Kitabı oku: «Jakob der Letzte», sayfa 5

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„Kann ich dafür?“ sagte er endlich. „Glaubt Ihr, es ist mir ein Vergnügen, zu den Nestern im Gebirg herumzuklettern und Grobheiten einzustecken? Ich habe Kinder daheim, wie Ihr, aber schaut sie einmal an, ob sie so gesund und vollwangig sind, wie die Euren. Wir vom Amt sind dieselben armen Teufel, wie Ihr, oder ärmer! ärmer! Die Boshaften von uns haben wenigstens den Trost, daß sie andere ums Geld bringen können.“

„Höllvermaledeite Zustände das!“ schrie der Waldstuber, und sein Haar sträubte sich auf, und seine Wangen waren erdfahl, „ich hab’ das Geld nicht. Ich muß Mehl kaufen, daß wir was zu essen haben, den Kindern Gewand kaufen, den Arzt bezahlen, das Steueramt soll warten. – Ich laß bitten!“ setzte er kleinlaut bei.

Der Bote schüttelte die Achseln. „Nichts zu machen“, sagte er, „der Kloiber-Franz in Sandeben hat auch so geredet, just so, ist gestern vergantet worden.“

Der Bauer schlug zum Boten gewendet die Hände zusammen und rief: „Seid Ihr denn nicht auch Menschen?“

„Wieso?“ fragte der Steuerbote. „Wir sind Staatsbeamte.“

„Und der Staat?“

„– ist kein Mensch.“

„Der Teufel hol’s!“ schrie der Bauer.

In diesem Augenblicke trat der Waldmeister Ladislaus ein, um zu sehen, worüber denn hier so scharf gestritten würde. Als er die Sache begriff, und er begriff sie bald, sagte er lächelnd zum Waldstuber: „Du mußt heute andächtig zu deinem Schutzengel gebetet haben.“

„Warum das wieder?“ fuhr der Bauer, der sich gehöhnt glaubte, drein.

„Weil er dir einen Retter schickt zu rechter Zeit“, sagte der Waldmeister, und hielt ihm seine Brieftasche hin: „Da drinnen sind deine fünfhundert Gulden.“

Der Bauer trat erschrocken einen Schritt zurück und starrte auf die Ledertasche, die der Waldmeister vor ihn hinhielt. „Nimm’s nur“, sagte er freundlich, „nimm’s, es gehört dein. Der Kampelherr schickt dir’s für dein Haus und Grund.“

„In Gottesnamen!“ sagte der Waldstuber und nahm das Geld.

Da war er fremd im Hause seiner Väter.

DER GULDEISNER FÄLLT

Unten an der Sandach, wenn man gegen Sandeben hinausging, das letzte Haus hieß der Steppenhof. Es war der stattlichsten eines in Altenmoos. Es hatte ein großes Gehöfte, das aber zum Teile leer stand. An der glatten Wand des Hauses, deren Zimmerbäume nicht mit Äxten behauen, sondern mit der Brettersäge geschnitten worden, waren große längliche Fenster mit hellen Glastafeln, blau angestrichenen Balken und Fensterkränzen. Es hatte große Stuben, wovon eine sogar mit Eschenholz ausgetäfelt, braun, und mit roten Falzrändern bemalt war. An der äußeren Seite der Tür stand oben als schlauer Herbergsspruch: „Herr, bleib’ bei uns, denn es will Abend werden!“; an der inneren Seite, gerade über dem Weihbrunngefäß, war zu lesen: „Heute zahlen, borgen morgen“, worunter allerdings ein Gast mit Kreide die Verbesserungen angebracht hatte: „Heute borgen, zahlen morgen.“

