Kitabı oku: «Die letzte Blüte Roms», sayfa 9
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Der letzte verzweifelte Schachzug
Verglichen mit den Ereignissen rund um Anastasios und Justin verlief Justinians endgültiger Aufstieg zum alleinigen Herrscher der römischen Welt am 1. August 527 bemerkenswert ruhig. Die ganze Drecksarbeit war bereits erledigt. Dennoch konnte sich kein Kaiser sicher wähnen, bevor er nicht allen bewiesen hatte, dass er von Gott dazu bestimmt war, sein auserwähltes Volk zu regieren. Und da stand Justinian vor einem echten Problem. Schließlich war er gemeinsam mit seinem Onkel für zwei kühne politische Entscheidungen verantwortlich gewesen: die erneute Anerkennung der vollen Autorität des Konzils von Chalkedon und die Abwendung vom mächtigsten Nachbarn des Reiches, den Persern, nach über hundert Jahren kooperativer Beziehungen. Kurzfristig hatten beide Entscheidungen enorme politische Auswirkungen und hatten es Justins Regime erlaubt, die komplette Kontrolle über den Hof in Konstantinopel zu übernehmen, doch ihre längerfristigen Konsequenzen waren extrem problematisch.
Zunächst einmal drohte ein Krieg mit Persien. Justins Reaktion auf Kavadhs Adoptionsgesuch war nicht weniger als eine Beleidigung gewesen, und dieser Umstand sowie die neue Bereitschaft, unter den transkaukasischen Klienten Persiens Unmut zu schüren, machten einen Krieg geradezu unvermeidlich. Die Taufe von König Tzath war ein ausgezeichnetes Stück Propaganda gewesen, und vielleicht hatte sich durch die Sabotage der Friedensverhandlungen auch das Ansehen von Hypatius geschickt untergraben lassen. Aber wie wirksam die neue politische Richtung wirklich war, sollte sich erst auf dem Schlachtfeld zeigen. Was die religiöse Front betrifft, so hatte die Überwindung der Spaltung Roms in der kaiserlichen Hauptstadt, wo es einflussreiche prochalkedonische Interessengruppen gab, eine enorme Wirkung. Insgesamt war sie in der Ostkirche, wo viele die »zwei Wesen« von Chalkedon noch immer für eine unmögliche Formel hielten, allerdings weniger gut angekommen. Nachdem Justin die neue Maxime durchgesetzt hatte, lebten nun 55 antichalkedonische Bischöfe im Exil – und wurden nicht müde, den festgefahrenen Religionsstreit immer wieder von Neuem anzuheizen.1
Wir haben guten Grund zu der Annahme, dass Justinian sich deutlich weniger für eine umfassende Durchsetzung der Beschlüsse von Chalkedon einsetzte als für einen Krieg mit Persien. Dieser zweite politische Kurswechsel ereignete sich so spät in Justins Regierungszeit, dass man durchaus davon ausgehen darf, dass Justinian bei der Entscheidung, Kavadh zu provozieren, seine Hand im Spiel hatte. Er war auch – per Brief – an den Verhandlungen beteiligt gewesen, die das Schisma beendet hatten, und hatte 519 am zehnten Meilenstein vor Konstantinopel die päpstliche Delegation begrüßt. Aber im Jahr 520 hatte er Papst Hormisdas zwecks einer möglichen Initiative konsultiert, die es den Antichalkedoniern im Osten möglich gemacht hätte, eine leicht entschärfte Version der Beschlüsse des Konzils zu akzeptieren. Der Papst wollte nichts davon wissen, und so ließ Justinian diesen Plan wieder fallen; doch seine Frau Theodora hatte bekanntermaßen Verbindungen zu einigen führenden Köpfen des antichalkedonischen Netzwerks, und ihr Ehemann hatte die Absicht, diese Verbindungen zu nutzen.2
In Justinians ersten Regierungsjahren finden wir keine Spuren einer weiteren offiziellen Annäherung an die Antichalkedonier, doch im Jahr 532 fanden in Konstantinopel formelle Gespräche statt, und zu diesen muss es eine informelle Vorgeschichte geben. Selbst wenn es keinen unmittelbaren politischen Paradigmenwechsel gab, kam es irgendwann zwischen 527 und 532 doch zu ersten Unterredungen hinter verschlossenen Türen, die dazu beitragen sollten, die Gräben zuzuschütten, die die siebzigjährige religiöse Spaltung gerissen hatte – bzw. es waren doch zumindest Gespräche darüber, dass man miteinander sprechen müsse. In der Zwischenzeit feierte Justinian seinen Einstand als Kaiser mit einer Reihe von Verfolgungen verschiedener religiöser Randgruppen, die beide Parteien gleichermaßen verachteten (Heiden, Manichäer, Samariter).3
