Kitabı oku: «Geld, Krieg und Macht», sayfa 5

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In Bern kam es nach dem Könizerbrief nur noch zu punktuellen und lokal begrenzten Ausschreitungen.86 Ein grösserer Zwischenfall ereignete sich in Murten, als die Grasburger und Guggisberger Herrschaftsleute in das Städtchen eingefallen waren.87 Jedoch sorgten die anhaltenden Unruhen in Luzern und Solothurn dafür, dass die Lage nach wie vor angespannt blieb.88 Erst während der Friedensverhandlungen mit Frankreich 1515/16 entspannte sich die Situation so weit, dass der Berner Rat in Rücksprache mit den Ämtern damit beginnen konnte, einzelne Ratsmitglieder zu rehabilitieren. 1516 wurden die Venner Dittlinger, von Graffenried, Baumgartner und Schöni begnadigt.89 Um 1517/18 gelang auch Hans Rudolf Hetzel die Rückkehr aus der Verbannung.90

3 Der Zwiebelnkrieg in Luzern

In Luzern nahmen die Unruhen bereits einige Tage früher als in Bern ihren Anfang. Erste Informationen über ausserordentliche Vorkommnisse gelangten sechs Tage vor der Könizer Kirchweihe, am 20. Juni 1513, nach Bern. Mit einem Schreiben informierte Wilhelm Schindler, Schultheiss von Huttwil, die Berner Obrigkeit darüber, «dass unser eignossen von Lüzern mitt den iren von Willisow in grosser […] unnru(o)w und wider stan sind und hatt sich geben das die von Lüzern hand uf samstag ver gangen sind mitt ein(n)er zall knechtten us zogen und under stan die von Willisow us dem amtt wellen strafen».91 Doch darauf seien sämtliche Ämter und Herrschaften wider ihre Herren «zu(o) semen gestanden» und an die 3000 Aufständische hätten in Willisau «an wild rummor» veranstaltet. Besonders brisant an der Nachricht war, dass «ettlich herschafftt der üweren im (E)rgöw […] den herschaftten von Lüzern ettwas zu(o) gesseit inenn in irem fürnemen ettwas bistan zu(o) tu(o)n» und «eb es sich geb(,) so weten […] sÿ inenn u(o)ch bistendig sin».

Die Nachricht über die Unruhen in Luzern verbreitete sich in den nächsten Tagen in der ganzen Eidgenossenschaft. Die genauen Hintergründe der Ereignisse in der Innerschweiz waren wegen «mengerlaÿ red» und «unglicher main(ú)g» nur vage bekannt.92 In einem weiteren Schreiben an seine Obrigkeit in Bern vom 27. Juni erwähnte Schindler allerdings, dass sich der Widerstand der Luzerner Ämter (und der Berner Untertanen) auch gegen die deutschen Franzosen, also diejenigen Ratsherren, die von Frankreich Pensionen bezogen hatten, richten würde.93

Für Schindlers Befund finden sich jedoch in den Verhandlungen zwischen dem freien Amt Willisau und Luzern, die Ende Juni (zwischen dem 19. und 25.) und Anfang Juli (vor dem 2.) unter Vermittlung der Orte Zürich, Bern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Solothurn stattfanden, keine Belege. Weder das politisch-militärische Engagement der Orte in Italien noch die Praktiken des Pensionenwesen kamen während der Vermittlung zur Sprache. Die Untertanen verlangten Einsichtsrecht in das Amtsbuch, es wurde um die althergebrachte Rechtsprechungspraxis in den Twingherrschaften gestritten, über Fisch- und Jagdrechte verhandelt und ein Rechtstag für den Willisauer Schultheissen Heinrich Iberg eingefordert.94 Was ging im luzernischen Amt Willisau vor sich?

Die Konfliktkonstellation in Willisau war stark vom Antagonismus zweier Persönlichkeiten geprägt: Schultheiss Heinrich Iberg und Rudolf Mettenberg, genannt Mieschbühler.95 Heinrich Iberg war seit über vierzig Jahren Ratsherr in Willisau und bekleidete das Amt des Schultheissen alternierend seit 1499. In der Funktion des Schultheissen amtierte Iberg als Statthalter des Landvogts.96 Die Spannungen zwischen Ibergs Gegenspieler Mieschbühler und der Willisauer Obrigkeit lassen sich bis 1499 zurückverfolgen, als er wegen Steuerfragen in der Luzerner Kanzlei aktenkundig wurde. Laut einer Kundschaft hatte er sich über die Steuerpraktik der Sechser des Amts Willisau beklagt. Diese hätten die zu entrichtenden Steuern «keÿblich vnd nit fromklich angeleit», weshalb er ausgerufen haben soll, «das der helsch flam vnd der tonner vom heitterrem himel alle die verbro(e)nn, so rat vnd tatt zu(o) der stur gerett vnd gtan haben.»97 Verfasser der Kundschaft war Heinrich Iberg.

