Kitabı oku: «Privat- und Prozessrecht», sayfa 10
4.5.2 Unvollkommene Verbindlichkeiten (Naturalobligationen)
Das Gesetz kennt verschiedene Ansprüche, die bestehen und auch erfüllt werden sollen. Obwohl ein Schuldverhältnis vorliegt, können Ansprüche daraus aber nicht erfolgreich bei Gericht eingeklagt werden. Diese Ansprüche werden unvollkommene Verbindlichkeiten oder Naturalobligationen genannt.
Verjährte Forderungen (§§ 194 ff. BGB), Spiel- und Wettschulden (§ 762 BGB: „wird eine Verbindlichkeit nicht begründet“), Ehemaklerlohn (§ 656 BGB: „wird eine Verbindlichkeit nicht begründet“).
Wiederholungsfragen zum 4. Kapitel
1. Was ist eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung?
2. Woraus besteht eine Willenserklärung?
3. Wodurch wird eine Willenserklärung wirksam?
4. Wodurch unterscheiden sich empfangsbedürftige und nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen?
5. Wann ist eine Willenserklärung zugegangen?
6. Wie kann man das Wirksamwerden einer bereits abgesandten Willenserklärung verhindern?
7. Wodurch kommt ein Vertrag zustande?
8. Wie nennt man die Willenserklärungen, die zusammen einen wirksamen Vertragsabschluss ausmachen?
9. Welche rechtliche Bedeutung haben „Angebote“ in Prospekten und Zeitschriften, Schaufensterauslagen, Katalogen, Onlineshops, Speisekarten?
10. Wie lange ist ein Anbietender an seinen Vertragsantrag gebunden
a) gegenüber einem Anwesenden?
b) gegenüber einem Telefonpartner?
c) gegenüber einem Abwesenden?
d) wenn der Antrag mit einer Fristbestimmung abgegeben wird?
11. Welche Bedeutung hat es, wenn der Anbietende seinem Vertragsantrag die Worte „freibleibend“ oder „unverbindlich“ hinzufügt?
12. Wann ist eine Vertragsannahme verspätet?
13. Wie wird eine verspätete Vertragsannahme rechtlich behandelt?
14. Was bedeutet eine Vertragsannahme, die mit Änderungen verbunden ist?
15. Wann liegt „offener Dissens“, wann „versteckter Dissens“ vor?
16. Welche Bedeutung hat eine schriftliche Auftragsbestätigung?
17. Was bedeutet Schweigen auf einen Vertragsantrag
a) unter Privatleuten?
b) gegenüber einem Kaufmann?
18. Wie soll ein Kaufmann auf ein „Bestätigungsschreiben“ reagieren, wenn sein Inhalt von den mündlich getroffenen Absprachen abweicht? Begründung!
19. Besteht die Möglichkeit, sich einseitig aus einem abgeschlossenen Vertrag wieder zu lösen?
20. Was versteht man unter einem Gefälligkeitsverhältnis? Wodurch unterscheidet es sich von einem Schuldverhältnis?
21. Wann spricht man von unvollkommenen Verbindlichkeiten und wie können sie durchgesetzt werden?
(Siehe auch „Privat- und Prozessrecht – Übungsaufgaben mit Lösungen“, Fälle 23 bis 30)
5.Rechtsgeschäftliches Handeln durch Stellvertreter
5.1 Arten der Vertretung
Im Regelfall treten die Rechtswirkungen einer Willenserklärung bei demjenigen ein, der die Erklärung abgibt. Es gibt jedoch Fälle, in denen Personen nicht rechtsgeschäftlich handeln können und deshalb selbst zur Teilnahme am Rechtsverkehr nicht in der Lage sind: Minderjährige, juristische Personen. Das sind die Fälle der gesetzlichen Vertretung.
Darüber hinaus besteht zuweilen ein Bedürfnis, durch Einsatz von Hilfskräften im Geschäftsverkehr den eigenen Handlungsbereich zu erweitern. Hier beruht die Vertretungsmacht auf dem Willen des Vertretenen, man spricht deshalb von rechtsgeschäftlicher oder auch „gewillkürter“ Vertretung. In beiden Fällen wirkt das Vertreterhandeln unmittelbar für und gegen den Vertretenen (vgl. § 164 Abs. 1 BGB).
