Kitabı oku: «Der sechste Sinn», sayfa 14
Das große Verhör
Der Knoten zieht sich zusammen. – Wir sind nun soweit, daß wir Bescheid haben wollen. Auf vielen kleinen Wegen sind wir dem großen Endziel entgegengeführt worden. Wer ist der Dieb, wer hat Gutsbesitzer Busgaards Geld gestohlen?
Ein Mann weiß es, und das ist Kriminalassessor Thomas Klem. Er weiß es so sicher und bestimmt, er kann auf den Dieb herabstoßen und mit schallender Stimme sagen: Du bist der Mann! Und das ist es auch, was er jetzt will. Sein Gespräch mit dem Kreisrichter war das letzte abschließende Glied in einem sorgfältig überlegten und sorgfältig durchgeführten Plan, worin nur das allernotwendigste dem blinden Zufall überlassen war.
Thomas Klem wollte nicht überraschen; wenn alles in Ordnung war, sollte der Verbrecher verhört werden; wollte man die Sache dann in Güte ordnen, so konnte es geschehen, wenn der Verbrecher es verdiente. Aber alles mußte offen und klar zu Tage liegen, der Beweis sollte der Beschuldigung auf dem Fuße folgen, das Geständnis sollte nicht erzwungen, sondern unter der Wucht des Unabwendbaren abgelegt werden. Und alles sollte offen vor den Augen derer, die es anging, vor sich gehen.
Der Kreisrichter und Busgaard warteten laut Verabredung in der Wohnstube, die beiden jungen Mädchen waren auf ihrem Platz und Frau Busgaard ging nervös hin und her wie eine Bruthenne, die von den Eiern verjagt ist und nicht wieder hingelangen kann.
Busgaard war etwas mißtrauisch. – »Ich will Ihnen eins sagen,« sagte er zum Kreisrichter, »ich habe nicht viel Fiduz zu Thomas. Er fing damit an, mich und Mutter zu beschuldigen, dann brachte er Klemmesen in Verdacht, jetzt hat er den jungen Menschen im Keller unten festgesetzt, und wir sind soweit, wie wir waren.
Polizeidiener Hansen sagt nichts, er sieht geradezu einen Papst in Thomas, und wir zwei dürfen unsre Trios nicht spielen. Der Teufel weiß, wozu das alles dient. Das Mädchen hat er mir abgezwungen, und dabei tut er wichtig wie immer und hat uns jetzt zu einem großen Verhör, wie er sagt, zusammengetrommelt.
Ich weiß nicht, ob ich der Idiot bin!«
Der Kreisrichter lächelte, sagte aber nichts.
Es klopfte und Klemmesen trat herein; der brave Verwalter war stark mitgenommen von den Ereignissen des Tages und noch ein bißchen geduckt nach der Abrechnung mit seinem Gutsherrn; er kam zu einer Türritze herein. Die Kunst verstand er, wenn er verlegen war.
Busgaard versuchte herzlich gegen den Verwalter zu sein, aber es wollte nicht recht gehen; so fuhr er fort, auf Thomas herumzuhacken.
Klemmesen nickte Beifall, aber der Kreisrichter war nicht dafür zu haben.
»Ich habe Vertrauen zu dem Assessor,« sagte er, »das ist eine Arbeitskraft, eine bedeutende Kraft!«
Der gute Kreisrichter fühlte selber, daß seine eigene Arbeit in der Angelegenheit nicht von großem Gewicht gewesen war.
»Gott sei Dank – da kam Thomas mit Willumsen!«
»Na, da sind Sie – wir sprachen von Ihnen,« sagte der Kreisrichter und rieb sich die Hände.
»Gut oder schlecht?« fragte Thomas; das war eine Wendung, die er oft brauchte.
»Gut natürlich. Wie steht es denn?« fragte der Kreisrichter.
Thomas wandte sich an Willumsen.
»Ich habe mit Herrn Willumsen über die Sache gesprochen – er ist ganz bekümmert wegen des jungen Mannes und hat für ihn gebeten.«
»Das macht Ihrem guten Herzen Ehre, Herr Ingenieur,« sagte Heiden freundlich.
»Was soll man sagen – es ist so häßlich. Und es liegt ja nichts gegen ihn vor – so viel ich weiß,« fügte er vorsichtig hinzu.
Thomas unterbrach ihn. »Man beginnt mit wenigen und allmählich wird es mehr. Das ist die Kunst des Verhörs. Wir müssen eine Grundlage haben. Ich halte es für richtiger den verdächtigen Fremden anzuschuldigen als unsern Freund Klemmesen.