Der Steppenhof war nämlich ein Wirtshaus. Er hatte ja ursprünglich, wie jedes andere Haus zu Altenmoos, seine Felder, Wiesen und Waldbestände gehabt, aber weil er gar so nahe am Wege stand und so bequem am Wasser, so war allmählich ein Wirtshaus daraus geworden. Da mußte der Stepper bei den Gästen sitzen, oder in anderen Wirtshäusern zu Sandeben selbst Gast sein, damit die Wirte gelegentlich wieder bei ihm einkehren sollten. Und so ward vor lauter Wirt- und Gastsein der Bauernwirtschaft vergessen. Also gab’s im Steppenhause nun Apfelmost, Branntwein und sogar zwei Gattungen echten Traubenweines, wovon die eine Gattung „der Ordinari“, die andere „der Bessere“ genannt wurde. Jeden Gast, der Wein verlangte, fragte der Wirt: „Einen Besseren?“ und wenn das ja zumeist von den sparsamen Altenmoosern verneint wurde, so hatten diese sich alle Schuld selber beizumessen. Indes hatte selbst der „Ordinari“ keine weiteren Untugenden, als daß er eben ehrlich sauer war.

Auch Eierspeise und Kaffee konnte man haben beim Steppenwirt, und an Sonn- und Feiertagen Hammel-, Hasen- oder gar Schweinsbraten. Einer oder der andere der guten Altenmooser saß immer in der Wirtsstube, trank, rauchte oder „duselte“. Wenn’s zu Hause Verdruß gegeben, war es hier höllisch fein zu sitzen. Und wenn zu Hause alles gut ging, sah mancher nicht ein, warum er sich nicht ein „Seidel gunnen“ solle. War ein vorteilhafter Viehhandel abgeschlossen, so saß sich’s wie angegossen am Ahorntisch, und hatte einer Holz oder Hafer verkauft, so war gewiß die trockengeredete Kehle anfeuchtungsbedürftig. Auch gab es in Altenmoos Quartallumpen; das waren solche, die monatelang brav zu Hause blieben und arbeiteten, wenn sie endlich aber einmal ins Wirtshaus kamen, dann hockten sie tagelang darin fest, schliefen den einen Rausch auf der Ofenbank aus und tranken den anderen am Tische, bis ihr Geld, ihre Sackuhr und manchmal auch ihr Rock vertan war. Dann kehrten sie heim und war ihnen wieder wohl auf ein Vierteljahr.

An den Sonntagen nachmittags waren die drei Tische der Gaststube stets voller Leute. Der Stepper hatte seine weiße Schürze umgebunden, sein grünes Samtkäppchen auf die Kopfglatze gestülpt und sein Gesicht zu einer behaglichen Gemütlichkeit auseinandergezogen – da war der Wirt fertig. War er bei Humor, so brachte er allerlei Sprüchlein und Schalkheiten vor, mit denen er bisweilen andere, öfter aber sich selbst verspottete. So sagte er: „Nachbar! Hautschlechter Mensch! Für dich ist das frisch Wasser viel zu gut, du mußt heute Steppenwirts Wein trinken, damit du deine Sünden abbüßest.“ Oder: „Nein, Brüderl, gesoffen wird nicht, aber trinken, so viel du magst.“ Oder: „Müller, Schneider und Wirte werden nicht gehenkt, sonst ginge das Gewerbe leer aus.“ Oder: „Geh’, gunn dir ein Stündel Rast bei mir, besser nicht arbeiten, als müßig gehen.“

Wenn einer seinen Rock auszog, so eilte der Stepper dienstfertig herbei und sagte: „Laß mich dazu. Das Leutausziehen können wir Wirte am besten.“

„Der Dreisam kommt, ein braver Mann, Christenheit ausgenommen!“ Mit diesen Worten grüßte er an unserem Sonntage den Genannten, der heute langsam, wie unentschlossen in die Stube trottete. „Was magst, Dreisam?“

„Heut’ fragst du mich umsonst, Wirt“, sagte der Eingetretene. „Heut’ soll mir deine Alte ein feistes Pfannkoch machen, und Pfeffer drauf.“ Dann setzte er sich an den Tisch, hob mit der umgekehrten flachen Hand seinen Bart von der Brust weg, weil er unterhalb desselben aus der Brusttasche sein Pfeifenzeug hervorsuchen mußte.

„Pfannkoch und Pfeffer drauf?“ fragte der Wirt.

„Heut’ brauchen wir Durst“, sagte der Dreisam.

