Kitabı oku: «L'affaire de l'amour», sayfa 7
Markus lässt seine Augen an dem Kran hinaufwandern. „Wie willst du vorgehen?“
„Zuerst müssen wir über den Zaun. Du kletterst in das Führerhaus des Krans. Senk den Lasthaken ab. Damit transportierst du mich auf den ersten Container. Ich hoffe, du kannst wirklich mit dem Ding da umgehen. Das muss nämlich sehr schnell gehen, bevor die Kerle Zeit finden, mich als Tontaube zu benutzen.“
„Das ist mir klar.“
„Dann los.“ Emma steigt in den Dienstwagen, mit dem sie hergekommen sind, und fährt ihn mit der rechten Seite ganz an den Zaun heran. Vom Dach des Wagens aus ist es kein Problem, den Zaun zu überwinden. Geduckt laufen sie zum Kran, dessen Leiter Markus in aller Eile erklimmt. Bis er das Führerhaus erreicht, hat Emma die Waffe und die Munition so gesichert, dass sie beides auf ihrem Weg durch die Luft nicht verliert.
Mit einem leisen Summen erwacht der Kran zum Leben.
Über das Kommunikationsgerät erreicht sie direkt ihren Bruder. „Fuchs“, spricht sie Stefan mit seinem Tarnnamen an. „Wir brauchen ein bisschen Ablenkung.“
„Sofort!“ Auf den Befehl ihres Truppenführers hin beginnen die Einsatzkräfte ihre Zielobjekte unter Beschuss zu nehmen. Bei dem Krach können die Männer von Hannes Wachtl den Motor des Krans nicht hören und sind obendrein für eine Weile von den Geschehnissen in ihrem Rücken abgelenkt.
Der Lasthaken schwenkt auf Emma zu, die nach der Kette greift. Sie stellt einen Fuß in den Haken, mit dem anderen balanciert sie ihr Gleichgewicht aus, während sie schwungvoll nach oben gezogen wird. Gleichzeitig wendet sich der Kranausleger zur Seite.
‚Markus hat nicht zu viel versprochen‘, erkennt Emma. ‚Er kann sehr gut mit dem riesigen Ungetüm umgehen.‘ Punktgenau landet Emma auf dem Container, ohne dass eine der Zielpersonen etwas mitbekommen hätte. Um eine gute Schussposition in alle Richtungen zu erhalten, entscheidet sie sich gegen eine liegende Stellung, sondern stützt sich lediglich auf einem Knie ab, das andere Bein angewinkelt nach vorn gestellt. Durch ihre geduckte Körperhaltung ist sie zudem weitgehend vor den Kugeln ihrer Gegner geschützt. Sorgfältig visiert sie ihr erstes Ziel an, ehe sie abdrückt.
Tödlich getroffen bricht der Mann auf dem Container zusammen.
Noch bevor seine beiden Kumpane begreifen, was da passiert, wird auch der zweite Mann durch eine Kugel aus Emmas Waffe niedergestreckt.
Der dritte Mann springt auf, reißt seine Maschinenpistole herum, die er auf Emma anlegt, um sie an weiteren Schüssen gegen ihn und seine Kumpane zu hindern, doch weiter kommt er nicht.
„Flamme, Achtung!“
Von Stefans Kugel getroffen stürzt der Mann mit einem Aufschrei vom Container.
„Vorrücken!“, tönt der Befehl von Bodo Danberg durch die Kommunikationsgeräte, da der Weg für die Spezialeinsatzkräfte jetzt nicht mehr behindert wird.
Zwar stehen auf jeder Seite des Ganges zwei ihrer Gegner, aber dem Ansturm durch die Elite-Polizisten können sie nicht lange standhalten, sodass sie sich in den schützenden Gang zurückziehen. Von allen Seiten eingekesselt geben sie ihren Widerstand bald auf.
„Es fehlen noch drei von den Kerlen“, stellt Stefan beim Umschauen fest.
„Ausschwärmen!“, kommandiert der zweite Truppenführer. „Je fünf Mann! Sucht alles gründlich ab.“
Hannes Wachtl ist klar, wie dieser Kampf ausgehen wird, da sie dem Einsatzkommando nicht mehr allzu viel entgegenzusetzen haben. Seine Gedanken sind nur noch mit seiner Flucht beschäftigt.
„Los, kommt mit!“, befiehlt er seinen beiden Gefährten.
