Kitabı oku: «Die letzte Blüte Roms», sayfa 7
Der entscheidende Punkt ist, dass die Hephthaliten, als sie Ende des 5. Jahrhunderts ihre Machtbasis erweiterten, die Perser mehrfach besiegten. Die schlimmste Niederlage erlitten die Perser bei der Schlacht von Herat im Jahr 484, die für sie ähnlich katastrophal verlief wie für die Römer damals die Schlacht von Adrianopel; der persische Großkönig Peroz (459–484) fand bei Herat den Tod.11
Beide Reiche hatten mithin gute Gründe, im 5. Jahrhundert keinen neuen Krieg miteinander vom Zaun zu brechen, und das änderte sich auch nicht über Nacht. Zur Zeit Zenons baten die Perser Konstantinopel sogar um Unterstützung gegen die Hephthaliten, und er scheint ihnen tatsächlich bisweilen unter die Arme gegriffen zu haben. In den 490er-Jahren forderten die Perser aber immer mehr. Doch selbst als der neue persische Herrscher Kavadh die Hephthaliten dafür bezahlte, ihm zurück auf den Thron zu verhelfen – eine unerhörte Provokation –, blieb Anastasios’ Regime dem Geist der friedlichen Zusammenarbeit treu, die das Nebeneinander der Großmächte im 5. Jahrhundert geprägt hatte. Er weigerte sich sogar, eine Revolte der christlichen Persarmenier in den 490er-Jahren zum Anlass zu nehmen, die nun immer dreisteren Nachbarn zur Rechenschaft zu ziehen. Doch zu Beginn des 6. Jahrhunderts war Kavadh schließlich so weit, dass er Rom nicht mehr nur drohte, sondern tatsächlich den Krieg erklärte.12
Dass dieser Krieg ausbrach, konnte man Anastasios’ Regime zwar nicht ankreiden, wohl aber, dass es sich nicht gut genug auf einen möglichen Krieg an der persischen Front vorbereitet hatte. Als Kavadh im Jahr 502 in den römischen Osten einmarschierte, traf seine Armee auf so gut wie keine Gegenwehr. Als Erstes fiel er in Armenien ein und ließ seine Truppen im Handumdrehen Theodosiopolis, die Hauptbasis der Römer, zerstören. Anschließend wandte er sich nach Süden und kam nach Martyropolis, das er verschonte, als der dortige Statthalter den Eindringlingen das Doppelte seiner jährlichen Steuereinnahmen aushändigte. Als Nächstes überfiel das Perserheer Amida. Es gab zwar keine römischen limitanei in der Stadt, aber die Einwohner verteidigten ihre Häuser bis aufs Blut – erst nach drei Monaten gelang es den Persern, die Stadt zu stürmen. Jeder zehnte der überlebenden männlichen Einwohner von Amida wurde hingerichtet, die übrigen wurden als Sklaven verkauft; sämtliche Reichtümer der Stadt wurden nach Persien gebracht. Zur gleichen Zeit plünderten Kavadhs arabische Verbündete den römischen Osten, von Edessa bis Constantia.
Anastasios war so aufgebracht, dass er zur Feldzugsaison 503 eine gewaltige Armee nach Mesopotamien schickte. Mit 40 000 Mann war sie weitaus größer als irgendein Truppenverband, der jemals unter Justinian ins Feld geführt werden sollte, und sie operierte in drei Divisionen, von denen eine von Hypatius, einem Neffen des Kaisers, befehligt wurde. Zwei begaben sich nach Amida, das inzwischen von einer 3000 Soldaten starken persischen Garnison besetzt war, die dritte zur persischen Regionalhauptstadt Nisibis. Alle drei Divisionen erlitten im Laufe des Jahres entscheidende Niederlagen. Bei diesem persischen Gegenschlag gelang es Kavadh aber nicht, weitere römische Gebiete zu erobern – Constantia und Edessa waren zu gut befestigt. Der Krieg in Mesopotamien steuerte schnell auf eine Pattsituation zu. Für die dramatischste Aktion des Jahres sorgten die Lachmiden, Persiens arabische Verbündete unter Al-Mundhir, als sie in die römischen Provinzen Arabien und Palästina einfielen. Laut Kyrillos von Skythopolis legten sie »alles in Schutt und Asche, versklavten Tausende Römer und begingen viele gesetzlose Taten«.
