Kitabı oku: «Der sechste Sinn», sayfa 5
Es fängt an, für Klemmesen bedenklich auszusehen
Es gibt etwas, was man als Voreingenommenheit gegen Personen bezeichnen kann; man kann es auch anders nennen, es kommt nicht so übertrieben viel auf Bezeichnungen an, wenn man nur weiß, was sie bezeichnen. Voreingenommenheit würde zum Beispiel entstehen, wenn ein 250 Pfund schweres Fischweib ihren Einzug in die Straßenbahn damit hält, daß sie ihre beiden Füße auf die meinigen pflanzt und darauf ihr Achterkastell auf meine Knie. Wenn nun besagtes Fischweib zufällig auf dem Wege zu meinem Kontor ist, um mich für eine ihr nützliche Transaktion zu interessieren, so darf ohne Übertreibung behauptet werden, daß das Wiedersehen mit ihr eine gewisse Stimmung in mir wecken wird, die ihr nicht günstig ist, auch wenn die Ursache dafür zufällig ist. Bedeutend schlimmer für die Dame ist es, wenn ich Kriminalassessor bin und sie in einer Angelegenheit verhören soll, wobei es sich um unerlaubte Unachtsamkeit handelt.
Dieser Ausdruck, Voreingenommenheit, kann also gebraucht werden von den unfreundlichen und zum Argwohn höchst geneigten Gefühlen, die sich bei dem Kriminalassessor Thomas Klem emporarbeiteten, sobald die Möglichkeit auftauchte, daß sich der Verdacht des Diebstahls auf Klemmesen richten könnte. Er hatte Ursache zu vermuten, daß Klemmesen ein vom Vater begünstigter Bewerber um seine Tine war, und dies konnte ihn nur unfreundlich gegen den ihm sonst unbekannten Mann stimmen.
Nun war eine an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden, daß dieser selbe Klemmesen in einem früheren Besitzverhältnis zu dem im Fach gefundenen Teil eines Manschettenknopfes von der Aarhusausstellung stand; denn von keinem zivilisierten Menschen war von vornherein anzunehmen, daß er mit so einem Ungeheuer von Gebrauchsgegenstand herumlaufen würde, und ein Verwalter aus Salling mußte Thomas seiner ganzen Anlage nach als etwas Unzivilisiertes erscheinen. Er ergriff den Gedanken und verfolgte ihn weiter.
Als Busgaard aus dem Zimmer war, wandte sich Thomas an den Polizeidiener und fragte scheinbar uninteressiert: »Was halten Sie von Klemmesen, Hansen?«
Hansen gefiel sich in Reservationen: »Tja, sagte er philosophisch, was soll man glauben in unseren Tagen? Es kommt ja vor, daß die anständigsten Menschen, sogar Leute in sehr hohen Stellungen . . .«
»Unsinn!« unterbrach ihn Thomas. – »Ja, Verzeihung, Hansen; aber Sie wissen, ich hasse allgemeine Bemerkungen. Ist der Kerl ehrlich?«
Hansen richtete sich auf und fraß seinen Ärger in sich. Bist Du bei Verstand? dachte Hansen. Laut sagte er: »Ich habe nur Gutes über Klemmesen gehört.«
Das würde den anderen ärgern, dachte er, und in diesem Augenblick hätte er selbst einem Bulotti ein Unbescholtenheitszeugnis ausgestellt.
»Kennen Sie ihn genauer?« fragte Thomas.
»Nicht eigentlich!« mußte Hansen einräumen. Durch den Ton des Assessors wurde etwas berührt, was infolge langer Dressur blind reagierte. Der Kreisrichter sah, daß ein kleines Scharmützel heranzog. Er wollte seinen Polizeidiener in Schutz nehmen, den er, ehrlich gesagt, nicht wenig verwöhnte.
»Ich kann die Art nicht leiden, den Verdacht auf einzelne zu richten,« sagte er sehr freundlich, aber doch gleichsam zurechtweisend.
