Kitabı oku: «Mrs. Lewis», sayfa 5
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Knew, in the lonely midnight afterward, The terrible third between us like a sword
„Sonnet II“, Joy Davidman
Februar 1952
Der Tee im Becher neben meiner Schreibmaschine war kalt geworden, aber ich nahm trotzdem einen Schluck heraus. Ich war versunken in den Artikel über die Zehn Gebote, an dem ich gerade schrieb. Er ist die Quelle aller Freuden; er ist Vergnügen und Licht und Lachen. Ich kam jetzt schnell voran und näherte mich dem siebten Gebot.
Unten im Erdgeschoss lag ein Stapel Sachen, die für die Jungen zu nähen und zu flicken waren. Das würde ich bald in Angriff nehmen. Seit einiger Zeit schon war ich langsam auf dem Weg der Genesung und ich schlief besser, da ich aus Bills Schlafzimmer in mein eigenes umgezogen war.
Ich wollte ihn verlassen, wie gern wollte ich Bill verlassen, aber ich sah keinen Ausweg. Und Gott helfe mir, ich liebte ihn ja! Die Liebe verschwindet nicht einfach, selbst wenn sie nicht mehr erwünscht ist; sie macht sich nicht wegen der leisesten Provokation gleich aus dem Staub. Wenn sie es nur täte!
Da saß ich nun und schrieb über den Willen Gottes und dachte gleichzeitig über Scheidung nach. Aber wir hatten nicht genug Geld, um uns zu trennen; außerdem mussten wir unsere Söhne schützen. Zudem verschlechterten sich die Rahmenbedingungen, da meine Cousine Renee mit ihren zwei Kindern zu uns kam. Die kleine Familie würde bei uns einziehen, damit Renee ihrem alkoholkranken Ehemann in Mobile, Alabama, entkommen konnte. Dahinter steckte ein geheimer Plan. Meine und ihre Eltern schoben eine angebliche Krise in New York City vor. Stattdessen zog sie in Wirklichkeit zu mir, wo ihr Mann sie nicht finden konnte.
Ich zuckte zusammen, als ich eine Autotür zuschlagen hörte. Waren sie etwa schon hier? Es kam mir vor, als wäre Bill gerade erst losgefahren, um sie von der Grand Central Station abzuholen. Ich schaute aus dem Fenster und sah drei Menschen, die mein Leben verändern würden: Renee und die beiden Kleinen, Bobby und Rosemary. Sie bot einen eindrucksvollen Anblick von Eleganz, wie sie auf der Beifahrerseite ausstieg und mit einer behandschuhten Hand ihren schwarzen Hut festhielt. Ich hatte fast vergessen, wie umwerfend sie aussah. Ein Zweireiher aus blauer Wolle schmiegte sich an ihre grazile Silhouette, und ihr langes dunkles Haar ergoss sich in einer schimmernden Kaskade über ihre Schultern. Ihre Kinder, sechs und acht Jahre alt, sprangen aus den hinteren Türen des Autos und machten staunende und ehrfürchtige Gesichter. Ich stand auf, um nach unten zu gehen und sie zu begrüßen.
Jack:
Es stimmt, dass wir, wenn wir die Freiheit haben, gut zu sein, auch die Freiheit haben, schlecht zu sein. Doch diese Wahl ist es, was die Liebe, die Freude und das Gute, die zu genießen sich lohnt, erst möglich macht.
Joy:
Die Freiheit, schlecht zu sein. Ach, wie gern würde ich mit Gott über diese Wahl diskutieren. Aber wie könnte ich das? Wenn ich diese Wahl doch ständig treffe, und wenn ich doch unbedingt will, dass es bei mir liegt, diese Wahl zu treffen.
Seltsam, dachte ich, als ich langsam die Treppe zur Vordertür hinunterging, dass Renee und ich beide Alkoholiker geheiratet hatten. Und nun kam sie den weiten Weg und suchte Schutz bei mir, wo sie mir doch immer als leuchtendes Vorbild vor Augen gestellt worden war – die Messlatte, die meine Mutter stets dazu benutzt hatte, mir meine Unzulänglichkeiten vor Augen zu führen, als ich noch klein war und Renee bei uns wohnte.
