Kitabı oku: «Mrs. Lewis», sayfa 8

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Even the bells in Magdalen tower were ringing Death to the drooping afternoon

„Sonnet VI“, JOY DAVIDMAN

Der zweite Tag in Oxford brach leuchtend an, mit honigfarbenem Sonnenlicht, das von den Blättern herabfiel und sich wie verschüttete Farbe auf dem Gras verteilte. Die Luft war glasklar und weich wie Watte. Voller Erwartung wälzte ich mich aus dem Bett und in den Tag hinein.

Träge begann ich einen Brief nach Hause zu schreiben und meinen Artikel zum Zweiten Gebot noch einmal durchzugehen, bevor ich mich zu Fuß auf den Weg zum Mittagessen im Magdalen College machte. Als ich fünfzehn Minuten später das Portal des Colleges erreichte, spürte ich wieder die alte Müdigkeit in meinen Knochen und hielt inne.

„Nein“, sagte ich laut. „Wir sind hier in Oxford, und es geht uns bestens. Wir werden jetzt Jack sehen und Warnie kennenlernen.“

Die Bäume und der Fluss atmeten etwas Heiliges, und ich sprach ein stilles Gebet – Du hast uns zusammengebracht. Bitte sei bei uns! – und durchschritt dann den alten steinernen Torbogen von Magdalen zum Innenhof hin. Männer in offenen, flatternden schwarzen Roben eilten an mir vorbei wie ein Schwarm Krähen. Die Studenten trugen ihre Anzüge – Jungen, gekleidet wie Männer in ihren geknöpften Pullovern und zerknitterten Anzugjacken, nur die obersten zwei Knöpfe geschlossen. Und der Zigarettenrauch – in jedem Mund schien eine Kippe zu stecken. Dies hier war eine Männerdomäne, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Es roch nach Leder und Pfeifenrauch.

Als ich mit zaghaften Schritten den Weg zur Tür des Speisesaals gefunden hatte, hatte meine Maske der Unerschrockenheit schon ein paar Risse bekommen.

Was machte ich hier?

Natürlich war Frauen der Zutritt nicht verboten (außer als Studentinnen, Dozentinnen oder Tutorinnen), aber ich spürte mit jeder Nervenfaser, dass sie vor allem als Anhängsel oder Fußnoten willkommen waren. Bestenfalls als angenehme Gesellschaft.

Ich trug ein formelles Etuikleid aus graubraunem Tweed, und um meinen Hals hing die doppelreihige Perlenkette. Neue Nylonstrümpfe umschmeichelten meine Beine. Einen hellblauen Seidenschal, den ich mir in London gekauft hatte, hatte ich mir so kunstvoll um meinen Hals geschlungen, als hätte ich ihn achtlos übergeworfen; dabei hatte ich die Knoten öfter gelöst und wieder neu gebunden, als ich je zugeben würde.

Am Eingang des Speisesaals blieb ich stehen und verharrte kurz; ich zitterte. Dann trat ich langsam ein und blinzelte in das gedämpfte Licht. Der riesige, dunkel vertäfelte Raum wirkte wie geschaffen für Gelehrte, für hohe Literatur und philosophische Debatten. Prächtige Ölgemälde hingen an den Wänden, Porträts von Männern in Roben mit gestreiften Stolen um den Hals, voller Ernst, niemals lächelnd. Die Tische waren lang und rechteckig, zum Mittagessen gedeckt mit weißen, zu kleinen Zelten aufgestellten Servietten auf jedem Gedeck und funkelnden Kristallgläsern für den Sherry. Darüber hingen niedrige Leuchter aus dunklem Messing und warfen ihre Lichtkreise. An der Stirnseite des Raums stand ein langer Tisch auf einer etwas erhöhten Plattform. Dort saßen die Professoren, die „Dons“, in ihren schwarzen Roben. Der hohe Tisch. Fenster mit Glasmalereien wachten über den Raum, und ein steinerner Kamin beherrschte die linke Wand.

Ich wollte in diesem Raum zu Hause sein.