1512 flammte der Konflikt zwischen Willisau Stadt und Willisau Land erneut auf, als das freie Amt den Amtsweibeln die Entlöhnung verweigerte und Einsicht in das Amtsbuch verlangte. Die Forderung nach einer Konsultation des Amtsbuches wurde bereits ein Jahr später erneut erhoben. Im Sommer 1513 sah sich Schultheiss Iberg mit dem Verdacht konfrontiert, er enthalte dem freien Amt vorteilhafte Satzungen, etwa Jagd- und Fischrechte, vor. Mieschbühler und das freie Amt forderten deshalb, dass das Amtsbuch auf der Laube oder dem Landtag verlesen werden soll. Die Weigerung Ibergs, dieser Forderung nachzukommen, brachte schliesslich das Fass zum Überlaufen. Die Untertanen des Freiamts drangen in das Städtchen ein und verschafften sich gewaltsam Zugang zum Amtsbuch, in welchem sich zu ihrer Enttäuschung jedoch keine der erhofften Satzungen finden liess. Sie bezichtigten daraufhin den Schultheissen und die Stadträte, ihnen eine Fälschung vorgelegt zu haben. Iberg wurde unter Arrest gesetzt. Nachdem ihm die Zusicherung, sein Leben und sein Eigentum zu schonen, verweigert worden war, floh der Schultheiss nach Luzern, wo er unverzüglich gefangen genommen wurde.98

Schultheiss Iberg war ein Günstling der Luzerner Obrigkeit und seit 1508 der führende Kopf der Franzosenpartei in Willisau.99 Dieser Umstand erklärt möglicherweise die Beteiligung der Luzerner Ämter am Konflikt zwischen dem freien Amt Willisau und der Stadt Willisau. Inwiefern die persönlichen Beziehungen des Willisauer Schultheissen nach Luzern und angeblich auch nach Frankreich tatsächlich in den Konflikt hineinspielten, lässt sich mit den bekannten Quellen jedoch nicht schlüssig beantworten. Die Vorgänge im Luzerner Hinterland machen aber deutlich, dass man im Sommer 1513 als Initiant von umstrittenen Reformen (Verschriftlichung des Rechts, Zentralisierung der Rechtsprechung, Etablierung der städtischen Regalhoheit) und als vermeintlicher Anhänger Frankreichs mit gewaltsamem Widerstand rechnen musste. Der Prozess gegen den Schultheissen wurde für den 5. Juli in Luzern anberaumt.100 Dieser fand aber nie statt, da am 2. Juli die Sechser und die ganze Gemeinde des freien Amts Willisau in einem Schreiben an Luzern erklärten, dass sie ihre Zeugen nicht nach Luzern bringen werden und «das wir den recht tag ouch nitt haltenn wellennt inn kein weg vff den tag, sunder vnnser ämpter vor hin wÿtter Ratt haben, was wir harjnn thu(o)n vnnd lassen söllennd».101 Diese Erklärung bedeutete das Ende der Vermittlungsbemühungen.

Der lokale Konflikt in Willisau ging wenige Tage später im überregionalen Widerstand der Luzerner Ämter gegen die Obrigkeit auf. Der «vnwill vnder den puren vnd minen herren vnderthanen» war «vast groß» und wuchs «von tag zuo tag ye lenger ye meer», kommentierte Cysat das Geschehen.102 Da und dort kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen. So entkam etwa das Kloster St.Urban nur knapp dem Sturm aufgebrachter Pfaffnauer Herrschaftsleute.103 Am 4. Juli schliesslich versammelten sich um die 3000 Untertanen bei St.Ulrich nahe Ruswil. Die beiden Ämter Willisau und Entlebuch hatten sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt und den Entschluss gefasst, «für die statt zu zühen».104 An der Spitze der Bewegung befanden sich der Willisauer Mieschbühler und der Entlebucher Landesfähnrich Hans Heid.105

Nachdem dieser Plan der Willisauer und Entlebucher sowie weiterer Untertanen aus den restlichen Ämtern (jedoch ohne Kriens und Horw) in Luzern bekannt geworden war, schickte die Obrigkeit ihren Grossweibel Hans Meyenberg von Sursee auf Kundschaft und traf erste Kriegsvorbereitungen.106 Als Meyenberg nach seiner Rückkehr die Obrigkeit über die heranrückenden Untertanen informierte, soll dies dem Schultheissen Petermann Feer «allso zu hertzen» gegangen sein, dass er, mit wehendem Banner in der Hand, in Tränen ausbrach. So zumindest ist die dramatische Szene bei Cysat überliefert.107