Eine betont entschlossene Haltung gegenüber den religiösen Themen und der Perserfrage hatte zur Zeit Justins ganz unmittelbare politische Vorteile gebracht, aber das Kapital, das aus beidem zu schlagen war, war inzwischen so ziemlich aufgebraucht, und langsam machten sich die möglicherweise viel weniger attraktiven langfristigen Konsequenzen mancher Entscheidungen bemerkbar, sei es in Sachen Krieg mit Persien oder hinsichtlich der langwierigen und schwierigen Verhandlungen, die nötig waren, um die Kirche wieder zu einen. Gleichzeitig musste Justinian, wie alle neuen Kaiser, seinem Regime so große Autorität verschaffen, dass er alle etwaigen Zweifel ausräumen konnte, was seine Auserwählung zum Herrscher durch Gott betraf. Und als ob das Perserproblem und die tief gespaltene christliche Kirche nicht genug gewesen wären, entschied sich der Kaiser wieder für den unpopulären, steinigen Weg. Binnen weniger Monate nach seiner Thronbesteigung hatte sich Justinian ein völlig neues Betätigungsfeld erschlossen, das es ihm erlaubte, allen zu zeigen, dass er tatsächlich der Auserwählte war.
Von Gottes Gnaden
Am 13. Februar 528 verkündete der Kaiser, er habe eine neue Kodifizierung des römischen Rechts in Auftrag gegeben. Als innenpolitisches Prestigeprojekt für sein neues Regime war dies eine brillante Wahl. In spätrömischer Zeit erklärte die staatliche Ideologie, wie wir in Kapitel 1 gesehen haben, die Strukturen ihrer verschriftlichten Gesetze als den entscheidenden Faktor, der die von Gott beschützte römische Welt als menschliche Gesellschaft einer höheren Ordnung auswies und von allen anderen unterschied, die jemals existiert hatten oder je existieren würden. In der Konstitution Deo auctore (»durch die Autorität Gottes«), mit der er am 15. Dezember 530 ein zweites Element seiner Rechtsreform auf den Weg brachte, schrieb Justinian:
Es gibt keinen Gegenstand, der so sehr ein genaues Studium lohnt, wie das Recht und die Gesetze, die alle göttlichen und menschlichen Angelegenheiten ordnen und jede Ungerechtigkeit ausmerzen.4
Zumindest was die interne Kontrolle des römischen Staates anging, gab es schlichtweg keine bessere Möglichkeit, die eigene gottgewollte Legitimität unter Beweis zu stellen, als eine so umfassende Rechtsreform zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Dieses erste juristische Projekt von Justinians Regime bestand aus zwei Phasen. Als Erstes sollte eine Kommission, die aus acht leitenden Verwaltungsbeamten bzw. hochrangigen Politikern aus den Reihen des Regimes und zwei praktizierenden Rechtsanwälten bestand, alle neuen vom Kaiser seit der letzten Sammlung, dem Codex Theodosianus von 438, erlassenen Gesetze sammeln. (Beim Codex Theodosianus war man ganz ähnlich vorgegangen und hatte die Gesetzestexte seit etwa dem Jahr 300 gesichtet.) Zweitens musste die Kommission eine Auswahl aus den letzten neunzig Jahren römischer Gesetzgebung treffen und diese mit drei früheren Kodizes kombinieren: dem von Theodosius und zwei früheren Kodizes, dem Codex Hermogenianus und dem Codex Gregorianus aus den 290er-Jahren. Insgesamt boten diese Kodizes eine Auswahl römischer Rechtsprechung bis zurück in die 130er-Jahre. Im Ergebnis versammelte die einbändige Publikation die wichtigsten juristischen Entscheidungen im Römischen Reich, die alle früheren Sammlungen, namentlich jene von Hermogenianus, Gregorius und Theodosius, vollständig ersetzte.
