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Kitabı oku: «Der sechste Sinn», sayfa 8

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Offizier und Unteroffizier

Polizeidiener Hansen ist ein vollkommener Gardesergeantentypus. Ursprünglich war er Spielmann Nr. 5 gewesen und hatte die Trommel aus Amalienborg geschlagen, wenn die königliche Familie ins Theater fuhr. Die Spielmannschule ist streng, und der Obersergeant, der sie leitete und unter dem Namen »der Waschbär« bekannt war, versagte sich nichts, wenn es galt, den Burschen die Rücken zu gerben.

Sie lernten gehorchen, turnen, Instrumente spielen, sie lernten wie Landsknechte fluchen und Tabak rauchen und Branntwein trinken, Prügel mit Anstand ertragen und sie an Schwächere weitergeben. Kurz, sie wurden für ein Kriegerleben geschult, dessen Voraussetzungen in Friedenszeiten nicht ganz erfüllt werden konnten. Und als sie 17 bis 18 Jahr alt wurden, nahmen sich die Amazonen der Gasse ihrer an und vollendeten die Erziehung durch leichtfaßliche Kurse über den Unterschied von gut und böse.

Hansen nahm das Leben, wie es zu ihm kam, mit Saurem und Süßem; er wurde Rekrut, Unterkorporal und Sergeant und ging dann zur Polizei über, für welche Stellung er wohlgeeignet war infolge seines durch eigene Erfahrung erworbenen intimen Verständnisses der offenen und verschlossenen Bücher der Großstadt, wie sie in Menschenschicksalen auf Straßen und Plätzen, in Schlupfwinkeln und Hinterhöfen geschrieben sind; die Disziplin brachte er vom Militärdienst mit; der gerade Rücken wurde zum Katzenbuckel gegenüber den Vorgesetzten.

Nach unten schlug Hansen zu, das hatte er gelernt und befand sich wohl dabei.

Auf diesem Wege war er ein vortrefflicher Geheimpolizist geworden, und wurde ein ausgezeichneter Polizeidiener auf dem Lande.

Thomas kannte und schätzte ihn aus langer Tätigkeit am Kriminalgericht; von Vertraulichkeit konnte keine Rede sein, zur Not von einem gewissen gemütlichen Unterhaltungston, wie er in Thomas' Naturell lag, ohne zu weit zu gehen.

In diesem speziellen Falle war Hansen ja nicht Thomas' Untergebener, aber noch immer bestanden zwischen ihnen diese Voraussetzungen, von denen keiner sich frei machen konnte. Tine hatte Hansen geholt, und als sie das Zimmer verließ, blickte Hansen ihr nach, ein bißchen abschätzend, wie es Thomas vorkam, aber enfin

»Was Neues, Hansen?« fragte er, als die Tür sich hinter Tine geschlossen hatte.

Hansen schlug die Hacken zusammen. »Das Neue soll von Ihnen kommen, Herr Assessor!«

Thomas lächelte.

»Sie sind höflich,« sagte er, und lud Hansen mit einer wohlwollenden, ein wenig herablassenden Bewegung ein, Platz zu nehmen. Selber warf er sich in einen Stuhl. Hansen blieb stehen.

»Ich kenne den Herrn Assessor,« sagte er. »Sie sind nie besser aufgelegt, als wenn ein bißchen – genug – um Verzeihung, mit im Spiel ist.«

Thomas nahm es gnädig auf. – »Pst, Hansen, die Wände haben Ohren!«

Hansen fuhr fort: »Es war einmal, wie der Herr Assessor noch junger Protokollführer waren . . .«

Thomas unterbrach ihn: »Sie haben recht, Hansen, ehe ich mich für die eine entscheiden konnte, mußte ich, um nicht ungerecht gegen die anderen zu sein, auch prüfen, was sie zu bieten hatten. Das war ja nur recht und billig.«

»Gut, sagen wir das,« erwiderte Hansen.