Am Abend des 4. Juli gelangten die Aufständischen nach Luzern. Sie hätten sich, so Cysat, wie «die hünd oder schwyn» rund um die Kleinstadt verteilt, «namlich vff der Schützenmatt, Nidergrund, Bruch, Obergrund vnd daselbs allenthalben harumb».108 Um sich zu verpflegen, hätten sie Kraut und Zwiebeln «abgemäyet, allso das der krieg genempt ward der Zwibelenkrieg.»109 Gleichzeitig soll es innerhalb der Stadtbürgerschaft vereinzelt zu gewalttätigen Übergriffen gegen Franzosenfreunde gekommen sein.110

Bereits einen Tag zuvor, am 3. Juli, als klar wurde, dass die Vermittlung in Willisau gescheitert war und deshalb neue Unruhen zu befürchten waren, wandte sich Luzern mit der Bitte um Beistand an die Eidgenossen.111 Der Solothurner Gesandte Peter Hebolt, der Luzern am 5. Juli erreichte, schätzte die Zahl der Belagerer auf 6000 Personen. Unter den Aufständischen sollen sich auch 500 bis 600 Personen aus Wangen und Zofingen befunden haben.112 Anshelm zufolge waren ausserdem auch Leute aus dem solothurnischen Gäu unter den Aufständischen zu erkennen.113 Die Belagerer forderten gemäss Hebolt die Verhaftung verschiedener Ratsherren. Die Verhandlungen zwischen Luzern und den eidgenössischen Boten waren bereits in vollem Gang, 114 mit den Aufständischen fanden hingegen noch keine direkten Gespräche statt. Trotz der angespannten Lage liessen sich weder die Untertanen noch die Ratsherren zu gewalttätigen Aktionen hinreissen.115

Am dritten Tag der Belagerung, am 6. Juli, schickte die Obrigkeit schliesslich Boten zu den Belagerern vor die Stadt. Sie sollten in Erfahrung bringen, «was meinung sy da sigen, oder was sy an min herren vordrend».116 Die beiden Anführer der Aufständischen, Heid und Mieschbühler, wurden daraufhin in die Stadt gelassen. Ihre vorgetragenen Beschwerden richteten sich unter anderem gegen die intensivierte Territorialpolitik (Neuerungen im Bereich des Rechts), gegen die Bündnispolitik und gegen einzelne Franzosenfreunde im Rat.117 Sieben Räte wurden im Anschluss an diese Verhandlungen verhaftet, darunter auch Schultheiss Feer. Zwei der Verhafteten kamen allerdings nach kurzer Befragung wieder frei.118 Der Vorwurf an die Gefangenen war unmissverständlich: Man beschuldigte sie, «das sy an dem zug jn Nawerren oder disen kriegs sachen schuld tragen. Jtem, das sy pensioner wären vnd von deß Franzosen vnd Meylanders gesandten gaben vnd schenckungen gnomen haben söllten.»119

Noch am selben Tag zogen die Ämter ab. Zwei Tage später, am 8. Juli, wurden die Luzerner Beschlüsse auf der Tagsatzung diskutiert. Dazu gehörten unter anderem auch der erzwungene Einsitz der Ämter und Gemeinden an der Seite der Abgeordneten von Rat und Hundert in den Untersuchungsausschuss für die anstehenden Prozesse sowie die Ansetzung eines Prozesses für Heinrich Iberg vor einem eidgenössischen Schiedsgericht.120

Am 21. Juli gelangten die Verhandlungen im Beisein von 28 Boten aus elf Orten zum Abschluss. Die am 6. Juli vorgebrachten Forderungen beziehungsweise die schriftlich festgehaltenen Antworten der Stadt auf die Beschwerden wurden bereinigt, eine Pensionenordnung nach Berner Vorbild in die Bestimmungen integriert und der Vertrag offiziell aufgesetzt. Lediglich die Ausführungen zum Fall Iberg wurden gestrichen.121 Dieser war zwischenzeitlich vom eidgenössischen Schiedsgericht verhört und anschliessend verbannt worden. Er hatte überdies die gesamten Kosten der Plünderung seines Hauses sowie eine Busse von 1000 Gulden zu tragen. Die Untertanen drangen mit sämtlichen Forderungen durch. Sie erreichten die Weiterführung einer dezentralisierten Rechtsprechung, die Wahrung des alten Herkommens und sie erhielten die Zusage, dass das gegenwärtig gültige Amtsbuch bei Auftauchen des alten ersetzt werde.122

