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Die mysteriöse, unsichtbare Mauer – wie ich Autismus als Kind fühlte

Als Kind und Jugendlicher habe ich, ohne über das Phänomen Autismus Bescheid zu wissen, mein Sein unter Menschen so gefühlt, wie ich es in meinem ersten Buch Ein Kaktus zum Valentinstag beschrieben habe: »Es ist alles wie Glas, das man durchschauen kann, das zwischen dem Innen und dem Außen liegt. Unsichtbar. Ich erinnere mich an einen Vogel, der am Fenster sterben musste. Der wollte da einfach nur langfliegen, aber plötzlich gefror die Luft. Beständig fliege ich gegen etwas, das unsichtbar da ist. Ich begreife es nicht, genauso wenig wie dieser Vogel.«

Als ich im Alter von 41 Jahren, ohne danach zu suchen, herausfand, dass ich ein Autist sein soll und beim diesbezüglichen Aufarbeiten meines Lebens in der Literatur Bilder entdeckte, die Autismus durch ein Kind unter einer Glasglocke illustrierten, fühlte ich mich in meinem Gefühl voll bestätigt. Voller Wiedererkennungswert. Ja, das Modell zeigt einen Aspekt dessen auf, was Autismus ausmacht. Ein Merkmal von Autismus ist ja, dass er wie das trennende Glas als unsichtbar gilt. Die Unsichtbarkeit besteht in der Undeutbarkeit von Auffälligkeiten und Abweichungen.

Und bei genauerem, reflektierendem Denken wurde mir auch klar, warum das Glas ein sogar noch weitreichenderes Modell für Autismus ist: Man kann alles da draußen durch das Glas von innen heraus sehen, aber von außen nach innen ist es schon schwieriger zu erkennen, was hinter der Glasscheibe ist. Man bleibt im Innen für die Außenstehenden so gut verborgen wie Menschen hinter einer Fensterscheibe, die im Winter das warme Drinnen vom kalten Draußen trennt.

Und noch etwas illustriert dieses Modell: Ich bleibe im Innen für die im Draußen erst recht gefühlsmäßig unverstanden. Im Innen kann ich nicht das Wetter da draußen spüren. Nicht die Hitze oder Kälte, nicht die Nässe oder Trockenheit, nicht den Wind oder den Duft der Blumen und Blüten. Ich lebe sozusagen abgeschottet vom Außen im eigenen Raumklima. Und das hat bizarre Konsequenzen für Sozialverhalten und Kommunikation.

Denn die Menschen da draußen geben mir beständig Tipps, wie ich mich anziehen soll, damit ich in der Kälte überleben kann. Ich brauche innen aber keine Winterjacke. Und erst recht keinen juckenden und kratzenden Schal oder gar einen halswürgenden Wollkragenpullover. Stattdessen empfehle ich denen da draußen, endlich in T-Shirt und Shorts rumzulaufen. Das ist doch viel angenehmer! Und die da draußen meinen, ich spinne ja wohl!

Das Modell veranschaulicht ein grundlegendes autistisches Problem: Jeder kennt die Gefühlswelt, hier dargestellt durch die Umgebungsbedingungen, des anderen nicht. Weil sie durch eine mysteriöse, unsichtbare, undeutbare Mauer getrennt sind und dadurch andere Dinge fühlen. Genau deshalb passt das Glasmauermodell so gut zum Autismusthema. Es zeigt auf, welcher Verlust an Informationen vorliegt und was das für Konsequenzen hat. Für beide Seiten. Dass man sich nur rational, aber nicht intuitiv ineinander hineinversetzen kann. Und weil die da draußen in der Mehrheit sind, heißt es, Autisten hätten keine Empathie. Was in Bezug auf die da draußen stimmt. Aber umgekehrt gilt dies auch! Was schnell übersehen wird! Die da draußen haben allesamt auch keine Empathie für die im Innen, die Autisten. Jedenfalls nicht intuitiv. So hält sich übrigens das weit verbreitete Vorurteil, dass Autisten überhaupt keine Gefühle hätten. Was falsch ist. Autisten haben alle Gefühle, die es gibt!