Die Aufgabe war nicht gerade einfach, aber wenigstens hatte die Kommission klare Vorgaben für den Umgang mit den neuen, zeitlich nach dem Codex Theodosianus erlassenen Gesetzen: Sie sollte sich den Codex zum Vorbild nehmen sowie die nachfolgenden kleineren Sammlungen neuer Gesetze (Novellae, »Novellen«), wie jene, die Theodosius II. 448 an seinen westlichen Kollegen Valentinian III. geschickt hatte.
Zunächst verwarf die Kommission jene Gesetze, die nur für einen Einzelfall gegolten hatten; alle ausgewählten Gesetze mussten von allgemeiner Bedeutung sein (das operative Konzept hier war die generalitas). Anschließend wurden die ausgewählten Gesetze sorgfältig redigiert; in vielen Fällen glättete die Kommission dabei die allzu selbstherrliche Rhetorik, in die Kaiser für gewöhnlich ihre juristischen Äußerungen kleideten; hin und wieder finden sich allerdings noch Beispiele dafür, so bei Justins Ehegesetz. Dann musste die Kommission solche Gesetze, die sich auf mehrere Themen bezogen, in einzelne Abschnitte aufteilen; die Kaiser erließen oft Gesetze, die mehrere Problemfelder zugleich abhandelten. Als Letztes wurden die redigierten Auszüge thematisch sortiert und in nummerierten Büchern unter entsprechenden Kapitelüberschriften zusammengefasst, wobei man innerhalb der einzelnen Kapitel die chronologische Reihenfolge beibehielt.
Was diesmal anders war, das war die fünfte und letzte Phase, in der die Kommission das neu zusammengestellte Material in eine Auswahl aus den drei früheren Kodizes integrieren musste. Die ersten vier Phasen boten keine größeren Probleme, schließlich verfügten alle großen staatlichen Dienststellen über Archive, in denen sie wichtige juristische Materialien aufbewahrten, und die grundlegenden Verfahren zur Redaktion der ursprünglichen Gesetze ließen sich – genau wie die meisten Buch- und Kapiteltitel – komplett von den drei älteren Kodizes übernehmen, die die Anordnung der Themen ihrerseits größtenteils von noch älteren römischen Rechtstexten übernommen hatten. Die viel schwierigere Aufgabe bestand darin, zu entscheiden, was man von den drei älteren Werken behalten sollte und auf welche Weise dieses Material in jene Texte integriert werden sollte, die aus der neueren Gesetzgebung ausgewählt worden waren.
Doch die Kommission zeigte sich ihrer Aufgabe gewachsen, und am 7. April 529 wurde der vollendete Codex Iustinianus offiziell veröffentlicht. Es war eine außerordentliche Leistung. Zum Vergleich: Die für den Codex Theodosianus zuständigen Kommissare hatten neun Jahre gebraucht, allein um die ersten vier Punkte auf der Liste zu erledigen, und hatten gar nicht erst versucht, einen Band zu produzieren, der die neuen mit alten Gesetzen kombinierte. Die Experten waren damals so schleppend vorangekommen, dass sechs Jahre nach Beginn des Projekts eine zweite Kommission mit vielen neuen Mitgliedern ins Leben gerufen wurde, um die Aufgabe zu beenden. Die schlechten Erfahrungen aus der Ära von Theodosius zeigen einmal mehr, wie kühn Justinians Unterfangen war. Ein neuer Kaiser, der sich bereits zu Beginn seiner Herrschaft diversen Problemen gegenübersah, konnte es sich nicht leisten, ein ebenso hochkarätiges wie risikoreiches Projekt anzukündigen, um es dann wie sein Vorgänger beinahe in den Sand zu setzen. Verbesserungen innerhalb der Bürokratie, vor allem in puncto Archivführung, und die Tatsache, dass sie sich an einem Vorbild orientieren konnte, machten Justinians Kommission gewiss in mancherlei Hinsicht das Leben leichter. Dass die Experten innerhalb von nur dreizehn Monaten die neuen Gesetzestexte redigierten, die Gesetze aus den drei vorangegangenen Kodizes integrierten und das Ganze schließlich in einem einzigen Band zusammenzufassten, beweist, mit welcher außerordentlichen administrativen Energie sie zur Tat schritten.5
Damit hatte Justinians Regime seinen gewünschten Propaganda-Coup. Es hatte erfolgreich eine Aufgabe absolviert, wie sie nur ein ganz und gar legitimer, von Gott eingesetzter römischer Herrscher erfüllen konnte: Justinian hatte einen Teil der verschriftlichten Gesetze neu geordnet, die die einzigartige, von Gott begünstigte Welt der Römer, zumindest nach deren eigenem Verständnis, von allen anderen Gesellschaften auf Erden unterschied. Entgegen allen Erwartungen war die Arbeit bereits nach etwas mehr als einem Jahr abgeschlossen, und ich gehe davon aus, dass dieses Tempo Justinian ermutigte, im Dezember 530 eine weitere Kommission einzusetzen, um ein zweites, noch ehrgeizigeres Rechtsreformprojekt in Angriff zu nehmen.