Noch während der Verhöre gegen die inhaftierten Ratsherren wurde der Ruswiler Landvogt Arnold Moser – «in yl vnd jn der hitz», wie Cysat meint – hingerichtet.123 In Anwesenheit der Amts- und Gemeindevertreter wurden die übrigen Gefangenen schwer gefoltert, und zwar so sehr, «das man sch[ultheiß] Feeren heim tragen muoßt vnd j st deß jn langer zyt nit wider komen.»124 Die Untersuchungen brachten eine Liste hervor, die die Namen derjenigen Räte enthielt, die von Frankreich Pensionen empfangen hatten. Das Dokument wurde jedoch nicht überliefert.125 Aufgrund der Beweislast verloren Schultheiss Petermann Feer und Seckelmeister Hans Ratzenhofer Amt und Ehre und hatten ausserdem hohe Geldstrafen zu entrichten.126 Ihre rasche Rehabilitation stiess an der Tagsatzung 1515 (und auch 1517) auf entschiedene Ablehnung.127 Glimpflicher kamen die anderen Angeklagten Jacob Schmid, Hans Feer und Ulrich Huser davon. Sie wurden wegen illegaler Söldnerdienste zu einer Busse von 300 Gulden verurteilt. Conrad Hasfurter ging gänzlich straffrei aus.128 Mit der Verurteilung der Ratsherren in Luzern kam die Unruhe in der Bevölkerung indessen noch nicht zu einem Stillstand, sondern schwelte im Zusammenhang mit dem Dijonerzug weiter.

Im Anschluss an die Prozesse verkündete die Obrigkeit den Entschluss, dass 1300 Luzerner an der Seite der übrigen Eidgenossen in Burgund einfallen sollten.129 Nach der erfolgreichen Belagerung Dijons und dem Friedensschluss mit Frankreich wurde an der Zürcher Tagsatzung vom 13. September jedoch berichtet, dass drei Eidgenossen vor Friedensschluss vermummt in die besetzte Stadt geritten seien.130 Zudem sollen 50 000 Kronen Soldgelder unterschlagen worden sein, «die im abzug von Dysion vsgeben sin söllen».131 Bei den Vermummten soll es sich um die drei Luzerner Renward Göldli, Jacob Schmid und Ulrich Huser gehandelt haben.132 Um die Jahreswende 1513/14 nahmen deshalb die Spannungen in Luzern erneut zu.133 Im Januar 1514 versammelte sich eine Handvoll Aufständischer auf einem Hof (Willisegg) nahe Willisau, wo man gemeinsam «ein nidlen essen» wollte.134 Die luzernischen Ämter wollten mit Hilfe der bernischen Nachbarn aus dem Simmen- und Saanetal nach Willisau und Luzern ziehen, um dort zu «ertöden, insunnders zu(o) Willisöw, wer inen werden möchte».135 Doch der geplante Überfall flog frühzeitig auf und 60 Personen wurden verhaftet. Trotz diesem Erfolg der Stadt beruhigte sich die Lage keineswegs. 10 000 Luzerner, Berner Oberländer und Aargauer wolle man zusammenbringen, so die Rede zweier Willisauer ein paar Wochen später, falls der Friede von Dijon nicht gehalten werde.136 Willisau nahm sich der Angelegenheit umgehend an.137 Die Anstrengungen der Landstadt blieben jedoch ohne Wirkung. Ende Mai sah sich Luzern gezwungen, die Tagsatzung um Schutz anzugehen.138 Im Herbst 1514 kam es zu einer erneuten Vermittlung, da sich die Ämter in St.Ulrich bei Ruswil versammelt hatten. Deren Vertreter erschienen am 30. Oktober an der Tagsatzung in Luzern. Dort stiessen ihre Anliegen allerdings auf wenig Verständnis, vielmehr machte die Stadt ihren Standpunkt unmissverständlich klar: Sie hatte von der permanenten Missachtung der am 21. Juli 1513 getroffenen Vereinbarung genug und wollte auch von möglicherweise unterschlagenen Soldgeldern im Zusammenhang mit dem Dijonerzug nichts wissen. Ausserdem liess die Stadt keinen Zweifel daran, dass sie keinesfalls ohne gesamteidgenössischen Auszug nach Frankreich ziehen werde, wie das die Aufständischen verlangt hatten. Hingegen zeigte sich die Obrigkeit bereit, über allfällige Rechtsansprüche der Ämter zu verhandeln. Man habe ja, so der Rat, inzwischen bereits mit Willisau und dem Entlebuch entsprechende Verträge geschlossen. Auch die Klage Ruswils über die mangelnde Kompromissbereitschaft der Stadt wies die Luzerner Obrigkeit entschieden zurück. Man sei den Anliegen aus Ruswil (und Rothenburg) immer offen gegenübergestanden. Für die Unruhen der letzten Monate machte die Obrigkeit allein Mieschbühler und Heid verantwortlich. Die Verhandlungen dauerten zwischen den Obrigkeiten und Ämtern noch mehrere Wochen an. Während in Luzern gestritten und gefeilscht wurde, kam es in Sursee und St.Ulrich zu weiteren geheimen Zusammenkünften unzufriedener Untertanen. Die Ämter stellten sich jedoch hinter die Stadt und schworen Treue und Gehorsam, wodurch ein geplanter Grossaufmarsch der Untertanen in Ruswil verhindert werden konnte. Anstatt 6000 kamen in Ruswil lediglich noch 300 Aufständische zusammen. Auch der anschliessende Versuch, die Unruhen nach Unterwalden und Bern zu tragen, scheiterte.139 Heid wurde nach weiteren Verhandlungen der Tagsatzung gefasst und enthauptet.140 Mieschbühler tauchte derweil im benachbarten Bern unter, um von dort aus seine letzten verzweifelten Aktionen zu planen.141 Der mit Ufhusen und Luthern geplante Überfall auf Willisau endete im Januar 1515 in einem Fiasko. Drei der Aufrührer wurden hingerichtet und über 50 Personen verhaftet.142 Mieschbühler entkam erneut. Seine Gefangennahme im November 1516 in Aarburg und die anschliessende Hinrichtung in Bern bedeuteten schliesslich das definitive Ende der Unruhen auf der Luzerner Landschaft.143