Inseln und Kontinente – ein Autismus-Modell

Autisten sind wie Inseln, wenn Gesellschaften die zusammenhängenden Kontinente darstellen. Ihre einzige Gemeinsamkeit ist ihre Eigenschaft als Insel. Dieses Modell dient dem Zweck, die grundsätzliche Problematik autistischer Menschen im gesellschaftlichen Kontext zu beschreiben. Auf zusammenhängenden Landmassen, Kontinenten und Inseln herrscht gegenseitige Empathie. Dabei verstehen einander auf der Beziehungsebene alle Menschen, die auf derselben Landmasse leben, also deren Wohnorte auf dem Landweg verbunden sind. Und das völlig unabhängig von der gelebten Kultur und der gesprochenen Sprache. Zwischen Menschen ist in diesem Modell wechselseitige Empathie möglich. Dabei leben die meisten Menschen auf den kontinentalen Landmassen. Diese bestimmen mit ihrer Mehrheit die weltweit gültigen gesellschaftlichen Regeln. Es gibt eine wechselseitige Empathie zwischen zwei Orten in ganz Afreurasien, jener Landmasse, die aus Afrika, Europa und Asien besteht. Man kann von Berlin nach Shanghai über Land fahren, jedoch nicht nach Mallorca.

Eine wechselseitige Empathie ist jedoch nicht mehr möglich, sobald sich Wasser zwischen zwei Orten befindet! Das eine Insel vom Kontinent trennende Wasser unterbricht in diesem Modell die intuitive Kommunikation auf der Beziehungsebene. Um die nonverbale Kommunikation von einer Insel zum Festland oder einer anderen Insel zu ermöglichen, muss das Wasser überbrückt werden. Das geht zum Beispiel mit einem Schiff oder einem Flugzeug. Auf jeden Fall ist damit erheblicher Aufwand notwendig, um die Verbindung herzustellen.

Für festlandsnahe Inseln geht es vielleicht sogar noch sportlich schwimmend oder es reicht eine lange Brücke. Diese Hilfen entsprechen in diesem Modell dann dem Training oder einer Therapie, wenn es darum geht, Autisten Teil der globalen Gesellschaft sein zu lassen. Die Verbindung ist von beiden Seiten zu wollen und zu bauen.

Das Insel-Modell für Autismus illustriert ganz nebenbei, dass auch zwischen den Inseln die Kommunikation auf der Beziehungsebene blockiert wird. Wahre Empathie unter Inselbewohnern funktioniert also nur unter Einwohnern gleicher Inseln.

Da die Menschen auf den Kontinenten in der Überzahl sind und diejenigen, die auf Inseln leben, deutlich in Unterzahl sind, behaupten sozusagen die Kontinentalen, dass die Insulaner keine Empathie hätten. Umgekehrt meinen die Insulaner, dass die Kontinentalen keine Empathie für sie hätten. Es besteht intuitiv keine gegenseitige Empathie. Allen Inseln ist bei aller Verschiedenheit genau eine Sache gemeinsam. Sie sind ein Stück Land, das vollständig von Wasser umgeben ist. Genau das definiert sie als Inseln. Denn es gibt auch Halbinseln, die aussehen wie Inseln, aber keine sind, weil das entscheidende Kriterium fehlt.

Nun gibt es große, kleine, bergige und flache, kalte und heiße, trockene und feuchte, festlandsnahe und festlandsferne Inseln, die die verschiedenen Ausprägungen von Autismus darstellen sollen. Es gibt Gegenden, da ist unmittelbar klar, dass man sich auf einer Insel befindet, sei es durch die Größe, die Form oder die Perspektive. Und es gibt Gegenden, da ist es nicht gleich offensichtlich. Zum Beispiel wenn man in der Caldera einer Vulkaninsel steht. Da sieht man nur den gewaltigen, mondartigen Vulkan vor sich. Erst wenn man auf seinem Kraterrand steht, sieht man, dass man auf einer idealtypischen Insel steht.

