Kitabı oku: «Kurtisanengespräche», sayfa 6
Antonia: Was wird das geben?
Nanna: Wart's nur ab, du wirst es gleich hören. Am nächsten Abend – ich war bei ihr zum Essen geladen – nahm sie ihren Neffen, der den Psalter lernen und ihr Kupplerchen werden sollte, bei der Hand, rief den Magister und sagte: »Magister! Ihr habt nichts anderes zu tun, als mir diesen Knaben, der mir mehr ist als ein Sohn, gut zu unterrichten, und Ihr könnt Euch wegen des Lohnes getrost auf mich verlassen.« Der Magister begann das Blaue vom Himmel herunterzuschwatzen, wobei er seine Grundsätze an den Fingern herzählte. Die gute Frau war von seinem Gallimathias so entzückt, daß sie sich ganz stolz zu mir wandte und ausrief: »Er ist ein wahrer Kikero!« Die Disputation ging dann noch mit Hujus und Cujus eine Weile so weiter; plötzlich aber ging sie zu einem anderen Gegenstand über und fragte: »Sagt mir, Meister, waret Ihr je verliebt?« Der alte Ziegenbock, der wenn nicht einen schöneren, doch mindestens einen besseren Schwanz hatte als ein Pfau, rief: »O verehrte Frau! die Liebe hat mich aufs Studium gebracht!«, und damit zog er mit dem ganzen Antikenkram blank und erzählte uns, wer sich aus Liebe aufgehängt, wer sich vergiftet und wer sich vom Turm heruntergestürzt hätte; und so nannte er uns viele Frauen, die aus Liebe a porta inferi gekommen waren, und das alles in gewählten und gezierten Worten. Während er seine Geschichten krächzte, stieß sie mich fortwährend mit dem Ellbogen in die Seite und fragte mich schließlich nach all den vielen Püffen: »Was meinst du zum Herrn Magister?« Ich las ihr nicht bloß im Herzen, sondern auf dem Grunde ihrer Seele, und antwortete: »Mich dünkt, er ist der Mann danach, den Pfirsichbaum zu rütteln und den Birnbaum zu schütteln.« Da warf sie mit einem ›Hahaha!‹ mir die Arme um den Hals, sagte: »Geht an Eure Studien, Meister!« und zog mich mit sich in ihre Kammer. Während wir hier plaudern, bekommt sie Botschaft von ihrem Mann, er werde nicht zum Abendessen kommen und auch über Nacht ausbleiben. Dies pflegte er oft so zu machen; ganz fröhlich darüber, sagt sie zu mir: »Deine Schlafmütze von Mann wird sich in Geduld fassen; ich wünsche, daß du auch heute abend zum Essen bei mir bleibst.« Sie schickt ein Wörtchen darüber an meine Mutter, und diese gibt die Erlaubnis. Wir setzten uns nun zu einem kleinen feinen Abendessen von lauter Schleckereien nieder: Es gab Hühnerlebern, -kröpfe, -hälse und -füße mit Petersilie und Pfeffer, als Salat angemacht, beinahe einen ganzen kalten Kapaun, Oliven, Paradiesäpfel mit Ziegenkäse und Quitten, um uns den Magen in gemütliche Stimmung zu versetzen, nebst Zuckerplätzchen, um den Atem wohlriechend zu machen. Der Magister bekam seine Abendkost aufs Zimmer geschickt; sie bestand ausschließlich aus frischen, hartgekochten Eiern – und warum sie hartgekocht waren, wirst du dir leicht selber denken können.
Antonia: Ich hab's mir schon längst gedacht.