Thomas drehte sich auf dem Absatz herum und nahm den Angriff an: »Nein, ich habe darum auch alle im Verdacht; aber Sie haben ja die Leitung. Also!« –
»So war es nicht gemeint.«
In diesem Augenblick trat Klemmesen ein. Draußen auf freier Flur unter den Vögeln des Himmels und den Tieren des Feldes war Klemmesen mit seiner kurzen gedrungenen Gestalt und seinem hellen lockigen Haar ein ganzer Kerl. In einer Wirtsstube, wo es einen Handel um einen Ochsen oder eine Fohlenstute galt, war er geradezu eine Macht, und sollte im Stall eine Kuh kalben, so schwang er sich zu einer Art Vorsehung auf. Aber hier in der Wohnstube, vom Scheitel bis zur Sohle bestaubt, in grober Kleidung, ungewiß, was es mit der Audienz für eine Bewandtnis habe, unbekannt mit den Leuten, deren Blicke den seinen begegneten, etwas außer Atem, verschwitzt und sehr verlegen, sah er aus wie ein Kalb, das sich auf einen schmalen Steg gewagt hat und die Wellen unter sich rauschen hört, während die schmale Brücke es von dem festen Grund und dem duftenden Gras trennt.
Thomas Klem betrachtete ihn genau, nahm ihn von Kopf bis zu Füßen in Augenschein und schwieg. Dann plötzlich erstrahlte die Stirn des Assessors in Heiterkeit; er schritt leicht und rasch durchs Zimmer und streckte Klemmesen die rechte Hand entgegen.
»Sind Sie Klemmesen? Gott segne Sie, und der Herr sei gelobt, daß Sie Klemmesen sind. Dabei müssen Sie bleiben.«
Klemmesen gaffte, und der Assessor schüttelte die arbeitsgewohnte Hand, so daß die Manschette des Verwalters über die Hand rutschte.
Es war eine Manschette mit dem Knopf von der Aarhusausstellung!
Der Assessor trat zurück.
Klemmesen machte verdutzt ein paar Schritte weiter ins Zimmer hinein.
Der Kreisrichter nickte ihm freundlich zu. Er hatte sich offenbar vorgenommen, die Partei des Verwalters zu ergreifen. Der Polizeidiener stand da und kaute an dem Bissen von vorhin. In Fällen wie dieser, sind Gerichtsbeamte der Unterklasse Wiederkäuer.
Thomas brach das Schweigen: »Ach, Herr Klemmesen, wollen Sie nicht so freundlich sein Polizeidiener Hansen zu helfen, den Sekretär von der Wand zu rücken.«
Hansen glotzte.
»Ziehen Sie den Rock aus, Hansen, und Sie auch Klemmesen!«
Der Polizeidiener gehorchte und zog den Rock aus. Klemmesen zögerte. »Das ist nicht nötig,« sagte er, »er wird nicht schlechter davon.«
»Tun Sie es nur,« meinte der Assessor, »es ist schade um die guten Kleider.«
Klemmesen warf die Jacke ab.
Der Assessor fuhr fort: »Sie sollten die Manschetten ablegen, sie sind nur im Wege. Geben Sie her und rücken Sie das Möbel ordentlich vor.«
Klemmesen reichte Thomas die Manschetten und machte sich an den Sekretär. Heiden starrte staunend auf die Dinge, die um ihn vorgingen. Er begriff nicht, was das alles bedeuten sollte. Da trat Thomas zu ihm hin.
»Bitte sehn Sie, Herr Kreisrichter, das sind ein paar Manschetten, die offenbar dem Verwalter gehören. Die eine Manschette hat einen Knopf, der dem im Fach gefundenen gleicht, einen Aarhusausstellungsknopf. Die andere hat einen Beinknopf. Was sagen Sie nun?«
»Ja, was sagen Sie?« erwiderte der Kreisrichter und sah ihn unsicher fragend an.
»Ich sage, die Knöpfe sind ungleich, aber das sind die Manschetten auch!« Dann wandte er sich an die Beiden, die sich schwitzend am Sekretär abmühten: »Danke, es ist gut, es war nichts. Die Herren können den Sekretär wieder anrücken.«
Der Sekretär wurde wieder an die Wand gerückt und die Herren schlüpften wieder in ihre Röcke. Thomas spielte mit den Manschettenknöpfen. »Das ist ein schnurriger Knopf, den Sie da haben, Herr Klemmesen!« sagte er.