Das war alles, im Großen und Ganzen. Nach diesen leichten Gewinnen hatte Kavadh kein Interesse mehr daran, den Krieg fortzusetzen. Die Römer versuchten noch einmal, Amida zurückzuerobern, aber es gelang ihnen nicht. 504 wurde ein Waffenstillstand vereinbart, und man verhandelte über einen dauerhaften Frieden; nennenswerte Kampfhandlungen gab es keine mehr. Das Friedensabkommen war für Anastasios keine allzu große Demütigung, denn jährliche Zahlungen, wie sie die Perser vor dem Krieg gefordert hatten, wurden nicht vereinbart, und die Römer erhielten die Kontrolle über Amida zurück.
Der Kaiser ließ nun die römischen Verteidigungsanlagen in Mesopotamien ausbauen, nicht nur in Amida, sondern auch in Edessa und Batnae, und richtete an der Grenze bei Dara einen ganz neuen römischen Stützpunkt für die Region ein. Im Gegenzug verzichtete man auf Vergeltungsmaßnahmen für die militärischen Niederlagen von 502/503. Es war Anastasios gelungen, Amida allein durch Verhandlungen zurückzugewinnen – und indem er seinem persischen Rivalen einen bestimmten Festbetrag zahlte. Nichts von alldem war besonders verhängnisvoll, doch weder der Kaiser noch sein Lieblingsneffe (dessen Feldzug zur Rückeroberung Amidas ein Fehlschlag gewesen war) konnten aus den Vorgängen ein derartiges politisches Kapital schlagen, dass es ihnen ermöglicht hätte, die Balance zwischen den verschiedenen Fraktionen bei Hofe in Konstantinopel entscheidend zu ihren Gunsten zu beeinflussen.13
Das Gleiche gilt für das zweite große Thema von Anastasios’ Herrschaft: die Spaltung innerhalb der oströmischen Kirche. Wie wichtig dieser Komplex war, klang bereits zu Beginn, bei der Szene im Hippodrom, kurz an, als die Menge – wahrscheinlich nach vorheriger Absprache – verlangte, der neue Kaiser müsse »orthodox« sein. Die gegenwärtige Spaltung war eine Reaktion auf die Definition des christlichen Glaubens beim Konzil von Chalkedon im Jahr 451, dem vierten großen ökumenischen Konzil der römischen Spätantike. Das grundlegende Thema war die anhaltende Debatte darüber, in welcher Form das göttliche und das menschliche Element in der Person Christi vereint seien – was wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Frage hatte, auf welche Weise Christus die Menschheit gerettet hat. War Christus als Gott am Kreuz gestorben? War dies das Wunder, mit dem er den Tod besiegt hatte? Aber konnte ein unsterblicher Gott überhaupt sterben?
In der Generation vor Chalkedon war Nestorius, der Patriarch von Konstantinopel (428–431), von Leuten abgesetzt worden, die anderer Meinung gewesen waren als er und die von seinem Erzfeind Kyrillos, dem Patriarchen von Alexandria, aufgestachelt worden waren: Nestorius hatte den Standpunkt vertreten, der unsterbliche Gott habe nicht leiden können – und daher sei lediglich der menschliche Teil Christi am Kreuz gestorben. Als Reaktion darauf hatte Kyrillos behauptet, das sei Unfug und es könne nur ein unteilbares »fleischgewordenes Wesen von Gott dem Wort« geben; das göttliche und das menschliche Wesen Christi seien nicht voneinander zu trennen. Die meisten Christen waren der Ansicht, dass Nestorius nicht recht haben konnte, aber für manche ließ Kyrillos’ Gerede von dem einen Wesen Christi, insbesondere die Art und Weise, wie es von einigen seiner radikaleren Anhänger interpretiert wurde, zu wenig Platz für die Menschlichkeit Christi.