Indem ich Ihnen nun mit Beispielen und Erfahrungen aus dem eigenen Leben meine Insel vorstelle, hilft Ihnen dieses Buch, die Eigenschaften einer Insel zu verstehen, um mit ihr zu kommunizieren. Dazu sind die hinter meinen konkreten Ausprägungen stehenden, alle Autisten verbindenden Muster auf die eigene Situation zu übertragen.

Als kleiner Junge bezeichnete ich mich selbst als »Tomai«, gründete mit vier Jahren meinen eigenen Staat, Ausdruck einer eigenen Identität, ein Rückzugsgebiet, in dem ich weitestgehend nach meinen Regeln leben und mich entfalten konnte. Ich galt als einzigartig und eigenartig. Mein Verhalten, das mich auszeichnete und von vielen Menschen beobachtet, bedauert und zugleich bewundert wurde, hatte keinen Namen außer den eigenen.

Ich hatte und habe das »Tomai-Syndrom«, nach 41 Jahren des Daseins auf der Erde, als Autismus verstanden. Mein Leben ist dabei natürlich eine konkrete Ausprägung allgemeiner Muster autistischen Verhaltens, die auf allen (autistischen) Inseln zu finden sind.

Das Muster, das Autismus charakterisiert

So verschieden autistische Menschen in der Ausprägung ihrer Persönlichkeit auch sind, es gibt allgemein verbindende Muster in Wahrnehmung und Verhalten, die bei allen Autisten in der einen oder anderen Form individuell ausgeprägt vorhanden sind.

Den Film »Rain Man« kennt eigentlich jeder. Statt diesen Film als zu klischeelastig zu verdammen, lässt sich an ihm wunderbar das autistische Spektrum erklären, indem man auf das hinweist, was Autisten verbindet und nicht auf das, was Autisten trennt.

Wenn ich irgendwo aufgetreten bin, bekam ich nicht selten sich auf den ersten Blick widersprechende Feedbacks wie »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich in bestimmten Situationen genauso wie Rain Man verhalten« und »Ich habe mir einen Autisten immer wie Rain Man vorgestellt, aber so sind Sie ja gar nicht«. Die einen sahen also einen Rain Man in mir und andere dagegen gar nicht. Das liegt an der subjektiven Voreinstellung, der selektiven Wahrnehmung.

Diejenigen, die in mir den Rain Man sahen, stellten auf gewisse Muster ab, die alle Autisten zeigen. Diejenigen, die in mir keinen Rain Man sahen, stellten dagegen auf die konkrete Ausprägung der gesamten Person ab. Beides ist nicht zielführend.

Es gibt Eigenschaften an mir und Rain Man, die nichts mit Autismus zu tun haben. Unreflektiert bedeutet dies, dass die große Gefahr besteht, Verhaltensweisen einem Autismus zuzuschreiben, die damit letztendlich nichts zu tun haben. Bei Rain Man sind es die Savant-Fähigkeiten, dass er Streichhölzer zählen kann, bei mir sind es andere Merkfähigkeiten wie ein eidetisches Gedächtnis oder die Hochbegabung. Beides kommt auch völlig ohne Autismus vor. Sowohl an Rain Man als auch an mir sind die uns beide verbindenden, klinisch leitenden Merkmale von Autismus zu finden, wobei die Ausprägung dieser Merkmale fundamental verschieden ist.

Das Muster des wörtlichen Verstehens zeigt sich individuell verschieden wie folgt:

Rain Man bleibt mitten auf der Straße stehen, als die Fußgängerampel auf »Nicht gehen« umspringt. Ich biss meine Mitschüler, weil ich mich mehr durchbeißen müsse. Oder ich suchte die rostigen Ketten im Schnee, mit denen die Bürgersteige eines entlegenen Ortes hochgeklappt werden. Das Muster repetitiver Verhaltensweisen kann sich so zeigen:

Rain Man kann seine Unterhosen nur in Cincinnati kaufen. Ich musste auf meiner ersten USA-Reise mit meiner Frau unbedingt im K-Mart einkaufen und fahre, um einen solchen zu finden, zwei Stunden aus Los Angeles heraus bis Bakersfield, weil auf der geplanten Strecke erst hier einer in mein Blickfeld rückte und ich nur diese Kette als Lebensmittel- und Gemischtwarenladen kannte.