Will der Kreisrichter jedoch den Verdacht gegen den Verwalter aufrecht erhalten, á la bonheur!«
Busgaard bekam einen roten Kopf: »Nein, nein, nein – um Verzeihung, Klemmesen.«
»Bitte sehr, Herr Gutsbesitzer,« lautete die gutmütige Antwort des Verwalters. »Wenn es ein zweites Mal sein muß, ich stehe ganz zu Diensten.« Man lachte.
»Ich habe Hansen gebeten,« fuhr Thomas fort, »mit Ihrer Erlaubnis den Verhafteten heraufzuführen. Niels und Stine Steiffinger sind vorgeladen, Tyr und Monny werde ich brauchen, und für Tine ist es gut, ihren Bräutigam bei der Arbeit zu sehen.
Der Kreisrichter ist hier von Amtswegen, Onkel Bus als der Bestohlene, ist selbstverständlich zugegen und mit ihm Tante Mus auf Grund der Gütergemeinschaft! – Es wird eine große und stattliche Versammlung, nicht wahr?«
»Und ich?« fragte Klemmesen, der Lust hatte auszukneifen.
»Sie sind noch nicht von jedem Verdacht gereinigt, mein Herr, wollen Sie es unterlassen, sich wichtig zu machen.«
»Aber ich bin offenbar ganz überflüssig,« sagte Willumsen mit einem Lächeln.
Thomas verneigte sich vor dem Ingenieur: »Das sind Sie durchaus; aber da Sie entschieden der einzige sind, den die ganze Sache nichts angeht, würde ich Wert darauf legen, wenn Sie als unparteiischer Zeuge bei dem Verhör zugegen sein wollten.«
»Der Assessor hat recht, Sie tun auch mir einen Gefallen damit,« fügte der Kreisrichter hinzu. Das war ja eine einfache Folge der juristischen Erwägungen, die dem großen Schlag vorausgingen.
Jetzt kam Hansen mit Arthur herein. – Der Aufenthalt im Keller hatte den jungen Mann ungeduldig gemacht.
»Kann ich ein Wort mit Ihnen reden, Assessor Klem?« sagte er und ging direkt auf den Assessor los, der jedoch abwinkte.
»Nein, ich will jetzt mit Ihnen sprechen!« fuhr der Arrestant fort. »Ich finde mich nicht länger in diese Komödie hier. Das ist doch bei Gott im Himmel zu lächerlich.«
Thomas machte ein finsteres Gesicht.
»Hören Sie, junger Mann! Es geschieht Ihnen nicht das mindeste Unrecht. Und kennen Sie mich, wie Sie behaupten, so werden Sie wissen, daß ich zu dem berühmten Typus der modernen, humanen Kriminalisten gehöre, die des Landes Hoffnung in diesen Tagen des Kummers und der Niedertracht bilden.
Also Sie warten!«
Thomas wandte sich an den Polizeidiener und sagte scharf: »Hansen, geben Sie acht auf den Verhafteten – und auf mich!«
Der Polizeidiener verbeugte sich: »Jawohl, Herr Assessor!«
Thomas fuhr fort: »Ja, Herr Kreisrichter – Hansen und ich sind einverstanden, und Sie gaben mir ja in unserm kleinen Mittagsgespräch im wesentlichen recht. Wir sind also einig. Nicht wahr?«
»Ja, soweit Sie mich eingeweiht haben,« sagte Heiden freundlich.
»Ich habe versprochen, daß es jetzt kommen soll. – Verlassen Sie sich nur auf mich. Jetzt fehlen bloß noch Niels und Stine.«
Die beiden Fehlenden, die mit dem Arrestanten zusammen gekommen und nur draußen bei ihrer Freundschaft gewartet hatten, traten jetzt höchst feierlich und andächtig ein. Niels stellte sich würdig auf und trug seinen kleinen Rausch mit großem Anstand.
»Na, da seid Ihr ja,« sagte Thomas.
»Jawohl, Thoms,« lautete die Antwort.
Jetzt kam auch Frau Busgaard mit Monny, Tine, Tyr und Tut, die sie aus dem Eßzimmer geholt hatte. Thomas musterte die Versammlung.
»Ja, dann können wir zu unsrer Arbeit schreiten. Sie kann recht ernst werden – und ich möchte Sie alle bitten mir zu helfen. Und besonders Sie, Herr Kreisrichter, Sie sind ja der eigentliche Präses!«
Thomas machte dem Kreisrichter eine Verbeugung.
»Ich verlasse mich auf Sie,« sagte Heiden ernst und nahm Platz am Ende des Tisches, während die ganze Gesellschaft sich um die Hauptperson in dem Drama, das jetzt zu Ende gespielt werden sollte, herumgruppierte.