Ich rückte meinen dunkelblauen Tellerhut zurecht und setzte mein breitestes Lächeln auf, aber meine Gedanken drehten sich nur um eins: Ich musste eine Damentoilette finden. Es war ein schöner, aber langer Spaziergang von Victorias Pension hierher gewesen, und auf die letzten beiden Tassen Tee, bevor ich aufbrach, hätte ich wohl besser verzichtet.

Jack entdeckte mich, bevor ich ihn sah.

„Guten Tag, Joy.“ Mit einem herzlichen Lächeln, als träfen wir uns jeden Tag zum Mittagessen, kam er auf mich zu. Er trug dieselbe Krawatte wie am Vortag, und seine schwarze Robe hing offen über seinem grauen Anzug. Seine Brille lugte aus der Brusttasche seines Jacketts hervor, als wolle sie heimlich beobachten, was vor sich ging.

„Herzlichen Dank für die Einladung.“

Mein Akzent brachte die Männer dazu, sich von ihren Tellern abzuwenden und zu mir herüberzustarren. Ein anderer Mann trat zu uns. „Guten Tag. Sie müssen Mrs. Gresham sein. Ihre Briefe haben mir sehr viel Freude bereitet.“ Der Mann war etwas kleiner als Jack, aber ich wusste sofort, wer er war. Sein offenes Lächeln und seine ernsten Augen verrieten ihn.

„Und Sie müssen Warnie sein.“ Ich lächelte. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, Sie kennenzulernen.“

Warnies Gesicht war runder als das von Jack, und sein Kinn schien nahtlos in seinen Hals überzugehen, aber sein Lächeln ließ seine Züge aufleuchten. Er trug einen ähnlich farblosen Anzug, aber ohne Robe darüber. Seine Krawatte saß ein wenig schief, ebenso wie sein Lächeln, und er hatte einen etwas zerknitterten Charme.

„Wir freuen uns sehr über Ihren Besuch“, erwiderte er, und sein buschiger Schnurrbart zog sich mit seinem Lächeln in die Breite.

Nach dieser Begrüßung führte Jack uns aus dem großen Saal hinaus durch die von Bögen überspannten Flure zu einem privaten Speiseraum, wo das Mittagessen für uns vorbereitet war. Wie ließen uns in dem warmen, gemauerten Raum nieder, und das dunkle Holz und die sich hoch auftürmenden Bücherregale ließen mich fast den Druck in meiner Blase vergessen. Die tiefen, üppig gepolsterten Möbel schienen dafür gemacht zu sein, dass Männer auf ihnen Platz nahmen, ihre Pfeifen anzündeten und sich nach Herzenslust in ihre Bücher vertieften. Was sagte es über mich, dass ich mich dort wohler fühlte als in jedem Gesellschaftszimmer für Damen?

Jack ging auf einen anderen Mann zu, um ihn zu begrüßen, und ich wandte mich an Warnie. „Gibt es in dieser Männerenklave irgendeinen Ort, wo eine Dame sich erleichtern kann?“, fragte ich ihn, inzwischen leicht verzweifelt.

Zum Glück konnten Jack und sein Bekannter das nicht hören. Nur der arme Warnie wurde rot und schaute betreten zu Boden. In diesem Land gehörte es sich nicht, dass Frauen die Toilette erwähnen.

Er wies mir die richtige Richtung, und ich verschwand. Meine flachen Absätze klapperten über die großen Pflastersteine. Statt Verlegenheit verspürte ich einen Anflug von Neid: Ich wollte an einem Ort wie diesem zu Hause sein – als Tutorin, als Akademikerin, als bedeutende Schriftstellerin. Ich wollte so vieles. Aber erst einmal würde ich hier zu Mittag essen.

In dem unebenen, verstaubten Spiegel über dem Waschbecken in der Toilette sah ich mir selbst in die großen Augen hinter der Hornbrille. Was sahen Jack und Warnie? Ich zog etwas roten Lippenstift nach und glättete mir die Haare. Gar nicht so schlecht.

Als ich zurückkehrte, wurde gerade der Sherry in die fein geschliffenen Kristallgläser eingeschenkt. Ich trank meinen zu rasch und spürte sogleich den kleinen Schwips, den er bewirkte. In der Ferne begannen Glocken zu läuten; dann stimmten weitere in ihre klaren Klänge ein.