»Nein,« fiel Thomas ein, »das sagen wir nicht. – Wir schweigen damit. – Verstanden?«

»Mein Mund ist verschlossen,« antwortete der Polizeidiener und verbeugte sich. Aber es war doch durch diesen kleinen Wortwechsel in den beiden ein Gefühl des Zusammenarbeitens entstanden, das zwischen Männern ganz nützlich sein kann.

»Zur Sache,« sagte Thomas und zog sein Notizbuch heraus. Hansen richtete sich auf.

»Sagen Sie mir Hansen,« fuhr Thomas fort, indem er die Augen zusammenkniff; »ist ihr schöngelockter Vorgesetzter nicht eigentlich ein ganz tüchtiger Mann?«

Hansen antwortete mit Vorbehalt: »Ich habe ihn so kurz gehabt,« sagte er, wie zur Entschuldigung. »Er schlägt nicht ganz schlecht an. Aber es interessiert ihn nicht. Seine Violine und seine Musik füllen seine Zeit aus. Aber wenn man auf ihn aufpaßt, so glaube ich nicht, daß er Unheil anrichtet.«

»Das ist also Ihre Auffassung?« fragte Thomas langsam und biß in den Bleistift.

»Ja,« antwortete Hansen mit großer Bestimmtheit.

»Ich habe den größten Respekt vor Ihnen,« fuhr Thomas fort.

»Gleichfalls,« erwiderte der andere. »Sollen wir also den Verwalter verhaften.«

Thomas sah nachdenklich aus. »Die formelle Grundlage ist in Ordnung,« sagte er. »Aber glauben Sie auch, daß der Kreisrichter will? Er schien einen wahren Türkenglauben an den Jütländer zu haben. Und der Gutsbesitzer . . .«

»Ich habe mit beiden gesprochen,« erwiderte der Polizeidiener mit Selbstgefühl. Und ich glaube schon, daß die Sache jetzt ins Rutschen gebracht ist.«

»Wir lassen es sein,« sagte Thomas mit Wucht.

»Wie beliebt?« fragte der Polizeidiener und starrte ihn ungläubig an.

»Ich sage, wir lassen es sein,« fuhr Thomas sehr ruhig und in vollster Offenheit fort. »Ich habe mehrere Gründe. Einer der wichtigsten ist, daß ich überzeugt bin, der Mann hat das Geld nicht gestohlen.«

»Ist der Grund entscheidend?« wagte der Polizeidiener zu fragen.

»Nein,« räumte Thomas ein. »Aber er ist nicht ganz unwesentlich. Es gilt nur zu erfahren, ob man Ihren musikalischen Vorgesetzten dazu kriegen kann eine Untersuchung einzustellen, wenn die Umstände es erfordern.«

»Darin ist er großartig,« erklärte Hansen mit breitem Lächeln. »Wenn er eine Arbeit loswerden kann . . .«

»Na, ist er so?« fiel Thomas ein. »Ja, wissen Sie was, Hansen, das ist im Grunde der Beamtentypus, der am wenigsten Schaden in einem Lande anrichtet, und solche haben wir Gott sei Dank eine ganze Anzahl. Sie meinen also, daß es nicht schwer sein wird, den Kreisrichter zu veranlassen, die Untersuchung ruhen zu lassen, und das Ganze nach mehr privaten und familienrechtlichen Gesichtspunkten zu ordnen.«

Der Polizeidiener nickte.

Es entstand eine Pause.

»Hören Sie, Hansen,« sagte Thomas, lassen Sie mich nun einmal wissen, was Sie selber über die Sache denken.«

Hansen räusperte sich. »Der Herr Assessor haben selber meine Aufmerksamkeit auf den Verwalter gelenkt, und der Herr Assessor wissen ja, daß wir Kammerbeamten gewohnt sind unseren Richtern zu gehorchen. Ich habe einen Rapport über den Verwalter geschrieben, der drinnen auf dem Neumarkt eine vortreffliche Verhaftungsgrundlage abgeben würde, dafür garantiere ich. Das habe ich für meine Pflicht gehalten und der Herr Assessor haben mir auch nicht Order gegeben, andere Untersuchungen anzustellen.«

»Aber Ihre eigene Meinung?« unterbrach ihn Thomas.