Davy und Douglas hatten bereits die Tür geöffnet. Ich stand in der Diele und rieb mir fröstelnd die Arme. In dicken weißen Flocken schneite es. Bill war in seinen langen schwarzen Mantel gehüllt und sah galant aus, als er das Gepäck aus dem Kofferraum des Wagens hievte und auf der schneebedeckten Einfahrt abstellte. Renee beugte sich zu meinem Mann, um ihre Hand auf seine zu legen und etwas zu sagen, was ich nicht verstehen konnte. Sie lächelte; er lachte. Ja, er konnte charmant sein, und in seinen besten Momenten sogar ausgesprochen liebenswürdig.
Als sie die Eingangstreppe erreichten, trafen sich Renees Blick und meiner, und sie lächelte so breit und dankbar, dass ich beinahe in meinen Socken durch den Schnee auf sie zu gerannt wäre. Sie war meine Cousine, meine Blutsverwandte und liebe Freundin. Davy und Douglas standen still und aufmerksam hinter mir.
Sie kam schnellen Schrittes die Stufen empor, und wir nahmen uns in die Arme. Ich strich den Schnee von den weichen Schultern ihres Mantels. „Komm rein“, sagte ich. „Wie ich mich freue, dich zu sehen!“
„Oh, Joy, wie kann ich dir jemals danken?“ Sie legte behutsam die Hände auf die Köpfe ihrer Kinder. Ich schaute an ihnen hinab. Bobby mit kurz geschnittenen braunen Haaren, eingepfercht unter einer Mütze, auf der sich Schneeflocken sammelten. Rosemary, ein dunkelhaariges Kind mit großen Augen, herausgeputzt wie zum Kirchgang, ihre Lackschuhe so glänzend, dass sich für einen Augenblick das Licht der Wandleuchte in ihnen spiegelte.
„Geh hinein, Joy“, sagte Bill, als er mit dem Gepäck beladen den Treppenabsatz erreichte und sich den Schnee von den Stiefeln stampfte. „Es ist zum Erfrieren hier draußen.“
„Herein, herein“, sagte ich. Und dann spürte ich es wie ein Beben unter meinen Rippen: eine kaum merkliche Verschiebung unter dem Fundament unseres Zuhauses, die Veränderung, die diese drei gestrandeten Seelen mitbrachten.
Wir ließen uns in der warmen Küche am Tisch nieder, und ich servierte ihnen Tee und Sandwiches mit Grillkäse. Ich bemutterte sie und wir unterhielten uns über dies und das. Renee hatte ihren Wollmantel über die Lehne ihres Stuhls drapiert und zog sich Nadeln aus dem Haar, um den mit Schnee beflockten Hut zu lösen und auf der Anrichte abzulegen. Ihr Tweedkleid war ein wenig hochgerutscht, und ich erhaschte einen Blick auf die schwarzen Nylonstrümpfe, die ihre Beine zierten. Ich saß neben ihr und hätte gegensätzlicher nicht aussehen können in meinen Männer-Cordhosen und meinem Hemd.
Ich betrachtete das vertraute Gesicht meiner Cousine. Sie war noch keine fünfunddreißig, aber etwas Gealtertes lag in ihrem Blick. Ein Schmerz, wie man ihn eigentlich nur nach einem Krieg erleiden sollte, eine Qual, wie ich sie in den Augen meines Mannes gesehen hatte. Doch hier saß nun eine Frau auf der Flucht, mit makellosem Eyeliner und Mascara. Sie gab wie in einer Electrolux-Werbung das perfekte Bild einer Hausfrau aus den Fünfzigern ab. Schon immer hatte meine Cousine viel Wert auf Schönheit gelegt, und sie war ihr trotz aller Kämpfe, die sie auszufechten hatte, erhalten geblieben. Ich steckte mir eine lose Strähne in meinen Haarknoten und fing an, verlegen zu plaudern.
Jack:
Die Geschichten aus Ihrem Leben – die Ankunft Ihrer Cousine, Ihre Tiere und die Farm – amüsieren Warnie und mich sehr.
Oh, und wie Davy versuchte, eine wilde Schlange zu fangen, um sie als Haustier zu halten. Bitte erzählen Sie uns mehr davon.
Joy:
Ich bezweifle, dass ich jetzt noch damit aufhören könnte.