„Das ist brav, das ist brav“, schmunzelte der Wirt, „Durst ist der flinkste Kellner.“

„Geht dein Besserer wohl nicht etwan auf die Neige?“

„Ich will die drei größten Altenmooser Stockfische damit ersäufen, was ich noch im Keller hab’“, antwortete der Stepper.

„Alsdann werden wir halt eins trinken“, sagte der Dreisam und schlug Tabaksfeuer.

„Sakerment noch einmal!“ knurrte am anderen Tisch ein Holzknecht, „Durst braucht der heut’! Geld gibt’s jetzt in Altenmoos, als ob die Guldenhäuteln auf den Haselstauden täten wachsen. Sonst ist uns alleweil der Durst zu stark und das Geld zu schwach worden. Heutzutag’ geht’s verkehrt.“

„Eh’ wahr auch“, stimmte der alte Luschelpeterl bei, der an der Ofenbank saß. Auch er war heute ins Wirtshaus gegangen. „Bring’ mir ein Stamperl Branntwein“, hatte er vorhin zum Wirt gesagt, „aber Geld hab’ ich keins.“

„Tut nichts“, darauf der Wirt, „Geld macht nicht glücklich, wenn man keins hat.“

„Die Gimpeln und die Amseln werden nachher bezahlen, du weißt schon.“

„Gut ist’s, sagt der Teufel und dreht dem Pfaffen den Hals um!“ rief geschäftig der Wirt und brachte nach allen Seiten hin das Verlangte.

Für die Stubengäste konnte sich übrigens der Steppenwirt heute wenig Zeit nehmen. Draußen am Bachrande, auf grünem Anger unter der Linde, waren Tische und Bänke aufgeschlagen noch vom Viehmarkt her. Dort war es an diesem Nachmittage verwunderlich überfüllt. Der Bauer, der die ganze Woche im Freien ist, sitzt sonst Sonntags gern in der Stube, auch bei schönstem Wetter, ja vergißt sogar manchmal ein Fenster aufzumachen; die dumpfige, rauchige und von Wein- und Menschendunst durchsetzte Luft mutet ihn sonntägig an. Aber heute war alles draußen. Es war nämlich dort das Unerhörteste zu sehen, was je in Altenmoos sich ereignen konnte. Der Guldeisner verkaufte sein Haus.

Breit an den Lindenbaum hingelehnt saß der Großbauer da und stemmte die Fäuste auf den Tisch. Er hatte eine kohlschwarze Fellhose an, die von den Knien ab mit steifem Leder besetzt war bis nieder zu den beschlagenen Bundschuhen; dann eine schwarze Weste mit einer Reihe großer Silberknöpfe. Und er hatte eine kurze Jacke aus dunkelbraunem Tuche an und einen schwarzen seidenwolligen Hut mit schmaler eingeringelter Krempe auf. An seinen Ohrläppchen blinkten zwei goldene Scheiblein. Um den Bauch trug er einen breiten, mit weißer Seide ausgesteppten Ledergurt, auf dessen Schild unter vielem Zierrat die Buchstaben F. G. standen. Das war der Franz Guldeisner in seiner Großbauerntracht.

Ihm gegenüber saß ein Herr mit blondem, gutmütig lächelndem Gesicht, kurzgeschnittenem Vollbart und Augengläsern. Er hatte ein graues Tuchgewand am Leibe und feine Wäsche, die an Hals und Ärmeln weiß und glatt hervorblinkte. Er war noch nicht alt, tat recht behaglich und gab sich schlicht und zuvorkommend gegen jeden. Dort unter dem Vordache der Stallung stand sein Wagen, an dem alles funkelte und der voran zwei Laternen aufgesteckt hatte. Ein Bauer bemerkte darüber, da wäre es leicht, bis in die Nacht im Wirtshaus sitzen, wenn man nachher in einem Wagen, der zwei Augen habe, heimfahren könne. Da glaube er schon, daß kein rauschiger Herr in den Bach falle.

Die beiden Männer, der Guldeisner und der graue Herr, hatten vor sich auf dem Tisch hohe schmale Flaschen stehen, „herrische Röhrln“, wie der Wirt dartat, aus dem der Herr dem Bauer das Trinkglas füllte, so oft es hohl war.