Thomas stand an dem Sekretär, dicht neben dem Stuhl des Kreisrichters. Die Familie Busgaard war so zu sagen in Reih und Glied aufmarschiert. Der Gutsbesitzer und seine Frau am Klavier, Tine auf dem Stuhl vorm Klavier, Tyr und Tut hinterm Klavier, Monny ganz im Hintergrund. Arthur stand ganz in der Nähe des Kreisrichters unter Hansens Bewachung, während die beiden Leute aus dem Volke sich im Hintergrund an die Tür zum Vorzimmer drückten.
Willumsen allein hatte keinen festen Platz gefunden, er ging hinterm Klavier auf und ab. Es paßte ihm nicht, daß dieses Verhör sich vor solch einem Auditorium abspielen sollte. Eine gütliche Auseinandersetzung mit Arthur schien also ausgeschlossen, da sowohl der Kreisrichter und der Polizeidiener, sowie zahlreiche Zeugen dem Verhör beiwohnen sollten. Es kam jedoch kein Protokoll zum Vorschein, und das war ein Glück.
Thomas bemerkte die Unruhe des Ingenieurs.
»Darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen, Herr Willumsen.«
»Danke, ich stehe lieber, ich habe heute so viel gesessen,« antwortete der Ingenieur.
»Wie Sie wollen,« sagte Thomas freundlich.
»Ja, soviel ich sehe, hat sich die Gesellschaft gruppiert und wir können beginnen.«
Thomas stand, wie erwähnt, am Ende des Tisches nahe an dem Sekretär. Er beugte sich zu Heiden herab.
»Ja, dann will ich mit Erlaubnis des Herrn Kreisrichters die Sache kurz durchgehen. Nicht wahr?«
»Wie Sie wollen. – Dies ist kein Verhör, und ich verlasse mich darauf, daß Sie nicht vorgreifen!« Der Kreisrichter wollte doch gern sein formelles Recht wahren.
Thomas verbeugte sich.
»Sie können sich ruhig auf mich verlassen, Herr Kreisrichter. Also, Onkel Bus, am Sonnabend bekamst Du 2500 Kronen vom Rechtsanwalt Pagh, Du nahmst sie selber von der Post in Empfang, quittiertest und legtest das Geld – –«
»Zuerst in mein Schreibtischfach, nachher, ehe ich mit Klemmesen abrechnete, legte ich es in den Sekretär,« bestätigte Onkel Bus.
»In dieses zweite Fach rechts, zu dem Du den Schlüssel hast und das Du abschlossest,« fuhr Thomas fort, der jetzt Busgaard verhörte, dessen Antworten kurz waren.
»Ja,« lautete die Antwort.
»Was war die Uhr?«
»Vier, glaube ich. – Es fing an dunkel zu werden.«
»Danke! Und als der Onkel mit dem Geld hereinkam standest Du, Monny, mit ihm, dem Arrestanten da, hinter der Gardine?«
Thomas wandte sich an Monny, die aus ihrem Halbversteck ein »Ja« stammelte.
»Und Sie bekennen, daß die junge Dame dort mit Ihnen stand?« sagte Thomas, sich an den verhafteten Arthur wendend.
»Ja,« antwortete der junge Mann laut und deutlich.
Thomas fuhr fort:
»Sie sahen, wie Gutsbesitzer Busgaard das Geld in das Fach legte?«
Der Verhaftete nickte.
»Ich sah, daß er etwas hineinlegte – daß es ein Geldbrief war, sah ich nicht«– Thomas wandte sich an Monny.
»Du sprachst nicht mit ihm davon, was es war, Monny?«
Monny zögerte, und zu ihrer großen Erleichterung glitt Thomas über die Frage hinweg.
»Du sprachst jedenfalls davon, daß es in dem Sekretär war, den Ihr für den Austausch Eurer Briefe benutzen ließt.«
»Ja,« erwiderte Arthur in ihrem Namen und Monny schloß sich ihm an:
»Und wir sprachen davon, daß das oberste Fach nicht verschlossen wäre.«
»Ist das wahr?« fragte Thomas Arthur.
»Ja,« lautete die Antwort.
»Sie behaupten also, junger Mann, daß dies alles ist, was Sie vom Sonnabend Nachmittag erzählen können?« Es klang wie eine Anklage.
»Bis Mon – – Fräulein Busgaard mir vorgestern von dem Diebstahl erzählte, dachte ich nicht an den Sekretär,« sagte Arthur fest und bestimmt.
»Stine!« rief Thomas.
»Wie beliebt?« Und Stine trat aus dem Hintergrunde hervor.
»Die Zeugin ist taub, Herr Kreisrichter,« erklärte Thomas, »und sie nennt mich Thoms – das beeinträchtigt die Würde des Gerichtes nicht. Also Stine,« redete er die alte Frau an.