Sie umgehen die aufgestapelten Container bis ans äußerste Ende, doch auch hier finden sie keinen Ausgang. Der hohe Zaun läuft ohne Lücke um das gesamte Areal herum. ‚So ohne weiteres kommen wir da nicht hinüber‘, begreift Hannes. Er hört die Schüsse hinter sich, die Schreie seiner getroffenen Männer. ‚Was soll ich tun? Es wird nicht lange dauern, bis die Polizisten auf uns drei aufmerksam werden.‘
Im gleichen Moment erblickt er Markus Goldschmidt, der von dem Kran herunterklettert. Mit zwei Schritten ist er hinter dem Beamten, dem er seine Waffe an den Hals drückt. „Besser, du machst keine hastige Bewegung“, empfiehlt er Markus drohend. „Waffe weg!“
Mit der linken Hand zieht der Hauptkommissar vorsichtig seine Dienstwaffe hervor, die er wütend über sein Missgeschick von sich wirft, damit sie erst in einiger Entfernung des Mannes auf dem Boden landet. „Sie kommen hier nicht weg. Geben Sie auf.“
„Überlassen Sie das ruhig mir. Den Schlüssel“, verlangt Hannes, drückt diesen aber direkt einem seiner Männer in die Hand. „Klettere da hinauf. Wir brauchen den Lasthaken. Damit reißen wir den Zaun ein. Unser Fluchtfahrzeug steht bereits auf der anderen Seite.“ Mit der Hand weist er auf den VW Passat Kombi der Düsseldorfer Polizisten, den Emma vorhin am Zaun abgestellt hat.
Sein Handlanger kommt dem Befehl eilends nach.
Markus hofft vergebens darauf, dass sich der Kerl in dem Führerhaus des Krans nicht zurechtfindet. Es dauert zwar eine kleine Weile, aber dann hat der Mann den Dreh heraus. Der Lasthaken reißt den Zaun ein, der auf einer Länge von circa vier Metern umstürzt.
„Gehen wir.“ Hannes schubst den Polizisten vor sich her. „Du fährst! Los!“
Markus bleibt neben der Fahrertür stehen, greift nach dem Türgriff, nur um sich beim Aufblicken das Grinsen zu verkneifen. „Abgeschlossen. Ich habe keinen Schlüssel. Das ist der Wagen meiner Kollegin.“
Hannes schiebt seinen Gefangenen zur Seite. „Mach du das“, fordert er seinen Kumpan auf.
Der schlägt mit dem Knauf der Pistole das Fenster ein, um anschließend das Fahrzeug zu öffnen, ungeachtet dessen, dass die Alarmanlage losgeht. Die kurze Zeit, die sie brauchen, um den Wagen startklar zu machen, reicht den umstehenden Polizisten auf keinen Fall für einen Zugriff aus.
„Na bitte, geht doch“, nickt Hannes zufrieden.
Bevor sie in das Fahrzeug einsteigen, geschweige denn es für die Fahrt kurzschließen können, fällt der erste Schuss.
Emma, die von oben den Weg der Einsatzkräfte sichert, hört das Bersten der Scheibe, wirbelt herum noch ehe die Alarmanlage einen ersten Ton von sich gibt und erkennt sogleich, in welcher Gefahr sich Markus Goldschmidt befindet. Ihr ist klar, dass sie die Männer schleunigst ausschalten muss, wobei ihr nicht viel Zeit zum Zielen bleibt. Ohne zu zögern nimmt sie den ersten Mann ins Visier, dann drückt sie ab.
Mit einem Aufschrei stürzt Hannes’ Helfer vom Kran herunter.
Entsetzt sehen seine beiden Kumpane auf den abstürzenden Mann, bis er auf dem Boden aufschlägt, wo er mit weit aufgerissenen Augen in ihre Richtung starrt. Ihre Verblüffung sorgt dafür, dass sie ihren Gefangenen nicht im Auge behalten und auch ihre Pistolen nicht auf ihn ausgerichtet bleiben. Das Verhalten macht sich Emma zu Nutze, indem sie mit einem weiteren Schuss den Mann an der Fahrertür ausschaltet. Durch den Aufprall der Kugel wird dieser zurückgeschleudert, knallt mit dem Rücken gegen den Wagen, von wo aus er langsam abwärts rutscht, bis er auf dem Boden aufschlägt, doch das bekommt er nicht mehr mit.
Hannes starrt für einen Moment mit großen Augen auf seine Handlanger, dann zieht er seinen Gefangenen fest vor sich, ohne die Pistole von dessen Hals zu lösen. ‚So kann der Schütze mir nichts anhaben‘, denkt er. ‚Ich komme garantiert heil hier weg!‘ Allerdings hat er nicht mit Emmas herausragender Treffsicherheit gerechnet.