Die übrigen Bauern hielten sich in gemessener Entfernung, plauderten halblaut unter sich über Feld und Vieh, Wind und Wetter, spitzten aber insgeheim die Ohren den beiden Männern unter der Linde zu. Der Guldeisner und der Kampelherr! – Unter den Bauern war auch der Waldmeister, was der Dreisam durch das Fenster hinein mit Wohlgefallen wahrnahm. Es sollte hernach ja an den Bart gehen. Der Waldmeister hatte eine kleine Gruppe um sich, der er allerhand Unterhaltung vormachte. Er konnte einen Silbertaler durch die Tischplatte stecken, ohne daß ein Loch war. Er konnte durch zwei Zauberworte ein entzweigeschnittenes Schürzenband wieder zusammenfügen, ohne daß eine Spur des Schnittes zurückblieb. Er konnte einen langen Karrenstrick verschlucken und bei den Ärmeln wieder herausspinnen. Mit Spielkarten machte er unzählige Künste, und allemal bedurfte er nur ein paar Beschwörungsformeln in der Kirchensprache (im Lateinischen), um die Zaubereien zu vollführen. Einige Zuschauer waren von diesen Dingen vollends gefangen genommen; mit schallender Verwunderung oder nachdenklichem Kopfschütteln begleiteten sie die unheimlichen Taten des Waldmeisters. Anderen jedoch waren und blieben die Vorgänge am Lindentisch wichtiger, als der „Leutzumbestenhaber“. Aus der Stube waren sie hervorgekommen, und sie rückten sachte um die beiden Männer zusammen.

Der Guldeisner hatte seinen schwarzen struppigen Kopf noch tiefer als sonst zwischen seine Schultern eingezogen. Der Hut lag neben ihm auf der Bank. Manchmal fuhr er sich mit der Hand rasch ins Haar, zauste an ihm, ergriff dann ebenso hastig das Trinkglas und goß dessen Inhalt in die Gurgel.

„Teufel!“ brummte er jetzt, „es steigt mir der Graus auf!“ Es war ihm verdächtig geworden, daß der Kampelherr für sein Gut eine so hohe Summe geboten hatte. Er schloß daraus, daß es noch weit mehr wert sein müsse und daß ihn der Herr überlisten wolle.

„Ich habe niemals“, sagte der Kampelherr überaus gelassen, „auch draußen im Flachlande nicht, das Joch durchschnittlich teurer als mit sechzig Gulden bezahlt. Aber ich habe es bezahlt mit dreißig Gulden und habe es bezahlt mit fünfundzwanzig. Ihr Nachbar, der Knatschel, hat zweiundzwanzig Gulden bekommen und steht noch im Vorteil. Das Joch zu fünfundzwanzig trägt mir als Waldboden kaum anderthalb Prozent, kaum! Auf den Guldeisnergrund dreißigtausend Gulden zu dreiviertel Prozent anzulegen ist eine Torheit. Nur der Jagd wegen, offen gesagt, hätt’s mir dafür gestanden. Mit Feldbau und Viehzucht haben Sie drei Prozent; so gut wie der Bauer verwertet den Boden keiner. Behalten Sie Ihren Hof, Guldeisner, ich rate Ihnen gut, behalten Sie ihn! – Gefällig?“

Das Zigarrentäschchen hielt er dem Bauer hin, er selbst hatte sich während der Auseinandersetzungen eine frische in den Mund gesteckt.

Die Umsitzenden hatten mit gemischten Empfindungen und Gebärden zugehört. Einerseits waren sie überrascht von den hohen Preisen, die sie hier nennen hörten, dann wurmte es sie, daß der Fremde ihre Grundstücke doch so wegwerfend abtat; anderseits hofften sie, daß deswegen der Handel nicht zustande kommen würde.

„Herr!“ sagte nun der Guldeisner hastig, „da mögen Sie weit umgehen, einen Hof, wo alles so beisammensteht, das Vieh, die Fahrnisse doppelt und dreifach, die Gebäude in gutem Zustand, so was finden Sie nicht mehr.“ Fast im Flüstertone sagte er es, denn er war nicht gewohnt, sein Besitztum mit Worten zu loben, er wußte zu gut, es lobte sich selbst.