5.2 Gesetzliche Vertretung
Eltern sind die gesetzlichen Vertreter ihrer minderjährigen Kinder. Ihre Vertreterstellung ergibt sich aus § 1629 BGB.
Ebenso sind die Organe juristischer Personen durch gesetzliche Regelung zur Vertretung befugt: Vereinsvorstand (§ 26 Abs. 2 BGB), Vorstand der Aktiengesellschaft (§ 78 AktG), Geschäftsführer der GmbH (§ 35 GmbHG). Bei OHG und KG als Personenhandelsgesellschaften herrscht „Selbstorganschaft“: Die Gesellschafter selbst sind zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt (§§ 125 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB).
Soweit Eltern oder Organe von juristischen Personen als gesetzliche Vertreter handeln, werden nicht sie selbst, sondern unmittelbar das vertretene Kind oder die juristische Person aus dem für sie abgeschlossenen Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet.
Erteilen die Eltern als gesetzliche Vertreter dem Stuckateurmeister den Auftrag, an dem ihrem minderjährigen Sohn gehörenden Haus die Fassade zu erneuern, so geht die Rechnung an den Sohn; dieser ist auch zu verklagen, wenn das Geld nicht eingeht.
Als gesetzliche, also vom Gesetz angeordnete Vertretung ist es auch anzusehen, wenn ein Ehegatte ein Rechtsgeschäft vornimmt, das zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie dient („Schlüsselgewaltgeschäft“) und für das gemäß § 1357 BGB stets auch der andere Ehegatte einzustehen hat. Hier werden also beide Ehegatten aus dem Geschäftsabschluss berechtigt und verpflichtet.
Die Ehefrau erteilt dem Installateur den Auftrag, den tropfenden Wasserhahn zu reparieren. Für die Reparaturkosten kann sowohl die Ehefrau als auch ihr Ehemann in Anspruch genommen werden.
5.3 Rechtsgeschäftliche („gewillkürte“) Vertretung
5.3.1 Begriff und Abgrenzungen
Auch durch Erteilung einer Vollmacht besteht die Möglichkeit, andere für sich handeln zu lassen mit der Wirkung, als hätte man das Geschäft selbst vorgenommen (§ 164 Abs. 1 BGB).
Durch eine solche „gewillkürte“, nicht durch das Gesetz, sondern vom Willen bestimmte Stellvertretung können der eigene Wirkungskreis und die Aktivitäten im Rechtsverkehr vervielfacht werden.
Ein Kaufmann, der Staubsauger verkauft, kann pro Tag selbst höchstens 10 Geschäfte abschließen. Bei 10 Vertretern mit gleicher Verkaufsleistung kann er es auf 100 Abschlüsse pro Tag bringen. Wer einen Computer anschaffen möchte, davon aber nichts versteht, kann einen Fachmann bevollmächtigen, für ihn das geeignete Gerät zu kaufen.
Der Vertreter muss geschäftsfähig sein, weil er eine eigene Willenserklärung in fremdem Namen auf fremde Rechnung abgibt. Da er jedoch durch sein Handeln als Vertreter selbst keine Verpflichtung eingeht, genügt beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 165 BGB).
Keine Stellvertretung ist möglich bei sogenannten höchstpersönlichen Geschäften: Eheschließung, Testamentserrichtung.
Vom Stellvertreter zu unterscheiden ist der Bote. Während der Stellvertreter bei sich selbst den Willen zum Abschluss des Geschäfts bildet und dann die Erklärung abgibt, ist der Bote an der Willensbildung selbst nicht beteiligt. Er überbringt lediglich die Erklärung des Geschäftsherrn. Geschäftsfähigkeit ist dazu nicht erforderlich (vgl. § 120 BGB: „… die zur Übermittlung verwendete Person“). Auch ein entsprechend abgerichteter Hund kann Bote sein, indem man ihm am Halsband eine Mitteilung befestigt.
5.3.2 Erteilung der Vollmacht
Die Erteilung der Vollmacht ist kein Vertrag, sondern geschieht durch einseitige Willenserklärung (§ 167 Abs. 1 BGB).