Sie weiß genau, wie sie schießen muss. Die einzige Angriffsfläche ist die Pistole neben dem Hals ihres Kollegen. ‚Der Schuss muss sitzen‘, macht sie sich klar. ‚Nur fünf Zentimeter zu weit nach rechts, dann ist Florians Bruder tot.‘ Sie visiert ihr Ziel genau an, lässt sich die Zeit, die sie braucht. „Bitte, halt still“, flüstert sie vor sich hin.
Markus erinnert sich an die Worte seines Bruders, an dessen Augen, als er ihm im Brustton der Überzeugung von Emma Wolf berichtete. Der Hauptkommissar ist überzeugt davon, dass diese Frau es schafft, die Situation zu ihren Gunsten zu entscheiden. Ruhig wartet er ihre Reaktion ab, bis der Schuss fällt.
„Ahh!“ Mit einem Aufschrei lässt Hannes die Waffe fallen, die seine zerschossene Hand nicht halten kann.
Markus wirbelt herum, wobei er seinem Gegner einen gewaltigen Schlag verpasst, in dem seine ganze Wut steckt.
Hannes verdreht die Augen und stürzt bewusstlos zu Boden.
„Ja!“ Emma springt auf. „Guter Schlag!“, ruft sie laut.
Markus, der das Lob der Kollegin hören kann, wagt erst jetzt aufzuatmen. Ohne sie würde er wahrscheinlich nicht mehr leben. „Flo hat Recht, die Frau ist spitze!“, murmelt er.
Mit Hilfe der herbeieilenden Kollegen legt er Hannes Handschellen an.
Der schwarze Iveco Daily, hinter dessen Steuer Ludwig Prager zu erkennen ist, erscheint auf dem Gelände, rollt langsam auf die Sammelstelle der Einsatzkräfte zu und hält dort an, bevor die vier Kollegen aussteigen.
„Das Fahrzeug stand verlassen in einer Parkbucht ganz in der Nähe. Der Schlüssel steckte noch. Anscheinend hatte da jemand vor, möglichst schnell zu verschwinden“, berichtet der Hauptkommissar.
Die Aufräumaktionen sind in vollem Gang. Gemeinsam mit den vor Ort befindlichen Mitarbeitern der Zollbehörde sehen sie sich die Container an.
„Nicht ein einziges Siegel der gelisteten Container ist beschädigt“, berichtet Bodo Danberg den leitenden Beamten. „Es ist nicht zu erkennen, ob sich jemand Zutritt zu den Containern von Michail Orlow verschafft hat.“
„Hier drüben“, ruft plötzlich der kontrollierende Zollobersekretär, der sich bei einem Rundgang einen ersten Überblick verschaffen wollte und nun vor dem Leercontainer von Tymon Baran steht.
Die Baran Container Handels GmbH vermietet, kauft und verkauft Leercontainer für jeden Bedarf, aber das Hauptgeschäft sind die Behälter für die See- und Luftfracht.
Die Duisburger und Düsseldorfer Polizisten folgen dem Ruf des Angestellten der Zollbehörde, der bereits die Hand ausstreckt, um die Tür des Stahlbehälters zu öffnen.
„Das Siegel ist beschädigt. Die Tür steht ein paar Zentimeter offen. So haben die Hafenarbeiter den Container bestimmt nicht hier abgeladen“, versichert der Zöllner. „Daran hat sich definitiv jemand zu schaffen gemacht.“
Bodo Danberg hält den Mann zurück: „Lassen Sie uns das machen!“
Es bedarf nur eines Winks, damit seine Männer das Gelände rund um den betroffenen Behälter sichern, erst danach öffnen sie den Container, damit die ersten Spezialeinsatzkräfte vorsichtig das Innere betreten können.
Konzentriert warten ihre Kollegen vor dem Container auf die Rückmeldung der Elite-Polizisten. Als einer der Männer mit gesenkter Waffe am Eingang erscheint, entspannen sie sich. Die Lage scheint ungefährlich.
„Das sollten Sie sich ansehen“, teilt der Mann seinem Vorgesetzten mit.
Mit Mark Sievers und Björn Klostermann im Schlepptau folgt Bodo Danberg ihm in das Innere des Containers.
Stefan gesellt sich zu seiner abwartenden Schwester. „Du hast da oben super reagiert.“
„Ich hatte Hilfe“, bemerkt sie knapp. „Was habt ihr in dem Container gefunden?“, will sie neugierig wissen.
„Tote Mädchen. Viele!“
„Wie bitte?“ Emma reißt erschrocken die Augen auf.