Die Fachwelt sieht heute wie bereits zum Zeitpunkt meiner Diagnose 2007 eine sogenannte »Trias«. Drei wesentliche Säulen. Das Basis-ABC-Muster, das autistisches Verhalten und Wahrnehmen charakterisiert. So wie man auch genau drei Punkte braucht, um ein Objekt auf der Erdoberfläche sicher stehend zu verankern.

Kommunikation ohne Beziehungsebene (Säule A)

Es gibt eine kommunikative Andersartigkeit und damit verbundene Probleme im zwischenmenschlichen Bereich, weil Autisten die nonverbale Kommunikation nicht intuitiv verstehen. Dies lässt sich mit dem Nichtwahrnehmen der Beziehungsebene in einer Kommunikation erklären. Sie kann weder gesendet noch empfangen werden. Autisten können überdies die eigenen Gefühle nicht zuverlässig senden und erst recht nicht die Gefühle anderer aus dem, was Sprache und Kommunikation über die bloßen Worte hinaus sonst noch so transportiert, erkennen. Die Mimik im Gesicht anderer kann nicht gedeutet werden. Und die Mimik im Gesicht des Autisten kann nicht intuitiv mit dem Schema anderer Menschen dechiffriert werden.

Sozialverhalten ohne gegenseitige Empathie (Säule B)

Darüber hinaus gibt es charakteristische Probleme im Sozialverhalten, das abweichend sein kann. Dies liegt daran, dass die Empathie zum Gefühlsleben der meisten Menschen fehlt, wobei die Sache mit der Empathie allerdings in beide Richtungen gilt. Autisten fehlt sie in Bezug auf die sie umgebenden Menschen und den anderen Menschen fehlt sie in Bezug auf den Autisten. Es mangelt gegenseitig an Empathie. Beide Seiten können sich emotional intuitiv nicht in die jeweils andere Seite hineinversetzen. Ein Autist fühlt nur bezogen auf sich selbst. Um mit jemandem mitfühlen zu können, muss er die emotionale Situation, um die es geht, bereits selber einmal durchlebt haben. Außerdem interessieren sich Autisten grundsätzlich nicht für die Alltagsbelange anderer Menschen.

Rigiditäten und Stereotypien (Säule C)

Und last but not least gibt es im Alltag jede Menge haltgebende Rituale und Rigiditäten, die von anderen Menschen nicht gestört werden dürfen, weil sonst je nach charakterlicher Veranlagung totaler Rückzug oder Panik droht. Diese Eigenschaft macht den Betroffenen bereits im Wortsinne zum Autisten. Weil er dadurch zum einen isoliert ist und zum anderen es immer »nach seiner Nase« gehen muss, damit er sich wohlfühlen kann. Auch stereotype und idiosynkratische Beschäftigungen, die unbedingt von einem intensiv betriebenen Hobby zu unterscheiden sind, gehören zu dieser Kategorie, zum Beispiel das Auswendiglernen und Aufmalen von U-Bahn-Netzplänen.

Alle diese drei ABC-Eigenschaften können in unterschiedlichster individueller Ausprägung daherkommen, das macht das »autistische Spektrum« aus. Aber allen Autisten gleich ist das übergeordnete Muster. Autismus im klinisch-relevanten Sinne liegt bei Auftreten dieser drei Merkmale aber nur dann vor, wenn dieses Verhalten ab frühester Kindheit charakteristisch ist. Denn die dem Autismus zugeschriebene Wahrnehmung muss angeboren und nicht durch Umwelt- oder Erziehungseinflüsse im Laufe des Lebens geprägt worden sein. Außerdem muss sich die durch diese Trias beschriebene autistische Symptomatik grundsätzlich persistent zeigen. Das bedeutet, sie tritt lebenslänglich auf und zeigt sich unabhängig von der gegebenen Situation oder den Reizen, denen der Betroffene gerade ausgesetzt ist.

