeutung gehabt haben, wenn Afrikaner*innen, insbesondere Frauen, an der Spitze der sozialen Rangordnung standen. In den folgenden Jahrhunderten vermischten die Geschichten über die Begegnung zwischen Saba und Salomon jüdische und muslimische Traditionen mit Folklore, die Saba als Verführerin oder als halb Schlange, halb Frau darstellte, die Männer in Versuchung führen und Leben zerstören wollte. Interessanterweise zirkulierten muslimische Geschichten über die Königin als halbe Schlange, die sie mit der hebräischen Dämonin Lilith verglichen, in veränderter Form in der europäischen Dichtung. In der Literatur des 19. Jahrhunderts wurde erneut auf die Figur der Königin von Saba zurückgegriffen, insbesondere in Flauberts Roman Die Versuchung des heiligen Antonius (1874). Der Künstler Odilon Redon schuf eine Illustration der Königin von Saba (1896–1900) als nackte Frau, deren Gesichtszüge auf eine gemischte Herkunft schließen lassen und an Charles Baudelaires laszive und erotische Darstellung seiner Muse Jeanne Duval erinnern. Baudelaires Verweise auf die Bibel in seiner Dichtung konzentrierten sich auf die Idee der »Verführung«. Die Beschreibung Duvals in »Die tanzende Schlange« (in Die Blumen des Bösen, 1857) bringt uns zurück zur Königin von Saba als afroeuropäische Verführerin.

Von Konfrontation bis zu Kollaboration – die Beziehungen zwischen Afrikanern und Europäern erweisen sich seit dem 3. Jahrhundert als turbulent. Auf die verlorenen Schlachten der kuschitischen Königinnen folgte die Eingliederung der Thebaner in die römischen Legionen im 3. Jahrhundert. Die kathartische Legende des heiligen Mauritius und die Geschichte der Königin von Saba haben die europäischen Bestrebungen nach religiöser Expansion fassbar gemacht und sind zu Symbolen der Macht geworden, stellen aber zugleich auch aufschlussreiche Mittel dar, mit denen sich der europäische Blick auf Afrikaner*innen analysieren lässt. Die Art und Weise, wie diese beiden Figuren in Kunst und Literatur dargestellt wurden, liefert einen Einblick in die gesellschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Veränderungen in Europa. Auch lässt sich mit ihnen unser Verständnis von Geschlechterkonstruktionen und die Wahrnehmung Schwarzer Körper in der europäischen Imagination seit dem Mittelalter hinterfragen. Diese Geschichten sind wertvolle Ergänzungen zu der Geschichte Schwarzer Heiliger in Europa.

Rowe demonstriert, dass der Einfluss Schwarzer Heiliger weit über die Mauern der weißen christlichen Kirchen hinausging. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gaben portugiesische Händler mit ihren Expeditionen an die afrikanischen Küsten den Startschuss für den neuzeitlichen europäischen Sklavenhandel. Ein Jahrhundert später wurden versklavte Afrikaner in europäischen Städten aufgefordert, ein christliches Leben zu führen, was ihre Herren allerdings vor ein Problem stellte. Eine Taufe brachte für den Besitzer mehrere Verpflichtungen mit sich, darunter die Wahrung des Rechtes der Versklavten, in einer Bruderschaft Mitglied zu werden. Damit aber hatten die Sklaven die Unterstützung von Organisationen, die sich auch für ihre Befreiung einsetzen konnten.54 Zusätzlich entstand im frühen 17. Jahrhundert nach dem Tod Benedikts von Palermo ein nach diesem benannter Kult, dem sich einige Schwarze Spanier anschlossen. Die Kirche sah diese neuen Entwicklungen positiv, da frisch angekommene versklavte Menschen nun leichter bekehrt und assimiliert werden konnten. Wie Rowe festhält, waren diese Schwarzen Bruderschaften bestens organisiert und verfügten über eigene Satzungen und Verwaltungsapparate. Sie unterstützten ihre Mitglieder auf vielfältige Weise, von seelsorgerischer Betreuung bis zu Beerdigungen und Mitgiften. Und sie stellten ihre Wurzeln und Ursprünge stolz zur Schau, wie sich etwa am Beispiel von Nossa Senhora do Rosário dos Homens Pretos (Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz Schwarzer Menschen) zeigt, die erklärte, dass »wir, die Schwarzen Menschen, aus den Regionen von Äthiopien und seiner Gebiete kamen«, und hinzufügte, dass sie nun seit 1470 in Lissabon beteten.55 Mit der Zeit überspannten diese Bruderschaften mehrere Kontinente, da sie sich parallel zum Sklavenhandel in den Regionen entlang des Atlantischen Ozeans ausbreiteten.