„Insgesamt achtzehn, alle asiatischer Herkunft. Höchstens zwanzig Jahre würde ich sagen.“
„Wie sind sie gestorben?“
„Keine Ahnung. Das müssen uns die Gerichtsmediziner sagen. Es gibt keine Anzeichen auf Verletzungen.“ Der Hauptkommissar mustert seine Schwester, die er gut genug kennt, um ihr anzusehen, dass ihre Gehirnzellen auf Hochtouren arbeiten. „Was geht dir durch den Kopf?“
Emma betrachtet den Container, dann das Gelände. In Gedanken geht sie die Schritte dieser Männer durch.
Der SEK-Chef und die beiden leitenden Beamten gesellen sich in dem Moment zu ihnen, als die Geschwister ihre Unterhaltung beginnen.
„Überleg einmal. Diese Typen werden gewarnt. Sie wollen um jeden Preis ihre Ware vor uns verbergen. Also bereiten sie alles dafür vor, die Mädchen aus dem Zollgelände herauszuholen.“
„Richtig“, stimmt Stefan seiner Schwester zu. „Allerdings müssen sie damit warten, bis die Fracht vom Schiff abgeladen ist. Erst wenn es im Zollgelände ruhiger wird, können sie loslegen.“
„Das sehe ich genauso“, bestätigt Emma. „Ich schätze, die hatten höchstens eine halbe Stunde Vorsprung vor uns.“
„Wenn überhaupt. Hinzu kommt, dass meine Männer den Transporter verjagt haben, bevor sie die Mädchen einladen konnten.“
„Genau. Damit fingen die Probleme an. Mit ihrer Last konnten sie unmöglich fliehen. Also, wohin mit den Frauen?“
„Du hast Recht“, pflichtet Stefan ihr bei. „Der leere Container bot sich regelrecht an. Allerdings habe ich keine Ahnung, woher die wussten, wieso gerade dieser Container leer war. Das müssen wir unbedingt überprüfen. An einen Zufall glaube ich nämlich nicht.“
„Nein, ich auch nicht. Auf jeden Fall packen sie die Frauen dort hinein. Keine von ihnen darf gegen ihre Entführer aussagen. Erschießen geht nicht. Die Schüsse hätten unsere Leute direkt auf sie aufmerksam gemacht. Das musste möglichst leise vor sich gehen. Und schnell.“
Stefan nickt. „Die waren für den Ernstfall vorbereitet.“
„Ja. Ich tippe auf Gift. Bei der richtigen Menge ist eine Injektion ausreichend, um sofort zu wirken.“
„Damit liegst du bestimmt nicht falsch. Jetzt brauchen die Typen keine Rücksicht mehr zu nehmen und können schnellstens verschwinden.“
„Wäre ihnen ja auch fast gelungen“, ergänzt Emma.
Die Ermittler sind beeindruckt, wie schlüssig diese beiden Beamten den Tathergang nachvollziehen.
Björn Klostermann starrt die Hauptkommissare fassungslos an. „Sie glauben, die wurden vor uns gewarnt? Haben Sie auch schon eine Ahnung, wer das gewesen sein sollte? Von meinen Männern war das garantiert keiner!“
Emmas Blick gleitet nachdenklich über die anwesenden Kollegen. „Nein, das war keiner der hier Anwesenden.“
„Das können wir erst klären, wenn wir in Ihrem Präsidium sind“, vervollständigt Stefan die Gedanken seiner Schwester.
„Dann lassen Sie uns schnellstens hier aufräumen.“
Nur der Fahrer des Iveco konnte den Einsatzkräften, die an der Aktion im Hafen teilnahmen, zu Beginn des Einsatzes entkommen. Nachdem er, seiner Meinung nach, eine ausreichende Strecke zurückgelegt hat, hält er am Straßenrand ordnungsgemäß in einer Parklücke an. Er verlässt den Wagen, ohne ihn zu verriegeln, da einer seiner Kumpane während seiner Abwesenheit Zutritt benötigen könnte, dann läuft er eilends zum Zollgelände zurück, wo er sich nach einem Platz umschaut, von dem aus er so viel wie möglich beobachten kann, ohne gesehen zu werden.
Auf dem Weg dorthin bemerkt er die Hafenarbeiter, die von den Polizisten auf Abstand gehalten werden. ‚Das ist absolut perfekt‘, grinst er, die Polizisten vor dem Zollgelände weiträumig umgehend. Dabei läuft er an einem Gabelstapler vorbei, der nicht nur verlassen vor ihm steht, sondern auf dessen Sitz er zudem einen Schutzhelm findet und die Sicherheitsweste hängt über der Lehne. ‚Genau, was ich jetzt brauche‘, freut er sich.