Später, als Renee und ich nach oben gingen und endlich allein waren, sagte ich zu ihr: „Wir teilen uns ein Zimmer. Wie in alten Zeiten.“
„Schläfst du denn nicht bei Bill?“ Sie stellte ihre große schwarze Handtasche auf der Kommode ab und sah mich mit großen Augen an. „Claude hätte mir niemals erlaubt, in einem anderen Zimmer zu schlafen, nicht einmal in den schlimmsten Zeiten zu Hause.“
„Nun, hier liegt der Unterschied“, sagte ich. „Bill hat mir nichts zu erlauben oder zu verbieten. Sein letztes Techtelmechtel mit einer anderen Frau hat mir fast den Rest gegeben.“ Ich machte eine weit ausholende Handbewegung. „Sieh dich an – du hast nicht nur Claudes Bett verlassen, du hast ihn gleich ganz verlassen!“ Ich zwinkerte ihr zu.
Renee seufzte, als hätte sie jahrelang den Atem angehalten, und setzte sich auf das Bett gegenüber. „Ich bin dir so dankbar, dass du uns hast herkommen lassen“, sagte sie. „Ich weiß wirklich nicht, was ich sonst gemacht hätte. Ich verspreche dir, dass ich dir nicht zur Last fallen werde. Ich helfe mit.“
„Hör schon auf, Süße. Wir sind doch eine Familie. Gemeinsam werden wir das schaffen. Und ehrlich gesagt, ich freue mich riesig über die Gesellschaft und darüber, eine Freundin hier zu haben, mit der ich reden kann. Ich war in letzter Zeit ziemlich … durcheinander. Es wird wunderbar sein, dich wieder in der Nähe zu haben.“ Ich wischte mir eine Strähne aus den Augen. „Auch wenn Mutter immer gesagt hat: ‚Warum nimmst du dir kein Beispiel an Renee?‘“
„Ach Joy, das hat sie doch nie so gemeint.“ Tränen drängten sich in ihre Augen wie der Schnee auf der Fensterbank. „Ich bin so froh, hier zu sein. Es war einfach schrecklich! Wir brauchen etwas Festes, worauf man sich verlassen kann. Jeder von uns.“
„Ich weiß.“ Ich lehnte mich zu ihr hinüber und ergriff ihre Hände. „Jetzt komm erst mal richtig an. Wir unterhalten uns später.“
Joy:
Müssen denn die schrecklichsten Erlebnisse der Kindheit sich immer in irgendwelche unbewussten Triebe verwandeln, die unser Leben für alle Zeit beeinflussen? Warum ist es so schwer, die Vergangenheit zu überwinden und eine größere Liebe zu finden, sodass unser wahres Selbst unser Leben leiten kann? Das sollte doch eigentlich das Einfachste auf der Welt sein. Aber, ach, wir kommen immer und immer wieder auf dieses Wort zurück – Hingabe.
Jack:
Und wie empfinden wir es, wenn wir entdecken, dass wir nicht unser eigener Herr sind? Gerade wenn wir glauben, wir wünschten, dass unser Leben uns ganz allein gehört, entdecken wir, dass wir unser Leben nur haben können, indem wir es dieser größeren Liebe hingeben, von der Sie sprechen.
Nachdem wir gegessen, die Kinder ins Bett gebracht, eine Runde Halma gespielt und ein paar Gläschen Rum getrunken hatten, krochen Renee und ich in unsere Betten.
Etwas beschwipst und schläfrig ließ ich mich ins Bett sinken. Ich verschränkte die Hände unter meinem Kopf und streckte die Ellbogen zur Seite. „Wie haben wir das bloß angestellt, Renee? Wie haben wir es geschafft, uns beide in Alkoholiker zu verlieben und sie zu heiraten?“
„Das habe ich mich auch schon oft gefragt, Joy. Wir haben getan, was von uns erwartet wurde. Und jetzt schau, was daraus geworden ist. Liegt es an irgendetwas in unserer Kindheit? Irgendetwas, was uns unbewusst eingetrichtert wurde? Ich weiß es nicht.“
„Ich glaube schon, dass man uns beigebracht hat, unser Licht unter den Scheffel zu stellen, damit die Männer strahlen können oder zumindest ein gutes Bild abgeben. Wir wurden darauf trainiert, ihre Bedürfnisse zu stillen, ihnen zu gefallen, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Wir waren Geiseln des Jähzorns meines Vaters und seiner Perfektionsansprüche – immer voller Angst, so zu sein, wie wir wirklich waren, einfach wir selbst zu sein. Und jetzt – wie hätten wir es mit unseren Männern anders machen können?“
„Von jetzt an werden wir es anders machen, Joy. Das müssen wir.“
„Ja.“ Ich setzte mich auf und starrte durch die Dunkelheit zu ihr hinüber. „Es muss einen anderen Weg geben, als Frau zu leben – unser eigenes Leben zu führen. Ich will herausfinden, wer ich bin, jenseits all dieser Erwartungen, die uns in ein hübsches kleines Kästchen zwängen. Ich will mich entfalten. Wie aber machen wir das?“
„Darauf habe ich auch keine Antwort. Ich versuche nur zu überleben – und dank deiner Hilfe gelingt mir das vielleicht.“
„Hier ist es auch nicht viel besser, Süße. Bill greift immer wieder zur Flasche. Er will, dass ich etwas bin, was ich nicht sein kann: eine Hausfrau, Haushälterin und unterwürfige Gattin. Er kannte mich, als er mich heiratete. Jetzt will er jemand anderen, als könnte mich die Ehe zu einem folgsamen Püppchen machen. Ich will dich nicht dazu verleiten, ihn zu hassen, aber er hat schreckliche Sachen gesagt und getan.“
„Hat er dich geschlagen?“, fragte sie flüsternd.