»Ja, Thoms!«
»Sie bleiben dabei, daß Sie nach Verabredung mit Frl. Monny jeden Tag die letzten zehn Tage Briefe von und an den jungen Mann, der dort steht und der beim Waldhüter logiert, geholt und hineingelegt haben?«
Diese plötzliche Enthüllung erregte ungeheure Bewegung in der Familie Busgaard und rief eine Explosion bei dem Haupte der Familie hervor:
»Daß Du das konntest, Monny –«
Thomas fiel ein: »Stine spricht, Onkel! – Bleibst Du dabei, Stine?«
»Ich muß wohl, nachdem Thoms zu Mittag es von mir erfahren hat,« lautete die brummige Antwort.
»In dieses Fach hier?« fragte Thomas und zog das oberste Fach auf.
»Richtig,« sagte Stine.
»Und Sie, junger Mann, haben die Briefe regelmäßig bekommen?« fragte er weiter.
»Jeden Tag, bis zum Sonnabend,« sagte Arthur unverzagt. Jetzt war also ihr Geheimnis verraten, und das war eine große Erleichterung.
»Ist das richtig, Monny?«
»Ja.«
»Und jetzt Du, Tyr?«
Thomas wandte sich mit ernstem Gesicht an Tyr, der ganz benommen von dem Detektivroman mit offenem Mund und Augen, wie auf Stielen dastand.
»Jawohl, Vetter Thomas,« antwortete er mit schallender Stimme.
Thomas wehrte ab: »Ich bin nicht taub, Vagabund! – Du sahst Freitag morgens Stine den Brief hineinlegen, und dann gucktest Du Dir die Aufschrift an?«
»Ja,« antwortete der Übeltäter verlegen; aller Augen richteten sich auf ihn.
»So ein garstiger Junge!« rief Monny mit tiefer Empörung aus.
»Pfui, Tyr, so etwas mußt Du nie tun,« erklang vorwurfsvoll die Stimme der Mutter.
Tyr wurde ganz klein und verkroch sich beinahe unters Klavier.
»Und Du warst so böse auf Monny, und um ihr einen Streich zu spielen, verrietest Du es Niels?« fuhr Thomas unbarmherzig fort.
»Richtig,« ertönte Niels etwas belegte Stimme.
»Du wartest, Niels!« sagte Thomas streng.
»Nichts für ungut, Thoms« – kam es versöhnlich aus dem Munde des Kutschers.
Thomas wandte sich an den Kreisrichter.
»Er nennt mich nämlich auch Thoms!« – Das tatest Du also, Tyr?«
Tyr schwieg und gab mit seinem Schweigen seine Zustimmung kund, aber Thomas wollte eine Antwort haben.
»Wenn man ein gutes Gewissen hat, spricht man laut. Tatest Du es?«
»Ja!« preßte der Sünder heraus.
»Na und Sie, Niels? – Sie hatten bemerkt, daß der junge Mann dort um den Hof herumschlich, und da Sie meinten, es geschehe um Monnys Willen – –«
»Das rechnete ich mir gleich aus,« fiel ihm Niels ins Wort.
– »so wandten Sie sich an einen Mann, von dem Sie annahmen, es würde ihn interessieren?«
Thomas sah Niels scharf an, der sich mächtig in die Brust warf.
»So ist's! Ich sagte es dem Ingenieur; das ist ein tüchtiger Mann, und ich weiß, daß der Gutsbesitzer ihn gern für Monny haben wollte.«
Willumsen unterbrach ihn: »So, so Niels! – Das ist ja gar nicht wahr.«
»Bisher ist doch alles so gut gegangen,« bemerkte der Kreisrichter friedlich.
Thomas lächelte:
»Ja, einige Schwierigkeiten hat man immer zu bekämpfen!«
»Niels hat Ihnen also nichts davon gesagt, Herr Willumsen?«
Willumsen schüttelte den Kopf.
»Nein. Gewiß habe ich nichts dagegen gehabt, der Familienszene beizuwohnen, aber wenn man es recht betrachtet, bin ich doch ein Fremder – und wenn der Herr Gutsbesitzer – – –«
Busgaard protestierte.
»Nein, mein lieber Ingenieur, Sie gehören halbwegs mit zur Familie, und Sie brauchen sich nicht zu schämen, es zu sagen. Die Schuld ist mein – Sie haben zu mir von dem Mädchen gesprochen, und ich habe Ihnen so halb und halb ein Versprechen gegeben. Ich konnte ja nicht ahnen, daß sich Schwierigkeiten einstellen würden.«
Der Kreisrichter rieb sich die Hände.
»Also, lieber Willumsen, Sie können sich Ihr Zartgefühl sparen, wir erkennen es an, aber es ist überflüssig. Niels hat es Ihnen also gesagt,« forschte Thomas wieder.
»Was?« fragte der Ingenieur.
»Daß ein Brief, der Sie interessierte, im Sekretär zu finden wäre,« fuhr Thomas direkt zum Ingenieur gewandt fort.