Hansen fuhr fort: »Der Herr Assessor wissen, daß ich nie durch eigene Meinungen unbequem gewesen bin. Wenn man einen tüchtigen Vorgesetzten hat, so gilt es ja nur sich seine Meinung anzueignen und ihr die faktischen Verhältnisse anzupassen. Das habe ich gelernt und ich glaube, ich kann es ganz gut. Ich habe nie zu den Beamten gehört, die ihre Vorgesetzten kritisieren, das kommt, weil ich Soldat gewesen bin, das liegt im Blut . . .«

Thomas unterbrach ihn wieder.

»Das kann alles recht gut sein, Hansen, aber hier draußen müssen Sie doch auf eigene Hand handeln; nach Ihren Worten haben Sie ja keine große Stütze an Ihrem Chef. Wenn Sie also hier auf eigene Faust hätten handeln sollen, was dann?«

Hansen verbeugte sich bescheiden. »Dann würde ich dasselbe getan haben wie der Herr Assessor und wäre jetzt soweit, daß ich eine Untersuchung darüber anstellen müßte, wie Klemmesen zu dem Geld gekommen ist, das er auf die Bank gebracht hat. Ich würde ihn verhaften und den Weg weiter verfolgen.«

Thomas zuckte die Achseln. »Das wäre nicht richtig, Hansen! Klemmesen ist unschuldig.«

»Woher wissen der Herr Assessor das?« fragte der Polizeidiener etwas pikiert.

»Instinkt,« sagte Thomas und zuckte die Achseln.

»Kenne ich nicht,« kam es scharf von den Lippen des Polizisten.

Thomas lächelte. »Nein, mein guter Hansen, das ist mir nichts Neues – das weiß ich. Instinkt haben weder Sie, noch die meisten Ihrer Kollegen. Es ist nicht notwendig, aber es ist verteufelt angenehm, wenn man ihn hat. Na – sehen wir also von Klemmesen ab!«

Hansen bekam einen roten Kopf.

»Ist es der Ingenieur?« fragte er.

Thomas blickte auf. »Sieh, sieh – haben Sie ihn im Verdacht.«

»Einer muß es doch gewesen sein,« erwiderte der Polizeidiener mürrisch. Er hatte trotz allem eine leichte Pieke auf den Jütländer, und dann hatte er den ausgezeichneten Rapport geschrieben.

Thomas überlegte ein Weilchen, dann sagte er: »Sie können bisweilen genial sein, Hansen! Aber Sie können sich auch irren. Ich finde, es ist nicht schön, alle zu verdächtigen. Und es ist ja klargestellt, daß Willumsen nichts von dem Versteck gewußt haben kann.«

»Wer hat das festgestellt?« fragte Hansen bissig.

»Der Kreisrichter,« lautete die Antwort.

»Na, dann!« Hansens ganzer Unwille richtete sich jetzt gegen den Kreisrichter. »Ja, der Ingenieur ist ja auch Musikant, und die beiden haben manche Melodie zusammen abgeleiert. Aber es ist sonst nicht wahrscheinlich, daß jemand von dem Hofgesinde das Geld genommen hat. Und nach allem, was festgestellt ist, liegt doch nicht der entfernteste Grund vor zu glauben, es sei ein Einbruch von einer nicht zum Hause gehörigen Person verübt worden.«

»Das wissen wir eben nicht,« antwortete Thomas sehr sanft. Es machte ihm doch Vergnügen zu sehen, wie die unnütz verrichtete Arbeit den höflichen Beamten mürrisch und verdrießlich machte. Und dann war es so echt, daß es über den Kreisrichter herging und nicht über Thomas, den doch die Hauptschuld traf. Thomas wollte Hansen nicht verspotten, er konnte ihn möglicherweise brauchen, und es war das Sicherste ihn mit entgegenkommendem Wohlwollen zu behandeln.