Die Geschichten des heiligen Mauritius und der Königin von Saba sowie deren nachträgliche Reformulierungen und Neuinterpretationen beruhen auf der Geschichte von Kolonisation und Eroberung. Die von ihnen zur Sprache gebrachten brutalen Begegnungen werden jedoch kaum mit der kolonialen Sklaverei im mittelalterlichen und modernen Europa in Verbindung gebracht. Eines der am häufigsten untersuchten Zeitalter der Eroberungen bleibt das Römische Reich. Wissenschaftler*innen haben verschiedenste Geschichten aus dieser Zeit ans Licht gebracht, wobei eine Figur dabei herausragt, da sie sowohl Afrikaner als auch Europäer war: Kaiser Septimius Severus. Gleichwohl zeigt seine im British Museum ausgestellte Büste interessanterweise die Gesichtszüge eines Mannes, der europäischer Abstammung zu sein scheint. Allerdings wurde Severus 145 in Leptis Magna geboren, einer karthagischen Stadt, die im heutigen Libyen liegen würde, welches damals als Tripolitanien bekannt war. Er stammte aus einer reichen Familie, deren Mitglieder an der Politik und womöglich auch am Handel beteiligt waren. Sein Vater bekleidete jedoch kein wichtiges Amt. Tripolitanien war ein maritimes Handelsgebiet, das auch nur wenige Hundert Kilometer von den Handelsrouten durch die Sahara entfernt war. Über Severus’ frühes Leben in Leptis Magna ist nur wenig bekannt. Wir wissen allerdings, dass er aus seinem Geburtsort nach Rom zog, wo er in der herrschenden Elite Freunde gewann. Das ermöglichte ihm den Aufstieg zur Macht. Im Jahr 169 wurde er römischer Senator. Er benötigte nur wenige Jahre, um zum Volkstribun ernannt zu werden. Später entsandte man ihn auf verschiedene Posten, und schließlich wurde er Statthalter in der Donauprovinz Pannonien. Severus’ Ehrgeiz ließ ihn nach Rom zurückkehren und im Anschluss an die Ermordung von Kaiser Pertinax durch Soldaten die Macht ergreifen.

Die Historiker Cassius Dio und Herodian liefern uns Informationen über Severus’ Leben.56 Die meisten Details sind ausgeschmückte Schilderungen seines Charakters und seiner Beziehungen zu den Soldaten. Dio erzählt von seinem triumphalen Einmarsch in Rom, nachdem er jene Soldaten bestraft hatte, die an der Tötung von Pertinax beteiligt gewesen waren, und behauptet, er habe sich extra die Zeit genommen, zivile Kleidung anzulegen, um zu Fuß durch die Straßen zu schreiten, während seine Soldaten noch immer ihre Rüstung trugen. Der inszenierte Aspekt dieses Einmarschs lässt Rückschlüsse auf das Denken dieses Mannes zu. Er wusste, dass er als Armeeführer womöglich nicht in der Lage sein würde, eine Bevölkerung für sich zu gewinnen, die gerade erlebt hatte, wie ihr Kaiser durch Soldaten ermordet worden war. Er musste die Zivilbevölkerung und die politische Klasse davon überzeugen, dass er als Mann von Verstand und Intellekt und als ein fürsorglicher Anführer anzusehen war. Dios Bericht zeigt, dass es ihm gelang, Interesse zu wecken: »Die Menge war erpicht darauf, ihn zu sehen und ihn sprechen zu hören, als wäre er durch seinen Glücksfall irgendwie verwandelt worden. Einige hielten sich gegenseitig in die Höhe, um aus dieser Position einen Blick auf ihn zu erhaschen.«57 Entweder aus ehrlicher Bewunderung oder um die Unterstützer des verstorbenen Kaisers um sich zu scharen, ließ er einen Schrein für Pertinax errichten und organisierte eine aufwändige öffentliche Zeremonie für dessen Beerdigung, an der Senatoren, Konsuln, Staatsdiener und ihre Ehefrauen teilnahmen.