Die politischen Errungenschaften der Ämter im Zwiebelnkrieg waren von kurzer Dauer. «Da nun», schreibt ein selbst aus der Distanz von sechzig Jahren über den Ausgang der Unruhen sichtlich erleichterter Cysat, «die sachen widerumb gestillet, die zwen rechten houptvffwigler vnd redlifüerer Möschpüler vnd Heyd jren gebürenden lon empfangen vnd man angefangen den sachen nachsinnen, hatt man dahin trachtet, wie söllche der puren jn der vffruor vnbillich erlangte brieff vnd sachen wider heruß gebracht werden möchten.»144 In der Tat war es der Obrigkeit gelungen, die vierzehn Ämter zur Rückgabe der Spruchbriefe zu bewegen. Sie liegen heute wieder in der Luzerner Kanzlei – mit abgetrennten Siegeln. Allerdings ist der genaue Zeitpunkt der Rückgabe schwierig zu ermitteln. Die Aussage Cysats, dass die Rückgabe 1525 erfolgte, weil es angesichts der Reformation in Zürich zu einer Annäherung zwischen Obrigkeit und Untertanen gekommen sei, lässt sich nicht überprüfen. Jedoch befanden sich die Urkunden nachweislich spätestens 1536 wieder in Luzern.145

4 Die Unruhen in Solothurn

In Solothurn wurden im März 1513 erste Anzeichen für die Unzufriedenheit der Untertanen aktenkundig. Ein Wirt von Selzach und sein Begleiter drohten beim abendlichen Schlaftrunk auf der Pfisternzunft, man wolle «die in den langen schuben vberfallen vnnd die ouch ein wÿl anlegen vnnd wellen ein buntschu(e) vffwerffen».146 Die Ursachen für die angespannte Stimmung im Frühjahr 1513 auf der Solothurner Landschaft sind vielfältig. Zur Verschlechterung des politischen Klimas führten etwa die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Furnohandel, 147 die Verwicklung von Niklaus Conrad, Schultheiss zwischen 1494 und 1520, in einen aufsehenerregenden Bestechungsprozess, 148 die geheimen Treffen solothurnischer Ratsherren mit französischen Gesandten in städtischen Wirtshäusern149 und die illegalen Söldnerwerbungen Frankreichs auf solothurnischem Gebiet im Vorfeld von Novara.150 Solothurn nahm die Signale der Untertanen ernst und führte am 2. April bezüglich der Frage, ob man mit Frankreich Friedensverhandlungen aufnehmen solle, eine Ämteranfrage durch.151 Nach der Schlacht von Novara nahm die Anspannung jedoch erneut zu, da dringend erwartete Nachrichten über das Schlachtgeschehen ausblieben.152 Dies sorgte nicht nur wegen Gerüchten über eine vermeintliche Niederlage für Empörung, sondern verunsicherte darüber hinaus insbesondere die Leibeigenen der Stadt, weil niemand mit Sicherheit sagen konnte, «wer die sinen noch oder verloren hat».153 Diese Unsicherheit bezüglich der Identität der Toten in der Schlacht von Novara führte zu Unklarheiten darüber, für wen die Totenmessen zu lesen waren und wer den Todfall zu entrichten hatte.