„Die Glocken scheinen hier nie mit dem Läuten aufzuhören“, sagte ich. „Von all den hohen Türmen herab.“ Ich tat so, als müsste ich mir die Ohren zuhalten.

„Ja, unsere Glocken in den verschiedenen Colleges liegen hier und da ein paar Minuten daneben“, sagte Jack und wedelte mit der Hand zum Fenster hin. „Nicht so synchron, wie wir es gerne hätten.“

Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern, bis die Worte auf dem Wappen von Magdalen meine Aufmerksamkeit auf sich zogen. „Floreat Magdalena“, murmelte ich. „Es blühe …“

„Sie lesen Latein?“, erkundigte sich Jack.

„Wie bitte?“

Er deutete auf das Wappen.

„Ach so, ja. Latein, Deutsch und Französisch. Griechisch habe ich mir auch beigebracht, aber das ist ein wenig eingerostet. Latein und Griechisch geraten bei mir manchmal ein bisschen durcheinander.“ Ich brach verlegen ab, als mir der Gedanke kam, dass sich das womöglich wie Angeberei anhörte. „Meine Zimmergenossin auf dem College, Bel, sprach Russisch, aber da bin ich nie so richtig dahintergekommen. Aber Sie beherrschen mehr Sprachen als ich, Jack. Latein, Griechisch, Französisch und Italienisch. Wahrscheinlich noch ein paar andere.“

Warnies Gelächter hallte durch den Raum, als wir uns zu Tisch setzten. „Es scheint nicht viel zu geben, was unsere amerikanische Freundin nicht kann.“

„Oh, da gibt es vieles“, entgegnete ich. Damit wandte ich ihm meine Aufmerksamkeit zu. „Sagen Sie, Warnie, woran arbeiten Sie? Was schreiben Sie gerade?“

„Ich plage mich gerade mit einem Buch über den Sonnenkönig Ludwig XIV. ab. Für Sie wahrscheinlich kein besonders interessantes Thema, aber ich bin geradezu besessen davon.“ Er klang so sehr wie Jack, dass ich eine Verwandtschaft spürte, die sich nicht gebührte.

„Kein interessantes Thema?“, fragte ich zurück. „Weit gefehlt! Ich arbeite gerade an einem Buch über Karl II., und mein Lord Orrery, über den ich an der Columbia eine Arbeit geschrieben habe, saß zur Zeit Ihres Königs im Unterhaus.“

Und so tauchten wir ein in die Welt der Geschichte, als wäre Jack gar nicht da. Wir redeten über Frankreich, über Könige und Schlachten. Wir unterhielten uns über Forschung und Recherchen und darüber, wie schwierig es war, über längst vergangene geschichtliche Ereignisse zu schreiben, von denen nur noch Spuren vorhanden waren, die wir erst enträtseln mussten.

Bald stieg Jack in unser Gespräch ein, und wir kehrten in die Gegenwart zurück. Ich nahm noch einen Bissen von meinen gegrillten Würstchen und den Tomaten und stellte fest, dass Jack seinen Teller bereits völlig blank poliert hatte.

„Bin ich eine langsame Schnarchnase?“ Ich schaute Warnie an. „Es tut mir leid. Müssen Sie noch woanders hin? Ich habe zu viel geredet.“

„Nein!“, protestierte Jack und hob flehentlich die Hände. „Das Problem liegt bei mir. Ich esse zu schnell. Ich gebe Oldie die Schuld.“

„Dem furchtbaren Direktor in Ihrem alten Internat“, sagte ich. Die Geschichte hatte ich aus einem seiner Briefe in Erinnerung.

„Sie wissen darüber Bescheid?“, staunte Warnie.

„Nicht sehr viel, aber einiges.“ Ich sah Jack an. Hatte ich da etwas Vertrauliches ausgeplaudert?

Jack legte seine Gabel auf seinem leeren Teller ab und zündete sich eine Zigarette an. „Wir kriegten mächtig Ärger, wenn wir bei den Mahlzeiten nicht schnell genug oder gar überhaupt nicht aufaßen. Deshalb habe ich mir diese schreckliche Schlingerei angewöhnt. Ich habe es schon versucht, aber ich werde sie nicht wieder los.“

„Wenn das nicht der Grund ist, liegt es daran, dass er so nach seiner Zigarette lechzt“, sagte Warnie lachend.