»Sehen Sie, Hansen,« fuhr er daher mit gedämpfter Stimme fort. »Sie kenne ich; Ihren Kreisrichter habe ich heute zum erstenmal getroffen, und Sie meinen ja selber, daß er kein besonderer Hexenmeister ist. Lassen Sie mich Ihnen darum mitteilen, welche Rolle ich den beiden Herren in diesem spannenden kleinen Schauspiel bestimmt habe. Sie sollen mir helfen den Dieb zu fassen; zu dieser Arbeit bedarf ich Ihrer Hilfe. Wenn wir den Burschen haben, wird es sich vielleicht herausstellen, daß es das Bequemste und Praktischste für alle Teile ist, wenn wir ihn laufen lassen, und den Teil des Geschäftes soll Kreisrichter Heiden besorgen, verstehn Sie?«

»Nein,« antwortete Hansen aufrichtig. »Ich verstehe kein Wort. Das heißt, daß der Kreisrichter den Kerl laufen lassen soll, das verstehe ich, das ist etwas, was er mehr als gern tun wird. Aber worauf ich mir keinen Vers machen kann, das ist, wen der Herr Assessor im Verdacht hat, wenn es nicht der Ingenieur ist.«

»Nun will ich Ihnen das Ganze erklären, Hansen,« sagte Thomas – und damit meinte der eingefleischte Geistesaristokrat, daß er dem Polizeidiener die Hälfte erklären wollte.

Doch Hansen, der von seiner eigenen Vortrefflichkeit voll überzeugt war, konnte selbstverständlich nicht glauben, daß er nicht das Ganze zu wissen kriegte.

Thomas fuhr fort: »Wir sind also einig, daß Klemmesen aus dem Spiel bleibt. Auch um den Ingenieur handelt es sich kaum, ihn lasse ich also auch ganz außer Betracht. Aber Niels und Klemmesen haben meine Aufmerksamkeit auf eine Person gelenkt, die sich drüben beim Waldhüter aufhält. Da ich das Einschreiten des Kreisrichters noch nicht wünsche, habe ich Klemmesen und Niels gebeten, sich dieser Person zu versichern. Er soll indessen nicht verhaftet werden aus Gründen, die ich Ihnen noch nicht erklären kann. Er soll bloß hierhergebracht werden, und dafür habe ich, wie gesagt, die beiden braven Männer um ihre Mitwirkung ersucht. Nun ist Willumsen aus Gründen, die Sie selbst entdecken werden, und die ich Ihnen überlasse selber zu finden, im höchsten Grade daran interessiert, daß dieser Bursche in Güte entfernt wird, und ich habe daher aus privaten Gründen so getan, als ob ich mich Willumsen fügte. Es ist verabredet worden, daß Willumsen den Burschen nach Tische aufsuchen und versuchen soll, die Wahrheit aus ihm herauszukriegen. Aber noch vor dem Mittagessen werden Klemmesen und Niels ihn hier auf dem Hofe in Sicherheit gebracht haben. Verstehn Sie?«

Hansen schüttelte den Kopf. »Das ist zu ausgeklügelt.«

Thomas lächelte »Vielleicht, aber ich habe meine Gründe. Ich habe keinen Verdacht auf Willumsen, aber ich kenne ihn nicht. Darum bitte ich Sie, sich des Ingenieurs anzunehmen und einen Rapport darüber zu verfassen, was er in den letzten Tagen vorgenommen hat.«

Hansen schnitt eine häßliche Grimasse.

Thomas lachte.

»Ich kann wohl begreifen, daß Sie keine Lust haben, noch mehr unnütze Rapporte zu schreiben, aber ich wünsche es. Willumsen bietet bisher absolut keinen Angriffspunkt für einen Verdacht, und es gilt nur Material gegen den Unbekannten zu sammeln; aber zu gleicher Zeit sähe ich gern, daß Sie soviel wie möglich über den Ingenieur herauszubringen suchten, damit wir dort einsetzen können, wenn es sich wider Erwarten herausstellen sollte, daß wir jetzt auf einer falschen Spur sind.«

Hansen sah etwas bedenklich aus.

»Um Sie noch weiter aufzumuntern, ist hier eine Zigarre,« sagte der Assessor und erhob sich. »Es ist eine alte Bekannte.«

Der Polizeidiener nahm die Zigarre. »Verzeihung,« sagte er, »wollen mich der Herr Assessor aus dem Spiel haben?«

Thomas lachte.