Herodian bietet noch mehr Einzelheiten über Severus’ militärische Siege, Reden und familiäre Beziehungen, seine »britische Expedition« und die kurze Regierungszeit seiner beiden Söhne. Die Berichte der Historiker geben uns auch Aufschluss über seinen Regierungsstil. Allem Anschein nach war er ein cleverer Politiker, der nicht zögerte, Allianzen mit jenen zu schmieden, die Roms Position gefährden könnten. Außerdem umgab er sich mit Menschen, denen er vertraute. Um etwa seine Söhne gut im Auge zu behalten, deren Lotterleben voller Laster und ungesunder gegenseitiger Konkurrenz ihm Sorgen machte, verlieh er ihnen mehr Macht und stattete sie mit Ehefrauen aus. Sein Sohn Caracalla sollte die Tochter des Prätorianerpräfekten Plautian heiraten.

Severus tilgte bewusst jegliche Verbindung, die zwischen ihm und Afrika hergestellt werden konnte. Er hatte sich zu einem frühen Zeitpunkt in seiner Karriere von seinem Geburtsort distanziert, und es war ihm gelungen, sich die Unterstützung machtvoller Beschützer in Rom zu sichern. Als Kaiser hielt er jedoch einen bestimmten Mann nah an seiner Seite. Herodian bemerkt, auch Plautian sei in Libyen geboren. Angeblich waren die beiden sogar miteinander verwandt. Böse Zungen verdammten diese Verbindung und behaupteten, Severus und Plautian seien in jüngeren Jahren vermutlich »Liebste« füreinander gewesen.58 In jedem Fall war Plautian ein armer Nordafrikaner, der von Severus große Macht und großen Reichtum verliehen bekam und nicht vor Gewaltanwendung zurückschreckte, um die Aufgaben zu erledigen, die der Kaiser ihm zugewiesen hatte. Severus ging noch einen Schritt weiter, indem er sich und Plautian durch ihre Kinder noch enger miteinander verband. Er hätte jede beliebige politische Allianz schmieden können, indem er seinen Sohn in die Familien von Gegnern oder Anführern benachbarter Territorien einheiraten ließ. Er wählte aus Vertrauensgründen jedoch bewusst Plautians Tochter aus. Außerdem glaubte er, die Ehe würde seinem Sohn helfen, erwachsen zu werden. Er sollte jedoch eines Besseren belehrt werden. Caracalla verabscheute seine Braut und drohte, sie und ihren Vater umzubringen, sobald er als Kaiser an der Macht wäre. Sich Severus’ Krankheit und seiner Schwäche gegenüber seinem Sohn sehr bewusst, fürchtete Plautian um sein Leben. Er wusste auch, dass die Unbeliebtheit des Kaisers unter den Wachen sich nicht zu seinen Gunsten auswirkte. Also heckte er laut Herodian einen Plan aus, um das Reich an sich zu reißen und seinen eigenen Beschützer gemeinsam mit dessen Sohn töten zu lassen. Dabei beging er jedoch den Fehler, seine Befehle schriftlich festzuhalten. Der Plan schlug fehl, mit tragischem Ausgang. Cassius Dio zufolge war es Caracalla, der Plautians Mordkomplott fingierte, in jedem Fall endete die Episode mit dem Hinrichtungstod des Präfekten. Severus’ Söhne setzten ihr genusssüchtiges Leben fort, und dem Kaiser blieb nur noch, jene zu bestrafen, die sie in einem Zustand andauernder Ausschweifungen und Wettkämpfe hielten.