»Ich erinnere mich nicht,« lautete die ausweichende Antwort. Dies war ja gegen alle Verabredung.
»Da kann ich einen Eid drauf leisten,« trumpfte Niels auf und trat an den Tisch vor.
»Das ist nicht nötig,« sagte Heiden abwehrend.
Thomas hielt sich an den Ingenieur: »Sie bestreiten es nicht – oder?«
Willumsen zuckte die Achseln.
»Nein, wenn Niels es so bestimmt behauptet, wage ich es nicht zu bestreiten – ich kann mich nur nicht daran erinnern.«
»Ja, jetzt haben wir von Stine und Niels erfahren, was wir wollten. Ihr könnt gehen!« – Es fiel Niels allmählich schwer, den nötigen Anstand zu bewahren.
»Danke,« sagte Stine und packte ihn beim Rockschoß.
»Danke, Thoms,« wiederholte Niels und wirbelte herum. Und die beiden verließen in Stille den Wahlplatz.
»Tyr kann gehen,« sagte Thomas, »und Tut auch!«
Tyr ergriff schleunigst die gebotene Gelegenheit und zog seinen Bruder mit sich fort.
»Es kann schon sein, daß dem Bürschchen der Boden zu heiß wurde,« sagte Busgaard mit einem Lächeln.
»Er schämt sich,« meinte Frau Busgaard beschwichtigend.
»Dazu hat er allen Grund,« bemerkte Monny spitz; aber bald erhielten ihre Gedanken eine andere Richtung.
Der Assessor wandte sich plötzlich mit voller Kraft gegen den jungen Mann, als gälte es jetzt den Hauptangriff. Monny bebte.
»Sie behaupten also, daß Sie Arthur Franck heißen, Jura studieren und ein Sohn des Großkaufmanns Hans Franck & Co. sind?«
»Wein und Zigarren,« grunzte Busgaard behaglich. Er hatte sich jetzt ganz beruhigt.
»Das wissen Sie sehr wohl, Assessor Klem! Sie sind ja selber mein Repetitor im Strafrecht und Prozeß gewesen,« sagte Arthur energisch.
»Und Sie wollen von mir gelernt haben, daß das, was nicht in den Akten steht, nicht existiert – also Sie geben die Generalia zu?« fuhr Thomas fort. – »Tun Sie das?«
»Ja,« lautete die Antwort. Der Kreisrichter blickte verwundert auf, das war die erste Überraschung.
»Sie kennen also den jungen Mann, Assessor Klem? Das überrascht mich.«
»Also war auch das Spiegelfechterei,« fiel Klemmesen voller Empörung ein.
Thomas wandte sich rasch dem Sprecher zu.
»Lieber Klemmesen, Sie müssen nicht Worte brauchen, die den Richter beleidigen. – Wir können also vermutlich das kleine Idyll überspringen, Monny!« – fügte er lächelnd hinzu.
»Ja, das finde ich,« flüsterte Monny verlegen.
»Überspring es, Thomas,« sagte Frau Busgaard überredend. Der Kreisrichter protestierte.
»Nein, da muß ich wirklich eingreifen! – Der junge Mann ist verhaftet – er ist wirklich als verhaftet anzusehen – – –«
»Wünschen Sie, daß die Verhaftung aufgehoben wird?« fragte Thomas, seine Worte an Arthur richtend.
»Nein,« lächelte der junge Mann, der zu begreifen begann, daß seine Chancen stiegen.
Thomas wandte sich an den Kreisrichter.
»Nein, ich glaube der Arrest gefällt ihm. – Ach, Hansen – Sie verstehen mich,« sagte er, dem Polizeidiener zunickend; Hansen antwortete mit einem Nicken.
»Gut. – So, Klemmesen, jetzt kommen wir zu Ihnen! Sie gestehen, daß Sie wußten, daß das Geld im Sekretär war?«
»Ja,« antwortete Klemmesen nicht wenig bestürzt; er hatte gemeint, daß er ganz außerhalb der Sache stände. Und jetzt hatte es wirklich den Anschein, als sollte er wieder hineingezogen werden.
Busgaard machte verwunderte Augen und wollte intervenieren, aber Thomas hielt ihn durch eine Handbewegung zurück.
»Nachher! – Sie geben zu, daß Sie am Montag 2500 Kronen bei der Bank eingezahlt haben?«
»Ja,«' lautete die Antwort.
Darauf zog Thomas die zwei Manschetten hervor, die er sich zur Mittagszeit von dem Verwalter hatte ausliefern lassen.
»Und Sie erkennen an, daß diese beiden Manschetten Ihr Eigentum sind?« Er reichte dem Verwalter die Manschetten, die dieser in Empfang nahm.