»Keineswegs, Hansen! Und um Ihnen das Gegenteil zu beweisen, will ich Sie bitten, meine Kusine Monny aufzusuchen und ihr zu sagen, daß ich augenblicklich mit ihr sprechen müsse. Gehn Sie nun!«

Und Hansen ging mit einer Verbeugung – aber unleugbar etwas desorientiert.

Auf der Diebsjagd

Romantik und Kampflust sind unausrottbar im Menschenherzen, niemand kann daran zweifeln, man braucht nur den strebsamen Verwalter Hans Klemmesen und den treuen Kutscher auf Braendholt, Niels, der bei der Stellung wegen eines Körperfehlers kassiert worden war, zu betrachten, wie sie entflammt von dem heiligen Jagdeifer sich nach dem Waldhüterhause schleichen, um den Jüngling einzufangen, der vor ihrer Phantasie als der Urheber der staatszerstörenden Tat steht, die den stillen, wohlgeordneten Kreis, der sie und ihre Romantik einhegt, in Aufruhr gebracht hat.

Wir wenden uns zuerst zu dem Wild, stud. jur. Arthur Franck, mit dem wir unsere Schilderung der in diesem Buch beschriebenen Ereignisse begannen, der aber seitdem nur flüchtig und selten Erwähnung gefunden hat.

Monny war die erste, die Arthur im Verdacht hatte, den ungemütlichen Diebstahl begangen zu haben, und Monny hatte guten Grund dazu. Sie zitterte bei dem Gedanken. Ein Freund machte den Autor neulich darauf aufmerksam, daß er nie ein lebendes Wesen zittern gesehen hat, und das ist richtig; man sieht die Menschen nur in Romanen zittern, aber da ist es ihre Pflicht, und Monny zitterte also. – Aber sie sagte zu Arthur kein Wort von dem begangenen Diebstahl. Nicht um ihr Leben hätte sie einen so häßlichen Verdacht gegen den Geliebten schleudern wollen.

Und Arthur würde sicher auf das Bestimmteste die ihm zur Last gelegte Tat ableugnen.

Monny würde ihm geglaubt haben – wir können ihm nicht glauben. Es ist eine Notwendigkeit für uns an unserem Verdacht, der auf guten und soliden Gründen ruht, festzuhalten, und hat der Leser diese Gründe vergessen, so schlage er das erste Kapitel auf und lese es noch einmal durch.

Ein wohlgeschriebenes Buch gewinnt nur, wenn es mehrmals gelesen wird, und da man das für dasselbe Geld tun kann, ist es mehr als merkwürdig, daß es so selten geschieht.

Man lese das erste Kapitel noch einmal, und man wird nicht zweifeln, daß Arthur Franck der einzige ist, auf dem verständigerweise ein Verdacht ruhen kann. Und er ruht folglich mit vollem und gutem Recht auf ihm.

Das fühlte er selbst, und das Ende seiner Verhandlungen mit Monny war denn auch, daß er beschloß, das Waldhüterhaus zu verlassen und nach Kopenhagen zurückzureisen.

Es heißt in der Romansprache: der Boden brannte ihm unter den Füßen, aber das Bild ist schlecht, da der Boden mehrere Zoll hoch mit Schnee bedeckt war. Wir benutzen es deshalb nicht.

Wir stellen fest: Arthur Franck begriff, daß er auf Braendholts Erde nicht länger bleiben konnte. Das sagte er Monny und das arme Kind weinte bitterlich. Sie liebte ihren Arthur ja so sehr, und wann würde sie ihn wieder zu sehen kriegen? Aber er mußte fort. Willumsen hatte gedroht, ihn zu verraten, Gefahren lauerten von allen Seiten auf ihn, es war nichts anderes zu tun.

Als Monny daher mit roten Augen und schwerem Herzen das Waldhüterhaus verließ, um sich heim in die väterliche Wohnung zu begeben, machte Arthur Franck sich mit einem Seufzer daran, die wenigen Dinge, die er mitgebracht hatte, zusammenzupacken. Er war allein in dem Häuschen, der Waldhüter war auf Arbeit im Wald, und die alte Frau, die das Haus im Stand hielt und das Essen kochte, war gerade an dem Tag abwesend.