In Chalkedon sollte dieser Streit beigelegt werden. Auf dem Konzil wurde zum einen bekräftigt, dass Christus nach seiner Menschwerdung mit »zwei Wesen« fortbestand, zum anderen wurde Nestorius’ Lehrmeinung noch einmal offiziell verdammt. Die gewählte Formulierung ließ sich mit den Ansichten des Kyrillos in Einklang bringen, denn in einem Dokument, einer sogenannten Kompromissformel (433), hatte der Patriarch auf Druck seitens des Kaisers gegenüber Johannes, dem Patriarchen von Antiochia, erklärt, es sei nicht unbedingt illegitim, von den »zwei Wesen Christi« zu sprechen, man dürfe nur nicht behaupten, sein menschliches Element habe am Kreuz gelitten und sei dort gestorben. Der aktuelle Papst steuerte ebenfalls eine Abhandlung zur Diskussion in Chalkedon bei, den Tomus ad Flavianum; er hielt darin fest, wie die westliche Kirche die Angelegenheit sah: Bei Christus bestehe eine »Einheit der Person in jedem der beiden Wesen«.14
Wie zu erwarten, stimmten alle versammelten Bischöfe am Bosporus unter den wachsamen Augen von Kaiser Markian, der das Konzil einberufen hatte, und seinen Beamten, die es leiteten, den Beschlüssen von Chalkedon zu. Doch kaum hatten sie dem Kaiser den Rücken zugewandt, ging der Streit von Neuem los. Für viele östliche Bischöfe klangen die »zwei Wesen« einfach zu sehr nach Nestorius, und sie widersetzten sich dem, was sie als Prüfstein der kyrillischen Orthodoxie verstanden – Kompromissformel hin oder her.
Während die Debatte auch in der folgenden Generation weiterging, bestand die offizielle Strategie der römischen Kaiser einfach nur darin, das in Chalkedon Beschlossene durchzusetzen. Doch hinter den Kulissen wurde die Tragfähigkeit des Dogmas infrage gestellt, angesichts der innerkirchlichen Spaltung, die es provoziert hatte und auf die der Usurpator Basiliskos (474–476) wiederum reagierte, indem er die Beschlüsse des Konzils komplett ablehnte.
Der Graben, der durch die oströmische Kirche ging, wurde so tief, dass Zenon schließlich nicht mehr tatenlos zusehen konnte. 482 erließ der Kaiser, möglicherweise im Anschluss an eine in Palästina erprobte Friedensinitiative, ein Edikt mit dem Titel Henotikon (»Einigung«), das besagte, der christliche Glaube sei bereits im 4. Jahrhundert auf den ökumenischen Konzilen von Nicäa (325) und Konstantinopel (381) befriedigend definiert worden, und zwar ein für alle Mal. Das Dogma von Chalkedon wurde in dem Edikt nicht direkt verurteilt, sondern einfach ignoriert.
Zenon gelang es, die Ostkirche offiziell zu befrieden, denn alle vier östlichen Patriarchen (in Alexandria, Antiochia, Konstantinopel und Jerusalem) segneten das Henotikon inhaltlich ab. Doch seine Strategie hatte zwei wesentliche Nachteile. Erstens hatte das Weströmische Reich 482 aufgehört zu existieren, und Italien wurde von Odoaker kontrolliert, der mit Zenon tief verfeindet war, sodass der Kaiser auf den fünften Patriarchen der Kirche, den Bischof von Rom, keinerlei Einfluss hatte; und weil Papst Leos Tomus ad Flavianum formell in das Prozedere von Chalkedon einbezogen worden war, hatte Rom ein starkes Interesse daran, Chalkedons Legitimität als ökumenisches Konzil aufrechtzuerhalten. Alle Verhandlungen führten zu nichts, und zwei Jahre später hielt Papst Felix III. eine Synode ab, auf der das Henotikon verurteilt und Akakios, der derzeitige Patriarch von Konstantinopel, formell abgesetzt und exkommuniziert wurde. Damit befanden sich Rom und Konstantinopel offiziell im Schisma. Und zweitens bedeutete die Tatsache, dass die Kirchenobersten im Osten einander nicht mehr bekriegten, nicht etwa, dass der Streit innerhalb der Ostkirche beigelegt gewesen wäre. Die kaiserliche Hauptstadt beheimatete verschiedene Klöster, die die Beschlüsse von Chalkedon unterstützten, allen voran das Kloster der Akoimetoi (der »schlaflosen« Mönche). In Syrien und Palästina waren demgegenüber viele gegen Chalkedon.15
Insofern ist es schwer zu beurteilen, was genau die Menge im Hippodrom meinte, als sie Ariadne zurief, der neue Kaiser solle »orthodox« sein. Falls es sich um eine orchestrierte Veranstaltung handelte, war vermutlich gemeint, dass das neue Regime den Status quo aufrechterhalten sollte, wie er im Henotikon verankert war. Falls nicht, dann verlangte die Bevölkerung der Hauptstadt, die zum großen Teil in Richtung einer Chalkedon wohlgesinnten Einstellung tendierte, die Aufhebung des Henotikon. Wie dem auch sei: Das neue Regime hatte ein kaum lösbares Problem geerbt, für dessen Existenz es nichts konnte.