Am 3. Juli 1513 erreichte Bern ein besorgtes Schreiben aus Solothurn. Bernische Untertanen hätten, so der Inhalt des Schreibens, die Stadt während der Nacht überfallen – wahrscheinlich um Kaspar Hetzel herauszufordern –, seien aber im Verlauf des nächsten Tages wieder abgezogen.154 Bern riet Solothurn deshalb, «die vwern von statt vnnd land durch ir bottschafften zu(o) vch vnnd in vwer statt ouch zu(o)beru(o)ffenn vnnd harinn mitt derselben ratt zu(o)handlenn» und wenn nötig die Angelegenheit vor die Tagsatzung zu bringen.155 Berns Rat an die solothurnische Obrigkeit, frühzeitig auf einen Ausgleich mit den Untertanen hinzuwirken und Verhandlungen aufzunehmen, blieb ohne Wirkung.156 Um eine Eskalation des Konflikts in Solothurn zu verhindern, wies die Berner Obrigkeit ihren Vogt Rudolf Senser in Wangen an, die rebellierenden Berner Untertanen von einer weiteren Besetzung Solothurns abzubringen. Doch auch diese Bemühung Berns war vergeblich.157

Inmitten dieser angespannten Lage wurde Niklaus Conrad, der derzeitige Hauptmann im Feld, verdächtigt, mit Frankreich in brieflichem Kontakt gestanden zu sein. Conrad verteidigte sich mit einem Brief aus Italien, in dem er jeglichen Kontakt zu Frankreich verneinte. Vielmehr unterstrich er seine vorbildliche Haltung in der Schlacht von Novara: «so bin ich im fordristen gelid mit min speiß gestanden»!158 Auch der Solothurner Rat wies die Verdächtigungen gegen Conrad zurück.159 Am 8. Juli 1513 verlangte die Solothurner Obrigkeit von ihren Untertanen die eidliche Zusage, «kein heimlich samlung noch antrag und geru(i)n ze haben und zetu(o)nd, und kein gelu(i)ptniß, versprechnu(i)ß, pu(i)ntniße mit einanderen zetu(o)nd, noch ze machen, so wider einen schultheissen, cleinen und grossen rate und die gantzen gemeind, gemeinlich noch sonderlich, der statt Solotrenn diesen schaden, u(i)bels und args oder ufru(o)r und widerwerttikeit bringen möcht.»160 Zudem erliess die Stadt eine Pensionenordnung nach dem Vorbild der Berner Ordnung.161 Der Ausbruch des gewaltsamen Untertanenprotests liess sich mit diesen Massnahmen jedoch nicht verhindern.162 Nachdem sich den Solothurner Aufständischen auch Berner Untertanen angeschlossen hatten, überfielen sie am 14. Juli das Landhaus des Solothurner Venners Hans Stölli in Messen im Bucheggberg und fassten für den folgenden Tag eine Ausdehnung ihrer Aktionen ins Auge, falls man sie am Ausfischen seines Weihers hindern sollte.163 Am 15. Juli kündeten die Untertanen aus den oberen Vogteien der Stadt ihre Gefolgschaft und wiesen das Pensionenverbot zurück. Sie verwiesen dabei auf den von ihnen geleisteten Treueeid vom 8. Juli («den wellent sy halten»).164 Angesichts dieser Ereignisse versammelten sich die eidgenössischen Boten in Zofingen, um zwischen Obrigkeit und Untertanen zu vermitteln.165

Am 17. Juli begannen die von den Aufständischen geforderten Prozesse gegen diejenigen Räte, die unter Verdacht standen, sich im Frühjahr heimlich mit der französischen Gesandtschaft getroffen zu haben. Die Angeklagten, Venner Hans Stölli, Seckelmeister Niklaus Ochsenbein, Spitalvogt Heinrich Gasser, Grossrat Niklaus Irmi sowie der Vogt von Falkenstein Hans Hugi, wurden für den Verlauf der Prozesse von ihren Funktionen entbunden. Zudem war es ihnen verboten, sich aus der Stadt zu entfernen, wo sie die nächsten Schritte des Verfahrens abzuwarten hatten. Der in Italien weilende Niklaus Conrad blieb von der Strafuntersuchung vorerst verschont.166 Die Untertanen verlangten eine Bestätigung ihrer alten Freiheiten und stellten weitere Forderungen, etwa die Aufhebung der Leibeigenschaft. Anschliessend versprachen sie dem Rat, ihren Protest einzustellen.167