In seiner Regierungszeit führte Severus mehrere Feldzüge durch, mit denen er sich weitere Gebiete sichern wollte, die sich südlich von Tripolitanien, im Osten in Richtung Mesopotamien und im Norden bis nach Britannien erstreckten, wo er im Jahr 208 den Hadrianswall sicherte und einen Eroberungszug gegen das britannische Kaledonien startete. Severus sah Rom als Zentrum des Wissens und der Zivilisation sowie als legitimen Herrschaftssitz. Einmal selbst an der Macht, begriff er auch, dass er das Römische Reich weiter ausdehnen musste, um Rom zu stärken. Der Britannienfeldzug stellte sich jedoch als beschwerlicher heraus als die vorangegangenen Kampagnen. Der schlechte Gesundheitszustand des Kaisers hielt ihn davon ab, sich auf den Feldzug zu konzentrieren, und der nach Macht gierende Caracalla versuchte, die Ärzte davon zu überzeugen, seinen Tod zu beschleunigen. Kaiser Septimius Severus starb schließlich im Jahr 211. Caracalla gab sogleich eine Serie von Morden in Auftrag, um all jene auszuschalten, die seinem Vater treu ergeben gewesen waren, darunter auch die Ärzte, die sich einer Beteiligung an seinem Komplott verweigert hatten, und selbst jene, die ihn großgezogen und dazu gedrängt hatten, mit seinem Bruder Geta Frieden zu schließen. Geleitet durch ihre Mutter, regierten die Brüder das Reich für kurze Zeit gemeinsam, bis Caracalla sich durch einen Mord an seinem Bruder schließlich zum Alleinherrscher machte. Was Severus anbelangte, so wurde der Leichnam des Kaisers verbrannt, parfümiert und in einer Urne in das Mausoleum des Hadrian, der heutigen Engelsburg, verbracht.

Die meisten in Afrika geborenen Römer stellten ihre Herkunft nicht in den Vordergrund. Etwa ein Jahrhundert vor Severus wurde Marcus Cornelius Frontos »Afrikanischsein« bei verschiedenen Gelegenheiten erwähnt, aber er selbst präsentierte sich nur selten als Afrikaner. Als um 100 im numidischen Cirta, dem heutigen Constantine in Algerien, Geborener stammte Fronto aus einer afrikanischen Provinz unter römischer Herrschaft. Er ist bekannt als einer der eloquentesten Redner, die die römische Erziehung je hervorbrachte. Fronto ging in die Politik und wurde 142 zum Konsul ernannt, blieb jedoch nur zwei Monate im Amt als Suffektkonsul. Dann offerierte man ihm die Position eines Lehrers der Adoptivsöhne von Kaiser Antoninus Pius. Die von ihm erhalten gebliebenen Schriften bestehen hauptsächlich aus seiner Korrespondenz mit seinen Schülern und den späteren Kaisern Marc Aurel und Lucius Verus sowie mit anderen Freunden. In keinem der Briefe wird seine Herkunft auf negative Weise erwähnt. Mehrere von ihnen legen nahe, dass Fronto von seinen namhaften Schülern respektiert und geliebt wurde. Auch er mochte sie gern und drückte dies, während sie seine Schüler waren, durch körperlichen Kontakt wie Umarmungen und Küsse aus, aber auch später noch, als sie zu hochrangigen Staatsdienern und Kaisern geworden waren. Daraus ergibt sich das Bild eines Mannes, der seiner Familie nahesteht und vom kaiserlichen Haus hoch geschätzt wird.