„Die Gebäude“, antwortete der Kampelherr, „schätze ich nach dem Holzwert. Ich würde sie zu Kohlen verbrennen lassen.“

Das wollte dem Guldeisner schier ans Herz zucken. Seinen stattlichen Guldeisnerhof zu Kohlen brennen! – Allein das Herrenschlössel draußen in Krebsau, das er sich bereits beschaut hatte, ist noch vornehmer, als das alte Bauernhaus da oben, es ist aus Backsteinen gebaut und mit Schiefern gedeckt, das kann nicht zu Kohlen gebrannt werden. Holz ist Holz, und Geld ist Geld. Jeder ein Narr, der sich’s besser machen kann und tut’s nicht …

„Herr Kampelherr“, sagte der Großbauer und seine Stimme bog sich weicher, als es ihm selber lieb war, „das einunddreißigste Tausend machen Sie voll! Werden nachher mit der Wirtschaft um so mehr Glück haben.“

„Dreißigtausendsiebenhundert Gulden und keinen Kreuzer mehr“, sagte der Kampelherr gleichmütig.

„Wenigstens“, flüsterte der Guldeisner und legte sich mit dem Oberkörper über den Tisch hin, „wenigstens einen guten Leihkauf dazu!“

„Pfui Teufel!“ brummte einer am Nebentische, „der Großbauer bettelt!“

„Leihkauf?“ fragte der Kampelherr, „für wen denn? Der Guldeisner hat ja, so viel ich weiß, keine Frau.“

„Das nicht, Frau nicht. Ist eh’ so“, stotterte der Bauer und trank.

„Ich bitte Sie, Stepper!“ rief der Kampelherr dem vorübergehenden Wirt zu, „sagen Sie meinem Kutscher, daß er einspannen soll.“

„Geschwind wie der Wind“, entgegnete der dienstfertige Mann und eilte davon.

Der Guldeisner hatte sehr rote Wangen bekommen, seine Nasennüstern zuckten stark, seine Augen rollten lebhaft hin und her, und mit den Fingernägeln trommelte er auf dem Tische. Plötzlich riß er sein rotes Taschentuch aus dem Sack und rieb sich damit von der Stirne die Schweißtropfen. Hoch vom Bergesrücken herab winkten ihm die alten Tannen und Lärchen seines Waldes. Hinter jungem Anwuchs ragten die Kronen auf, von den Schirmbäumen seines Hauses. Einen Augenblick war ihm, als ob eine Stimme durch die Luft weine: Franz! Franz, bleib’ uns getreu! – Die Stimme der Vorfahren, die im Grabe schliefen. – Der Kampelherr zog die Geldtasche hervor, um dem Wirte die Zeche zu bezahlen, und als der Guldeisner die großen Banknoten sah, die ganz unordentlich in das Lederfach hineingepfercht waren, da verlor er die Besinnung. „Gottswill, Kampelherr, der Guldeisnerhof gehört dein!“ rief er und schlug in die Hand.

Mehrere der Umsitzenden sprangen von ihren Bänken auf.

„Schade um die braven Eltern, die du gehabt hast!“ sagte einer halblaut. Das hörte der Guldeisner; sonst hätte er derlei Anzüglichkeiten mit stiller Verachtung bestraft, jetzt fühlte er die Notwendigkeit, sich zu verteidigen.

„Meine Eltern!“ schmetterte er scharf auffahrend, „was habt ihr mit ihnen?“ Dann sagte er gemütlicher: „Unsere Vorfahren – euere wie meine – sind selbst nicht in Altenmoos geblieben. Keiner! Kein einziger.“

„Freilich sind sie nicht in Altenmoos geblieben“, lachte der jetzt herbeigekommene Dreisam, „weil man sie hat hinausgetragen auf den Sandebener Kirchhof.“

„Schon gut. Ganz gut“, sagte der Guldeisner, aber jetzt war er heiser, „die mögen nicht einmal begraben liegen in Altenmoos. Und unsereiner sollt’ da lebendig versauern? Ein Narr müßt’ einer sein!“