„Nun, ich werde mein Essen genießen.“ Übertrieben langsam führte ich einen Bissen zum Mund, und die Tomatensoße tropfte auf den Teller.

Sie lachten, wie ich es mir erhofft hatte. Als ich nach einer kleinen Weile meinen Teller von mir schob, fragte Jack: „Wollen wir vielleicht einen kleinen Spaziergang zum Hirschpark machen?“

„Das hört sich fabelhaft an“, sagte ich mit schrecklich nachgemachtem englischem Akzent.

„Na dann los!“ Wieder ertönten die Glocken von Magdalen und verliehen dem Stundenwechsel einen reichen, sakramentalen Klang.

Eingehüllt in das angenehm warme Prickeln von Sherry und guter Gesellschaft verließen Jack, Warnie und ich den Speiseraum und betraten die große Rasenfläche. Überall sah man Männer mit Pfeifen und Zigaretten und Büchern unter dem Arm herumschlendern. Der nahende Winter wusch das Grün aus dem Gras und verlieh ihm eine brünette Farbe wie feines Haar, und die herabfallenden Blätter schmückten den nackten Rasen.

Jack deutete auf ein langes rechteckiges Gebäude vor uns jenseits der Rasenfläche. „Dort sind meine Räume.“ Er schwang seinen Gehstock, drehte von dem Gebäude ab und ging unter dem schmiedeeisernen Torbogen hindurch, den wir schon am Vortag durchquert hatten. Zu dritt schlenderten wir langsam über die kleine steinerne Brücke, eine Miniaturversion der größeren Magdalen Bridge über den Cherwell, und gelangten so auf Addison’s Walk und zum Hirschpark.

Warnie ging neben mir, als ein geflecktes Rehkitz über die Wiese hüpfte und sich über die Schulter umschaute.

„Meine Jungs werden das lieben“, flüsterte ich, bevor ich merkte, dass ich es laut ausgesprochen hatte wie ein Gebet oder eine Beschwörung für die Zukunft. „Diese Augen der Rehe“, sagte ich. „Als ob sie nur uns anschauen, so rund und braun.“

„Genau wie Ihre“, sagte Jack so beiläufig, dass es ungewöhnlich lange dauerte, bis mir aufging, was er gesagt hatte.

„Meine?“

Er antwortete nicht, als hätte er seine eigenen Worte schon wieder vergessen. Mit schwingendem Gehstock ging er vor uns her. Warnie und ich schlossen zu ihm auf; ich spürte schon, wie sich an meinen Füßen aufgrund der Schuhe, die ich wegen ihrer Eleganz und nicht wegen ihrer Bequemlichkeit ausgesucht hatte, Blasen bildeten.

„In den Vierzigern“, sagte ich, „war ich für ein paar Monate in Hollywood und versuchte, als Drehbuchautorin zu arbeiten. Das einzige Drehbuch, das beinahe verfilmt worden wäre, handelte von Rehkitzen.“ Ich beobachtete, wie das kleine Reh vor uns einen Satz nach vorn machte und im Unterholz verschwand. „Ich hatte mir das Motiv des weißen Hirschs bei Kipling ausgeliehen.“

„Großartige Idee“, sagte Warnie. „Warum wurde der Film niemals gedreht?“

„Nun, einen Regisseur hatten wir schon, aber Rehe sind in Hollywood ziemlich schwer zu finden. Hätte ich gewusst, wie man sie importieren kann, dann hätte ich das getan. Aber meine Fähigkeiten haben ihre Grenzen.“

Beide lachten.