Mit Helm und Weste bekleidet gesellt er sich zu den Arbeitern, von wo aus er einen Teil der Abläufe beobachten kann. Er sieht, wie Emma seine Kumpane ausschaltet, wie die Einsatzkräfte der Spezialeinheit die übrigen Männer verhaften, wie Hannes versucht zu fliehen und Markus Goldschmidt diesen niederschlägt. Noch bleibt er auf seinem Beobachtungsposten, von wo er ein gutes Bild über das weitere Geschehen hat. Er erlebt mit, wie sein eigener Transporter von den Polizisten auf das Gelände gefahren wird und die toten Mädchen geborgen werden. Jetzt hält ihn hier nichts mehr. Ohne zu zögern verlässt er die Gegend, um seinen obersten Chef zu informieren.
5 Europalette, auch Europoolpalette, ist eine stabile Flachpalette aus Holz zum Transportieren von Waren.
7
Gabriel checkt schon früh aus. Es wird Zeit, dass er sich zum Krankenhaus begibt, um Joseph Klinker abzuholen, bevor einer der Angestellten auf ihn oder seinen Mann aufmerksam wird. Gerade als er dem Portier ungehalten erklärt, dass er seinen Leihwagen selbst in Udon Thani am Flughafen abgeben wird, erscheint Dorothea Waldner an der Rezeption.
Freundlich lächelnd bittet die Ärztin die junge Frau hinter dem Empfangstresen, ein Fax für sie zu ihrer Klinik zu schicken. Mit halbem Ohr hört sie dem Gespräch der beiden Männer zu. Ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen freut sie sich über die Abreise des unhöflichen Mannes.
Noch bevor die Mitglieder der Familie Staller im Krankenhaus eintreffen, hat Gabriel die Rechnung für seinen Freund beglichen und gemeinsam mit ihm das Krankenhaus verlassen. Nicht einmal eine Stunde später sitzen die beiden in ihrem Airbus A320 der Thai Smile Economy auf dem Weg nach Bangkok. Als sie um kurz nach zehn Uhr den Ankunftsbereich verlassen, warten seine Männer bereits am Zoll auf ihn.
Gabriel kann vom Flughafenterminal aus beobachten, wie die beiden Container verladen werden. Die Zöllner der thailändischen Behörden haben sich die Innenräume und die Möbel gründlich angesehen. Obwohl zwei neue Angestellte mit dabei waren, hatte Gabriel nichts zu befürchten. Die arbeitseifrigen jungen Männer erhielten von ihrem Vorgesetzten den Auftrag, sich alle Antiquitäten gründlich anzusehen, ohne etwas zu beschädigen. Damit waren die beiden während der Durchsuchung ausgiebig beschäftigt. Anschließend wurden die Container mit Siegeln versehen.
„Herr Kanthak? Wir sind hier fertig. Es ist alles in Ordnung.“ Der leitende Zöllner reicht Gabriel die Hand. Er fragt sich immer wieder, was der Mann wohl schmuggelt, oder ob er überhaupt schmuggelt, doch bisher konnte er nichts ausfindig machen, das auf Schmuggel hindeutet. Sie bekommen von dem Mann jedes Mal einen Bonus für die gute Zusammenarbeit. ‚Vielleicht honoriert er ja wirklich nur unsere Arbeit‘, überlegt der leitende Kontrolleur.
„Vielen Dank“, antwortet Gabriel dem Mann freundlich. Auch dieses Mal greift er in seine Innentasche, um den Briefumschlag hervorzuholen, den er dem Zöllner offen sichtbar für alle überreicht. „Sie wissen, dass ich immer wieder froh bin, dass Sie Ihre Arbeit so zuvorkommend erledigen. Bei der Durchsuchung verursachte Schäden an den Möbeln könnten mich ein Vermögen kosten. Ihre Achtsamkeit weiß ich zu schätzen. Bitte nehmen Sie diese kleine Spende als Dankeschön an.“
Hocherfreut greift der Zöllner nach dem Umschlag, nickt dem Antiquitätenhändler noch einmal zu, winkt seinen Leute ihm zu folgen, dann sind sie verschwunden.