Alle drei Eigenschaften führen dazu, dass zum einen soziale Erwartungshaltungen anderer unerfüllt bleiben und zum anderen Betroffene aus Sicht anderer zuerst »nur an sich denken«. Das führt zu der Fremdwahrnehmung, dass ein »Autist« ein »Selbstist« im griechischen Wortsinn ist. Autisten sind somit in gewisser Weise per definitionem egozentrisch, allerdings im gutartigen Sinne, weil sie die Sicht anderer nicht intuitiv verstehen. Sie sind aber, darauf sei an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen, per se NICHT egoistisch im bösartigen Sinne, womit das bewusste Übervorteilen anderer gemeint ist. Autisten leben grundsätzlich nicht bewusst auf Kosten anderer, indem sie diese betrügen oder übervorteilen.

Ein Autist kreist aufgrund seiner Wahrnehmung aus Sicht anderer um sich selbst, in sozialen Situationen wirkt er unbeholfen, dabei scheint er keine Rücksicht auf die Gefühle anderer zu nehmen (wie denn auch, wenn er sie nicht sehen, geschweige denn sich in sie hineinversetzen kann) und last but not least, ist das Leben für ihn und andere, die mit ihm leben (müssen), nur dann erträglich, wenn seine bisweilen bizarr anmutenden Bedürfnisse zumindest so weit berücksichtigt sind, dass er Halt im Leben finden kann. Autismus wirkt auch ohne Zutun anderer Menschen behindernd.

Neben den bereits genannten Autismus-Formen, dem »Asperger-Syndrom« und dem »Kanner-Syndrom«, auch als »frühkindlicher Autismus« bezeichnet, diagnostizierten die Ärzte bei Patienten, die nicht in eine dieser beiden »Schubladen« passten, aber dennoch irgendwie »autistisch« wirkten, den atypischen Autismus. Hinzu kam später der Ausdruck »Hochfunktionaler Autismus«. Damit sollten im Allgemeinen Personen beschrieben werden, deren Symptomatik zum einen dem frühkindlichen Autismus entspricht, die aber zum anderen auch als Asperger beschrieben werden können. Nach Professor Dr. Dr. Vogeley können beide Begriffe insbesondere in der rückwirkenden Erwachsenendiagnostik synonym verwendet werden.

Mittlerweile spricht man ganz allgemein von einer »Autismus-Spektrum-Störung«, auch kurz »autistisches Spektrum« genannt. Inwieweit es sich dabei wirklich um eine Störung im Wortsinn handelt, bleibt umstritten. Das hängt sicherlich vom Einzelfall ab. Das autistische Spektrum stellt auf die vielfältige, individuelle Ausprägung der Kernmerkmale ABC ab. So liegt im Unterschied zum frühkindlichen Autismus beim Asperger-Syndrom keine allgemeine Verzögerung der Entwicklung, insbesondere keine Verzögerung der Sprachentwicklung, vor.

Folgende Ausprägungen des ABC-Musters charakterisieren das Autismus-Spektrum. Sie können für unkundige Außenstehende unsichtbar sein. Diese Unsichtbarkeit ist dabei eine für Außenstehende undeutbare beobachtbare Auffälligkeit. Menschen mit diesen Merkmalen, sofern sie intelligent waren, haben vor allem bis 2010 die Diagnose Asperger-Syndrom erhalten.

Für alle Autisten ist die Kommunikation auf der Beziehungsebene sehr schwierig bis unmöglich. Beispielsweise werden daher Ironie und Wortwitze selbst bei allgemein als intelligent einzustufenden Betroffenen insbesondere bei erstmaligem Hören oft nicht verstanden, ebenso werden Redewendungen und Metaphern vielfach nicht ad hoc erkannt, sie müssen wie Satzvokabeln gelernt werden.