Im 6. Jahrhundert wurden vor Gericht, wie schon seit mehreren Jahrhunderten, üblicherweise zwei verschiedene Rechtsinstanzen zitiert: kaiserliche Erlasse (wie sie für den Codex Iustinianus kompiliert wurden) und die Schriften bestimmter Rechtsanwälte, der iuris consulti, denen frühere Kaiser gestattet hatten, verbindliche Rechtsansichten zu äußern. Das Material dieser Anwälte hatte sich vom 1. bis zum 3. Jahrhundert angesammelt und war aufgrund seines schieren Volumens extrem unübersichtlich. Spätrömische Juristen hatten das Problem längst erkannt, doch eine Lösung stand noch aus. Schon Theodosius II. hatte angekündigt, dass sich seine Rechtskommission im Anschluss an die Kompilierung der kaiserlichen Gesetze auch um das Material der iuris consulti kümmern würde. Doch nachdem schon das erste Projekt fast ein Jahrzehnt in Anspruch genommen hatte, ließ man das zweite stillschweigend links liegen.
Als Justinian sah, wie schnell es seiner Kommission gelungen war, die neue Gesetzessammlung zusammenzustellen, ermutigte ihn das, auch das zweite, noch ehrgeizigere Vorhaben in Angriff zu nehmen. Am 15. Dezember 530 kündigte eine neue kaiserliche Konstitution mit dem Namen Deo auctore an, dass eine zweite Kommission eingesetzt würde, und legte deren Arbeitsprinzipien fest:
Wir weisen euch an, jene Bücher zu lesen und zu bearbeiten, die sich mit dem römischen Recht befassen und die von gelehrten Männern geschrieben wurden, denen die verehrtesten Kaiser Vollmacht gaben, Gesetze zu verfassen und zu interpretieren [gemeint sind eben die iuris consulti]. Ihr sollt die ganze Substanz aus ihnen extrahieren, alle Wiederholungen und Diskrepanzen so weit wie möglich entfernen und aus ihnen ein einzelnes Werk zusammenstellen, das an all jener statt (…) genügen wird, sodass aus dem fertigen Werk nichts ausgelassen werden kann (…), sondern dass mit diesen 50 Büchern das ganze alte Gesetz – das sich fast vierzehnhundert Jahre lang in einem Zustand der Verwirrung befand, der von uns korrigiert wurde – gleichsam mittels einer Mauer verteidigt wird und nichts außerhalb seiner selbst gelten lässt. Alle juristischen Autoren haben darin das gleiche Gewicht, und keinem Autor wird eine übergeordnete Autorität zuteil, da nicht jeder von ihnen in jeder Hinsicht als besser oder schlechter anzusehen ist als die anderen, sondern immer nur in bestimmten Punkten.6
Vorsitzender der neuen Kommission war Tribonianus, einer der beiden Rechtsanwälte, die am Codex Iustinianus mitgearbeitet hatten. Er hatte sich dabei offensichtlich besonders hervorgetan, und allem Anschein nach leistete er zwischen der Veröffentlichung des Codex im April 529 und der Ankündigung der neuen Reform im Dezember 530 bereits einige Vorarbeit. Immerhin geht aus Deo auctore hervor, dass Justinian bereits ahnte, dass seine neue Gesetzessammlung 50 Bücher umfassen würde. Die Konstitution legte auch die Arbeitsgrundsätze der Kommission fest: Sie sollte jedes einzelne Rechtsgutachten der iuris consulti wertneutral, unvoreingenommen und abseits jeder traditionellen Meinung neu prüfen und beurteilen.7 Doch leider sollte Justinians zweites juristisches Projekt nicht so reibungslos über die Bühne gehen wie das erste.