Gabriel sieht den Männern hinterher. ‚Das war leicht‘, beruhigt er seine immer wieder angespannten Nerven. Keiner der Zöllner hat eine Ahnung, dass unter den beheizbaren Zwischenböden einunddreißig junge Thailänderinnen, gut verwahrt, gegen Kälte geschützt und mit Sauerstoffmasken versehen für die nächsten achtzehn bis zwanzig Stunden friedlich schlafen. Sollte doch einmal eine von ihnen aufwachen, werden sie, durch die lange Trockenzeit dehydriert, sofort zu den überall verteilten Wasserflaschen greifen. Ein paar Schlucke reichen aus, um sie wieder einschlafen zu lassen. In den letzten drei Jahren ist das nicht ein einziges Mal vorgekommen. Daher konnten sie die Zöllner auch nicht auf sich aufmerksam machen. Seine Leute sind gut in ihrem Geschäft. Er kann sich zu hundert Prozent auf sie verlassen.
‚Die erste Hürde ist problemlos geschafft. Die Zollbehörden in Deutschland sind da schon ein anderes Kaliber‘, gesteht er sich. Bei denen kommt er mit dieser Gangart nicht weit, doch auch dafür hat er eine Lösung.
Kurz nachdem die Beladung des Transportflugzeuges, eine Boeing 747 der Cargo Gesellschaft, abgeschlossen ist, startet sie in Richtung Düsseldorf. Der Nonstopflug dauert knapp dreizehneinhalb Stunden, die planmäßige Landung des Charterflugzeuges soll nach Düsseldorfer Ortszeit um zwanzig Uhr stattfinden. Die Container müssen bis zur Abholung auf dem Zollgelände des Flughafens verweilen, doch lange werden sie dort garantiert nicht stehen.
Gabriel weiß, dass seine Männer mit der passenden Zugmaschine inklusive Auflader bereitstehen werden, um die Container vor der Schließung des Zollgeländes abzuholen.
Gabriel, die Hände in den Hosentaschen, sieht der startenden Maschine zufrieden nach. Er hat heute Morgen nur einen kurzen Blick auf sein Handy geworfen, um in Seelenruhe sein Frühstück zu beenden. Die Anrufe von Nina hat er gänzlich ignoriert. Ihm steht momentan nicht der Sinn danach, sich mit der Polizistin zu beschäftigen. Sicher, sie ist für ihre Organisation überaus nützlich, deswegen wird er darauf achten, sie bei Laune zu halten, aber das muss er nicht gerade aus Thailand machen. Nur, weil sie ihre Hormone nicht im Griff hat, braucht er sich noch lange nicht auf einen Smalltalk6 mit ihr einlassen. Sollte es wichtig sein, weiß Nina, wen sie kontaktieren muss.
Gemeinsam mit seinen drei Handlangern wartet er auf seinen Flug nach Deutschland. Ein paar Minuten nach dreizehn Uhr werden sie sich mit einem Zwischenstopp in Zürich auf den Weg nach Düsseldorf machen. Erst für zweiundzwanzig Uhr fünfundzwanzig ist die planmäßige Ankunftszeit angesetzt, doch um seine Container macht er sich keine Sorgen. Es ist alles hundertprozentig durchgeplant.
Karola und Peter sind am letzten Abend einfach nur noch ins Bett gekippt. Sie waren viel zu müde, um über den Tag nachzudenken. Am nächsten Morgen treffen sie im Frühstücksraum mit Karos Mutter zusammen.
„Na, ihr zwei“, begrüßt Dorothea Waldner ihre Familienmitglieder. „Wie ist es euch gestern ergangen? War die Fahrt mit der mobilen Klinik interessant?“
Karola schaut ihren Mann entschuldigend an. „Für mich schon. Peter musste sich allerdings zurückhalten. Ich gehe davon aus, dass er sich nur gelangweilt hat. Oder?“, wendet sie sich fragend ihrem Mann zu.
„Gelangweilt ist der falsche Ausdruck.“ Der Konzernchef betrachtet seine Frau versonnen. „Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, auf einem Pulverfass zu sitzen, so als müsste jeden Moment etwas Schreckliches passieren.“
„Ja, ich weiß, was du meinst, mir ging es ähnlich. Als dann auch noch dieser widerliche Kerl aus dem Hotel aufgetaucht ist, sah ich die Katastrophe regelrecht vor mir. Ich hätte nie gedacht, dass sich der Mann auch friedlich verhalten kann.“
„Welchen Kerl meinst du?“ Peter war bis jetzt nicht klar, dass Karo in der Karaokebar auf Gabriel Kanthak traf.