Betroffene sind nicht multitaskingfähig. Ihre Aufmerksamkeit kann sich nur auf eine Sache zu einer Zeit richten. Außerdem gehen sie gerne idiosynkratischen Beschäftigungen nach, einer speziellen Form von Stereotypien, den sogenannten Spezialinteressen. Darüber hinaus­gehende Interessen und darauf aufbauende Begabungen sind meist inselartig auf bestimmte Sachgebiete fokussiert. Das inselartige Wirken der Begabung entsteht dabei durch den Umstand, dass sie großen Schwächen gegenübersteht, die man so nicht erwarten würde.

Betroffene können sich nicht intuitiv emotional in andere hineinversetzen, geschweige denn gar anderen im Umgang mit deren Gefühlen helfen, zum Beispiel trösten. Zwar gilt dies auch umgekehrt, aber die meisten Menschen »wohnen« auf den Kontinenten, die wenigsten auf den Inseln, was begründet, dass die Reaktionen der Menschen auf den Kontinenten für die Menschen auf den Inseln rätselhaft und merkwürdig erscheint und umgekehrt. Gefühle der jeweils anderen Seite können nicht nachvollzogen werden.

Betroffene haben darüber hinaus erhebliche Schwierigkeiten, die Gefühle anderer zu erkennen. Die Mimik anderer ist für sie ein »Buch mit sieben Siegeln«. Eigene Gestik und Mimik wirkt auf andere irgendwarum seltsam, mitunter starr, besonders bei Kindern: »Du guckst wie ein Auto!«, sagte man mir früher oft, außerdem fehlt Gestik ­entweder vollkommen oder sieht zumindest irgendwarum zeitweise komisch aus. Die Satzmelodik folgt nicht dem üblichen Sprechschema.

Freundschaften oder gar Partnerschaften zu knüpfen und zu erhalten, fällt Autisten sehr schwer. Small Talk ist für Betroffene unmöglich.

Rituale und für Außenstehende zwanghaft erscheinende Handlungen, die aber von echten Zwängen zu unterscheiden sind, kennzeichnen ihr Leben.

Stereotype Bewegungen sind ein weiteres Charakteristikum autistischer Menschen. Sie sind Ausdruck erlebter Emotionen, sie fungieren als Blitzableiter bei Stress oder dienen dem Ausleben und Verarbeiten intensiv erlebter Gefühle.

Betroffene sind oft motorisch erheblich ungeschickter als die meisten übrigen Menschen. Sie wirken mitunter hölzern in ihren Bewegungen. Eine mögliche Ausprägung ist ein seltsam anmutender Zehenspitzengang.

Menschen mit Asperger-Syndrom fällt es vergleichsweise leicht, selbstständig zu arbeiten. Teamwork hingegen ist äußerst schwierig und nur möglich bei klaren Aufgaben und Abgrenzungen.

Last but not least zeichnet viele Autisten eine Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Berührungen und anderen Reizen aus.

Autisten verfügen nicht ad hoc über den (emotionalen) Autopiloten, den die meisten Menschen haben, um Dinge des Alltags zu erledigen. Sie müssen sich über ihre zu tätigenden Handlungen lange Zeit aktiv und bewusst Gedanken machen. Irgendwann, je nach Intelligenz und innerer Resonanz, kann das bewusste Handeln auch bei Autisten in das Unterbewusstsein eindringen, sodass für bestimmte Tätigkeiten auch ein Autopilot möglich wird.

Über die drei genannten ABC-Merkmale hinaus, die wie beschrieben seit frühester Kindheit unabhängig von Umwelteinflüssen und Erziehung und persistent vorliegen müssen, sind unter Autisten noch eine Reihe weiterer Merkmale verbreitet, die allerdings für sich allein genommen keine Merkmale von Autismus im Sinne der Definition der Selbstbezogenheit darstellen. Sie eignen sich bestenfalls als Hinweis auf das mögliche Vorliegen von Autismus, können aber auch ganz andere Ursachen haben oder für sich alleine stehen.

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