Sollen wir jetzt eine Menschenjagd schildern, so ist es notwendig, ein Bild des Jagdreviers zu geben.

Braendholt war eins jener einstöckigen Herrenhäuser, die noch Denkmäler aus der Zeit sind, als das dänische Land in den Händen von Priestern und Rittern war. Unansehnlich, aber aus dicken Mauern ausgeführt, damit es feindlichen Angriffen widerstehen könne, hatte es in der katholischen Zeit zu Roskildes Bischofsstuhl gehört und war von Adligen bewohnt, die im Abhängigkeitsverhältnis zum Bischof von Seeland standen.

Nach der Reformation war es unter die Krone gekommen und hatte seitdem seine Eigentümer gewechselt; bis es, wie oben erzählt, an die Busgaards gekommen. An dem Haus war nicht viel zu sehen. Es war weiß getüncht, hatte ein Ziegeldach, war dreiflügelig und hatte viele Fenster, was der Fassade ein uninteressantes und einförmiges Aussehen gab. Aber es war hübsch auf einem Hügel gelegen, umgeben von einem Park, der in alten Tagen eine Art Wald gewesen sein mochte und jetzt in das Stückchen wirklichen Wald, das zum Gute gehörte, überging.

Scheunen und Scheuern waren niedrig, trugen aber hohe moosbedeckte Strohdächer. Der Hofplatz war von Wirtschaftsgebäuden begrenzt und ein Tor führte durch die Scheune auf die Landstraße.

Sah man Braendholt vom Park aus, so erschien der Hof wie ein großes strenges, weißes Gesicht mit roter Mütze, eingerahmt von einer Perücke aus der Zeit Friedrichs III., im Winter rötlich, im Sommer grün. Von der Seite gesehen, machte Braendholt einen wirklich herrschaftlichen Eindruck; von der Straße dagegen glich es mit seinen überhängenden Wirtschaftsgebäuden einem Bauernhof, der im Verhältnis zu der ihm zukommenden Bedeutung ungebührlich angeschwollen war. Der Wald hinderte die Aussicht vom Hof nach dem Garten, die Gebäude den Blick nach der Landstraße.

Der Park erstreckte sich vom Hof aus ein paar Hundert Ellen nach Osten und Westen, der Hof selbst lag in nordsüdlicher Richtung. Nach Westen grenzte er an einen gräflichen Wald, von dem er durch einen Steinwall geschieden war. Nach Osten ging er in den Braendholter Wald über, der ein halbes Hundert Tonnen Landes umfaßte und über den ein Waldhüter die Aufsicht führte. Das Waldhüterhaus lag am alleröstlichsten Ende des Waldes dicht am Waldrand.

Der normale Weg vom Hof nach dem Waldhüterhaus führte durch den Park auf einem Pfad durch hochstämmigen Buchenwald mit einzelnen Inseln dichtstehender Tannen. Aber da sich der Wald im Osten halbmondförmig nach den Feldern des Gutes zu krümmte, gab es noch einen anderen Weg zum Waldhüterhaus, der zweite Weg führte zum Hoftor hinaus, folgte der Landstraße ein Stück und bog dann als ein von Räderspuren gebildeter Pfad über die Felder nach der Waldecke ab.

Das Haus konnte man vom Gutshof aus nicht sehen, wenn die Bäume belaubt waren, im Winter konnte man dagegen seine Konturen am Waldrande erkennen und den Rauch seines Schornsteines über die Buchenkronen hinziehen sehen.

Hans Klemmesen hatte beschlossen, alle ihm innewohnende Schlauheit aufzubieten, um das Ziel, das er sich gesetzt hatte, die Verhaftung des Diebes, zu erreichen, und er hatte diese Schlauheit noch gesteigert durch Reminiszenzen aus Coopers Romanen, die in seiner Kindheit siegreich die Jugend erobert hatten, und in der allerletzten Zeit wieder aufgefrischt worden waren durch verwandte Themen bei Conan Dople und in der dichten Wetterwolke von Zehnpfennig-Greueln, die sich von der Hauptstadt aus unter den Namen Dick Donovan, Nick-Carter, Dick Patrick usw. über das ganze Land verbreitet hatten.