Der Kampelherr brach eine frische Flasche an. Der Guldeisner hieb mit der Faust auf den Tisch, daß die Bretter surrten. „Aus ist’s und gar ist’s!“ rief er. „Jetzt haben wir Feierabend. Jetzt ist’s lustig, jetzt hebt der Festtag an!“

Der Kampelherr zählte ihm gleichgültig, als wären es Spielkartenblätter, die Banknoten vor. Dabei wollte sich der Wind einmischen, dieser war der Meinung, so viel Geld sollte nicht einem einzigen Menschen zufallen, und er suchte die Tausender ein wenig unter der Gesellschaft zu zerstreuen. Aber der Kampelherr beschwerte das gezählte Banknotenbüschel mit seinem Taschenmesser, daß er dem Bauern nun auch die Hunderter vorziffern konnte. Der Guldeisner nahm die Zigarre aus dem Mund, klemmte sie aber sofort wieder zwischen die Zähne; die Leute sollen sehen, daß ein Guldeisner wegen des Indensacksteckens von dreißigtausend Gulden das Tabaksfeuer nicht ausgehen läßt. Er bog den Papierbuschen mit scheinbarer Gleichgültigkeit zusammen und schob ihn in seine Brusttasche.

Da hieb ihm auf einmal der Altknecht des Reuthofers, der Luschelpeterl, die Hand auf die Achsel: „Franzel, namla wohl wahr, heut’ zahlst eins!“

„Seit wann?“ fragte der Guldeisner und wendete sich um, „seit wann sind denn wir zwei so gute Kameraden miteinand’?“

„Gute Kameradschaft ist alleweil schön. Gewiß auch“, versetzte der Knecht, „wenn ich auch frei ein bissel älter bin als du, und ein Bauernknecht, desweg bin ich nicht hochmütig und verachte niemand. Bist auch einmal wer gewesen, Franzl. Wohl wahr ist’s!“

Der Mann wußte nicht, wie ihm geschah. War er denn der Guldeisner nicht mehr, vor dem alle Altenmooser Leute Ehrerbietung oder Furcht hatten? – Er war es nicht mehr. Der Boden, auf dem er so fest und stolz gestanden, war plötzlich weggezogen unter seinen Füßen, er zappelte in der Luft. Aber er wollte zeigen, wo jetzt seine Stärke lag, nicht mehr auf dem Erdboden, sondern in der Tasche. Das Geld riß er heraus und schrie: „Steppenwirt! Das große Faß vom Besten zapf an! Die Altenmooser Leut’ sollen trinken! Trinken, so viel sie mögen! Ich zahl’ alles!“

Beugte sich nun der Sepp in der Grub vor von seinem Sitz und sagte: „Wir Altenmooser Bauern können freilich trinken, so viel wir mögen, das wissen wir. Und daß wir unsere Sach’ auch selber zahlen können, das sollst du wissen.“ Er stand auf und ging in die Stube hinein. Mehrere machten es ihm nach, darunter der Dreisam und der Luschelpeterl.

Der Dreisam sagte: „Wir brauchen den abgehausten Guldeisner nicht dazu. Das größte Faß vom Besten wird sowieso angezapft. Der Herr Waldmeister soll hereinkommen, wir wollen jetzt ein anderes Zauberstückel miteinander probieren.“

Der Waldmeister ließ nicht auf sich warten, und jetzt ging in der Stube die Geschichte mit dem Bart an.

„Wer hat den stärksten Bart?“ fragte der Wirt seine Gäste.

„Der Dreisam!“ riefen sie.

„Glaub’ nicht“, sagte der Wirt und zog einen Schlüssel aus dem Sack, „der da, denn er sperrt mit dem Bart das Kellerschloß auf.“

„Ernsterweise!“ rief der Waldmeister schnarrend und zeigte auf den Dreisam. „Der Kerl sagt, sein Bart wäre länger gewachsen, als ich an einem Tag laufen könnte. Er soll den Ausspruch wiederholen!“

„Mein Bart ist länger gewachsen, als der Herr an einem Tag laufen kann“, sagte der Dreisam und zog seinen Bart mit den Händen auseinander, daß man dessen ganze Länge und Üppigkeit sehen konnte. Hinter dem Ofen schlug eine Amsel.