„Was haben Sie da draußen in Kalifornien sonst noch geschrieben?“, erkundigte sich Warnie. „Es kommt mir eine Million Meilen entfernt vor.“

„Das wollen Sie nicht wissen. Es war eine schreckliche Zeit. Abgesehen von dem Metro-Goldwyn-Mayer-Löwen – er hieß Leo –, den ich so sehr liebte, wie man ein Tier nur lieben kann, war es eine Zeit, die ich am liebsten vergessen möchte. Aber ich hatte einen Traum, Tristan und Isolde in einer Liebesgeschichte auf See auftreten zu lassen. Das ist einer meiner Lieblingsmythen.“

„Irische Liebe“, sagte Jack, „die im Tod endet.“

„Immerhin wahre Liebe“, erwiderte ich, blieb am Rand des Parks stehen und blickte nach oben, wo mehrere Schichten weißer Wolken sich flach an eine unsichtbare Barriere schmückten. „Die Art, die einen auf jede Kleinigkeit in der Natur achten lässt und zu sich selbst führt.“

„Oh, Sie sind ja eine Romantikerin“, sagte Warnie und hob seine Hände zum Himmel empor. „Ihr beide werdet euch prächtig verstehen.“

Jack hatte Warnie entweder nicht gehört, oder er verzichtete auf eine Antwort, denn seine nächste Bemerkung beendete den Nachmittag. „Morgen werden wir über den Shotover Hill wandern.“

„Das hört sich interessant an“, erwiderte ich, ohne danach zu fragen, wo der Shotover Hill war oder warum wir dort wandern würden.

„Also sehen wir uns morgen.“ Jack schenkte mir ein Lächeln. Über uns kreisten Schwalben, und der Gesang von Lerchen erfüllte die Luft.

Nachdem wir uns für den Vormittag verabredet hatten, brachen die beiden Brüder auf, der eine in Richtung „The Kilns“, ihrem Zuhause, der andere zu einem Tutorium mit einem Studenten. Vielleicht lag es daran, dass alles so neu und unberührt für mich war wie der Geschmack einer unbekannten Frucht, aber Oxford und die Lewis-Brüder hatten mich in ihren Bann gezogen; ich war verzaubert.

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The world tasted fragrant and new When we climbed over Shotover Hill

„Ballade of blistered feet“, Joy Davidman

Der Shotover Hill erhob sich über Oxford wie die Brust einer liegenden Frau. Jack, Warnie und ich traten unsere Wanderung schweigend an; hin und wieder brandete ein Gespräch auf, um dann wieder zu verebben. Wir gingen über farnbedeckte Hänge; über unseren Köpfen flatterten Amseln und Zaunkönige. Die Brüder schwangen ihre Gehstöcke in einem Schritt-Schritt-Schwung-Schritt-Rhythmus, schlugen Brennnesseln nieder und schoben Steine oder Zweige aus dem Weg, um es mir leichter zu machen. Wir stiegen auf den Berg und begannen, im gleichen Takt zu atmen.

Durch die körperliche Anstrengung fielen alle Gedanken von mir ab und lösten sich auf, sodass nichts blieb außer Staunen und die Seligkeit der stillen Natur. Jack hatte mir bereits gesagt, es sei ein Fehler, beim Wandern zu reden – der Lärm übertöne die Geräusche der Natur. Und so wanderten wir im Zickzack den Hang hinauf, getragen von dem weichen Heidekraut. Als wir die Kuppe erreichten, alle außer Atem, blicken wir hinab auf die Landschaft von South Oxfordshire, einen Flickenteppich aus Tälern und Flüssen, Teichen und Wäldern.

„Eine Landschaft wie aus einem Märchen“, murmelte ich schwer atmend, als wir oben ankamen. Warm fiel das Sonnenlicht auf mich, als ich mich auf den Boden setzte und die Unterarme auf die angezogenen Knie stützte.

„Ja“, sagte Warnie. „Von hier aus sieht es so aus, nicht wahr?“ Er holte tief Luft und beugte sich vornüber, um seine Knie zu umklammern. „Dabei ist es nur das langweilige alte Oxford.“

„Oh, Warnie!“, rief ich und sah ihn an. Seine weiten Hosen stauchten sich über seinen Füßen, als er sich auf seinem Stock stützte. „An Oxford ist nun wirklich nichts langweilig.“

„Der Blick des Neuankömmlings“, sagte er und richtete sich auf. „Lassen Sie mich noch einmal hinschauen.“ Er blinzelte in die Sonne und beugte sich nach vorn, als stünde er am Bug eines Schiffes. „Wahrhaftig, es ist ein Märchenland. Sie haben völlig recht, Mrs. Gresham.“