„Der Mann, mit dem ich hier im Hotel zusammengestoßen bin, der war auch in dieser Bar in Pak Chom. Ich hatte ein ungutes Gefühl dabei, Malee allein zu lassen. Deswegen bin ich wieder hinein gegangen. Da habe ich ihn dann gesehen.“
„Und du hast es nicht für nötig gehalten, mir das zu sagen?“, erkundigt sich Peter erzürnt. „Glaubst du, ich hätte dich allein da hineingehen lassen? Nach dem, was am Abend vorher hier passiert ist?“
„Das wusste ich doch beim Hineingehen noch nicht“, verteidigt sich Karo. „Außerdem kann ich mich ganz gut allein behaupten. Als ich in die Bar zurückkam, hielt der Mann Malee am Arm fest. Ich wollte gerade dazwischen gehen, als er ihr zuvorkommend den Arztkoffer vom Boden aufhob. Malee sagte mir anschließend, sie wäre beinahe gefallen, wenn er sie nicht festgehalten hätte, zudem konnte ich beobachten, wie er ihr einen Handkuss aufdrückte. Malee gegenüber war er ausgenommen freundlich. Im Gegensatz zu mir.“
Dorothea lacht. „Ich würde sagen, du bist eben nicht sein Typ. Aber du kannst dich beruhigen, ich habe ihn heute Morgen schon gesehen. Beim Auschecken. Er ist abgereist.“
„Wie bedauerlich.“ Alle drei lachen bei Peters ironischer Bemerkung auf.
„Hast du im Krankenhaus auch alles erreicht, was du wolltest?“
Die Frage ihrer Tochter lässt sie lächeln. „Viel mehr als das. Das Krankenhauspersonal und die Ärzte saugen jedes Wort, das ich sage, regelrecht auf. Sobald ich darauf hinweise, dass ein Gerät oder eine Einrichtung erneuert werden sollte, fallen ihnen beim Nicken fast die Köpfe ab.“
Peter muss bei der Schilderung seiner Schwiegermutter schmunzeln. „Das kann ich mir vorstellen. Solange alles von deinem Klinikum bezahlt wird, haben die damit bestimmt kein Problem.“
„Das allein ist es aber nicht. Alle versprechen sich davon, dass sie ihre Arbeit besser verrichten können. Dafür geben sie gern einen Teil der Verantwortung und auch der Kontrolle an uns ab. Kommt doch einfach heute noch einmal mit, dann kann ich euch alles zeigen.“ Verschmitzt beäugt sie ihren Schwiegersohn. „Vielleicht schaffe ich es ja sogar, einen gut betuchten Konzernchef zu einer ordentlichen Spende für das Krankenhaus zu bewegen.“
Die Idee seiner Schwiegermutter lässt Peter vergnügt auflachen. „Wo siehst du hier einen Konzernchef? Ich sehe nur Urlauber.“
Gut gelaunt machen sie sich eine Stunde später auf den Weg.
Schon beim Aussteigen aus dem Taxi können sie feststellen, dass etwas anders ist. Der Krankentransporter steht verschlossen vor der Türe und der Fahrer von gestern sitzt gemütlich auf einer Bank neben dem Eingang. Freundlich grüßt er die näherkommenden Besucher.
„Guten Morgen“, wendet sich Peter höflich an den Fahrer. „Haben Sie heute keine Fahrt mit der mobilen Klinik geplant?“
„Das hatten wir schon. Aber Malee und Tuptim sind krank, deswegen fehlt Personal. Da können wir nicht fahren. Wir müssen warten, bis es ihnen wieder besser geht.“
„Krank? Aber es ging ihnen gestern doch noch gut“, wundert sich Karo.
„Ich weiß leider nicht viel. Nur, dass ihr Bruder angerufen hat. Er sagte, sie sind beide krank. Wenn Sie noch einmal mitfahren wollen, sollten Sie in ein oder zwei Tagen vorbeikommen. Dann fahren wir bestimmt wieder.“
„Ja, vielleicht machen wir das. Danke.“
Auch bei den Krankenpflegerinnen herrscht nicht die gleiche Fröhlichkeit wie sonst. Sie alle bedauern, dass es den beiden Schwestern anscheinend so schlecht geht, dass sie nicht zur Arbeit kommen können.
Dorothea führt ihre Familie durch das Krankenhaus. Sie zeigt Peter und Karola, wo sie mit dem Aufrüsten beginnen will, weist auf die Stellen und Geräte hin, an denen Handlungsbedarf notwendig ist und welche Geräte unbedingt angeschafft werden müssen. Im Anschluss begeben sie sich in das gleiche Büro, in dem sie gestern schon mit dem Ärztekomitee zusammengetroffen sind.