»Die eine,« erwiderte er, »die mit dem Messingknopf mit der Ausstellung – die andre gehört mir nicht – wie ich Ihnen schon erzählte, Herr Assessor – sie gehört dem Markeur, ich habe sie in der Harmonie vertauscht. Die Manschette hat mir nie gehört. Ich habe Ihnen ja die ganze Geschichte erzählt, Herr Assessor!«
Thomas wandte sich jetzt an Heiden: »Sie werden sich erinnern, Herr Kreisrichter, daß wir in dem Fach den Oberteil eines Knopfes, wie es dieser hier ist, fanden. – Hier ist die Messingplatte.« Und Thomas zog den ominösen Oberteil des Ausstellungsknopfes aus der Tasche und hielt ihn Heiden hin.
»Ja, ich erinnere mich,« antwortete der Kreisrichter und nickte.
Thomas fuhr fort:
»Wollen Sie die Güte haben, daran festzuhalten! Wenn Sie sich nun dieses Fach hier ansehen wollen, – das Fach über dem, worin das Geld lag. Da ist ein breiter Spalt im Boden – sehen Sie hier!« Und nun demonstrierte er dem staunenden Publikum das Geheimnis des Sekretärs.
»Ich denke mir nun, daß eine Person am Sonntag morgen, um einen Brief zu suchen, dieses Fach, das nicht verschlossen werden kann, mit diesem krummen Nagel, geöffnet hat. Ich denke mir, daß er durch den breiten Spalt das Kuvert mit der Aufschrift 2500 Kronen hat liegen sehen! – Dann denke ich mir, hat er das Fach herausgezogen. Es ist keine trennende Holzplatte dazwischen, Dein Versteck ist also schlecht gewählt, Onkel Bus. –
Dieser Er oder diese Sie, wer es nun sei, ist der Versuchung unterlegen und hat das Geld aus dem Kuvert herausgenommen.
Arthur Franck! Sind Sie am Sonntag morgen hier gewesen um Ihren Brief zu holen?«
Der junge Mann schüttelte den Kopf: »Niemals!«
»Und Du Monny?« fuhr Thomas fort.
»Nein,« sagte Monny, »seit Sonnabend bin ich nicht an dem Sekretär gewesen.«
»Da haben wir offenbar Stine zu früh gehen lassen,« bemerkte Thomas zögernd.
»Es sieht unleugbar so aus, als ob der Beweis Ihnen mißlingt, Herr Assessor,« bemerkte der Kreisrichter mit leicht schadenfrohem Lächeln.
Thomas zuckte die Achseln. »Ja, so scheint es! Es geschieht oft in der Rechtspflege, daß alle anderen Beweise fehlschlagen, so daß man sich nur an den Dieb selber halten kann. Und so mag er antworten.«
Und mit einer großen Bewegung zeigte Thomas auf Ingenieur Willumsen, der zusammenfuhr.
»Dort steht der Dieb!«
Ingenieur John Willumsen, wollen Sie Ihre Manschette abnehmen und sie Klemmesen reichen.«
»Herr Kriminalassessor!« protestierte der Ingenieur, blutrot im Gesicht.
Thomas fuhr fort:
»Kein Wort! Dies ist ein Befehl. Hansen, Sie sind für ihn verantwortlich! Nun Herr Ingenieur, die Manschetten?«
Der Polizeidiener näherte sich drohend und der Ingenieur zog seine Manschetten ab.
Der Polizeidiener nahm sie und reichte sie Thomas, der sie dem Verwalter entgegenstreckte.
»Ist das die Ihrige, diese hier?«' fragte er.
»Ja,« antwortete der Verwalter.
»Und dieses Stück Messing paßt zu dem Knopf,« fuhr Thomas fort und zeigte nun, wie das abgelieferte Stück zu dem ramponierten Knopf paßte.
Der Kreisrichter folgte den Ereignissen mit lebhaftem Interesse.
Willumsen faßte sich und trat auf den Assessor zu.
»Das ist Gewäsch und Geschwätz, das ist kein Beweis.«
Thomas wandte sich an den Polizeidiener:
»Ach, Hansen – und Sie, Klemmesen, nehmen Sie seine Arme und halten Sie ihn fest! Jetzt spielen wir nicht mehr, Herr Willumsen! – Hansen, nehmen Sie heraus, was in seiner Brusttasche steckt!«
»Sie tun am besten, es ruhig über sich ergehen zu lassen, mein guter Mann. Sie haben es mit Fachleuten zu tun!«
Und jetzt wurde Willumsen unter den handfesten Griffen förmlich übermannt. Polizeidiener Hansen zog ihm ein paar Briefe aus der Tasche und gab sie Thomas. Der blätterte in den Briefen und entfaltete einen davon.