„Dieses Land muss ein Teil von Ihnen sein.“ Ich atmete das reinigende Aroma von Gras und Erde ein, und über uns wölbte sich der blaue Himmel wie die Mulde eines Alpensees. „Ich möchte, dass diese Landschaft zu mir gehört und ich zu ihr.“

„Dann wird es so sein“, sagte Jack. „Ich glaube kaum, dass es oft vorkommt, dass Sie sich etwas vornehmen und es nicht erreichen.“

Die Brüder kamen zu mir und ließen sich zu beiden Seiten von mir nieder. Wir redeten über Warnies neues Buch; über die bevorstehenden Abschlussprüfungen des Michaelmas Semesters für Jacks Studenten; über das Treffen des Socratic Club, zu dem er am nächsten Tag musste. Wir diskutierten über Winston Churchills konservative Ansichten und seine kürzliche Verlautbarung, England habe eine Atombombe. Ob man sie testen würde? Wo befand sie sich? Wir sprachen darüber, wie es Prinz Philip wohl ergehen musste, da seine Frau nun Königin war, und natürlich über die Teerationierung, über die sich ganz England ärgerte. Wir waren drei Freunde, die schon ihr ganzes Leben miteinander verbracht hatten; das hätte zumindest jeder geglaubt, der uns so gesehen hätte.

„Selbst der Garten Eden könnte nicht so schön sein.“ Ich stieß Jack an. „Obwohl ich weiß, dass Sie nicht glauben, dass es ihn überhaupt gibt.“

Warnie legte seinen Finger an die Lippen. „Pst, verraten Sie niemandem, dass der große C. S. Lewis Adam und Eva für einen Mythos hält.“

Jack gab ein schnaubendes Geräusch von sich und stand auf, um sich zu strecken. „Ich habe nie behauptet, ich wäre ein Theologe.“ Er schüttelte den Kopf. „Nun lasst uns diesen Hang hinuntergehen und uns einen netten Pub suchen. Wir haben uns ein Bier verdient.“

Während wir hinabstiegen, ergriff Warnie das Wort. „Wohin geht es für Sie als Nächstes, Joy?“

„Nun, erst einmal bin ich noch eine Woche lang hier.“ Ich blieb an einer Haarnadelkurve stehen, um zu Atem zu kommen und meine Knie ein wenig zu entlasten. „Dann reise ich nach Worcester, wo mein König seine Schlacht verloren hat. Dann weiter nach Edinburgh, um in den Archiven der Bibliothek zu graben.“

„Worcester!“ Warnie wandte sich an Jack. „Wohnen da nicht die Matley Moores?“

„Richtig“, sagte Jack. „Ich werde ihnen sagen, dass Sie kommen.“ Er drehte sich zu mir um. „Das sind gute alte Freunde von uns, bei denen Sie vielleicht unterkommen können.“

„Oh, das wäre ja großartig“, sagte ich. „Dann könnte ich etwas von dem bisschen Geld, das ich habe, sparen.“

„Wird erledigt.“ Jack nickte, und wir setzten mit der wärmenden Sonne im Rücken langsam unseren Abstieg fort. Als wir die Stadt erreichten, plumpsten wir auf die harten Bänke der nächsten Gastwirtschaft und ließen uns begierig das starke Braunbier die Kehlen hinunterrinnen. Warnie bestellte ein paar Pasteten, über die wir uns mit Heißhunger hermachten.

„Pubs sind vielleicht die größte Erfindung der Engländer“, sagte ich und sog mit Wonne die Wärme und den Duft von Whisky und gebratenem Essen ein.

„Finden Sie?“, fragte Warnie. „Nicht etwa Schweinefleischpasteten oder der Bleistift oder die Telegrafie?“

Ich verschluckte mich beinahe an meinem Bier. „Der Bleistift?“

„Ja.“ Jack nickte ernsthaft. „Irgendwann im sechzehnten Jahrhundert in Cumbria; so hat es uns Oldie zumindest erzählt.“

„Dann ja, sicher, der Bleistift ist großartig, und danach die Geschichten. Wie kommt es“, fragte ich, „dass britische Geschichten so viel besser sind? Oder werde ich nur von allen Seiten aus verführt?“

„Sie werden verführt“, sagte Jack und legte seine Arme über die Rückenlehne seines Stuhls.