„Altes Lügenmaul!“ begehrte der Waldmeister auf. „Der Rauber in Grätz hat den längsten Bart gehabt, und hat ihm der nicht weiter, als bis an die Zehen gelangt! Der Friedrich Barbarossa, liest man, hat einen übernatürlichen Bart und ist doch nicht länger, als dreimal um den steinernen Tisch gewachsen. Und so ein lumpiger Bauernfant will sich prahlen mit seinem Fuchsschweif am Kinn.“

„Schrei wie du willst“, sagte der Dreisam, „mein Bart ist halt doch länger gewachsen, als du laufen kannst in einem Tag. – Sagt einmal, Männer, wie lang trag’ ich schon den Bart?“

„Dreißig Jahr und länger“, riefen sie.

„Wie voll? Wenn man die Haar’ zählen will?“

„Die Haar’? Gewiß über zweitausend.“

„Wie lang?“

„Eine halbe Elle im Durchschnitt das Haar“, stimmten sie.

„Gut“, sagte der Dreisam und schmunzelte, „zweimal im Jahr abschneiden, macht zweitausend Ellen Haar, in dreißig Jahren sechzigtausend Ellen. Kann der Herr an einem Tage sechzigtausend Ellen weit laufen?“

Hinter dem Ofen zwitscherte ein Gimpel.

Jetzt brach das Gelächter los.

„Ja“, rief der Waldmeister, „wenn Ihr die Haare hintereinanderlegt! Ah, da glaube ich’s!“ Er lachte auch, aber sein Lachen war säuerlich. Übertölpelt! Bauernwitz! Es ließe sich – dachte er – schon was entgegnen, aber die Lümmel sind zu schlagfertig.

„Dreißig Maß, hat der Herr Waldmeister gesagt?“ fragte der Dreisam mit einer ganz niederträchtigen Geschmeidigkeit.

„Sauf dich zu tot!“ knirschte der Oberförster und verlor sich in der Menge. Der Gimpel hinter dem Ofen zwitscherte so lange, bis man dem Luschelpeterl sein Recht antat – einen guten Trunk, in welchem die Vogelstimmen denn auch bald erstickten.

Auf der Ofenbank neben dem Vogelpfeifer saß auch der Bauer Wegerer. Er hatte den Verlauf der Wette mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, nun schüttelte er den Kopf und sagte: „Schau, schau! Hätt’ mir’s nit gedacht, daß es so ausgeht. Ist ihm rein aufgesetzt, dem Herrn Waldmeister, daß er den Wein muß zahlen.“

Bei dem Wegerer war nämlich alles „aufgesetzt“, das heißt angeboren, vorausbestimmt. Man soll sich bei dieser Anschauung nicht schlecht stehen: Man läßt alle viere gerad’ sein, oder auch krumm, läßt den Herrgott einen guten Mann sein, oder auch einen schlimmen, und hat, was auch geschehen mag, keine Pflicht und keine Schuld. Jeder Hagelschlag aufgesetzt. Jede Faulheit aufgesetzt. Als man einige Zeit vor diesem Tage dem Wegerer den feisten Widder aus der Halde gestohlen hatte, verzichtete er auf die Verfolgung des Diebes. „Dem Widder ist’s halt schon so aufgesetzt gewesen, daß er gestohlen werden muß.“

Und als vorhin die Verhandlung gewesen war zwischen dem Kampelherrn und dem Guldeisner, hatte der Wegerer zwischen der Leut’ Köpfe hingelugt und gemurmelt: „Wird er? Wird er nit?“ Und als der Guldeisner gefallen war, klatschte der Wegerer erregt in die Hände und rief: „Gedacht hab’ ich mir’s! Ist ihm schon so aufgesetzt gewesen, daß er sein Haus muß vertun!“

Dem Guldeisner war nicht behaglich. Er saß immer noch am Lindentisch, wollte sich nun aber zum Heimgang rüsten. Heimgang? Er stand auf und ging. An der Brücke blieb er stehen und tat, als ob er in den Fluß hinabschaue, was die Forellen machten. Heimgang? – Einen Holzknecht, der des Weges kam, rief er an, ob sie zwei nicht miteinander gehen wollten?