Es gibt durchaus Grund zu der Annahme, dass Anastasios mit den Antichalkedoniern sympathisierte. Vielleicht gelangten er und seine Berater in der zweiten Hälfte seiner Regierungszeit aber auch einfach zu der Überzeugung, dass sich der allgemeine Frieden in der Ostkirche am besten wiederherstellen ließ, indem man die Chalkedon-Sympathisierenden, die in der kaiserlichen Hauptstadt immer noch in der Überzahl waren, mit einer antichalkedonischen Position untergrub.
Im Jahr 508 durfte der Vordenker der Antichalkedonier, Severus, mit 200 auf seine Linie eingeschworenen Mönchen aus Palästina nach Konstantinopel, kommen, und später wurde er sogar von einem Neffen des Anastasios, Probus, der anscheinend Teil von Severus’ Netzwerk war, dem Kaiser vorgestellt. Dies bereitete den Boden für explizitere Aktionen. Am 20. Juli 511 musste die Gemeinde in der großen Kirche Hagia Sophia feststellen, dass in eines der Standardgebete der Liturgie, das Trisagion, mit einem Mal ein antichalkedonischer Teil eingefügt worden war. Dieses Gebet wurde stets vor dem täglichen Psalm gesungen und lautete ursprünglich: »Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, erbarme dich unser.« Der neue Zusatz – »der für uns gekreuzigt wurde« – war in einigen Gemeinden im Rahmen der Reaktion gegen die Beschlüsse von Chalkedon bereits Ende der 460er-Jahre in das Gebet eingefügt worden. Kein Chalkedon-Sympathisant konnte sich dem anschließen.
Das Henotikon war im Jahr 511 offiziell immer noch in Kraft, aber die Politik des Regimes hatte eine klar antichalkedonische Richtung eingeschlagen, wie die Aussagen der Patriarchen von Konstantinopel und Antiochia, Makedonios und Florian, in jenem Sommer deutlich machten. Beide hatten sich dem Henotikon angeschlossen, hatten aber so viele Sympathien für die Chalkedon-Beschlüsse, dass sie radikalere Schritte zur formellen Verurteilung des Konzils ablehnten. Dass dies tatsächlich die Richtung war, in die sich das Regime bewegte, wurde spätestens dann klar, als Florian abgesetzt und durch Severus ersetzt wurde. Somit stand nun einem Bischofssitz, dessen intellektuelle Traditionen beim Konzil von Chalkedon besonders stark vertreten gewesen waren, ein offen antichalkedonischer Patriarch vor.16
So weit, so gut. Anastasios’ Regime hatte sich für eine Lösung entschieden und versuchte, sie durchzusetzen. Doch schon bald zeigte sich, wie schwach das Regime im Grunde genommen war. Nachdem es zunächst darauf gesetzt hatte, die religiöse Spaltung auf seine Weise zu beseitigen, ruderte es auf Druck der Bevölkerung wieder zurück. Im Jahr 512 erlebte das Hippodrom der kaiserlichen Hauptstadt heftige Ausschreitungen seitens der Chalkedon-Befürworter, die den Kaiser fast den Thron kosteten. Anastasios sah sich gezwungen, ohne sein kaiserliches Diadem persönlich im Hippodrom zu erscheinen und die Menge für seine unüberlegten religionspolitischen Entscheidungen um Vergebung zu bitten.17 Die Akoimetoi spielten bei der Orchestrierung der gewaltsamen Aktionen eine führende Rolle, aber höchstwahrscheinlich waren auch einflussreiche Personen bei Hofe daran beteiligt, denen die betont antichalkedonischen Politik des Regimes ein Dorn im Auge war – oder die einfach nur verhindern wollten, dass Anastasios seine Macht weiter ausbaute.
Schon bald entstanden dem Kaiser neue Probleme: Ein Großteil des Militärs auf dem Balkan unter der Führung von Vitalian probte den Aufstand. Vitalians offizieller Posten war damals wahrscheinlich Befehlshaber der zahlreichen foederati, die in den verschiedenen Teilen des Balkans Land besaßen. Die foederati hatten einen bedeutenden Anteil am Ausbruch der Revolte, die wie so viele Militärrevolten als Streit um ausbleibenden Sold und eine schlechte Versorgungslage begann. Sie erfasste rasch viele der limitanei- und Feldarmee-Einheiten der Region, deren Offiziere Vitalian entweder für seine Pläne gewann oder aber ermorden ließ. Anfang 513 drang er mit einer Streitmacht von rund 50 000 Mann bis nach Hebdomon vor, sieben Meilen vor Konstantinopel, wo oft die Inthronisierung neuer Kaiser stattfand. In Gesprächen mit Vertretern des Regimes unterbreitete Vitalian seine Forderungen: Er verlangte, dass seine Truppen endlich ihren Sold erhielten und dass die chalkedonische Orthodoxie wiederhergestellt wurde und der alte Patriarch Makedonios seinen Posten zurückbekam. Dass er selbst Kaiser werden wollte, behielt Vitalian noch für sich.