Sie bedarf keiner besonderen Form, kann also auch mündlich erteilt werden, selbst wenn das Geschäft, zu dem die Vollmacht gegeben wird, formbedürftig ist (z. B. Vollmacht zum Kauf eines Grundstücks, § 167 Abs. 2 BGB)!
Der Grundstückskäufer bevollmächtigt seinen Rechtsanwalt mündlich, den Kaufvertrag vor dem Notar (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) in seinem Namen abzuschließen: wirksame Bevollmächtigung.
Üblich ist jedoch bei gewichtigen Vorgängen, dass die Vollmacht schriftlich erklärt wird (Vollmachtsurkunde, § 172 Abs. 1 BGB). Bis zur Rückgabe besteht dann aber dem redlichen Geschäftspartner gegenüber eine Rechtsscheinwirkung: Er und auch der Bevollmächtigte dürfen auf das Bestehen der Vollmacht so lange vertrauen, bis die Urkunde zurückgegeben oder vom Gericht für „kraftlos“ erklärt worden ist (§ 172 Abs. 2 BGB).
Bei einseitigen Rechtsgeschäften (Kündigung, Rücktrittserklärung) gilt eine besondere Regelung: Wird dem Erklärungsempfänger vom Vertreter nicht eine schriftliche Vollmachtsurkunde vorgelegt, so kann er aus diesem Grund die Erklärung zurückweisen. Dies muss aber unverzüglich bei Zugang der Erklärung geschehen (§ 174 BGB).
Der Rechtsanwalt kündigt im Namen seines Mandanten, eines Mieters, den Mietvertrag am letzten Tag der Kündigungsfrist, ohne eine schriftliche Vollmacht beizulegen. Weist der Vermieter deshalb die Kündigung zurück, ist die Kündigung unwirksam und die Kündigungsfrist versäumt.
5.3.3 Vollmacht und Innenverhältnis
Die Vollmacht wirkt nach außen. Im Innenverhältnis beruht die Vollmacht regelmäßig auf einem besonderen Vertragsverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem:
> Dienst- oder Arbeitsverhältnis des Chefs mit dem bei ihm angestellten bevollmächtigten Verkäufer (§ 611 BGB);
> Auftrag (§ 662 BGB) an den sachkundigen Freund, einen geeigneten PC für den Auftraggeber (Vollmachtgeber) zu kaufen.
Zwischen der Vollmacht und diesem Innenverhältnis besteht ein Zusammenhang: Mit dem Ende des Innenverhältnisses (z. B. Kündigung des Angestellten durch den Chef, Widerruf des Kaufauftrages) erlischt auch die Vollmacht (§ 168 Satz 1 BGB).
Nicht jedoch erlischt mit dem Widerruf der Vollmacht das Grundverhältnis. Es kann also auch bei fortbestehendem Innenverhältnis die Vollmacht widerrufen werden (z. B. angestellter Verkäufer wird in den Innendienst versetzt, § 168 Satz 2 BGB).
5.3.4 Offenlegungsgrundsatz
5.3.4.1 Grundsatz
Wirksame Stellvertretung setzt in der Regel voraus, dass der Vertreter gegenüber dem Geschäftspartner offenlegt, dass er in fremdem Namen handelt. Wer als Vertreter nicht deutlich macht, dass er für eine andere Person rechtsgeschäftlich handeln will, kann sich hinterher dem Geschäftspartner gegenüber nicht auf seine – nicht offengelegte – Vertreterposition berufen, er wird selbst Vertragspartner (§ 164 Abs. 2 BGB).
5.3.4.2 Ausnahme von der Offenlegungspflicht
> Erkennbare Umstände: Es genügt für die Offenkundigkeit, wenn sich die Vertreterstellung aus den Umständen ergibt (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB).
> Geschäft, für den, den es angeht: Ausnahmsweise ist eine Offenlegung bei geringwertigen Bargeschäften des täglichen Lebens nicht erforderlich: Hier interessiert den Verkäufer die Identität des Kunden gar nicht, weil der Geschäftspartner ja die Gegenleistung sofort in bar bewirkt.