Doch das Gegenteil traf ein: Am 3. August rückten 4000 Aufständische vor die Stadttore Solothurns, darunter auch Berner Untertanen aus dem Aargau, und verlangten Einlass. Bern rief Solothurn erneut dazu auf, umgehend Verhandlungen mit den Untertanen aufzunehmen, um «damitt inenselbs zu(e) ru(e)wen zu(e)uerhelffenn, alls wir dann mitt den vnnsernn ouch gethan habenn».168 Im Gegensatz zu den Ereignissen im Juli befanden sich nun mehrheitlich Leute aus den unteren Herrschaften – das Tractatenbuch nennt Falkenstein, Bechburg, Gösgen, Olten und Dorneck – unter den Aufständischen.169 Solothurn sah sich angesichts der militärischen Übermacht der Aufständischen dazu gezwungen, den Rat Berns zu befolgen und mit den Untertanen zu verhandeln. Nachdem sich die oberen Vogteien für die Sicherheit der Stadt verbürgt hatten, wurden 600 Delegierte für die Verhandlungen eingelassen.170 Die Gespräche zwischen der Obrigkeit und den Belagerern fanden im Baumgarten des Barfüsserklosters statt. Boten aus Bern, Freiburg, Biel und Zofingen waren ebenfalls angereist, um zwischen den Parteien zu vermitteln. Der Anführer der Aufständischen, Ulrich Straumann von Olten, liess im Vorfeld der Verhandlungen an der überlegenen Position der Untertanen keinen Zweifel: «Ir sind herrenn, wir puren sind aber meister»!171

Einen Tag nach der Besetzung, am 4. August 1513, wurden die Mitte Juli abgesetzten Räte Stölli, Ochsenbein, Irmi und Spitalvogt Gasser verhört. Dabei stand die Klärung der Frage, was mit der französischen Gesandtschaft (in Hans Kislings Haus und im Gasthaus Storchen) verhandelt worden war, im Zentrum der Untersuchung.172 Während der Verhöre wurden die Befragten schwer gefoltert. Aufgrund dieser harten Prozedur erklärten die Befragten, dass sie lieber «wellent von huß, hoff, wib und kind gan, e dz si sich wyter wellent lassen martren vnd inen die ko(e)pff abhowen».173 Nachdem am 6. August zwischen den Parteien ein Ausgleich zustande gekommen war, zogen sich die Untertanen in ihre Dörfer zurück. Der Einigungsvertrag legte das weitere Verfahren mit den Angeklagten fest und regelte Streitigkeiten im Bereich der Leibeigenschaft, der Steuern und dem Bürgerrecht. Die Gefangenen wurden, nachdem sie eine Urfehde abgelegt und Bürgen gestellt hatten, aus der Haft entlassen. Während gegen den Vogt von Falkenstein, Hans Hugi, auf ein Verfahren verzichtet wurde, 174 behielten sich die Aufständischen weitere Untersuchungen gegen die anderen Angeschuldigten, die ausserdem für amtsunfähig erklärt wurden, vor.175 Es war ihnen allerdings erlaubt, sich frei zu bewegen, und sich auf ihre Landgüter am See, vermutlich zur herbstlichen Weinernte an den Juraseen, zu begeben. Die Versuche Stöllis, Entschädigung für seinen ausgefischten Weiher und die geplünderten Vorratskammern zu erhalten, führten jedoch nicht zum Erfolg.176

Für Niklaus Conrad war eine Rückkehr nach Solothurn zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Während er im Ausland ausharrte, 177 liess ihn die Obrigkeit am 17. August wissen, «dz min hernn im gern wo(e)ltent helffen. So sind sy nit meister vnd dorumb mag er sich wol enthalten an siner gewarsami, biß man jetz mit der paner wider har heim komet vnnd mit den landtluten wyter mugent reden».178 Seine Rehabilitation erfolgte erst am 6. September an der Zürcher Tagsatzung.179 Im Anschluss daran verlangten Irmi, Gasser, Stölli und Ochsenbein die Herausgabe der Urfehde (20. November). Stölli und Ochsenbein forderten wenige Wochen später ihre Rückkehr in den Rat. Man vertröstete die beiden allerdings auf die Neuwahlen im nächsten Jahr, um «merer nach red vnnd vnru(o)wen» zu vermeiden.180 Niklaus Conrad gelang die Rückkehr in die Politik spätestens am 12. Oktober 1513, als er in der Funktion eines Unterhändlers an den Verhandlungen über die künftige Vogteiverwaltung, die von den Untertanen während der Unruhen beanstandet worden war, teilnahm.181 Stölli und Ochsenbein schafften die Wahl in den Rat am 24. Juni 1514 ohne vernehmbaren Widerspruch der Untertanen.182 Einzig die Tagsatzung hielt die Rückkehr Stöllis, Ochsenbeins und Conrads in die Politik für verfrüht.183