Anastasios ließ seine Vertreter verkünden, er lenke in allen Punkten ein, doch er hielt sich nicht an seine Versprechen; also rückte Vitalian 514 ein zweites Mal auf Konstantinopel vor. Mit 5000 Pfund Gold im Gepäck zog er wieder ab, nachdem Anastasios ihm konkret zugesichert hatte, er werde die beiden entlassenen Patriarchen (Makedonios und Florian) wieder einsetzen und im Jahr 515 ein Konzil einberufen, um die religiöse Einheit mit Rom wiederherzustellen. Der Tod von Papst Symmachus im Juli 514 schien neue Chancen zu eröffnen, denn wie immer, wenn ein Papst starb, bestand die Hoffnung, dass sein Nachfolger umgänglicher war als der Vorgänger, und so schrieb Anastasios in der zweiten Jahreshälfte dem neuen Papst Hormisdas einen Brief, in dem es um eine mögliche Aussöhnung der beiden Kirchen ging. Doch der Kaiser war nach wie vor ein Anhänger des Henotikon, und Hormisdas wollte keine Kompromisse eingehen. Das Akakianische Schisma, wie man die Situation im Westen nannte (nach dem von Papst Felix exkommunizierten Patriarchen Akakios), ließ sich also nicht beilegen, und 515 rückte Vitalian ein drittes Mal auf die Hauptstadt vor. Nur brachte er diesmal eine Flotte mit, die es ihm endlich ermöglichen sollte, die Stadt einzunehmen. Zur Landseite hin war Konstantinopel durch die dreifachen Theodosianischen Befestigungsanlagen geschützt, die kein Feind jemals überwinden konnte (bis die Kanone erfunden wurde).18
Es war ein wenig wie beim Perserkrieg: Das Endergebnis war nicht so katastrophal wie zunächst befürchtet. Unter der Führung eines der vertrauenswürdigsten Beamten von Anastasios, des Prätorianerpräfekten Marinus, nutzten die Streitkräfte des Regimes das berühmte Griechische Feuer – eine Waffe, die brennenden Schwefel verschoss, der auch auf Wasser weiterbrannte –, um Vitalians Flotte auf dem Bosporus in Brand zu stecken. Da dessen Armee auf anderem Wege nicht in die Stadt gelangen konnte, kam es zu neuen Verhandlungen, und am Ende erklärte Vitalian sich bereit, ins Exil zu gehen, wenn seine Soldaten ausbezahlt würden.
Dennoch hatte sich Anastasios nur ganz knapp die Macht sichern können, und im Folgenden wagte er keine weiteren Schritte mehr in Richtung Chalkedon. Zusammenfassend können wir festhalten: In religiösen Angelegenheiten zeichnete sich Anastasios’ Regime durch Wankelmütigkeit und ein völliges Fehlen konkreter Erfolge aus, seine Regierungszeit durch zunehmende Konflikte. Der Kaiser selbst war nun bereits Mitte achtzig, sein Regime war in politischer Hinsicht zum Stillstand gekommen, und bis ein neues Regime an die Macht kam, würde nichts Wesentliches mehr passieren. In diesem Zusammenhang leuchtet es durchaus ein, dass Anastasios keinen entscheidenden Einfluss auf die Thronfolge ausüben konnte. Bezeichnenderweise hielt man in den letzten Jahren des Kaisers, als man jeden Augenblick mit seinem Ableben rechnete, seine beiden prominentesten Neffen aktiv von der Hauptstadt fern. Pompeius saß als Kommandant in Thrakien, wo er ein Auge auf den exilierten Vitalian haben sollte, und Hypatius war als Oberbefehlshaber der östlichen Feldarmeen in Antiochia stationiert. Keiner von beiden hatte genug Anteil am Geschehen im Palast, um bei dem politischen Pferdehandel eine Rolle zu spielen, der dem Tod eines Kaisers, der keine direkten Erben hatte, zwangsläufig folgte.