»Den Brief bekamen Sie heute mit der Post; ich habe es selbst gesehen, als Niels mit der Tasche kam,« sagte er und las vor:
»Herrn Ingenieur Willumsen! Bis zum 18. muß der Wechsel über 2400 Kronen eingelöst sein, andernfalls Protest und Arrest auf Braendholt.
Ergebenst
Kaare Mortensen & Co.«
»Ich weiß nicht, ob ein genügender Verhaftungsgrund vorliegt, Herr Kreisrichter, oder verlangen Sie mehr?
Hier sind mehrere Briefe von derselben Firma. – Es ist ein Wucherer; ich kenne ihn vom Gericht her. Es liegt also genügender Grund zum Verdacht vor, das übrige stelle ich Ihnen anheim!«
Der Kreisrichter war von der Wendung, die die Sache genommen hatte, ganz überwältigt. Er sah abwechselnd den Ankläger und den Angeklagten unsicher an. Thomas' Blick war fest und kalt.
»Nein, ich bin völlig zufrieden, das ist eine genügende Grundlage,« sagte der Kreisrichter immer noch ganz erstaunt.
Thomas richtete sein Wort an den Ingenieur:
»Sie begreifen, Willumsen, das Spiel ist aus. Ich weiß, daß Sie das Geld noch nicht gebraucht haben, es muß also noch hier auf dem Gute sein.«
»Ich habe das Geld nicht genommen. Sie können suchen, wo Sie wollen,« erwiderte der Ingenieur bestimmt.
»Gut, wie Sie wollen! – Wir haben dann nur die Mühe, es selber zu finden,« fuhr Thomas fort.
»Ich hoffe, Sie haben gemerkt, daß ich einige Begabung auf diesem Gebiete besitze – es ist immer gut, sich zu üben! –«
Jetzt intervenierte Heiden:
»Junger Mann, Sie sollten sich überlegen, was Sie tun. Sie sind jung, dies hier ist Leichtsinn – grober, unverzeihlicher Leichtsinn. Aber die Sache ist klar. Es ist einfacher Diebstahl – kein Einbruch, nicht wahr?«
Thomas nickte:
»Ja, ich würde es einfachen Diebstahl nennen. Das Fach war nicht verschlossen –«
»Gut! Sie können also billig davonkommen, vielleicht mit bedingter Strafe. Sie können fortreisen, die Welt steht Ihnen offen, tüchtig sind Sie ja – – –
Aber eine unumstößliche Bedingung ist dabei, Sie müssen sogleich freiwillig das Geld zurückgeben!«
Alle drängten sich jetzt um die Gruppe am Tisch zusammen. Hansen stand steif und beobachtend hinter dem Ingenieur, während der Kreisrichter sich in beinahe flehendem Ton an seine bessern Regungen wandte. Busgaard, Frau Busgaard und Tine hatten sich erhoben und standen schweigend, betrübt, abwartend da. Monny glitt hinter das Klavier mehr und mehr zu Arthur hin, dessen juristischer Sinn indes so gefesselt war, daß er ausschließlich Augen für den Auftritt zwischen dem Juristen und dem Angeklagten hatte.
Thomas selber stand mit verschränkten Armen vor dem Sekretär und Klemmesen glich einem großen Fragezeichen.
Doch Willumsen ergab sich nicht.
»Wir leben doch wohl in einem Lande, wo ein Mann das Recht hat sich zu verteidigen!« sagte er fest und laut.
Der Kreisrichter nickte.
»Gut! Was bedeutet das alles hier? Ich habe Schulden, das gebe ich zu – das habe ich schon dem Assessor Klem zugegeben, als er versuchte, sich in einer Weise, die eines Gentlemans wenig würdig ist, in mein Vertrauen einzudrängen. Ich habe nicht gewußt, daß Geld im Sekretär lag.«
»Das ist eine Lüge,« sagte Thomas scharf.
»Herr Assessor,« fuhr Willumsen drohend fort. »Sie haben kein Recht mich zu beschimpfen. Das können Sie nicht beweisen! – Und was die jämmerliche Geschichte mit den Manschetten anlangt, so ist es wahr, daß ich durch irgend eine Verwechslung diese Manschette von Klemmesen statt meiner eignen bekommen habe.«
»Wo?« fragte Thomas rasch.
»Vermutlich in der Harmonie. Ich habe dort Billard gespielt an dem Tage, wo ich in der Stadt war. Es ist richtig, ich habe die Verwechslung nicht bemerkt. Ich gestehe, daß ich, nachdem der Kutscher mir von dem Versteck erzählt hatte, den Sekretär aufgeschlossen habe, nicht um die Geheimnisse der jungen Dame auszuspionieren, sondern aus Ergebenheit für die Familie.«
»Da haben wir's,« sagte Thomas. »Wann?«
»Sonntag am frühen Morgen. – Ich habe mit Hilfe eines krummen Nagels das nicht verschlossene Fach geöffnet, und ich kann nicht leugnen, daß der Manschettenknopf, als ich die Hand in das Fach steckte, abgeglitten und in das untere Fach, worin das Geld lag, gefallen sein kann. – Das ist möglich – ja es ist wohl sogar unzweifelhaft. Aber das Geld habe ich nicht gesehen, geschweige denn genommen. Und ich bestreite, daß Sie das Recht haben, mich des Diebstahls zu beschuldigen.«
»Was sagen Sie, Herr Kreisrichter?« fragte Thomas.