„Nein. Das ist es nicht. Er schlägt andere Dinge – wie zum Beispiel, als er seine Lieblingsgitarre auf einem Stuhl zertrümmerte, oder als er sein Gewehr quer durchs Zimmer schmiss. Meistens ist es nur sein Brüllen und Schreien. Diese wahnsinnige Wut.“ Ich hielt inne. „Renee, er hat zu einem Freund gesagt, er sei nicht so erfolgreich, wie er sein könnte, weil ein Schriftsteller zwei Dinge brauche, eine Schreibmaschine und eine Frau – und beide sollten funktionstüchtig sein.“
„Was für ein dämlicher Spruch.“
„Ich sollte mich nicht beklagen. Es ist ja nicht so schlimm wie deine Situation. Meinen Kinder geht es gut. Niemand liegt im Sterben oder ist krank. So schlimm ist es also gar nicht, es fühlt sich nur manchmal so an.“
„Ich will das nicht vergleichen, Joy. Es gibt viele Möglichkeiten, in einer Ehe unglücklich zu sein. Claude hat uns geschlagen und gedroht, uns umzubringen. Er hat uns herumgestoßen und sich fast zu Tode getrunken. Aber es können noch andere Dinge passieren, die sich so anfühlen, als müsstest du sterben. Wenigstens hast du dir deine Leidenschaft fürs Schreiben bewahrt. Ich habe gar nichts.“
„Das ist schon eine Hilfe“, gab ich zu. „Aber, meine Liebste, jetzt hast du ja uns, und deine Kinder haben meine.“
„Ja, jetzt bin ich ja hier“, sagte sie.
Es fühlte sich so an, als wäre sie gekommen, um uns zu retten, und nicht umgekehrt.
8

Yet I lie down alone Singing her song
„Sapphics“, Joy Davidman
Die Wochen vergingen, und ich fragte mich, wie wir alle ohne einander überhaupt zurechtgekommen waren: ohne dass die Kinder wie ein Haufen Welpen miteinander herumtollten oder dass Renee und ich bis tief in die Nacht beim Halmaspiel saßen, Rum tranken und uns über das Leben und die Liebe unterhielten.
Es dauerte nicht lange, bis meine Cousine viele der Aufgaben im Haushalt übernahm. Sie tat all das reibungslos, als wäre sie eigens dazu hergekommen. Sie hatte stets eine natürliche Neigung zu Ordnung und Eleganz gehabt, und für mich war das ein willkommenes Geschenk. Wir lachten und süffelten miteinander, und wir halfen uns gegenseitig mit den Kindern, die oft wild durch Haus und Garten stürmten. Renee schaltete das Radio ein, das bei mir immer ausgeblieben war, und es versorgte uns mit Nachrichten von der Außenwelt. Großbritannien verkündete, es verfüge ebenfalls über Atomwaffen. Albert Schweitzer gewann den Friedensnobelpreis. Herman Wouk erhielt den Pulitzerpreis für den Roman Die Caine war ihr Schicksal. Immer, wenn ich von einem Literaturpreis hörte, erwachten in mir die alten Träume, reckten sich und hauchten meiner Arbeit Leben ein.