> Mittelbare Stellvertretung: Bei der direkten Stellvertretung muss die Person des Vertretenen offenkundig sein, weil sie ja aus dem Geschäft berechtigt sein soll und sie auch die Verpflichtungen treffen sollen. Möchte der „Vertretene“ nach außen nicht in Erscheinung treten, so kann nur „mittelbare Vertretung“ infrage kommen: Der mittelbare Stellvertreter handelt, anders als der unmittelbare Vertreter, nicht im fremden Namen, sondern im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung.
Der verarmte Adelige sieht sich genötigt, alten Familienschmuck zu verkaufen, will dies jedoch nicht öffentlich bekannt werden lassen. Er beauftragt einen Juwelier mit dem Verkauf. Zwischen dem Käufer und dem mittelbar vertretenen Adeligen entstehen dann keinerlei direkte Rechtsbeziehungen. Vielmehr wird der Vertrag zwischen dem Käufer und dem mittelbaren Vertreter Juwelier direkt abgeschlossen.
5.4 Vollmacht kraft Rechtsscheins
Allein der Anschein einer Vollmacht kann ausreichen, um für das Handeln einer anderen Person einstehen zu müssen („Rechtsscheinsvollmacht“). Die Rechtsprechung hat zwei Fälle einer Haftung kraft Rechtsscheins entwickelt:
Duldungsvollmacht: Wer vom Auftreten eines nicht bevollmächtigten „Vertreters“ weiß, aber dagegen nicht einschreitet, duldet das Vertreterhandeln. Er muss das Vertreterhandeln gegen sich gelten lassen.
Der Leiter A der IT-Abteilung des Industrieunternehmens E nimmt wahr, dass der Servicemitarbeiter einer Fremdfirma O, die ständig die Server des Unternehmens betreuen soll, im Namen des Unternehmens E Ersatzteile für die IT-Anlage kauft, wogegen A jedoch nichts unternimmt.
Anscheinsvollmacht: Wer vom Handeln eines nicht bevollmächtigen „Vertreters“ zwar keine Kenntnis hat, aber bei gehöriger Sorgfalt dies hätte erkennen und dagegen einschreiten müssen, muss dessen Handeln ebenfalls gegen sich gelten lassen, weil der Anschein besteht, er habe den Vertreter bevollmächtigt oder dulde dessen Agieren.
Der Unternehmer vergisst, vom entlassenen Handelsvertreter die Geschäftsunterlagen zurückzufordern, weshalb dieser weiterhin auf Geschäftsbögen Verträge schließt.
Einen gesetzlich geregelten Fall für den Anschein einer Bevollmächtigung enthält im Handelsverkehr § 56 HGB: Der Angestellte eines Ladens oder eines offenen Warenlagers gilt als ermächtigt zu den in seinem Wirkungsbereich üblichen Geschäften (vgl. unten 5.6.1.3).
5.5 Vertreter ohne Vertretungsmacht – Eigenhaftung des Vertreters
Tritt jemand als Vertreter für einen anderen auf, ohne von diesem Vollmacht zu haben (Vertreter ohne Vertretungsmacht, „falsus procurator“), so wirkt sein Handeln nicht für und gegen den „Vertretenen“.
Allerdings kann der „Vertretene“ das Geschäft noch genehmigen, wenn er nachträglich doch einverstanden ist. Dann gilt das Geschäft für ihn (§ 177 Abs. 1BGB). Lehnt er jedoch eine Genehmigung ab, so ist der falsche Vertreter selbst dem Vertragspartner („anderer Teil“) nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet (§ 179 Abs. 1 BGB). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Vertragspartner den Mangel der Vollmacht kannte oder kennen musste (§ 179 Abs. 3 BGB).
Die volljährige Friseurpraktikantin Griseldis bestellt, ohne dass sie vom Friseurmeister dazu bevollmächtigt worden wäre oder er dies mitbekommen hätte, in dessen Namen telefonisch 100 Flaschen Meertangshampoo zum Preis von 5.000,– €. Als sie geliefert werden, ist der Friseur empört und lehnt eine Genehmigung ab. Der Lieferant kann nun entscheiden, ob Griseldis privat 100 Flaschen Shampoo zum Preis von 5.000,– € abnehmen und bezahlen muss (Erfüllung) oder nur den entgangenen Gewinn des Lieferanten zu ersetzen hat, ohne dass die Flaschen geliefert würden (Schadensersatz).