Angesichts der anhaltenden Spannungen um 1513/14 sind die Bedenken der Tagsatzung nachvollziehbar. So hatte sich der Schultheiss Daniel Babenberg im Zusammenhang mit den Dijoner Friedensverhandlungen wegen der Bestechungsvorwürfe vor der Tagsatzung zu verantworten.184 Es zirkulierte das Gerücht, dass Frankreich gemäss den Bestimmungen des Dijoner Friedensvertrages 50 000 Kronen bezahlt habe, das Geld jedoch in unbekannten Kanälen versickert sei. Diese Reden brachten die Obrigkeiten in Solothurn, Bern und Luzern erneut in Bedrängnis. Weitere Untersuchungen über den Verbleib dieser Summe wurden an der Tagsatzung Ende 1513 und im Februar 1514 angestrengt, nachdem insbesondere auf der Berner Landschaft der Verdacht geäussert wurde, dass die eidgenössischen Obrigkeiten «mitt dem Franzossen deheinen friden wellen anna(e)men», umgekehrt aber der französische König «des willens sin so(e)lle, bÿ dem abgeredten friden von Dision zu(o)beliben».185 Urheber dieser Gerüchte war gemäss den Zeugenaussagen von Hans Schindler und Thomas Lüti Jean de Baissey, Gruyer von Burgund. Nicht einig waren sich die beiden allerdings in der Frage, ob 50 000 Kronen (Schindler) oder bereits über die Hälfte der im Dijoner Vertrag zugesagten 400 000 Kronen (Lüti) ausbezahlt worden waren.186

Die Ereignisse im Umfeld des Dijonerzuges hatten in Solothurn ein längeres Nachspiel zur Folge, das hier nur kurz umrissen werden soll: Gerold Löwenstein, Kaufmann aus Solothurn und Schwager des Berner Junkers Ludwig von Erlach sowie des Berner Löwenwirts Michel Glaser, 187 befand sich 1514 auf einer Handelsreise nach Dôle, um Schweine zu kaufen.188 Am 11. Februar wurde in Bern bekannt, dass sich Löwenstein in Dijon aufgehalten hatte. Dort soll er von La Trémoille erfahren haben, dass der König den Frieden halten und den geschuldeten Sold ausrichten wolle.189 Am selben Tag erging ein Schreiben gleichen Inhalts von Bern an Solothurn. Ausserdem enthielt dieses den Hinweis, dass er dies angeblich mit «schrifften unnd schin» belegen könne.190 Eine weitere Meldung in dieser Sache erreichte Solothurn ebenfalls an diesem Samstag im Februar aus Huttwil. Der dortige Schultheiss Wilhelm Schindler informierte den Solothurner Rat über den genauen Auftrag, den Löwenstein von Frankreich erhalten haben soll: «Er so(e)lle eis tu(o)n und so(e)l illentz wider hin us ritten fu(e)r die gmeinen in der eygnoschaftt und inen semlich meinung zu(o) erkennen geben und welle ein gmein dem frantzosen ein gleitt gen, so wellen sy har uss kon und wellen mitt dem gmeinen man under ston ein friden zu(o) machen, den sy wüssen mitt den heren nütt zu(o) machen, der küng der ko(e)nni innen nitt geltz genu(o)g geben, do mitt sy zu(o) friden sigin.»191 Der Verdacht bestand also darin, dass nicht der französische König an der Missachtung des Dijoner Friedensvertrags Schuld trage, sondern dass die Geldgier der eidgenössischen Eliten die Einhaltung des Friedens behindern würde.192 Ein Brief des Herzogs von Bourbon, der an der Zürcher Tagsatzung am 16. Februar 1514 verlesen wurde, enthielt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der König beabsichtigt hätte, den Vertrag zu halten. Bourbon verlangte lediglich Geleit, um einen neuen Frieden auszuhandeln.193 Es ist nicht eindeutig zu klären, inwiefern Frankreich an diesen Geschehnissen überhaupt Anteil hatte.194

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