Mit zwei zusätzlichen Händen im Haus schrieb ich länger und schlief öfter aus – ein Genuss, den ich mir nach langen Nächten am Schreibtisch sehr gönnte. Die Kinder bekamen ein warmes Frühstück statt kaltem Müsli, die Wäsche war fertig und säuberlich gefaltet, und der Kühlschrank war gut mit Lebensmitteln bestückt.
Joy:
Wie kommt man Verpflichtungen nach, wenn der Wille dafür schwach geworden ist? Es ist eine Tugend, so sagt man mir, und vielleicht geht es nur durch eine höhere Macht. Ein Aufgeben? Oder ein Nachgeben? Irgendwie liegt das Geheimnis in diesem Gedanken verborgen.
Jack:
Ich möchte Ihnen von Janie und Maureen Moore erzählen. Habe ich die beiden schon einmal erwähnt? Sie lebten vierundzwanzig Jahre lang mit Warnie und mir zusammen, weil ich eine Verpflichtung und ein Versprechen erfüllte – das ist in der Tat eine Tugend, Joy, und es ist genau das, was Sie mit Ihrer Cousine, Ihrer Nichte und Ihrem Neffen machen. Wissen Sie, Mrs. Janie Moore und ihre Tochter Maureen kamen zu uns, weil ich meinem Kriegskameraden Paddy Moore versprochen hatte, ich würde mich um seine Familie kümmern, falls er getötet wurde, was furchtbarerweise tatsächlich geschah. Maureen ist schon vor einer Weile ausgezogen, aber Mrs. Moore – Janie – wohnte bis letztes Jahr bei uns. Jetzt ist sie in einem Pflegeheim – sie schäumte vor Wut, als sie uns verließ – und hat nicht mehr lange zu leben. Es war viele Jahre lang nicht leicht für uns, ja, für lange Zeit war es eine richtige Qual. Ihr Weggang hat Warnie und mich von einer schweren Bürde befreit.
Joy:
Ich hatte keine Ahnung, dass Sie beide so lange Zeit zwei Frauen bei sich wohnen hatten! Jack, Sie sind ein bewundernswerter und freundlicher Mann. Aber ich habe Renee gern hier bei mir – es ist meine Verpflichtung gegenüber Bill, die an der Substanz meiner Tugenden zehrt.
Eines Nachmittags, als ich auf die Schreibmaschine einhämmerte, kam Renee in mein Arbeitszimmer und stellte mir eine direkte Frage. „Wenn du unglücklich bist, hast du nie an Scheidung gedacht? Ich merke doch, dass dein Herz für Bill verschlossen ist.“
„Ich versuche es irgendwie hinzukriegen; ich liebe ihn ja doch.“ Ich deutete auf meine Arbeit. „Ich versuche mich an diese Gebote hier zu halten, Süße“, fügte ich mit einem bemüht unbeschwerten Zwinkern hinzu.
„Ich lasse mich scheiden“, erwiderte sie. Ihre Augen blieben so tränenlos wie ihr Herz für Claude. „Ist das falsch und ‚unbiblisch‘? Mit so einer Religion kann ich nichts anfangen, wenn überhaupt mit irgendeiner.“
„Nein“, sagte ich warm. „Claude hat dich geschlagen. Und die Kinder. In so einer Situation stecke ich nicht. Mein Herz ist bloß unruhig gegenüber einem Mann, der sagt, dass er mich liebt, während er mich gleichzeitig beschimpft; einem Mann, den ich liebe und jetzt fürchte. Und Renee, mir ist klar geworden, dass es einen Unterschied gibt zwischen Religion und Gott, und zwar einen sehr großen.“
Renee kam näher und schlug einen weicheren Ton an. „Bill hat mir erzählt, was der Arzt gesagt hat …“
Ich hob die Augenbrauen. „Ach?“
„Dass du dich erholen musst, dass du dafür vielleicht woanders hin musst. Wir alle brauchen dich, besonders die Kinder, und wenn du krank und erschöpft bist, nützt du niemandem etwas. Nicht einmal dir selbst. Und schon gar nicht deiner Arbeit.“
„Ich weiß. Aber ich wüsste nicht, wie ich hier weg könnte. Wie könnte ich denn meine Kinder zurücklassen? Ich bin mir nicht sicher, ob ich das nicht genauso wenig überleben würde.“
„Es wird vielleicht nicht leicht sein“, sagte sie, „aber es ist nicht unmöglich. Ich habe in letzter Zeit eine Menge Dinge getan, die ich früher für unmöglich hielt.“
„Ich habe schon mal an England gedacht“, gab ich zu. „Dorthin zu gehen und mich von diesen Krankheiten zu erholen, zu schreiben und mit dem einzigen Freund zu reden, der mir vielleicht helfen könnte. Ich sehne mich danach, die englische Landschaft zu sehen und in ihre Geschichte und Literatur einzutauchen. Ich habe sogar eine Idee für ein Buch, das dort spielen würde, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als weiter zu versuchen, die Dinge hier in Ordnung zu bringen. Weiter zu schreiben. Mich weiter um meine Familie zu kümmern.“
Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Wenn es dein Traum ist, nach England zu gehen, und dein Arzt dasselbe vorschlägt, dann solltest du es tun, Joy. Wir kommen hier schon zurecht.“
Ich sah meine Cousine staunend an. Vielleicht war es möglich: all die Träume und Wünsche und Fantasien von den Landschaften Englands wahr werden zu lassen.