Klemmesen warf einen Blick auf den Knopf. »Ja,« sagte er, »den habe ich auf der Aarhusausstellung vor 2 Jahren gekauft. Ich hatte zwei, aber der eine ist weg. Es ist wohl ein paar Tage her.«
Die 3 Polizeimänner wechselten Blicke, aber Thomas wehrte eine Diskussion ab. »Danke, Herr Klemmesen,« sagte er. »Es ist gut. Sagen Sie mir, wußten Sie, daß Geld mit der Post am Sonnabend gekommen war?«
»Ja,« antwortete der Verwalter sofort. »Ich stand hier, als die Post kam und außerdem sprachen ich und der Gutsbesitzer darüber, da ich die Leute abzulohnen hatte. Es waren ein paar, die Vorschuß haben wollten, aber der Gutsbesitzer wollte das Geld nicht holen.«
»Hm,« sagte Thomas, »Sie wußten also, daß das Geld im Sekretär lag.«
»Wußte,« erwiderte Klemmesen, »ich konnte es mir denken, denn da pflegt der Gutsbesitzer sein überflüssiges Geld aufzubewahren. Er legt es nie in den Schreibtisch aus Angst vor Dieben. Das habe ich oft gesehen. Da liegt es also nahe, an den Sekretär zu denken, und soviel ich mich erinnere, hat der Gutsbesitzer es mir selber erzählt.«
»Aus Furcht vor Dieben?« wiederholte der Kreisrichter und sah den Verwalter freundlich an.
»Ja,« fuhr dieser fort, – er war jetzt mit der Situation ganz vertraut – »es ist ja schrecklich mit dem Diebsgesindel, es breitet sich über das ganze Land aus. Ich kriegte selber so Angst bei der Geschichte hier, daß ich in die Stadt ritt und mein Geld auf die Sparkasse trug.«
»Sie hatten Geld?« fragte Thomas und sah ihn fest an. »Wieviel?«
Klemmesen schüttelte sich ein bißchen.
»Wieviel?« fragte der Assessor, wie einer der gewohnt ist zu fragen und Antwort zu fordern.
»Es waren wohl so zwanzig und einige Hundert,« sagte der Verwalter, wobei die Worte sich ihm entwandten, wie aus einem Schraubengewinde. »Seit dem Bankkrach traute ich den Sparkassen nicht recht; aber nach dem Diebstahl dachte ich bei mir, das, was die kleinen Diebe einem abnehmen, ist man los, während es der Regierung obliegt, einem das zu erstatten, was die großen Diebe an sich raffen.«
Der Kreisrichter lächelte: »Glauben Sie das, Klemmesen?«
»Das weiß ich,« erwiderte der Verwalter bestimmt; »dafür gibt es sicher ein Gesetz. Und so dachte ich, es wäre das Beste, meine Sparpfennige auf die Bank zu legen.«
»Zwanzig und einige Hundert?« fragte Thomas.
»Vielleicht etwas weniger, vielleicht etwas mehr. Ich erinnere mich nicht so genau,« sagte Klemmesen, der offenbar keine Lust hatte, die genaue Summe zu nennen.
Der Kreisrichter blickte Thomas an, der dastand und überlegte.
»Ach, Klemmesen,« fuhr er fort, »wollen Sie die Güte haben, den Gutsbesitzer zu bitten hereinzukommen. – Ja, danke, weiter war es nichts.«
Klemmesen ging.
»Hören Sie, Herr Assessor,« sagte der Kreisrichter, als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, »finden Sie eigentlich nicht, daß wir allen Grund hätten, den Mann etwas näher zu verhören. Er ist im Besitz eines Manschettenknopfes, der unserem vorläufig einzigen Corpus delicti gleicht. Ich hatte den Eindruck, der Mann wußte, daß Geld im Sekretär lag, und dann hat er obendrein Geld auf die Bank gebracht.«
Thomas nickte. »Es freut mich, Herr Kreisrichter, daß Sie sich dieses vollkommen richtige Wissen angeeignet haben. Wir wissen jetzt diese Dinge, aber da ich davon ausgehe, daß der Mann eine Frage von unserer Seite, die mit Fug als unhöflich betrachtet werden kann, nicht ohne weiteres beantworten wird, und da er wohl kaum sofort sich davonmacht, so möchte ich vorziehen zu untersuchen, was mein gestrenger Onkel zu diesen uns vorliegenden Aufklärungen zu bemerken hat.«
»Das kann man auch tun.« antwortete der Kreisrichter.
»Das tut man,« sagte Thomas kurz und unterdessen trat Busgaard ins Zimmer. Er sah den Neffen höhnisch an und ging direkt auf seinen Stuhl los. Dort nahm er Platz mit gefalteten Händen, von Kopf bis zu Füßen ein stummer und unwilliger Protest.
Thomas setzte sich auf einen Stuhl gerade gegenüber und sah ihn eindringlich und wohlwollend an. Busgaard rutschte auf dem Sitz und brummte.