Krieg im Osten
In der Zwischenzeit hatte der Krieg mit Persien begonnen, und auch hier schien die Lage zunächst äußerst vielversprechend. Die persische Front ließ sich in der Praxis in drei einzelne Konfliktzonen unterteilen. Früher hatten die meisten großen Schlachten an der offenen Grenze in Zentralmesopotamien, entlang von Euphrat und Tigris, stattgefunden. Hier hatte Schapur I. im 3. Jahrhundert drei römische Armeen aufgerieben, und hier war Kaiser Julians großer Marsch auf Ktesiphon im Jahr 363 gescheitert. In der Zeit bis zum 6. Jahrhundert hatten beide Seiten ihre Städte in dieser Region mit massiven Befestigungsanlagen versehen. Infolgedessen tendierte die aktuelle Kriegführung weniger zu offenen Schlachten als vielmehr zu langwierigen Belagerungen.
Weiter nördlich, in Armenien und Transkaukasien, bestand die Landschaft aus zahlreichen relativ isolierten Tälern, die durch ein Netzwerk von Bergpässen miteinander verbunden waren. Feldlager und Garnisonen spielten auch hier eine gewisse Rolle, aber hier war, wie im Falle von Lasika und Iberien, genauso gegen die Einstellungen der Adligen vorzugehen, die ihre Gemeinden praktisch als unabhängige Lehnsgüter führten, insbesondere wenn sie im Winter durch starke Schneefälle von der Außenwelt abgeschnitten waren. Der äußerste Süden hingegen war heiß und trocken. Hier waren die arabischen Beduinen zu Hause. Um die Randgebiete der hiesigen Wüste zu kontrollieren, hatte Kaiser Diokletian um das Jahr 300 eine befestigte Straße anlegen lassen, aber da konventionelle Armeen hier ohnehin nicht operieren konnten, war diese Maßnahme alles andere als effizient. Bis zum 6. Jahrhundert konzentrierten sich sowohl Rom als auch Persien immer mehr darauf, unter den arabischen Gruppierungen, die die Ränder der Wüste bevölkerten, verlässliche Verbündete zu finden. Persien setzte voll und ganz auf die mächtige Konföderation der Lachmiden, Konstantinopel hielt sich an eine ganze Reihe einzelner kleiner Bündnispartner.8
Zwei eher mäßige, aber greifbare Erfolge im Norden, die die transkaukasischen Dynasten Tzath und Gurgenes (siehe Kapitel 3) veranlasst hatten, die Seiten zu wechseln, hatten dazu beigetragen, dass Justin und Justinian die Konfrontation mit Persien suchten. Hier im Norden stellte Justinian klar, dass Rom unter seiner Herrschaft vorerst nicht zur früheren Kooperation mit Persien zurückkehren würde, indem er die erste große Neuaufstellung der oströmischen Feldarmeen seit dem 4. Jahrhundert veranlasste. Armenien erhielt ein völlig neues Oberkommando für seine Feldarmeen, und diese wurden durch Truppen aus anderen Teilen des Reiches verstärkt. Die neue Streitmacht schritt umgehend zur Tat. In den Jahren 527 und 528 überfiel ihr neuer Kommandant Sittas Persarmenien und kehrte mit jeder Menge Gefangener zurück.