Er hatte daher einen Kriegsplan entworfen, den er jetzt vor seinem Kampfgenossen Niels entwickelte, der neben ihm stand mit Augen so groß wie Teetassen und ihm mit gespannter Aufmerksamkeit zuhörte.

»Siehst Du, Niels,« dozierte der Verwalter, »Monny hat begreiflicherweise den Gauner gewarnt; sie ist eben durch den Park nach Hause gekommen und glaubt natürlich, niemand wüßte etwas davon. Selber weiß sie garnicht, daß der Kerl ein Dieb ist, und das tut mir natürlich leid für sie. Sie hat jetzt begriffen, daß es nicht länger so geht, und darum wird sich der Urian begreiflicherweise davon machen.«

»Es paßt sehr gut mit der Bahngelegenheit um die Dämmerungszeit. Der kürzeste Weg für uns wäre nun über das Feld, aber einesteils riskierten wir, daß der Kerl uns schon von weitem entdeckt, anderseits könnte man sich denken, daß er sich davon macht, wenn er uns aufs Haus zukommen sieht, und darum ist es notwendig, eine doppelte Umgehung vorzunehmen.«

Dies mit der Umgehung ist ein strategischer Witz, den schon Xenophon erfunden hat und womit er die Jugend im Gymnasium plagt, wo ihr die höhere Weisheit vermittelst der Anabasis eingetrichtert wird.

Niels wußte nicht was eine doppelte Umgehung war, aber er konnte sich ausrechnen, daß es etwas höchst Begabtes sein mußte. Er starrte den Feldherrn Klemmesen bewundernd an, während er dastand und sich mit einem Tauende auf den Schenkel schlug. Der Dieb sollte nämlich gebunden werden. Keine Obrigkeit kann den Bauern das abgewöhnen. Sie glauben, es gehöre dazu, daß der, der den Trägern des Schwertes überantwortet wird, festgeschnürt sei wie ein Kalb, das dem Schlächter übergeben wird.

Und weder Klemmesen, noch Niels hegten den geringsten Zweifel, daß der Schurke, wenn er ergriffen würde, in Ketten und Bande geschlagen werden müsse, so fest wie arbeitsgewohnte Hände sie anlegen können.

Klemmesen hielt an der Umgehung fest und setzte seine Betrachtungen fort.

»Du bist der Älteste und am schlechtesten zu Fuß. Du gehst zum Tor hinaus und folgst der Landstraße bis zum Pfarrhof, dann gehst Du ganz langsam übers Feld auf das Waldhüterhaus los und wartest bis Du mich vom Wald herkommen siehst. Dann eilst Du strax auf das Haus los und wir treffen dort zusammen.

Sollte der Urian unterdessen, während Du auf der Landstraße bist, das Haus verlassen, so muß er ja um die Landstraße nach der Stadt zu erreichen, am Pfarrhof vorbei, dann gehst Du zu Pfarrers hinein und holst Niels oder Anton heraus, und dann faßt ihr ihn beim Schlaffitchen und wartet ruhig auf mich. Ich gehe unterdessen ums Haus herum, und ist das Nest leer, so weiß ich, wo ich den Vogel suchen soll. Hast Du mich verstanden, Niels?«

Niels hatte verstanden. »Aber welchen Weg geht der Herr Verwalter?« fragte er, um ganz genau Bescheid zu wissen.

Klemmesen war ein umständlicher General, er machte seine Pläne mit Sorgfalt und erklärte sie genau.

»Höre Niels,« sagte er, »ich gehe durch den Garten bis zur Grenzscheide am Wald hinunter. Dort führt ein Fußweg von unserem Gebiet in das des Grafen, und der Kerl könnte ja so schlau sein, daß er einen Richtweg durch den Wald des Grafen wählte, um den Pfarrhof und die Stadt zu vermeiden. Nimmt er den Weg, so muß er an mir vorbei, und ich verspreche, daß er mir nicht entwischen soll.«

Klemmesen ließ seine Muskeln spielen, und Niels schob den Priem auf die andere Seite.