Nanna: Nachdem wir gespeist und das Geschirr vom Tisch hatten abräumen lassen, schickte die Frau alle ihre Leute und auch den kleinen Neffen zu Bett und sagte zu mir: »Schwesterchen – unsere Männer würden ja das ganze Jahr verschiedenerlei Fleisch essen, wenn sie's nur immer haben könnten, warum sollten wir nicht wenigstens mal heute nacht von des Magisters Fleisch kosten? Nach seiner Nase zu urteilen, muß er einen haben wie 'n Kaiser! Außerdem wird man niemals was davon erfahren, denn er ist so häßlich und tolpatschig, daß kein Mensch ihm glauben würde, selbst wenn er nicht reinen Mund hielte.« Ich wand mich hin und her und machte ein Gesicht, als ob ich Angst hätte und die Antwort nicht herauswürgen könnte. Endlich sagte ich: »Das sind gefährliche Sachen! Wenn nun dein Mann käme, wie würde es uns da gehen?« – »Närrchen! Du scheinst mich ja für sehr dumm zu halten! Glaubst du denn, wenn wirklich mein Strohkopf von Mann nach Hause käme, ich würde kein Mittel finden, ihn die Pille mit guter Manier schlucken zu lassen?« – »Wenn's so steht, so tu doch, was dir gut dünkt!« Inzwischen hatte der Magister – der geriebener war als Parmesankäse und sofort bemerkt hatte, daß bei dem Gespräch über die Liebe der Dame das Wasser im Munde zusammengelaufen war – von den Dienstleuten erfahren, daß der Hausherr auswärts schliefe. Er hatte daher unser Gespräch belauscht und alles gehört, was meine Freundin sagte. Sie hatte keine Lust, sich aufzuhängen oder zu erdrosseln wie ihre armen Mitschwestern, die er als Beispiele genannt, und deshalb beschlossen, sich den Magister auf den Bauch zu legen. Übrigens brauchte man bloß an seiner Seite die Tasche aus muffigem Leder – wie kein Mensch mehr sie trägt – zu sehen; dies 'allein konnte genügen, einem so übel zu machen, daß sich alles Gedärme im Leibe umdrehte. Doch gleichviel – sie liebte ihn nun mal. Er hatte also, wie gesagt, jedes Wort gehört, hob mit der den Schulmeistern eigenen Selbstgefälligkeit den Türvorhang auf und betrat ohne besondere Einladung das Zimmer seiner Gebieterin, die alle ihre Leute zu Bett geschickt hatte und, sowie sie ihn erblickte, rief: »Meister! haltet Euren Mund und Eure Hände im Zaum und bedienet uns heut nacht nur mit Eurem Weihwedel.« Der Ziegenbock hatte seine Nase nicht dazu, um das Gelbe der Rosen damit zu beschnuppern, und seine Finger nicht dazu, um die Flötenlöcher damit zuzuhalten. Aus Küssen und Fingerspiel machte er sich wenig, sondern er holte sein Schemelbein heraus – es hatte einen dampfenden, ganz feuerroten Kopf und war über und über mit Warzen bedeckt –, gab ihm einen Stüber und sprach: »Dieser steht Euer Hochwohlgeboren zur Verfügung!« Und sie legte ihn sich auf die flache Hand und rief: »Mein Spätzchen, mein Täubchen, mein Pintchen, komm rein in deinen Bauer, in deinen Palast, in deine Domäne!« Damit lehnte sie sich gegen die Wand, hob das eine Bein hoch, schob sich das Ding in den Bauch und verzehrte die Wurst im Stehen; und der Teufelslump gab ihr fürchterliche Stöße. Ich stand daneben wie eine Äffin, die den guten Bissen kaut, ehe sie ihn noch im Munde hat, und hätte ich mich nicht schnell mit einem Metallstämpfel gestochert, der auf einer Kommode lag, und, wie ich am Geruch bemerkte, kurz vorher dazu gedient hatte, Zimt zu stoßen–gewiß, gewiß, so wäre ich vor Neid über die Seligkeit der anderen umgekommen. Das Roßgesicht machte seine Sache fertig; die Dame aber, ermattet, doch nicht gesättigt, setzte sich aufs Lotterbänkchen, nahm von neuem den Hund beim Schwanz und drehte ihn so eifrig hin und her, daß er bald wieder in gutem Stande war. Und da sie sich aus des Magisters schönem Gesicht nichts machte, so drehte sie ihm den Rücken, packte den Salvum me fac und stieß ihn sich wild in die Null hinein; dann zog sie ihn wieder heraus und steckte ihn ins Viereck, dann wieder ins Runde, und so abwechselnd immer weiter, bis der zweite Gang geschlagen war, worauf sie zu mir sagte: »'s ist auch für dich noch ein guter Happen übriggeblieben!