„Ich weiß nicht.“ Ich starrte nach draußen, als läge England auf unserem Farmland in Staatsburg. „Chad war dort, und es hat sein Leben verändert. Als er zurückkam, schrieb er sein bisher bestes Buch, und hat seitdem mit dem Schreiben nicht aufgehört.“
„Es könnte auch dein Leben völlig verändern, Joy. Vielleicht ist das hier deine einzige Chance. Warum ergreifst du sie nicht? Ich bin doch da und kann helfen.“
Mit einer Freundlichkeit, wie man sie einem kleinen Kind zuwendet, lächelte sie mich an und stand dann auf, um zu gehen.
Als ich wieder allein war, fiel mir etwas ein, was ich vor gar nicht langer Zeit in Vermont zu Chad gesagt hatte. Was würde aus mir werden, wenn ich je den Mut hätte? Ich hatte das Gefühl, ich würde es bald herausfinden.
Jack:
Wie geht es Ihnen mit dem Besuch Ihrer Cousine? Da wir nun wieder über unser Haus verfügen können, haben Warnie und ich einen Gast aus Irland beherbergt – meinen Freund aus Kindertagen, Arthur Greeves –, und nun ruhen wir uns übers Wochenende etwas aus. Selbst der Umstand, dass ich für einen neuen Lehrstuhl am Magdalen College übergangen wurde, kann meine heitere Stimmung nicht trüben. Und letzte Woche habe ich beim Bibliotheksverband einen Vortrag über Kinderliteratur gehalten – ich glaube, ich werde diesen Vortrag zu einem Essay ausarbeiten; er enthält manches, worüber Sie und ich in unseren Briefen geschrieben haben – über gute und schlechte Arten, für Kinder zu schreiben. So geht mir das häufig: Ihre Worte helfen mir, meine klarer zu machen.
Joy:
Es ist schön, eine Freundin im Haus zu haben. Es bringt aber auch alte Kindheitserinnerungen zurück. Renee hat einen Job in Poughkeepsie angenommen, sodass jetzt etwas Geld hereinkommt; ihr liegt sehr daran, hier ihren Beitrag zu leisten. Ich schreibe wie eine Wahnsinnige – das Buch über König Karl II. hat meiner Kreativität etwas Raum geschenkt, die Worte fließen wieder.
Es gibt aufregende Neuigkeiten: Ich plane, nach England zu kommen. Es gibt noch ein paar logistische Probleme zu lösen, aber ich glaube, es ist machbar.
An einem feuchten Frühjahrsmorgen ging ich zu Bill und Renee und bat sie, mir zuzuhören. Ich wollte ihnen von den Plänen erzählen, die uns alle retten würden.
Wir saßen im Wohnzimmer, Bill und ich auf dem durchgesessenen Cordsofa, Renee auf der anderen Seite des niedrigen Holzfurnier-Kaffeetisches auf dem steifen Kunstledersessel. Das Zimmer war so sauber wie schon seit Monaten nicht mehr. Dank Renees Mithilfe und der Rückkehr unserer Haushälterin Grace, waren Staub und Unordnung fürs Erste gebannt.