Der Kreisrichter schüttelte den Kopf. »Selbstverständlich liegt ein unzweifelhafter Grund, den Ingenieur Willumsen zu beschuldigen, vor. Ich trage kein Bedenken diesen Grund zu benutzen – – –«
Willumsen fiel ihm ins Wort:
»Einen Umstand vergessen die Herren in Betracht zu ziehen. Ich habe in der ganzen Sache als Gentleman gehandelt. Ich hege nicht den geringsten Zweifel, daß der junge Mann dort der Dieb ist.«
Es gab allen einen Ruck; nur Thomas blieb ruhig stehen.
Der Ingenieur fuhr fort.
»Ich glaube es noch, und ich muß bestimmt verlangen, daß es jetzt, solange es Zeit ist, untersucht wird. Ich will nur noch hervorheben, daß ich einen Skandal habe vermeiden wollen. Ich habe die ganze Zeit gewünscht, daß die Angelegenheit in Güte geordnet würde, und ich habe mich zu dem Glauben verleiten lassen, daß Sie, Assessor Klem, dasselbe wollten! Ich habe mich geirrt, jetzt kann ich nicht länger Rücksicht nehmen. – Ich verlange, daß die Untersuchung zu Ende geführt wird. Ich stehe nicht allein mit meinem Verdacht auf Herrn Franck. – Fräulein Monny –«
Aller Blicke richteten sich auf Monny.
Sie stand glühend rot drüben am Klavier.
Thomas ergriff das Wort. »Sie haben vollkommen recht, Herr Ingenieur, auch ich habe einmal bemerkt, daß ein ähnlicher Verdacht bei Monny auftauchte – und Sie haben noch in einem Punkte recht. Ihre Erklärung bezüglich des Manschettenknopfes ist nicht von der Hand zu weisen. Der Verdacht ruht also auf Ihnen in gleicher Weise wie auf Herrn Franck. Und ich richte die Untersuchung auf einen bestimmten Punkt: Die Suche nach dem Geld. – Beide Herren sind also angeklagt.«
Arthur Franck näherte sich dem Assessor.
Der Kreisrichter nickte.
Willumsen fuhr fort.
»Sie haben von mir verlangt, ich sollte sagen, wo das Geld wäre. Mir scheint, es wäre natürlicher gewesen, es dort zu suchen, wo es sich aller Wahrscheinlichkeit nach befindet. Und wenn Sie als geriebener Untersuchungsrichter das nicht getan haben, so habe ich das Recht anzunehmen, daß es geschah, weil Sie gleich mir einen Skandal zu vermeiden wünschten. Jetzt handelt es sich um mich selber, und da habe ich keine Rücksicht mehr zu nehmen. Ich verlange, daß der junge Mann visitiert wird.«
»Das ist ein billiges Verlangen,« sagte Thomas, ohne seinen Standort zu ändern. »Ich nehme an, daß Sie sich der gleichen Untersuchung unterwerfen wollen.«
»Sie haben mich schon einmal mit einem Überfall gekränkt,« erwiderte der Ingenieur scharf. »Meine Brusttasche steht ihnen noch einmal zur Verfügung, ebenso wie Herrn Francks Handtasche.«
Thomas verbeugte sich: »Sie haben vollkommen recht.«
»Klemmesen,« sagte er zu dem Verwalter, »tun Sie mir den Gefallen, gehn Sie ins Eßzimmer und bitten Sie Tyr mit Ihnen auf mein Zimmer zu gehen, und holen Sie Herrn Francks Handtasche herunter. Tyr weiß Bescheid.«
Alle starrten den Assessor an; er wandte sich an Arthur Franck. »Es wird jetzt notwendig, die Tasche zu untersuchen. – Ich vermute, Sie haben nichts dagegen?«
Arthur errötete.
»Danach fragen wir nicht,« sagte der Kreisrichter eifrig, »ich verlange es.«
»Gut,« antwortete Thomas, »so muß es geschehen.«
Arthur schlug die Augen nieder, während Willumsen erhobenen Hauptes dastand und den Assessor mit ruhigem und festem Blicke maß.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Tyr und Klemmesen mit der Tasche kamen.
Endlich. –
Thomas nahm dem Knaben die Tasche ab und stellte sie auf den Tisch.