Unsere Blicke trafen sich und glitten dann wieder ab. Ich hätte schwören können, dass er ein wenig rot geworden war.

„Aber was, glauben Sie, macht bei den Geschichten den Unterschied aus?“, fragte Warnie und winkte der Kellnerin, ihm noch ein Bier zu bringen.

„Ihre Geschichten, die englischen, meine ich, sind voller Magie. Voller Mystik. Unsere amerikanischen Geschichten sind realistischer. Wissen Sie, wir haben Tom Sawyer, Sie haben Mary Poppins. Das ist es, was ich meine. Aus der Alltäglichkeit in unseren amerikanischen Geschichten lässt sich eine Erzählung spinnen, aber sie entrückt einen nicht. Ihr George MacDonald und Die Lichtprinzessin haben nichts Pragmatisches an sich. Und dieser außergewöhnliche Phantastes, so etwas ist auf der Welt einmalig.“

Phantastes hat mein Leben verändert“, sagte Jack schlicht. „Ich wusste es damals nicht, aber es war so.“

Darüber hatten wir uns schon geschrieben, aber wie viel schöner war es, darüber zu sprechen. Gar kein Vergleich.

„So habe ich es auch empfunden.“ Ich nahm noch einen Schluck Bier gegen das Pochen in meinen von Blasen übersäten Füßen. „Sagen Sie“, sagte ich und hob mein Glas etwas zu eifrig an, sodass mir Bier ins Gesicht und ins Auge spritzte, worüber beide Männer schallend lachten.

„Ja, lacht nur über mich, aber schaut euch erst mal an“, sagte ich und beugte mich vor, um ein paar Krümel von Jacks Kinn zu wischen.

Warnie hüstelte. „So ist das, wenn alte Junggesellen zusammenwohnen. Wir merken es nicht, wenn uns das Essen ins Gesicht fällt.“

Ich nickte. „Nun, und so ist das, wenn eine Frau sich für etwas begeistert. Dann kleckert sie sich Bier ins Auge.“

Jack lächelte und fiel zurück in seine Träumerei. „Phantastes. Ich fand es in einer Buchhandlung am Bahnhof von Great Bookham, als ich an einem einsamen Nachmittag auf dem Weg zurück in die Schule war. Es kostete mich einen Schilling und einen Penny. Ich habe keine Ahnung von Geld, aber ich weiß noch genau, was dieses Buch gekostet hat.“ Er mischte sich mit der Serviette übers Kinn, als wollte er sichergehen, dass nichts zurückgeblieben war.

In mir kam der starke Wunsch auf, mit ihm zusammen diesen Bahnhof aufzusuchen. Ich wollte bei diesem einsamen Jungen sein, wenn er das Buch entdeckte, das seine Vorstellungskraft entfachen würde.

Er lächelte mich an. „Da waren Sie noch nicht einmal geboren.“

„Noch nicht“, stimmte ich zu.

Er fuhr fort. „Ich weiß erst heute, wie ich das Erlebnis beschreiben muss, dieses Buch zu lesen: Es war etwas Heiliges. Bücher können dazu beitragen, uns zu den Menschen zu machen, die wir sind, ist es nicht so?“ Jack lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Es ist etwas Kostbares, eine Freundin zu finden, die dasselbe erlebt hat.“

„MacDonald sieht das Göttliche in allem“, sagte ich. „Aber als ich das Buch zum ersten Mal las, hätte ich nur gesagt, dass er Magie sah. Sie tun in Ihren Büchern dasselbe.“

„Nicht so wie MacDonald. Er war einfach ein genialer Schriftsteller. Er hat mich so stark beeinflusst, dass ich als Antwort darauf mein erstes Gedicht schrieb.“