„Im April“, begann ich, „bekomme ich einen Scheck für meine Artikel. Das Geld würde ich gerne für eine Reise nach Übersee verwenden.“ Ich machte eine Pause. „Nach England.“
Kleine Fältchen kräuselten Renees Lidstrich, als sie mich anlächelte. Bill rutschte auf dem Sofa herum und drückte seinen Rücken gegen die Armlehne, als wollte er so weit wie möglich auf Abstand zu mir gehen. „England“, mehr als das eine Wort sagte er nicht.
„Bill“, sagte Renee mit sanfter Stimme, „du weißt ja, dass Dr. Cohen sagte, so etwas wäre genau das Richtige für sie.“
Bill schaute von Renee zu mir. „Fühlst du dich wieder krank?“
„Du weißt doch, wie ich mich fühle. Mein Körper schmerzt. Alles in mir tut weh. Aber das ist nicht der einzige Grund. Ich liebe euch beide, und ich liebe die Jungs, aber ich fühle mich wie betäubt – und durcheinander.“
„Und wovon willst du leben?“ Er senkte seine Stimme, da war keine Spur mehr von Südstaatenakzent.
„Ich habe die Artikel, und jeden Tag müsste ein Tantiemenscheck von Macmillan eintreffen. Außerdem werde ich mindestens zwei Bücher beenden oder daran arbeiten, während ich dort bin.“ Ich rutschte auf dem Sofa herum, holte tief Luft und sprach die Worte aus, die ich einstudiert hatte. „Wenn ich die Augen zumache, sehe ich dieses satte Grün. Es ist ein Ort, wo wir Freunde haben, bei denen ich unterkommen kann – Phyl ist jetzt in London.“ Ich sah Renee an. „Sie hat letzten Winter, als sie in einer Krise steckte, bei uns gewohnt, und sie hat mit Nachdruck gesagt, dass sie jederzeit ein Bett für mich hat. Außerdem haben wir dort auch einen Freund, der vielleicht ein paar Antworten hat, die uns allen weiterhelfen können.“
„Mr. Lewis“, sagte Bill.
„Ja.“ Ich zögerte. Dies war der Punkt, an dem ich das Gleichgewicht verlieren konnte. „Ich habe den Roman über König Karl II. angefangen, und ich glaube, er könnte wirklich Geld einbringen. Aber ich muss nach Edinburgh in die Bibliothek, um dort zu recherchieren. Ich könnte auch die Artikel über die Zehn Gebote fertigstellen. Aus ihnen allen zusammen ließe sich ein ansprechendes Buch machen. Und obendrein ist in England die Gesundheitsversorgung praktisch kostenlos. Selbst den Urlaubstouristen steht es frei, sie zu nutzen. Ich könnte mir endlich alle meine Zähne behandeln und ein paar Untersuchungen vornehmen lassen, die ich schon so lange vor mir hergeschoben habe, weil ...“
„... wir hier nicht das Geld dafür haben“, unterbrach Bill, aber dann lenkte er ein, rückte näher an mich heran und nahm meine Hände. „Joy, wir wollen, dass es dir besser geht, und ich weiß, dass wir uns die ärztliche Behandlung hier nicht leisten können. Tu, was du tun musst. Wenn du das Gefühl hast, ein Auslandsaufenthalt könnte dir helfen, dann solltest du das machen.“
„Tu, was immer du brauchst, um gesund zu werden“, stimmte Renee mit ein.
„Ich tue das für uns alle“, sagte ich. „Ich kann den Gedanken kaum ertragen, meine Jungs zurückzulassen, aber ich weiß ja, dass sie euch beide haben. Alles wird besser sein, wenn ich wieder zurückkomme. Es ist nicht anders als eine deiner Geschäftsreisen“, sagte ich zu Bill. „Immer, wenn du zurückkommst, ist es, als wärst du nie weg gewesen.“
Bill küsste die Innenseite meiner Handfläche. „Wir werden zurechtkommen.“ Dann stand er auf und schlenderte davon, so als hätten wir uns gerade geeinigt, dass es Hamburger zum Abendessen geben sollte.
Auch Renee erhob sich. Sie hob ein Hundespielzeug aus Plastik, das aussah wie ein Knochen, vom Fußboden auf und warf es in den Korb unter dem Couchtisch. „Hier wird alles prima laufen, Liebes. Alles bestens. Du hast uns gerettet, und ich werde dasselbe für dich tun.“ Sie griff nach meiner Hand. „Werde du nur gesund, damit du zu allem bereit wieder zurückkommst.“
„Ja, zu allem bereit.“
Jack:
Warnie und ich freuen uns darauf, endlich unsere Brieffreundin kennenzulernen. Bitte halten Sie uns über Ihre Reisepläne auf dem Laufenden. Wir können es kaum erwarten.