»Der purpurne Tod«
In der Nacht vom 8. auf den 9. Juli 518 entschlief der 87-jährige Anastasios. In den Jahren zuvor wird man beim Heer, bei Hofe und im Senat über eine schier endlose Zahl verschiedener Thronfolger diskutiert haben, gerade weil Anastasios vor seinem Tod die nötige Autorität fehlte, um seine Nachfolge selbst zu regeln. Eine Maxime des Altertums, die später vom Papsttum aufgegriffen wurde, besagte, dass nur jemand des höchsten Amtes würdig war, der dieses Amt gar nicht anstrebte. Da der Kaiser von Gott auserwählt wurde, hatte menschlicher Ehrgeiz in dieser Gleichung keinen Platz. Zudem stellte die enorme Verantwortung, die das Amt mit sich brachte, zumindest theoretisch eine solche Last dar, dass es gar nicht als sonderlich erstrebenswert galt – in diesem Sinne soll Kaiser Julian, als er bei seiner Ernennung zum Caesar neben seinem Cousin, dem Augustus Constantius II., auf dem kaiserlichen Wagen fuhr, den (leicht abgewandelten) homerischen Vers gemurmelt haben: »Der purpurne Tod und das übermächtige Schicksal haben Besitz von mir ergriffen.«19 Insofern legte Justinians Onkel am Morgen des 9. Juli, wie man sich erzählte, eine geradezu absurde Haltung an den Tag. Der Chef der Palasteunuchen, der praepositus sacri cubiculi Amantius, übergab ihm eine große Summe Bargeld, um die Palastwachen zu bestechen, damit sie Amantius’ Kandidaten unterstützten, doch stattdessen verwendete Justin das Geld für seine eigene Kandidatur. Wahrscheinlich ist diese Anekdote nicht mehr als skurriler Klatsch,20 aber auch die höher zu bewertenden Quellen lassen Justin kaum in einem besseren Licht dastehen: 518 war er komplett auf den Thron fixiert.
Als bekannt wurde, dass Anastasios gestorben war, versammelte sich das Volk wieder im Hippodrom, und diesmal rief es, dass es einen Feldherrn als Kaiser wollte. Und rein zufällig war Justin Feldherr. Er stammte vom nördlichen Balkan, aus Bederiana in der Nähe von Naissus (dem heutigen Niš), und hatte sich beim Heer verpflichtet, um der Armut zu entfliehen. Justin ging zu den excubitores, einer der beiden Einheiten der Palastwächter (die andere waren die scholarii). Über seine spätere Karriere ist wenig bekannt, da unsere Quellen durchweg auf seinen weitaus bekannteren Neffen fixiert sind. Dennoch: Justin nahm während der Regierungszeit des Anastasios an allen wichtigen Feldzügen teil. Zur Zeit des Isaureraufstands in den 490er-Jahren war er ein ranghoher Feldarmeeoffizier (comes rei militaris, ein Rang unterhalb des magister militum). Er kämpfte im Perserkrieg von 503/504 mit und befand sich auf einem Schiff im Bosporus, als Vitalians Flotte ihre entscheidende Niederlage erlitt. Direkt danach wurde er zum comes excubitorum ernannt, zum Kommandanten der Palastwache, der er schon so lange angehörte. Im Rang war dieser Posten nicht so hoch angesiedelt wie Oberbefehlshaber einer Feldarmee, aber dennoch relativ weit oben und mit dem entscheidenden Vorteil, dass der comes excubitorum im Palast stationiert war – ganz nahe am Zentrum der Macht.21
Somit war Justin während Anastasios’ letzter Lebensjahre genau am richtigen Ort, um bei den einflussreichsten Personen bei Hofe seine Machtansprüche anzumelden. Aber genau dieser Umstand lässt einen nun die Rufe der Menschenmenge im Hippodrom hinterfragen. Nachprüfen lässt sich das heute nicht mehr, aber wahrscheinlich wussten Justins Hintermänner ganz genau, wem sie etwas Bargeld in die Hand drücken mussten, damit die Menge diese doch erstaunlich passende Forderung skandierte. Und Justin war es auch, der den in den Palast gerufenen Senatoren und Würdenträgern offiziell verkündete, dass Anastasios verstorben war. Auch die Tatsache, dass diese herausragende Aufgabe ausgerechnet ihm zufiel, deutet darauf hin, dass er bei Hofe in allerhöchstem Ansehen stand. Doch selbst bis ins Detail ausgetüftelte Nachfolgepläne konnten immer noch eine überraschende Wendung nehmen.22