»Onkel,« sagte Thomas mildwehmütig. »Ich bin genötigt eine Frage an Dich zu richten, die Dich vielleicht betrüben wird. Ich weiß, Du hast eine gewisse Vorliebe für Deinen Verwalter Klemmesen . . .«
»Klemmesen ist meine rechte Hand!« brauste Busgaard auf. »Ich verbitte mir jeden schnöden Verdacht gegen einen Mann, dem ich voll vertraue und der . . .«
»Verzeihung,« unterbrach ihn Thomas, »ich möchte Dich nicht verletzen; aber sage mir, hältst Du es für möglich, daß Klemmesen ehrlich in diesen Tagen zu 2500 Kronen gekommen sein kann.«
Busgaard sperrte den Mund auf: »Ein Verwalter ehrlich zu 2500 Kronen. – Mein Verwalter ehrlich zu 2500 Kronen – – –!«
Thomas nickte. »Also. Du hältst es nicht für möglich? Gut. Klemmesen steht im Verdacht.«
Busgaard rückte unruhig auf dem Stuhl hin und her.
Der Kreisrichter mischte sich ins Gespräch. »Ja, er steht im Verdacht, den Ausdruck kann man wohl brauchen.«
Da fuhr Busgaard mit einem Ruck in die Höhe und schlug auf den Tisch, daß Vasen und Nippsachen tanzten: »Das sind, hol mich der Teufel, Lügen!«
Thomas erhob sich mit einem Krach. »Und ich sage nicht hol mich der Teufel, weil es so einen verwünschten Klang hat, aber es ist trotzdem wahr! Klemmesen hat vorgestern zwanzig und einige hundert Kronen auf die Bank gelegt, und da Du selber sagst, es sei undenkbar, daß Dein Verwalter ehrlich zu dem Geld gekommen ist, so dürfen wir wohl davon ausgehen, daß er es gestohlen hat.«
Busgaard sank fassungslos in den Stuhl zurück. Doch bald erholte er sich und die Oppositionslust erwachte in ihm. »Das soll mir keiner einbilden, daß es so leicht ist für ein paar Herren wie die Herren einen Dieb zu finden!«
Thomas kniff das Monokel fest ins linke Auge. »Ich beuge mich in Ehrfurcht vor Dir, mein weiser Onkel! Das ist der einzige Grund, warum ich nicht gleich im Namen der Gerechtigkeit die Hand auf Deine rechte Hand lege. Außer den Fällen, wo der Verbrecher sich selber meldet, was diese geehrten Mitbürger ja bisweilen so wohlwollend sind zu tun, ist es geradezu eine Seltenheit, daß es so leicht geht, wie es hier zu gehen scheint. Ich wage also nicht zu hoffen, daß die Vorsehung so gnädig gegen uns gewesen ist, wenngleich ich das Beste hoffen will. Es wird indessen von uns verlangt, daß wir etwas unternehmen, und da wir leicht, indem wir einseitig eine Spur verfolgen, die falsch sein kann, an der richtigen vorbeigehen, so schlage ich vor, Klemmesen, der offenbar nicht ahnt, daß er in Verdacht steht, unter Aufsicht frei herumgehen zu lassen, während wir uns zu der Gewißheit emporarbeiten, die nötig ist, wenn ein Resultat erreicht werden soll. Ich erbitte mir daher die Erlaubnis, Klemmesen unter meine Obhut nehmen zu dürfen, und ich werde meine Arbeit sehr diskret verrichten.«
»Die Erlaubnis haben Sie,« antwortete der Kreisrichter. »Ich bin ebenfalls meiner Sache nicht sicher.«
»Und Sie, Hansen?« fragte Thomas.
Hansen schüttelte den Kopf.
Und so schüttelten sie alle vier die Köpfe, was der scharfsinnige Leser vermutlich auch tut! Nur Geduld!