Frontos Überzeugungskraft wurde einer römischen Erziehung zugeschrieben, die das Beherrschen der lateinischen Rhethorik voraussetzte. Jo-Marie Claassen hält fest, dass er für seine Stellung zwar nicht bezahlt wurde, es jedoch Hinweise darauf gibt, dass er ein römisches Herrenhaus besaß.59 Zusätzlich musste die komfortable Nähe zum Kaiser zu weiteren Begünstigungen geführt haben. In ihrer Untersuchung der römischen Einstellung gegenüber Afrikanern in elitären Kreisen bemerkt Claassen, Frontos linguistischer »Eifer« kennzeichne die Ansichten jener, die an den Rändern des Imperiums geboren wurden.60 Sie verspürten die Notwendigkeit zur Überkompensation, schlugen sich jedoch hervorragend in einer Umgebung, die Assimilation förderte. Unter einem Verweis auf Edward Champlins Studien fügt Claassen hinzu, dass Familien der Elite, die in Nordafrika geboren wurden, gezielt Lateinisch und Griechisch als ihre Lingua franca übernahmen.61

Fronto strebte nach der Position des Prokonsuls in Afrika, wurde jedoch in das weniger favorisierte Asien gesandt. Schließlich musste er den Posten wegen seines schlechten Gesundheitszustands aufgeben. Seine Verbundenheit mit Afrika zeigte Fronto durch den Wunsch, an seinen Geburtsort zurückzukehren. Mehrere Briefe belegen, dass er eine enge Beziehung zu Familie und Freunden in Cirta aufrechterhalten hatte. In anderer Korrespondenz wird deutlich, dass er Teil eines größeren Netzwerks afrikanischer Eliten war, die in ganz Europa in angesehenen Kreisen lebten und arbeiteten. Unter den Freunden, mit denen Fronto sich Briefe schrieb und die ihn gelegentlich besuchten, waren der Grammatiker Aulus Gellius, der möglicherweise ebenfalls afrikanischer Abstammung war, sein in Numidien geborener Freund Julius Celsius und der Senator Arrius Antoninus, dessen Vater aus Cirta stammte. Außerdem war Fronto der Schutzherr mehrerer junger Menschen, und es gibt Nachweise dafür, dass er versuchte, seinen Schützlingen die Unterstützung hochrangiger Persönlichkeiten in Cirta zu sichern. Er war auch an staatlichen Angelegenheiten interessiert, die Afrika betrafen, wie etwa in einer Rede vor dem Senat deutlich wird, in der er Antoninus für seine Unterstützung Karthagos (heute Region Tunis) dankte, womöglich, nachdem dort ein Feuer ausgebrochen war.

Claassen erklärt, dass im Allgemeinen »Afrikaner zu jener Zeit nur sehr selten als ›von den Römern unterschieden‹ wahrgenommen wurden«.62 Allerdings erwähnt sie auch eine Gelegenheit, bei der der Hintergrund eines afrikanischen Mannes in den Vordergrund rückte. In einem Brief, der von Marc Aurel stammen soll, wird Kaiseraspirant Clodius Albinus beschrieben als »ein afrikanischer Mann, der jedoch nur wenig des Afrikaners in sich trägt«, ein »afrikanischer Held«, den »Marc ernannt hatte, zwei Kohorten zu führen, und der mit einem ›doppelten Gehalt‹ und einer ›vierfachen Besoldung‹ belohnt wurde«.63 Claassen und andere haben jedoch die Echtheit dieser Briefe angezweifelt und darauf hingewiesen, ihre Quelle sei »fragwürdig«.64

Frontos Auffassung von sich selbst als afrikanisch zeigt sich in einem auf Griechisch geschriebenen Brief an Aurels Mutter Domitia Lucilla.65 In seinen Schriften hielt er sich mit Kritik an Afrika oder den Afrikanern konsequent zurück und stellte diese als den Römern weder unter- noch überlegen dar. Allerdings pries er stets die Fähigkeiten und Siege der römischen Armee und sah sich selbst als Römer, der an das imperiale Projekt glaubte. Dazu gehörte, die Armee zwar nur als letztes Mittel einzusetzen, aber auch nicht vor Kämpfen zurückzuschrecken. Frontos Afrikanität scheint also von geringer Bedeutung für seine ansonsten außergewöhnliche Karriere und Lebensgeschichte gewesen zu sein.