An der Südfront bereitete Justinian sich ebenfalls auf den Krieg vor und richtete in der Stadt Palmyra ein neues, wenn auch weniger bedeutendes militärisches Kommando ein. Auch in Mesopotamien wurden ein paar Operationen durchgeführt: Die Römer drangen in persisches Territorium ein, und 528/529 versuchten sie, in der Nähe der Grenze eine Anzahl kleiner Festungen zu errichten. Dies veranlasste die Perser zu einem Gegenschlag, der die römischen Defensivtruppen aus der Gegend vertrieb, was wiederum Justinian dazu brachte, den östlichen Feldarmeen einen neuen Oberbefehlshaber zu verpassen: Belisar, der im weiteren Verlauf der Geschichte dieses Regimes noch eine wichtige Rolle spielen wird.9 Wie Sittas war Belisar Anfang der 520er-Jahre, als der Kaiser noch magister militum praesentalis war, Offizier bei Justinians bucellarii gewesen. Tatsächlich trat in Justinians ersten Jahren als Kaiser eine ganz neue Generation ranghoher Offiziere auf den Plan, und ihnen sollte während seiner gesamten Regierungszeit noch große Bedeutung zukommen.10
Bisher hatten Justinians Truppen die Initiative ergriffen, aber Ende 529 hatte Kavadh endlich seine Truppen mobilisiert und war bereit für die kommende Feldzugsaison. Im Januar 530 rückte eine riesige persische Armee, Berichten zufolge 40 000 Mann, auf die Stadt Dara vor, Roms vordersten Stützpunkt an der mesopotamischen Front. Was nun geschah, wissen wir größtenteils von Prokop, der inzwischen Belisars Rechtsberater war und als Augenzeuge vom Schlachtengeschehen berichtete. Es lohnt sich schon deshalb, die Kampfhandlungen genauer zu betrachten, weil sie zeigen, dass die Umstellung der Taktiken im oströmischen Heer (siehe Kapitel 2) bereits im Jahr 530 in vollem Gange war.
Belisar hatte nur 25 000 Mann unter sich, aber er wusste im Voraus, dass die Perser im Anmarsch waren, und bereitete sich sorgfältig vor. Zum Schutz der Infanterie wurden zunächst mehrere Reihen tiefer Gräben angelegt, die man nur an einzelnen Punkten überqueren konnte. Hätte Belisar weniger Zeit zur Verfügung gehabt, hätte er vermutlich stattdessen die in den militärischen Taktikhandbüchern des 6. Jahrhunderts beschriebenen tragbaren munitiones verwendet. An beiden Flanken wurden Gräben angelegt und die römische Kavallerie aufgestellt; an der linken Flanke verbarg eine Anhöhe einen Teil der Reiterei. Zwar verwendet Prokop die Begriffe kursures und defensores nicht, aber wir können dennoch davon ausgehen, dass die flankierende Kavallerie in schwer und leicht bewaffnete Einheiten aufgeteilt war. Anders, als das Schema im Strategikon des Maurikios es angibt, sah Belisars Plan vor, dass die leichteren Einheiten (die aus irregulären nichtrömischen Verbündeten bestanden) in die Flanken eindringen und von hinten angreifen sollten, falls die schwere Kavallerie durch die Perser zurückgedrängt würde.
Am ersten Tag, als die Perser noch dabei waren, abzuschätzen, mit wie viel Gegenwehr sie rechnen mussten, gab es nur ein paar kleinere Scharmützel, die die Römer für sich entscheiden konnten. Das war gut für die Moral, doch alle Beteiligten wussten, dass die eigentliche Schlacht noch ausstand.
Ein Grund für die Zögerlichkeit des persischen Feldherrn wurde am nächsten Morgen deutlich, als von der zentralen persischen Militärbasis in Nisibis weitere 10 000 Soldaten eintrafen. Doch wirklich gekämpft wurde immer noch nicht; vorerst tauschten Belisar und sein Gegenüber noch Botschaften und gegenseitige Schmähungen aus. Erst am dritten Tag wurde es ernst, und die Armeen kamen zum Einsatz. Um die Moral der Römer zu schwächen, griffen die Perser absichtlich gegen Mittag an – sie wollten verhindern, dass die römische Armee ihre Mahlzeit einnehmen konnte (die Perser aßen üblicherweise erst später). Zu Beginn der Schlacht gingen auf beiden Seiten die Geschütze in Stellung, aber die Römer hatten den Wind im Rücken und waren so trotz Unterzahl sofort im Vorteil. Es folgte eine Nahkampfphase, bei der der rechte Flügel der Perser vorrückte. Die römische Kavallerie schien zurückzuweichen, aber für Belisar lief alles nach Plan. Nachdem die Perser vorgerückt waren, preschte die leichte Kavallerie der Römer hinter der Anhöhe hervor und griff die persischen Fußtruppen von der äußeren Flanke aus an – mit durchschlagendem Erfolg. Prokop spricht von 3000 Toten; die überlebenden, demoralisierten persischen Angreifer flohen zurück zu ihrer Armee.