Justin hatte beileibe nicht nur Freunde. Die andere Palastwächterabteilung, die scholarii, hätte viel lieber den einzigen anderen Feldherrn im direkten Umfeld des Palasts auf dem Thorn gesehen: Patricius, den Oberbefehlshaber der Praesentalis-Armee. An diesem Punkt hätte das Ganze leicht schiefgehen können, auch wenn der »loyale, aber geistig nicht allzu rege« Patricius den Job im Grunde gar nicht wollte, vor allem als die excubitores ihm mit dem Tod drohten, vermutlich weil sie ihren eigenen Kommandanten als Kaiser sehen wollten. Da schaltete sich Justinian ein und rettete Patricius das Leben, indem er ihn überredete, aus dem Wettlauf um den Thron auszusteigen; dieser Vorgang scheint den künftigen Kaiser allerdings düpiert zu haben. Inzwischen zog sich die ganze Angelegenheit bereits so lange hin, dass die Menschen unruhig wurden. In Sorge, dass das Volk am Ende noch einen eigenen Kandidaten ins Spiel brachte, stellten sich die Senatoren und Würdenträger schließlich einmütig hinter Justin, und nachdem die Palasteunuchen die kaiserlichen Insignien freigegeben hatten, betrat der Kaiser binnen weniger Minuten ordnungsgemäß gekleidet seine Loge und präsentierte sich seinem Volk. Es begrüßte ihn stürmisch. Allen Palastwächtern versprach er eine erhebliche Gehaltserhöhung.23
Insgesamt gab es so viele bezeichnende Zufälle, dass Justins Inthronisierung nichts anderes als das Ergebnis sorgfältiger Planung gewesen sein kann. Zweifellos hatten andere Leute alternative Pläne (einige Hinweise zu Details traten nach seiner Wahl zutage), aber Justin hatte seine Position als Palastwächter eben von vornherein dazu benutzt, sich für den Thron in Stellung zu bringen, und in ausreichender Zahl Unterstützer hinter sich geschart, um an diesem entscheidenden Morgen im Palast alle anderen potenziellen Herausforderer ausstechen zu können – vielleicht hat er zusätzlich auch einen großen Teil der Menge bestochen, um sicherzustellen, dass auch tatsächlich genügend Leute nach einem Feldherrn schrien. Viele seiner Unterstützer werden in ihm, wie vor ihm in Anastasios, einen guten Kompromisskandidaten gesehen haben, der die Zügel der Macht nicht allzu fest in Händen halten würde. Er war keiner der Neffen von Anastasios, er hatte zuvor kein hohes Amt in der Verwaltung innegehabt, und auch er war über sechzig und kinderlos (allerdings hatte er zu diesem Zeitpunkt seinen Lieblingsneffen Justinian wohl bereits adoptiert). Doch wer in ihm lediglich einen harmlosen alten Mann sah, der sollte schon bald merken, dass er sich getäuscht hatte. Das neue Regime wusste Anastasios’ politische Fehlgriffe zu nutzen, um nach der Macht zu greifen – ohne Rücksicht auf Verluste.
Oberste Priorität hatte zunächst einmal die Beseitigung jedes potenziellen Widerstands innerhalb des Palastes. Noch in derselben Woche verglichen wütende Kirchgänger in der Hagia Sophia den damaligen Chefeunuchen Amantius lautstark mit Chrysaphios, dem berüchtigten Chefeunuchen von Theodosius II., der im Vorfeld des Konzils von Chalkedon die religiöse Opposition unterstützt hatte. Diese Zwischenrufer waren wahrscheinlich vom neuen Kaiser beauftragt, von dessen Feindschaft mit Amantius auch die Tatsache zeugt, dass jener angeblich Geld aufwandte, um einen anderen Thronanwärter zu unterstützen. Palasteunuchen konnten extremen Einfluss ausüben, allerdings oft nur bis zum nächsten Regimewechsel. Weil sie kein breiter aufgestelltes Netzwerk an politischen Unterstützern besaßen, konnten sie im Grunde jederzeit hingerichtet werden, ohne dass dies irgendjemanden, der von Bedeutung war, gestört hätte. Amantius wurde binnen zehn Tagen nach Justins Thronbesteigung zusammen mit einem weiteren Eunuchen namens Andreas hingerichtet – ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass er einen alternativen Kandidaten unterstützt hatte.