Schildert unglückliche Liebe
Wir wissen, Tine war blond und Monny brünett. Tine war folglich ein gutes und frommes Mädchen. Monny dagegen war eher ein Charakter. Tine war froh und glücklich über die Anwesenheit des Geliebten, sie strahlte um die Wette mit unsres Herrgotts heller Sonne. Monny war ganz und gar nicht froh, und um dies zu erklären, müssen wir auf etwas zurückgehen, was der Leser vielleicht schon vergessen hat. Als Arthur Franck an jenem Sonnabend, wo der Gutsbesitzer das Paar überrascht hatte, Monny vorgeschlagen hatte, die 2500 Kronen zu stehlen und in die weite Welt zu ziehen, hatte Monny die Sache als Scherz genommen. Es konnte ihr ja nie einfallen zu glauben, daß ihr Arthur es ernst, meinte. Ihren geheimen Postdienst hatten sie nicht wieder aufzunehmen gewagt, und den ganzen Sonntag hatte sie auf eine Nachricht von Arthur gewartet. Er war indessen nach der Stadt gezogen um zu fouragieren. Das war natürlich und verzeihlich, denn die Küche beim Waldhüter war nicht erster Klasse. Dann kam am Montag die Entdeckung, und in der Verwirrung vergaß Monny ganz die unvorsichtigen Worte des Geliebten. Aber gegen Mittag suchte sie ihn in seinem Schlupfwinkel auf und als sie ihm das Furchtbare, was geschehen war, erzählte, kam es ihr mit einem Male in Erinnerung, was er am Sonnabend gesagt hatte. Sie erinnerte ihn daran und Arthur wurde böse. Sie bereute ihren Argwohn und sie schieden als gute Freunde; aber der häßliche Gedanke tauchte immer wieder auf, und als sie sich am Dienstag auf mündliche Verabredung hin trafen, war es, als ob zwischen ihnen etwas entzwei wäre. Arthur wurde übellaunig und sagte, er wollte abreisen. Monny wollte ihn nicht bitten zu bleiben, und die Beiden hatten es recht unbehaglich zusammen. Aber die Abreise wurde trotzdem auf Donnerstag verschoben. Mittwoch war es dann, wo Vetter Thomas ankam, und Monny meinte, sie müßte ihn mit dem Geschehenen bekannt machen. Aber sie wollte und konnte doch Arthur nicht mißtrauen, und darum, fand sie, durfte sie dem Vetter Arthurs Anwesenheit nicht verraten, ohne ihm loyal vorher mitgeteilt zu haben, was sie tun wollte.
Die Beiden kannten einander, denn Thomas, der ein recht gesuchter juristischer Repetent war, hatte Arthur Franck vorbereitet. Der junge Mann war indessen kein sehr fleißiger Student, und er hatte sich nicht gerade durch pünktliches Erscheinen bei seinem Repetenten ausgezeichnet. Thomas liebte die Ordnung, und obwohl er kein Kopfhänger war, seinen Studien hatte er immer mit Ernst und Eifer obgelegen, schwänzen und Mangel an Pflichterfüllung waren ihm von Herzen zuwider. Man konnte daher nicht annehmen, daß Mosjö Arthurs Aktien bei dem Assessor hoch ständen, und wenn es nun Thomas einfiele, den Bruder Leichtfuß zu beargwöhnen. Allein der Gedanke daran genügte, um jeden Zweifel bei Monny zu verscheuchen und sie ganz und ungeteilt auf die Seite des Geliebten zu stellen; man hatte ja so viel von diesen Kriminalassessoren gehört, und wenn Thomas nun wirklich darauf verfiel und den Verdacht faßte, von dem sie jetzt absolut nicht mehr begreifen konnte, wie er auch nur schattenhaft in ihr hatte aufsteigen können, so war ihr ganzes kleines Abenteuer mit einem Schlage verraten, ihr Arthur dem schändlichsten Geschick ausgesetzt und sie selbst in Grund und Boden unglücklich und zu Grunde gerichtet für Zeit und Ewigkeit. Alles dies waren Betrachtungen, die wohl den Sinn eines achtzehnjährigen Mädchens zum tiefsten Nachdenken anregen konnten. Und nun forderte die Situation von ihr, daß sie handeln sollte.
Schweren Sinnes und voll banger Ahnungen ging Monny daher durch den Park nach dem Waldhüterhaus, während Vetter Thomas und der Kreisrichter das erste Verhör, das wir aus der vorangehenden ausführlichen Schilderung kennen, abhielten. Ein Unglück kommt selten allein; das liegt wohl daran, daß der Sinn unter der Wirkung eines Unglückes für die Auffassung eines andern empfänglich gemacht wird, oder vielleicht darin, daß das, was an und für sich kein Unglück ist, leicht dazu wird, wenn es mit einem wirklichen Unglück zusammentrifft. Genug, im Park begegnete sie Willumsen, der ihr offenbar aufgelauert hatte.