Währenddessen hatte der persische Befehlshaber auf der gegenüberliegenden Flanke seinen Hauptangriff lanciert, an dem auch sein Elitekorps beteiligt war: die sogenannten »Unsterblichen«. Der persische Vorstoß drängte die römische Verteidigungslinie zunächst zurück, aber Belisar schickte seine Reiter in großer Zahl über die Übergänge des Verteidigungsgrabens und konnte die vorrückenden Perser diesmal von der inneren Flanke aus treffen. Der Effekt war fast der gleiche wie zuvor. Während sich der rechte Flügel der Römer zurückzog und sammelte, startete Belisar bereits seinen Gegenangriff, und die Perser befanden sich im »Kreuzfeuer«. Die Angreifer zogen sich wieder zurück und ließen 5000 Tote auf dem Schlachtfeld liegen. Angesichts dieser schweren Verluste schmiss die persische Armee die Waffen hin und floh. Belisar untersagte seinen Soldaten, ihnen nachzustellen, damit es nicht doch noch zu einer Katastrophe kam. Prokop schreibt: »An diesem Tag waren die Perser, was schon lange nicht mehr vorgekommen war, von den Römern im Kampf besiegt worden.«11
Fast unmittelbar danach kam es zu Kampfhandlungen in Armenien, wo Kavadh im Sommer 530 mit einer zweiten Streitmacht einfiel. Unter Umgehung der römischen Basis Theodosiopolis rückten die Perser bis nach Satala vor, wo die in Armenien stationierte römische Armee unter ihrem neuen Kommandanten Dorotheus bereits auf die Perser wartete, verstärkt durch einige Praesentalis-Truppen unter dessen Vorgänger, dem erst jüngst zum magister militum praesentalis beförderten Sittas. Laut Prokop standen 15 000 römische Soldaten doppelt so vielen Persern gegenüber. Doch Sittas bediente sich einer ähnlichen List wie zuvor Belisar, indem er seine besten Reiter hinter einer Anhöhe verbarg, während die Perser auf die Stadt vorrückten, die Dorotheus und der Rest der römischen Truppen für alle sichtbar verteidigten. Im entscheidenden Moment griff Sittas aus dem Hinterhalt an. Der plötzliche Flankenangriff brachte den Persern nicht nur verheerende Verluste bei, sondern sorgte bei ihnen für ein folgenschweres allgemeines Durcheinander (leider ist Prokops Bericht hier weniger informativ, schließlich war er diesmal nicht selbst dabei). Dorotheus rückte von der Stadt aus mit dem Rest der römischen Armee vor und zwang die Perser nach heftigen Gefechten zum vollständigen Rückzug. In der Folge eroberten die Römer zwei wichtige Festungen, Bolum und das besonders wertvolle Pharangion, wo die Perser große Goldminen besaßen.12
Gott hatte gezeigt, dass er seine schützende Hand über den neuen Kaiser hielt. Nicht nur war es Justinian gelungen, den Gesetzen, die in dreihundert Jahren erlassen worden waren, eine neue Struktur und Ordnung zu verleihen, römische Truppen hatten den zahlenmäßig viel größeren Streitkräften des Erzfeindes des Römischen Reiches zwei schwere Niederlagen beigebracht. Das war mehr als genug göttliche Bestätigung für einen Krieg, und Justinian wollte aus dem Konflikt wieder aussteigen, solange Rom die Nase vorn hatte. Seine Armeen rückten nicht weiter vor, und seine Diplomaten unterbreiteten Kavadh diverse Friedensangebote. Der Kaiser war sogar bereit, dem Großkönig einen entsprechenden Deal mit einer großzügigen Einmalzahlung zu versüßen.
Aber Kavadh hatte seine eigenen politischen Maximen. Nach zwei demütigenden Niederlagen Frieden zu schließen, hätte ihm nicht gerade geholfen, Chosrau die Thronfolge zu sichern. Und so kam es im Frühling des Jahres 531 zu einer weiteren Invasion der Perser auf römischem Territorium, diesmal aber auf eher unkonventionellem Wege.