Einige von Anastasios’ bedeutenderen Unterstützern mussten den Palast ebenfalls verlassen, doch sie waren so gut vernetzt, dass sie immerhin mit dem Leben davonkamen. Anastasios’ Verwaltungschef, der seit 503 im Amt befindliche magister officiorum Celer, wurde praktisch sofort gefeuert, andere folgten ihm wenig später. Hypatius war 519 als Oberbefehlshaber an der Ostfront entlassen worden, genau wie Marinus, Anastasios’ Prätorianerpräfekt für die östlichen Provinzen. Die Quellen berichten, dass Marinus in Konstantinopel ein öffentliches Bad mit einer Darstellung von der Ankunft des verarmten Justin in der Hauptstadt dekorieren ließ. Mag sein, dass er sich damit für seine Entlassung rächen wollte. Nur: zu welchem Zeitpunkt? Wenn Justin zu diesem Zeitpunkt bereits Kaiser gewesen wäre, so wäre es wahrscheinlich kein allzu cleverer Schachzug gewesen. Ich vermute daher eher, dass die Maßnahme noch in die letzten Jahre unter Anastasios zu datieren ist, und vielleicht hatte Marinus zum Ziel, Justin als potenziellen Kandidaten für die Kaiserwürde zu diskreditieren.24
Diese Entlassungen weisen jedoch noch ein weiteres Muster auf, das zeigt, dass das neue kaiserliche Regime viel mehr im Sinn hatte, als sich lediglich die Kontrolle über den Palast zu sichern. Wenn jemand entlassen wird, wird ja auch immer jemand Neues eingestellt, und eine solche Ernennung war von höchster Bedeutung: Justin rehabilitierte Vitalian, den aufrührerischen comes foederatorum aus Anastasios’ letzten Jahren, und ernannte ihn sofort zum Oberbefehlshaber einer der Praesentalis-Armeen (der andere, Patricius, behielt seinen Posten, vielleicht als Belohnung dafür, dass er sich damals im Eifer des Gefechts aus allem herausgehalten hatte). In ideologischer Hinsicht hatte Vitalian seinen Aufstand damit gerechtfertigt, dass er das Schisma mit Rom aus der Welt schaffen wollte, und viele von Justins Aktionen wiesen ebenfalls in diese Richtung. Zur Erinnerung: Der Eunuch Amantius wurde wegen seines Widerstands gegen die chalkedonische Theologie mit Chrysaphios verglichen, und sowohl er als auch sein Kollege Andreas sollten am Ende als antichalkedonische Märtyrer gefeiert werden.
Auch Celer hatte im Sommer 511 großen Anteil an der Enthebung des Makedonios, des Patriarchen von Konstantinopel, aus seinem Amt. Und wo man schon einmal dabei war, entfernte man auch gleich noch Severus aus seinem Posten als Patriarch von Antiochia. Sowohl Justin als auch seine Frau Euphemia waren ausgesprochene Unterstützer der Beschlüsse von Chalkedon, und die Weichen wurden für eine rasche Kehrtwende gestellt.
Um ihn von seiner Thronbesteigung zu informieren, schrieb der Kaiser am 1. August zum ersten Mal einen Brief an den Papst. Am 7. September machte sich ein kaiserlicher Legat mit zwei weiteren Briefen an den Papst auf den Weg. Das eine Schreiben enthielt die Bitte, Gesandte nach Konstantinopel zu schicken, um das Schisma zu beenden, und der zweite eine persönliche Einladung Justinians an den Papst, Konstantinopel zu besuchen. Die Briefe erreichten Rom am 20. Dezember, und bereits im Januar befand sich eine päpstliche Delegation auf dem Weg in den Osten. Ihre Ankunft war sorgfältig geplant: Sie würde am Montag, dem 25. März, dem Beginn der Karwoche eintreffen. Die Legaten wurden am zehnten Meilenstein vor Konstantinopel von einem hochkarätigen Empfangskomitee begrüßt, das (wie zu erwarten) aus Justinian und Vitalian sowie (erstaunlicherweise) Pompeius bestand, einem von Anastasios’ drei Neffen. Drei Tage später unterzeichnete der Patriarch Johannes von Konstantinopel die Briefe aus Rom, und Akakios’ Name wurde für immer aus den Diptychen, der offiziellen Liste der wahren Patriarchen, gelöscht. Das Schisma war vorüber.25