Was sollte sie tun? Davonlaufen konnte sie nicht, ihn auf andre Weise loszuwerden ging ebenfalls nicht. Es blieb ihr nichts andres übrig, als den Umweg über das Pfarrhaus zu nehmen und durch einen Besuch bei Pastor Mortensens Rieke den unerwünschten Begleiter loszuwerden.
Willumsen hatte offenbar etwas auf dem Herzen und das mußte sie anhören, obgleich es sie nicht im allermindesten interessierte. Sie haßte diesen Menschen. Sie konnte ihn geradezu nicht ausstehen!
Doch er ging an ihrer Seite und es war offenbar seine Absicht, sich nicht abschütteln zu lassen. Sie ließ ihn reden. Es blieb ihr ja nichts anderes übrig. Sie gingen rasch durch den Schnee, erst durch den Park, dann längs der ausgefahrnen Landstraße; es stimmte Monny nicht milder, daß der Weg, den sie jetzt gehen mußte, dem, der zum Waldhüter und zu Arthur führte, gerade entgegengesetzt war.
Willumsen redete. Sie sah ihn nicht einmal an, und im Grunde war Willumsen ein hübscher schlanker Bursche mit dichtem braunen Haar, leicht rötlichem Vollbart und verständigen dunklen Augen. Er war weit herumgekommen und hatte nicht wenig gelernt, so daß er bei den meisten Dingen mitreden konnte. Die Damen hatten ihn und er sie gern. Es war wohl eigentlich nur die Geschichte mit Arthur, die Monny feindlich gegen ihn stimmte! Das glaubte er selber; er hatte sich angestrengt, um in dieses kleine Mysterium einzudringen, jetzt glaubte er auf der Spur zu sein, und darum sprach er.
»Fräulein Monny,« sagte er, »ich bin mir bewußt, Ihnen nie etwas Böses zugefügt zu haben. Ich habe Sie gleich vom ersten Mal an, wo ich Sie sah, außerordentlich hochgeschätzt, und ich bin ehrlich bestrebt gewesen, mich Ihnen angenehm zu machen. Das ist mir nicht geglückt. Von Tag zu Tag sind Sie immer unfreundlicher gegen mich geworden.«
»Und darum fände ich es passend, wenn Sie mich in Frieden ließen!« erwiderte Monny schroff.
»Das kann ich nicht,« sagte Willumsen. »Ich habe Sie lieben lernen. Ich bin arm, aber die Arbeit geht mir gut von der Hand, Ihr Vater und ich haben gemeinsame Interessen. Ihre Mutter ist lieb und gut und freundlich gegen mich. Sie müssen mir den Gefallen tun, mir zu sagen, ob ich persönlich Ihnen zuwider bin, am liebsten sollten Sie mir auch sagen warum! Oder – und das ist es eigentlich, was ich Sie fragen wollte, ist es ein andrer, ich meine, interessieren Sie sich für einen andern? – Herrgott, wir sind doch Menschen, und dazu vernünftige Menschen. Sie können es mir ruhig erzählen. Ich habe kein Recht, mich in Ihr Vertrauen einzudrängen, ich bitte Sie bloß, mir die Freundlichkeit zu erweisen und mir zu antworten.«
Monny blieb stehen und stemmte die Hände in die Seiten. »Herr Willumsen,« sagte sie mit Festigkeit und bedeutender Würde. »Es ist mir unfaßlich, daß Sie nicht begreifen können, daß ich Ihr Vertrauen nicht wünsche und Ihnen auch das meinige nicht schenken will. Ich bitte Sie nur, mich in Frieden zu lassen.«
»Das kann ich nicht,« antwortete Willumsen betrübt, aber ziemlich fest. »Sie können mir antworten, daß Sie einen andern lieben, dann weiß ich es. Aber solange Sie mir das nicht sagen, solange müssen Sie mir erlauben zu hoffen. Und ich kann Sie versichern, daß ich kein Mittel unversucht lassen werde, das dazu beitragen kann, Ihnen eine Ansicht von mir beizubringen, wie ich mir bewußt bin, sie zu verdienen, und wie sie Ihr Vater und Ihre Mutter bereits haben.«
»Soll das eine Herausforderung sein?« fragte Monny. Es kochte geradezu in ihrem Innern.