Dymer“, sagte ich. „Ein Gedicht, das Sie mit siebzehn Jahren geschrieben haben. Chad Walsh hat es mir gezeigt, und ich liebte all die Anspielungen darin auf ein Leben der Fantasie …“ Ich hielt inne und zitierte dann eine Zeile daraus, die vor langer Zeit in den Furchen meines Gedächtnisses hängen geblieben war. „She said, for this land only did men love; The shadow-lands of earth.“ Ich hielt inne. „Wenn man bedenkt, dass Sie das als Atheist geschrieben haben – wie wunderschön. Wie tief.“

Jacks Gesicht nahm einen noch tieferen Rotton an, ein Lächeln huschte über sein Gesicht und er senkte den Blick. „Danke, Joy.“

„Ja“, sagte Warnie und wir beide schauten ihn an, als hätten wir ganz vergessen, dass er da war. Wir hatten alle tief ins Glas geschaut, aber erst jetzt bemerkte ich, dass Warnie betrunken war.

Für eine Stunde, vielleicht auch länger, verlor ich das Zeitgefühl. Wir drei redeten über unsere Lieblingsbücher, über alles, was unsere Kindheit und unser Denken beeinflusst hatte, und vor allem darüber, woran sich unsere Vorstellungskraft entzündet hatte. Unsere Stimmen wurden leiser, während wir einander immer näher kamen.

Als wir vor lauter Gähnen kaum noch ein Wort herausbrachten, brachen wir auf. Draußen prasselte der Regen aufs Pflaster und ließ den Himmel hinter einem Wasserfall verschwimmen. Unter dem grauen Himmel rüttelte der Wind an den Ästen, löste die Blätter aus ihrer letzten Verankerung und ließ sie zu Boden schweben. Aber in diesem Moment hätte nichts meine Seele niederdrücken können. Wasser tropfte in meine Schuhe und füllte sie, als wäre ich in den Crum Elbow Creek gewatet.

Wir reichten uns zum Abschied die nassen Hände und versprachen, uns morgen wieder zu treffen. Ich kehrte zurück in mein kleines Zimmer und ließ mich triefend nass und erschöpft, aber zufrieden, auf mein Bett fallen. Bevor ich mir die Erinnerung des Tages vom Schlaf zuspielen ließ, griff ich zur Feder und fing an, ein neues Gedicht zu schreiben: „Ballade of Blistered Feet.“

Aber ich fand innerlich keine Ruhe. Jack und Warnie waren weg, und ich war wieder in meinem Gästezimmer, wo ein Brief von Bill auf meinem Nachttisch lag. Wie eine Flutwelle brach mein anderes Leben herein.

Bill:

Danke für die Vorschläge für Geschichten. Ich arbeite hart daran, etwas zusammenzukriegen. Den Jungs geht es gut, und sie haben ihre Briefe hier beigefügt. Davy hat jetzt Schildkröten, und Douglas baut unten am Bach ein Fort. Renee hält uns alle zusammen – ich weiß nicht, was wir ohne sie machen würden. Im Moment ist sie dabei, die Kleider der Jungs zu flicken.

Joy:

Liebe Poogle-Bande,

ich vermisse euch! Ich wünschte, ihr könntet die vielfältige Pracht dieser Stadt sehen. Ich könnte nie im Leben genug bekommen von Oxford mit seinen hoch aufragenden Gebäuden und moosbewachsenen Steinen. London vermisse ich überhaupt nicht, bis auf die gute Freundin, die ich in Michal Williams gefunden habe. Ich bete jeden Tag für euch alle und hoffe, dass es bei euch finanziell wieder besser wird.

Bill, ich weiß genau, sobald du dich richtig hineinkniest, wirst du die richtige Geschichte finden. Dieses Talent hattest du schon immer.

P.S. Könntest du mir meine Schilddrüsenmedikamente und ein Exemplar von „Longest Way Around“ schicken?

Als ich mich bettfertig machte und an meine Söhne dachte, schickte ich ein Gebet zum Himmel, um sie mit Liebe zuzudecken. Ach, wie sehr wünschte ich mir, sie könnten all das sehen, was ich an diesem Tag gesehen hatte.

Ich legte Stift und Papier zur Seite und gab das Gedicht auf, das an diesen Tag erinnerte. Dann zog ich das Kissen nah heran – alles Weiche, woran ich mich festhalten konnte.

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Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
513 s. 6 illüstrasyon
ISBN:
9783961401581
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