»Afrikanität«, wie sie von Jacques Maquet und vielen anderen definiert wurde, ist eine zeitgenössische Bezeichnung, die afrikanische Kulturen durch ihre Einheit und Ähnlichkeiten charakterisiert.66 Diese Definition ist angefochten worden, aber der Begriff eröffnet auch Beschreibungsmöglichkeiten, etwa hinsichtlich der Solidarität unter jenen, die in afrikanischen Provinzen unter römischer Herrschaft geboren wurden. Außerdem bezeichnet er ein Gefühl von Gemeinschaft zwischen denen, die ihren Geburtsort verließen und sich ausgezeichnete Karrieren in Zentren wie Rom, Sevilla und anderen aufbauten. Wenn wir die Leben von Figuren wie Fronto und dem Philosophen und Rhetoriker Apuleius durch diese Linse betrachten, wird ihrer Laufbahn als afrikanische Intellektuelle, die in Europa lebten, eine weitere Facette hinzugefügt.

Apuleius wurde in Madauros in der römisch-afrikanischen Provinz Numidien geboren. Als Sohn eines Magistrats erbte er ein beträchtliches Einkommen, das es ihm erlaubte, in Karthago, Athen und schließlich Rom zu studieren. Die Unterschiede zwischen Fronto und Apuleius werden deutlich in der Art und Weise, wie sie ihre Identitäten präsentieren. Fronto erwähnt seine Fremdheit, indem er sich für einen Mangel an Kultiviertheit seines Griechischs entschuldigt:

Und schließlich wird gesagt, dass auch jener berühmte Skythe, Anacharsis, kein gänzlich attisches Griechisch sprach, jedoch für seine Bedeutungstiefe und seine Gedanken gepriesen wurde. Nicht, dass ich mich in Sachen Weisheit mit Anacharsis vergleichen würde, um Gottes willen, lediglich in der Hinsicht, dass ich ein Barbar bin wie er. Immerhin war er ein Skythe der nomadischen Skythen, und ich bin ein Libyer der libyschen Nomaden.67

Damit wollte er zeigen, wie zutiefst römisch er war, allerdings verwies der Begriff »Barbar« auch auf seine Verbindungen zu Nordafrika. Im Gegensatz dazu hebt Apuleius in seiner Apologia – eine Rede, in der er sich gegen die Anschuldigung der Magie verteidigt – stolz sein meisterliches Griechisch hervor, um zu betonen, dass er ein integraler Bestandteil der römischen Elite war, die sich durch ihre hervorragenden Sprachkenntnisse auszeichnete. In einem rhetorischen Zweikampf verweist Apuleius außerdem auf die Abstammung seines Gegners aus Zarat, einem armen afrikanischen Dorf.68 Wytse Keulen legt nahe, da nordafrikanische Eliten um die Gunst des römischen Prokonsuls in Numidien konkurrierten, hätten einige afrikanische Gelehrte nicht gezögert, ihre nordafrikanischen Gegenspieler zu verunglimpfen und zu diskreditieren.69 Indem er seinen Geburtsort in seine Metamorphosen einbaute, demonstrierte Apuleius allerdings auch, dass man stolz darauf sein konnte, in Nordafrika geboren zu sein. Das Lob der eigenen Herkunft erfüllte verschiedene Zwecke. Einer davon hatte mit Protektion zu tun. Wie Keulen feststellt, waren Männer, die sich an ihrem Geburtsort ausgezeichnet hatten, hoch angesehen und konnten auf die Unterstützung der Herrschenden in Rom hoffen. Afrikanische Römer wie Fronto, Septimius und Apuleius bereiteten den Boden für eine starke Tradition afroeuropäischer Intellektueller.

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