Mithilfe der Expertise der Lachmiden unter deren langjährigem Anführer Al-Mundhir marschierte eine gemischte, persisch-arabische Streitmacht aus 15 000 Reitersoldaten durch die Provinzen Euphratesia und Syria I und tötete jeden, der ihr begegnete. Belisar ließ die meisten seiner Truppen zurück, um die Städte an der zentralmesopotamischen Front zu schützen, für den Fall, dass das Ganze nur ein Ablenkungsmanöver war, und zog mit einer 3000 Mann starken Kavallerie nach Süden nach Barbalissos, um den Persern den Weg abzuschneiden. Dort traf er auf 5000 seiner eigenen arabischen Verbündeten unter dem Ghassaniden Harith, der unlängst zum Phylarchen (»Stammesführer«) der arabischen Verbündeten Roms befördert worden war, und auf weitere römische Truppen, die der magister officiorum Hermogenes mobilisiert hatte. Insgesamt unterstanden ihm somit 20 000 Mann. Als sie des römischen Vormarschs gewahr wurden, zogen sich die Perser am Euphrat wieder zurück. Belisar folgte ihnen mit etwa einem Tagesmarsch Abstand. Was als Nächstes geschah, ist schwer zu rekonstruieren. Es kam zur einer großen Schlacht nahe Kallinikos, bei der die Römer den Kürzeren zogen, doch wie und warum, ist unklar, denn Prokop tut, was er kann, um Belisar von jeder Schuld freizusprechen. Bevor in seiner Darstellung die Schlacht beginnt, deutet er an, der jüngst beförderte Harith sei ein eher zweifelhafter Charakter, und er betont, dass Belisar gar nicht kämpfen wollte, weil (a) die Perser sich zurückzogen, ohne etwas erreicht zu haben, und (b) gerade die Karwoche war, genauer gesagt Karsamstag, was bedeutete, dass die römische Armee fastete und daher körperlich nicht allzu leistungsfähig war. Trotzdem wollten die Römer unbedingt kämpfen, und bevor es zur Meuterei kam, gab Belisar dem Drängen seiner Truppen schließlich nach.13
Ob bzw. in welchem Ausmaß das alles wirklich stimmt, kann niemand wissen, aber eines ist klar: Die Schlacht endete in einer Katastrophe. Belisar hatte die Araber zu seiner Rechten, seine eigene schwerere Kavallerie in der Mitte und links die Infanterie. Nach gegenseitigem Beschuss schlugen die Perser Hariths Soldaten in die Flucht und griffen Belisars Kavallerie von hinten an. Die Kavallerie kämpfte hart, erlitt aber schwere Verluste – 800 der 3000 Mann, die Belisar mitgebracht hatte, und der Großteil eines weiteren Truppenverbands aus 2000 Isaurern ließen ihr Leben. Am Ende musste sich die Kavallerie der Infanterie anschließen, die bereits den Rückzug eingeleitet hatte und mit dem Rücken zum Fluss stand. Dort kämpften die Römer bis zum Einbruch der Nacht, als endlich Boote vom anderen Ufer des Flusses eintrafen, die sie in Sicherheit brachten. Prokop vermeidet es, die Gesamtzahl der Opfer aufseiten der Römer anzugeben; er merkt lediglich an, dass »die Perser nicht weniger Tote zu beklagen hatten als ihr Feind«, und versucht einmal mehr, das Ausmaß der Niederlage herunterzuspielen.14
Dennoch: Der Ausgang der Schlacht war für Justinians Regime eine einzige Katastrophe. Der Kaiser musste Belisar im Frühsommer entlassen und eine Untersuchungskommission einsetzen, die sich mit der Niederlage befasste. Allein dieser Umstand deutet darauf hin, dass der Kaiser unzufriedene Stimmen bei Hofe zum Schweigen bringen musste; zu den Zweiflern könnte auch Hypatius gehört haben, der schon unter Anastasios und unter Justin Oberbefehlshaber der östlichen Feldarmeen gewesen war. Kavadh hingegen fühlte sich nun erst recht zu Höherem berufen. Seine Überfälle auf Armenien schlugen fehl, aber eine gewaltige persische Armee rückte auf Martyropolis vor und belagerte die Stadt fast den ganzen Sommer über, und gegen Ende des Jahres bezahlten die Perser die sabirischen Hunnen dafür, über den Kaukasus nach Süden zu ziehen und Teile Mesopotamiens zu überfallen – erfolgreich.15
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