So wurde die Expedition unternommen.

Arthur Franck bereitete sich wirklich vor, abzureisen. Er hatte beschlossen, die Heimkunft seines Wirtes abzuwarten, aber es dauerte zu lange. Nach der Station waren es anderthalb Meilen und es war unmöglich, einen Wagen zu bekommen. Sein Rad konnte er im Schnee nicht benutzen, das mußte er also im Waldhüterhause stehen lassen.

Der Schnee, der gerade in den letzten Tagen gefallen war, kam ihm verdammt ungelegen! Sonst konnte man so bequem in die Stadt huschen, was er oft getan hatte, wenn er sich langweilte und den Wunsch hatte, einen kleinen Abstecher nach der Hauptstadt oder nach Roskilde zu machen, um Billard zu spielen.

Es war ganz richtig, was Klemmesen dem Assessor erzählt hatte; Arthur war am selben Tage in Roskilde gewesen, an dem Klemmesen mit dem Markeur Billard gespielt hatte. Er kannte den Weg nach der Stadt gut, aber er hatte keine rechte Lust zu Fuß zu gehen.

Es war indes unmöglich, einen Wagen zu bekommen, jedenfalls in der Umgegend von Braendholt. Eher konnte er vielleicht den Schmied dazu kriegen, ihn zu fahren. Der Schmied wohnte am Ende des Dorfes und Arthur beschloß, übers Feld nach dem Pfarrhof und von da durch das Dorf nach der Schmiede zu gehen.

Nach Klemmesens klugem Plan mußte er also von Niels entdeckt werden, der laut Order sich im Pfarrhof in den Hinterhalt legen und ihn dort überfallen sollte. Wenn alles nach Berechnung gegangen wäre, würde den unglücklichen Arthur unvermeidlich sein Geschick am Dorfteich ereilt haben und seine Feinde hätten ihn gebunden auf einem Karren nach Braendholt geführt.

Es ging indessen nicht wie berechnet. Des Weges daher kam ein Mann im Schlitten, und der Mann war Willumsen.

Willumsen hatte dem Assessor versprochen, bis zum Nachmittag zu warten, ehe er den Verdächtigen aufsuchte. Wir wissen jetzt, warum der Assessor dem Ingenieur dieses Versprechen abgenommen hatte, aber das wußte Willumsen nicht. Für ihn war das Wichtigste, der Obrigkeit zuvorzukommen. Er wußte ja, daß der junge Mann dort draußen derjenige war, auf den Monny ihre jungen Augen geworfen hatte, und er wollte sein Wissen dazu benutzen, seinen Rivalen fortzuschaffen. Er wußte nicht, daß Monny ihren jungen Freund bestimmt hatte, zu flüchten, ohne Willumsens hochherziges Einschreiten abzuwarten, und daher hatte er sich kurz nach dem Gespräch mit dem Assessor vom Hofe entfernt, um zu sehen, ob Monny zurück käme. Und als er sie durch den Park kommen sah, eilte er auf dem kürzesten Wege nach dem Waldhüterhaus.

Die Umgehung, die von Klemmesens Standpunkt aus vortrefflich gewesen wäre, brachte es infolge unvorhergesehener Umstände mit sich, daß Willumsen zum Waldhüterhaus kam, ehe die beiden Strategen es erreichten, und auf diese Weise ihre Pläne durchkreuzte.

Auch die des Assessors.

Doch damit die kleine Episode mit größerer dramatischer Kraft wirken kann, ist es notwendig, die Leser in Unwissenheit darüber zu lassen, was da draußen geschah und nach Braendholt zurückzukehren, wo Monny eben vor den hohen Richter zu einem Verhör geladen war, das mächtig dazu beitragen wird, den Lesern für den wirklichen Zusammenhang in der ganzen dunklen Geschichte die Augen zu öffnen.

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06 aralık 2019
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