Auch heute sind einige Ärzte und die beiden leitenden Angestellten anwesend, auf dem Schreibtisch liegen die erstellten Protokolle, mit denen sich die Anwesenden ausgiebig beschäftigen. Vor einer der Wände stehen drei Flip-Charts, auf denen Dorothea Waldner gestern dem Krankenhauspersonal verdeutlicht hat, wie sie vorgehen werden. Bis die gesamten Pläne und Verträge ausgearbeitet sind, wird noch einige Zeit verstreichen, trotzdem sind sich alle einig.
„Gemeinsam werden wir es schaffen“, erklärt Sarinya Panyarachun, die von ihrer Arbeit überzeugt ist. „Mit einer modernisierten Klinik werden wir auch endlich mehr Personal anlocken können. In einer alten Klinik will niemand arbeiten. Wir sind viel zu wenig Ärzte, um allen Menschen, die hierherkommen, helfen zu können. Auch im Pflegedienst brauchen wir Verstärkung. Fällt auch nur eine Pflegekraft oder Krankenschwester aus, schmeißt das unseren ganzen Tagesablauf durcheinander. Überstunden machen sowieso alle viel zu viele.“
Die anderen Ärzte nicken bestätigend zu ihren Worten.
„Jetzt verstehe ich auch, warum die mobile Klinik vor der Tür steht. Da Malee ausfällt, haben Sie keine Krankenschwester über, die sie ersetzen kann.“
Die Ärztin stimmt dem Unternehmer zu. „Ja, richtig. Da Tuptim gleich mit ausfällt, haben wir auch im Hause nicht genügend Personal.“
„Wissen Sie, was mit den beiden ist? Woran Sie erkrankt sind?“ Karola wird von einer inneren Unruhe aufgewühlt, ohne dass sie sagen könnte, warum.
„Das weiß leider niemand. Ihr Bruder hat heute Morgen in aller Frühe am Empfang angerufen. Er hatte keine Zeit sich durchstellen zu lassen, weil er wohl dringend zur Arbeit musste.“ Sarinya runzelt die Stirn. „Eigenartig, ich wusste gar nicht, dass es einen Bruder gibt.“ Fragend schaut sie ihre Vorgesetzten an.
„Er war einmal hier“, teilt ihr der leitende Angestellte mit. „Ganz am Anfang, als Malee hier anfing. Er ist ein paar Jahre älter als seine Schwester. Ich war der Meinung, er studiert in Deutschland. Vielleicht ist er endlich fertig. Auf jeden Fall ist er zuhause. Wenn es den beiden schlimmer gehen würde, hätte er sich schon längst gemeldet.“
Karola hat keine Ahnung, warum sie so besorgt ist. „Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Malee besuchen würde? Ich möchte mich nur davon überzeugen, dass es nichts Ernsteres ist.“
„Das ist eine gute Idee“, pflichtet ihre Mutter ihr bei. „Wenn du noch etwas warten kannst, werde ich dich begleiten. Ich muss hier vorher aber noch einiges in Gang setzen.“
„Ich komme auch mit“, verspricht Peter.
Das kleine Haus, zwanzig Gehminuten vom Udon Thani Hospital entfernt, weist auf eine liebevolle Hand hin. Rund um das Grundstück verläuft eine kleine Mauer, die in frischem Weiß erstrahlt. Bäume und Buschwerk, liebevoll angeordnet, sorgen gemeinsam mit der bunten Pergola für die Schattenspende auf der Terrasse.
Da niemand zu sehen ist, öffnet Peter das kleine Tor am Eingang. „Hallo?“ Er erhält keine Rückmeldung. „Hallo!“
Karola betritt das Haus, in dem sie sich sorgfältig umschaut. „Hallo, ist jemand hier?“
„Ich gehe einmal außen herum“, erklärt ihr Peter. Gerade als er das Haus von der Rückseite aus betritt, hören sie eine Stimme.
„Was wollen Sie hier? Verlassen Sie sofort dieses Grundstück!“
Karola dreht sich zu dem alten Mann um, der jetzt drohend auf sie zukommt. Durch den Eingang erkennt sie draußen zwei weitere Personen. Da der Mann Englisch gesprochen hat, geht sie davon aus, dass er sie versteht. „Wir suchen Malee und ihre Schwester Tuptim. Deswegen sind wir hier. Haben wir uns im Haus geirrt?“
Nachdenklich mustert der Mann die Unternehmers-Gattin. „Warum?“
„Wir kommen vom Krankenhaus und wollen nur nachsehen, wie es den beiden Mädchen geht. Immerhin waren sie gestern noch gesund.“
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