Ausnahmsweise kann es auch sonst zu einer Eigenhaftung des Vertreters kommen, wenn dieser ein erhebliches und unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages hatte und bei den Vertragsverhandlungen dem Vertragspartner gegenüber in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat und die Verhandlungen dadurch beeinflusst worden sind (sog. „Sachwalterhaftung“, vgl. § 311 Abs. 3 BGB).
Der Gebrauchtwagenhändler, der ein in Zahlung genommenes Fahrzeug im Namen des Kunden verkauft, haftet als „Quasi-Verkäufer“ unter den genannten Umständen auch persönlich dem Käufer des Gebrauchtwagens auf Schadensersatz (§ 280 BGB), wenn ihm beim Verkaufsvorgang diesem gegenüber eine Pflichtverletzung zur Last gelegt werden muss.
5.6 Handelsrechtliche Vertretungsverhältnisse
5.6.1 Prokura und Handlungsvollmacht
5.6.1.1 Besonderheiten der Prokura
Dem Kaufmann steht eine besonders weitreichende Form der Vollmachtserteilung zur Verfügung: die Prokura (§§ 48 ff. HGB). Für die Prokura gelten grundsätzlich die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zur Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB), ergänzt durch die §§ 48 ff. HGB. Wegen der umfassenden Vertretungsbefugnis kommen für die Erteilung der Prokura nur besonders vertrauenswürdige Mitarbeiter infrage, denen dadurch gegenüber anderen Mitarbeitern im Unternehmen auch eine herausgehobene Position zukommt.
Für die Prokura gelten folgende Besonderheiten:
> Prinzipalgeschäft: Nur ein Kaufmann selbst kann Prokura erteilen (§ 48 Abs. 1 HGB).
> Ausdrückliche Erteilung: Die Prokura-Erteilung muss ausdrücklich, wenn auch nicht zwingend schriftlich geschehen (§ 48 Abs. 1 HGB).
> Deklaratorische Handelsregisteranmeldung: Die Prokura ist zur Eintragung im Handelsregister anzumelden (§ 53 HGB). Diese ist jedoch nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Prokura-Erteilung („deklaratorisch“).
Der Geschäftsführer einer GmbH (Organ des Formkaufmanns GmbH) erklärt bei einer Betriebsversammlung den anwesenden Mitarbeitern mündlich, dass Frau P ab sofort mit Prokura ausgestattet sei. Darauf wird das Glas erhoben, und alle feiern Frau P: Wirksame, ausdrückliche Prokura-Erteilung, obwohl zu diesem Zeitpunkt sicher noch keine Handelsregistereintragung vorliegt.
> Allumfassender Umfang: Der Prokurist ist das „andere Ich“ des Kaufmanns. Die Prokura ermächtigt daher zu allen Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes – und nicht nur des konkret infrage stehenden Handelsgewerbes – mit sich bringt. Auch Prozesshandlungen vor Gericht sind mit umfasst.
Der Prokurist des Maschinenbauunternehmens Z bestellt Buchsbäume im Wert von 6.000,- € bei Baumschule B zur Gestaltung der Außenanalagen des Fabrikgebäudes: zulässig, obwohl Z kein Gartenbauunternehmen ist.
> Einschränkungen des Umfangs: Prinzipalgeschäfte, z. B. Erteilung einer Prokura; private und höchstpersönliche Geschäfte des Unternehmers, z. B. Testamentserrichtung, Eheschließung; Geschäfte, die nicht „zum Betrieb“ des Handelsgeschäfts gehören, z. B. Verkauf des Unternehmens; Filialprokura (§ 50 Abs. 2 HGB); Gesamtprokura für mehrere zusammen (§ 48 Abs. 2 HGB); Veräußerung und Belastung von Grundstücken (§ 49 Abs. 2 HGB). Insoweit braucht auch der Prokurist eine eigenständige Vollmacht nach § 164 BGB.
Patzig ist kaufmännischer Leiter der Immofinanz GmbH, die Grundstücke erwirbt, entwickelt und mit Wohnimmobilien (Eigentumswohnungen) bebaut wieder verkauft. Patzig hat Prokura. Der Absatz der Wohnungen läuft schlecht. Als Patzig während des Urlaubs des Geschäftsführers für eine Wohnung einen Interessenten findet, schließt er schnell mit dem Kunden den notariellen Kaufvertrag ab: Unwirksam, da die Prokura die Veräußerung von Grundstücken (Eigentumswohnung hat Miteigentumsanteil am Grundstück, § 1 Abs. 2 WEG) nicht umfasst!