Joy:
Ich lege in der zweiten Augustwoche in New York ab und treffe am 13. in Southampton ein. Ich werde bei einer alten Freundin in London wohnen und melde mich, sobald ich dort angekommen bin und mich eingerichtet habe.
Während dieser Wochen vor meiner Abreise spürte ich, wie Bereiche in meinem Inneren aufgerissen wurden, die für Jahre ohne jede Empfindung gewesen waren, so als hätte schon die Entscheidung selbst meine Seele geweckt. Ich erzählte meinen Söhnen, wohin ich reisen und was für ein großartiges Abenteuer das sein würde. Wir dachten uns Geschichten darüber aus, wie es in England wohl aussehen mochte. Davy malte Bilder, und Douglas überlegte sich, ob die Wälder dort wohl dichter oder grüner waren. Niemand konnte zählen, wie viele Male ich ihnen sagte, wie sehr ich sie vermissen würde und wie sehr ich mich schon bei dem Gedanken, fort zu sein, noch während sie neben mir saßen, nach ihnen sehnte.
„Jungs“, sagte ich, als ich sie eine Woche vor meinem Aufbruch zu Bett brachte, „ich habe euch sooo lieb. So wie das Universum.“
„Das Universum kann man nicht messen“, sagte Davy mit seiner erworbenen Kenntnis über die himmlischen Gefilde.
„Genau“, sagte ich.
„Bringst du uns Geschenke mit, wenn du wieder zurückkommst?“, wollte Douglas wissen.
„Jede Menge.“
„Glaubst du, Mr. Lewis ist so nett wie der Professor in seinem Buch?“
„Noch netter“, sagte ich. „Ich werde euch schreiben und euch alles über ihn erzählen.“
Sie schliefen so schnell ein, wie es nur erschöpfte Kinder können. Ich stand neben ihren Betten, Tränen liefen mir übers Gesicht und sammelten sich in meinen Mundwinkeln.

Als wir an jenem Augustmorgen am Hafenpier am Hudson River eintrafen, stand Bill so aufrecht und steif da wie die Pfeiler am Kai. „Gute Reise, Joy.“ Unbeholfen nahm er mich in die Arme.
Ich ergriff seine Hände. „Das ist eine Reise für uns alle. Sie wird eine Rückkehr zur Gesundheit, zu stabileren Finanzen und zur Lebendigkeit für unsere Familie sein. Das weißt du doch, oder, Poogle?“
Er wandte sich ab, und Renee kam zu mir. Sie drückte mich länger und fester an sich. Dann trat sie in ihrem roten Sommerkleid und mit ihrem breitkrempigen Strohhut einen Schritt zurück und lächelte. „Ich werde dich vermissen, Liebes. Komm bald und wohlbehalten wieder nach Hause.“ Sie küsste mich auf die Wange, und ich wusste, dass ihr Lippenstift eine leuchtend rote Spur dabei hinterließ.
Eine feuchte Brise, begleitet von einem stechenden Rauch- und Diesel-Geruch, wehte über uns hinweg, als ich meine Arme für meine Söhne ausbreitete. Hinter mir wartete der große Ozeandampfer, ein Gigant von Schiff, den ich bald besteigen würde. „Davy, Douglas. Kommt zu mir.“
Ich drückte die beiden mit je einem Arm an mich und bedeckte ihre Gesichter mit Küssen. „Ich bin bald wieder zu Hause. Ich liebe euch so sehr!“ Meine Stimme blieb an den Tränen hängen, die mir meine Kehle zuschnürten.
„Nicht weinen, Mami!“ Douglas tätschelte mir die Wange. „Bitte bring uns Geschenke aus England mit.“
Davy vergrub sein Gesicht in meiner Schulter und fing leise an zu weinen. Seine Brille fiel zu Boden. Ich hob sein Gesicht zu mir, hielt sein Kinn in der Hand und sah in seine dunkelbraunen Augen. „Schau zum Mond hinauf und denk daran, dass ich auch dorthin schaue. Wir werden unter denselben Sternen und demselben Himmel sein. Und er wird mich wieder nach Hause bringen. Das verspreche ich dir.“