„Wahr ist’s“, sagte der Holzknecht, „haben eh’ einen Weg selbander.“ Er war geschmeichelt, daß ihn der Großbauer heute so freundlich angesprochen. Dem Großbauer aber war bange um sein Geld und darum wollte er den einsamen Weg nicht allein machen. Was war denn vorgegangen, daß er jetzt auf einmal die Furcht wahrnahm? Er war bisher alle diese Wege gegangen bei Tag und bei Nacht, daß ihn jemand anpacken und berauben könne, war ihm nie eingefallen. Den Guldeisnerhof und das weite Gelände konnte ihm keiner wegnehmen, forttragen. Und jetzt war jeder Wicht imstande, den Griff nach seinem Vermögen zu tun und ihn zum Bettler zu machen. So schwach war er geworden.

Die Unterhaltung unterwegs war einsilbig, und der Holzknecht dachte: Für deine Langweiligkeit hättest du dir just keinen Wegkameraden aufzugabeln gebraucht, die hättest du für dich allein heimtragen können. Bei dem Hofe angekommen, verabschiedete sich der Guldeisner von dem Begleiter kurz und herrisch; es wurmte ihn, daß er seiner bedurft hatte. Herrische, selbstmächtige Leute haben vor jedem Abneigung, von dem sie einmal eine Wohltat nehmen mußten; sie fühlen sich am behaglichsten bei Leuten, die sie je nach Belieben aufrichten oder niederdrücken können.

Im Guldeisnerhofe versammelte der Bauer noch an demselben Abend sein Gesinde. Er teilte den Knechten und Mägden mit, daß er den Hof verkauft habe, daß sie im Spätherbst nach eingeheimster Ernte ihren Jahrlohn erhalten würden und dann ihres Weges gehen könnten.

Die Leute schauten einander verblüfft an. Wenn der Winter kommt, sind sie obdachlos.

Müßten sich halt umsehen, war sein Rat, der Kampelherr brauche vielleicht Holzleute. Oder draußen in den Fabriken. Oder in den Lettenbacher Kohlenbergwerken. Wer arbeiten wolle, der finde überall Erwerb.

„In den Kohlenbergwerken“, sagte ihm einer der Knechte halbsingenden Tones nach. „Na, wenn der Bauernknecht über der Erden keinen Platz mehr hat, muß er halt unter die Erden hinab.“

„Schäm’ dich, Bauer!“ Dieses Wort schleuderte der zweite Knecht dem Guldeisner ins Gesicht. Dieser bäumte sich auf und warf dem Frechen einen finsterstolzen, drohenden Blick zu, einen Blick, der sonst die Keckheit und Widerhaarigkeit des Gesindes, wenn sie sich doch einmal herfürtat, sofort in den Grund zu bohren pflegte. Heute lachten sie ihm ins Gesicht. Die Knechte hatten besser lachen, als die Mägde.

Ärgerlich zog der Bauer sich in sein Zimmer zurück. Aber als er hinter sich die Tür zuschlagen wollte, klemmte sich ein Ellbogen dazwischen. Die Küchenmagd folgte ihm in die Stube und fragte, ob sie auch unter die Holzschläger oder Bergknappen gehen müsse?

„He, he“, lachte er überlaut, „ist eh’ in Altenmoos auch noch schön.“

„Was soll denn geschehen mit mir?“ fragte sie mit einer Stimme, die vor innerer Erregung heiser und tonlos war.

„Sepherl!“ entgegnete der Bauer geschmeidig und drückte ihr die Hand. „Laß heute die Küchentür offen, ehevor du schlafen tust, wir wollen noch reden davon.“

Spät abends, während die beiden in der Küche davon redeten, lehnte im Stalle am Futterbarren die Kuhdirn und schluchzte: „Dieser Guldeisnerhof ist mein Verderben.“

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23 aralık 2023
Hacim:
392 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9783990404843
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