> Unbeschränkbarkeit der Prokura: Der Umfang der durch das Gesetz vorgegebenen Vertretungsmacht des Prokuristen kann nach außen – Dritten gegenüber – nicht beschränkt werden („Ganze Prokura oder keine Prokura“ – § 50 Abs. 1 HGB). Weisungen für die geschäftliche Tätigkeit des Prokuristen sind nur im Innenverhältnis von Bedeutung; dem Chef gegenüber kann er bei Missachtung schadensersatzpflichtig werden (vgl. § 280 Abs. 1 BGB). Soweit die Prokura reicht, kann der Prokurist also niemals „Vertreter ohne Vertretungsmacht“ mit den Folgen des § 179 BGB sein.
Der Chef der Immofinanz weist die Mitarbeiter an, auf keine Sonderwünsche der Kunden bzgl. Ausstattung der Eigentumswohnungen einzugehen. Prokurist Patzig lässt dennoch durch Fliesenlegermeister Platte hochwertige Marmorplatten im Badezimmer des Interessenten I einbauen, wofür die Immofinanz 14.000,-- € bezahlen muss: Der Werkvertrag zwischen Immofinanz und Platte ist wirksam, weil Patzig jegliche Geschäfte vornehmen darf. Im Innenverhältnis hat er jedoch gegen eine arbeitsrechtliche Weisung seines Chefs verstoßen und muss ggf. mit einem Schadensersatzanspruch der Immofinanz rechnen.
> Unterschiftszusatz: Der Prokurist unterzeichnet mit einem Zusatz, der die Prokura erkennbar macht („ppa“ = per procuram).
5.6.1.2 Besonderheiten der Handlungsvollmacht
Die Handlungsvollmacht unterscheidet sich von der Prokura dadurch, dass sie nur einen beschränkten Wirkungskreis betrifft, nämlich den, den die Vollmacht ausweist. Sie kann als Generalhandlungsvollmacht zum Betrieb eines Handelsgewerbes erteilt werden, sie kann die Vornahme einer bestimmten Art zum Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte umfassen oder die Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte betreffen (§ 54 Abs. 1 HGB).
In jedem Fall erstreckt sich die Handlungsvollmacht auch nur auf Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringen (§ 54 Abs. 1 HGB). Ausdrücklich ausgenommen sind die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung. Dazu bedarf es einer speziellen Ermächtigung (§ 54 Abs. 2 HGB). Weitere Beschränkungen im Innenverhältnis braucht ein Dritter gegen sich nur gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste (§ 54 Abs. 3 HGB).
Unterschiede zwischen Prokura und Handlungsvollmacht | |
Prokura, §§ 48 ff. HGB | Handlungsvollmacht, §§ 54 ff. HGB |
Erteilung durch ausdrückliche Erteilung. | Erteilung auch durch konkludentes Verhalten möglich. |
Erteilung nur durch den Geschäftsinhaber. | Erteilung durch den Geschäftsinhaber, den Prokuristen oder einen anderen Handlungsbevollmächtigten. |
Eintragung ins Handelsregister. | keine Eintragung ins Handelsregister. |
Umfang umfasst alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb irgendeines Handelsgewerbes mit sich bringen kann. | Umfang je nach Art der Handlungsvollmacht verschieden, umfasst einzelne oder der Art nach bestimmte oder alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die ein derartiges Handelsgewerbe gewöhnlich mit sich bringt. |
Besondere Vollmacht nötig zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken; keine Befugnis zu Prinzipalgeschäften und Veräußerung oder Einstellung des Geschäfts. | Besondere Vollmacht nötig zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken, Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung. |
Beschränkung nach außen nicht möglich, aber Gesamtprokura oder Filialprokura (§ 50 Abs. 3 HGB) als Ausübungsbeschränkung möglich. | Beschränkung möglich, aber Schutz des guten Glaubens an Mindestumfang, § 54 Abs. 3 HGB. |
keine Übertragbarkeit. | mit Zustimmung übertragbar, § 58 HGB. |