»Nein,« erwiderte er. »Es ist eine demütige Bitte, oder, wenn Sie wollen, eine Erklärung. Sie können antworten, was Sie wollen, aber eine Antwort will ich haben.«
Monny war nicht umsonst Busgaards Tochter. Sie sah dem zudringlichen Herrn gerade in die Augen, mit einem Blick, der geradezu Funken sprühte: »Sie sind es, der die 2500 Kronen gestohlen hat!« sagte sie, »und dann haben Sie obendrein noch die Frechheit, mich mit Ihren Erklärungen zu verfolgen.«
Sie bebte dabei – aber nun war es gesagt; es war natürlich der gräßlichste Unsinn – aber das mußte der Mann doch verstehen, und es waren offenbar scharfe Mittel nötig.
Die abgefeuerte Salve wirkte offenbar nicht so auf Willumsen, wie sie berechnet hatte. Der Ingenieur wurde nicht zornrot, er wurde überhaupt nicht böse, er betrachtete sie nur lächelnd und schüttelte den Kopf.
»Fräulein Monny!« sagte er schließlich ganz ruhig, aber mit großem Nachdruck auf jedem Wort. »Ich weiß nicht, was Sie berechtigt, so etwas zu mir zu sagen; es ist weit unhöflicher, als Sie vielleicht glauben. Es ist etwas, was man eigentlich ganz und gar nicht zu einem Mann sagen kann, von dem man absolut nichts wissen kann und von dem man nicht das Recht hat, etwas Unehrenhaftes zu vermuten, geschweige denn auszusprechen. Aber, laß gut sein, Sie haben es einmal gesagt und ich kann Ihnen ansehen, daß Sie es bereuen.«
»Nein!« unterbrach ihn Monny und stampfte mit dem Fuß in den Schnee.
»Gut,« antwortete er, »Sie bereuen es also nicht. So will ich Ihnen sagen, daß weit mehr Grund vorliegt, den im Verdacht zu haben, der sich bei einem der Untergebenen Ihres Vaters verborgen hält, der Ihres Vaters Sekretär, denselben, aus dem das Geld gestohlen ist, – als Briefkasten benutzt, und der sich auf den Hof schleicht, wenn er glaubt, daß andre nicht aufpassen.«
Monny wurde rot wie eine Päonie, aber er fuhr fort. – »Ich habe Ihnen nicht aufgelauert; ich spioniere nicht, aber ich habe Augen und Ohren. Ich mische mich nicht in Sachen, die mich nichts angehen, ich beabsichtige nicht Ihrem Vetter, dem Assessor, mitzuteilen, was ich weiß, wenn er nicht fragt; fragt er, so sage ich die Wahrheit. Ich habe nicht gelernt zu lügen und ich verachte die Lüge. Wir beiden sollen also Feinde sein!«
Und Ingenieur Willumsen zog seinen Hut, verbeugte sich und ging nach dem Hof zurück, während Monny stehen blieb und nach Luft schnappte.
Einen Augenblick dachte sie daran ihn zurückzurufen. Ihr Geheimnis war verraten, sie konnte sich vielleicht durch Freundlichkeit sein Schweigen erkaufen. Aber nach dem, was geschehen war, nach dem, was sie gesagt hatte! Nein unmöglich, so tief konnte sie sich nicht demütigen.
Sie biß die Zähne zusammen und die Tränen traten ihr in die Augen. Sie mußte mit Arthur, mit Thomas reden. – Sie mußte retten, was zu retten war, ehe es zu spät war. Und jetzt verdächtigte er Arthur. Es ging ihr mit einem Male auf, wie schlimm das Ganze aussah. Warum hatte sie auch die unartigen Worte zu Willumsen gesagt? Er war doch nicht der Dieb, konnte nicht der Dieb sein . . . Sie hatte nicht das geringste Recht dazu! – Und dann konzentrierten sich alle ihre Gedanken auf Arthur, und ohne daran zu denken, daß ihr Feind ihrer Spur folgen könnte, verließ sie die Landstraße und ging querfeldein durch den Schnee auf den Waldrand los, wo das Haus des Waldhüters lag.
Willumsen stand still, als er sich gut ein paar hundert Ellen von ihr entfernt hatte; dann drehte er sich um und sah ihr nach. Sie hatte natürlich nicht gemeint, was sie gesagt hatte, aber es war doch wohl am besten, der Assessor erfuhr etwas von dem jungen Mann da draußen im Waldhüterhaus.
Am liebsten mußte es aber so geschehen, daß nicht Willumsen den Angeber zu spielen brauchte. Und der Ingenieur schritt nachdenklich heim nach dem Hof, er pflegte sich nicht den Rang ablaufen zu lassen und am wenigsten von einem Grünschnabel, wie dem da unten im Waldhüterhause. Über ihn wußte Willumsen Bescheid. Woher er dieses Wissen hatte, werden wir später erfahren.
Am Scheunentor stand Klemmesen und erholte sich von dem sonderbaren Erlebnis drinnen im Hause. Klemmesen war kein Dummkopf – weit entfernt, aber sein Hirn arbeitete langsam. Er und der Ingenieur waren gute Freunde, und er nickte ihm freundlich zu, als er ihn um die Scheune herumkommen sah.
»Das ist ein lustiger Herr, der Assessor,« sagte Klemmesen; »er ließ die Möbel herumrücken und spielte eine richtige Komödie. Aber höflich ist er, mächtig gebildet und angenehm.«
»Das sind die Schlimmsten,« erwiderte der Ingenieur.
»Wie beliebt?« ertönte es aus dem Munde des Verwalters.
»Ein Wort, Klemmesen! Sie fallen durch. Sie haben ein Auge auf Tine geworfen, nicht wahr? Und das hat er auch. Er hat erste Priorität.«
»Wie beliebt?«
»Sie fallen durch, Klemmesen.«
Der Verwalter schüttelte den Kopf.
»Der Gutsbesitzer hat mir die Älteste halbwegs versprochen, gerade wie Ihnen die Jüngste zugesagt ist. Und der Gutsbesitzer steht dafür ein. Er sagt, so soll es geschehen, und so geschieht es.«
»Das glauben Sie!« Willumsen schüttelte den Kopf. »Aber angenommen, die Mädchen wollen nicht?«
»So sagt er, sie sollen, und damit Basta. Sie sind nur so ungeduldig, Willumsen! Immer ruhig Blut; mit Vorsicht praktiziert man Eier in einen Hopfensack. Wir werden sehen, alles geht gut.«
Willumsen seufzte. »Für Sie vielleicht! Aber nun ist die elektrische Anlage fertig, ich muß abreisen und was dann? Es ist wohl Tine, die der Assessor haben will.«
Klemmesen guckte auf. »Glauben Sie überhaupt, daß er eine haben will? Er gehört ja zur Familie und wenn er auch ein bißchen mit den Mädchen schäkert, so bedeutet es wohl nicht allzuviel. Es sind doch beides reizende Mädchen. Ich nehme die, die ich kriegen kann, für mich macht es keinen Unterschied. Mir soll keiner kommen und sich um das rein Persönliche mit mir zanken.«
Und der Verwalter lachte mit sattem Behagen und rieb sich die großen roten Arbeitshände. »Es heißt nur den Mut nicht verlieren, Willumsen! Mag der Assessor nach dem Geld und dem Dieb suchen, das ist ja sein Beruf, so können wir, Sie und ich, in der Zwischenzeit das unsrige bei den Mädchen tun; es geht schon alles so, wie es soll! Ich nehme meine, Du nimmst Deine, dann sind wir alle zufrieden.«
Der Ingenieur nickte.
»Wissen Sie was, Klemmesen, ich glaube es wird schwerer, als Sie denken. Aber ich gebe es nicht auf. Monny ist ein entzückendes Mädchen, ein Staatsmädchen. Und man ist doch zum Teufel noch ein erwachsener Mann.«
Klemmesen rieb sich die Hände und grunzte behaglich. »Und was für ein Mann, ein richtiger Mann – ein Mann mit Mark in den Knochen! Es fehlte noch, daß die traurigen Kopenhagner mit unsern Mädchen abziehen sollten. Was Willumsen? Sie sind ja auch sozusagen Jütländer, wenn Sie auch nur in Fredricia geboren sind. – Und wir Jütländer müssen doch durch dick und dünn zusammenhalten. Nicht?«
Dagegen hatte Willumsen im Augenblick nichts zu sagen; er bedurfte eines Bundesgenossen und der Verwalter log nicht, wenn er sagte, daß seine Aktien bei dem Gutsbesitzer gewaltig hoch standen. Willumsen wußte ja nicht, daß sich das Netz über dem pfiffigen Jütländer zusammenzog, und er bekräftigte die Bundesgenossenschaft mit einem Händedruck, worauf der Verwalter alles erfuhr, was der Ingenieur von Arthur und Monny wußte.
Draußen im Waldhüterhaus jedoch weinte Monny an Arthurs Hals, so daß diese Geschichte, die so lustig begann, nahe daran ist, traurig zu werden.
Hoffen wir, daß es nur ein Übergang ist, wie der Fuchs sagte, als sie ihm den Balg abzogen.