« Ich war einer Ohnmacht nahe wie jemand, der vor Hunger umkommt und nichts essen kann; sofort steckte ich daher dem alten Fuchs einen Finger in ein gewisses Loch, wodurch ich ihm im Nu das Gefühl zu frischem Leben erweckte – ich hatte das Geheimnis von meinem Bakkalaureus und habe nur vergessen, dir davon zu erzählen –, aber gerade, als ich froher Hoffnung war, hören wir ein Klopfen an der Haustür, und zwar ein so ungeniertes und lautes Klopfen, daß man sofort sagen konnte: ›Der ist entweder verrückt, oder ihm gehört das Haus!‹ Bei diesem Lärm verfärbte sich unser Dickkopf wie ein als ehrsamer Bürger geltender Dieb, der beim Einbruch in eine Sakristei ertappt wird. Wir beiden Weiber mit unseren Marmorgesichtern blieben ganz ungerührt. Wie's zum zweitenmal klopfte, erkannte sie ihren Mann und begann zu lachen und lachte lauter und immer lauter, lauter, lauter, bis der Mann sie gehört hatte. Als sie dies merkte, rief sie: »Wer ist da unten?« – »Ich bin's« – »Oh, mein Männchen, ich komme sofort runter; wart einen Augenblick!« Zu uns sagte sie: »Rührt euch nicht vom Fleck!« Dann machte sie ihm auf und rief, sowie sie ihn erblickte: »Ein Geist sagte mir: ›Geh nicht zu Bett, denn ganz gewiß schläft er heut nacht auswärts.‹ Um nun nicht einzuschlafen, habe ich unsere Nachbarin bei mir behalten; sie hat mir von ihrem Klosterleben erzählt, und ich wurde ganz gerührt von den Leiden, die die Ärmste erdulden mußte, und wenn mir nicht zum Glück eingefallen wäre, daß unser Magister ein so guter Geschichtenerzähler ist, so hätte ich wahrhaftig 'ne schlechte Nacht gehabt. Er war aber so freundlich, auf meine Einladung herunterzukommen, und hat uns so lustige Schwanke erzählt, daß ich wieder ganz vergnügt geworden bin.« Mit diesen Worten führte sie den Credo in deum hinauf, der dann auch gar keine weiteren Fragen stellte, aber herzlich zu lachen anfing, als er das Gesicht sah, das der Magister machte; dieser war nämlich über die unvermutete Heimkehr des Hausherrn so verblüfft, daß er aussah wie ein unterbrochener Traum. Als er nun noch mich dazu sah, schmiedete er sofort Pläne, um sich in den Besitz meines Gütchens zu setzen, und begann, um sich auf unverfängliche Art mit mir vertraut zu machen, ein Gespräch mit dem Schulmeister. Er tat, als ob er ihm gefiele, und ließ ihn das Abc von hinten aufsagen, wobei der Schlaukopf absichtlich solchen Unsinn machte, daß der Hausherr vor Lachen auf den Rücken fiel. Unterdessen hatte ich sein Augengeklapper wohl gemerkt, zumal er's zum Überfluß noch mit einigen sanften Fußtritten verstärkte, und sagte: »Da eure Zöfchen schon zu Bette sind, so will ich jetzt auch gehen und mich zu ihnen legen.« – »Nein, nein!« rief der gute Mann, wandte sich zu seiner Frau und sagte: »Bring sie ins Kämmerlein und laß sie hier schlafen!« So geschah es denn, und sobald ich im Bett lag, hörte ich ihn – um mir jeden Verdacht zu benehmen – ganz laut zu seiner Frau sagen: »Liebe Frau, ich muß mich leider wieder zu der Gesellschaft begeben, von der ich eben kam; schick diesen Nachtwächter schlafen und geh selbst auch zu Bett.« Ihr hing bei diesen Worten der ganze Himmel voller Geigen, aber sie stellte sich, als räumte sie alle Kleider aus einer großen Truhe aus, um sich bis Tagesanbruch damit zu tun zu machen. Er ging nun recht geräuschvoll die Treppen herunter, schloß die Tür auf, blieb aber drinnen und machte sie wieder zu, wie wenn er hinausgegangen wäre. Dann schlich er sich leise, leise wie ein Kater in die Kammer, worin ich schlief oder vielmehr nicht schlief, und legte sich sachte an meine Seite. Plötzlich fühlte ich seine Hand auf meiner Brust, und das brachte mich in eine Aufregung, wie sie einen manchmal befällt, wenn man mit dem Kopf nach unten schläft; es ist einem, wie wenn etwas furchtbar Schweres sich einem aufs Herz setzt, so daß man weder sprechen noch sich rühren kann.
Antonia: Das ist der Alp!
Nanna: Ganz recht, so nennt man's ... Er sagte also zu mir: »Wenn du den Mund hältst, soll's dein Schade nicht sein!« und streichelte mir dabei sanft die Wange. Ich aber fragte: »Wer ist da?« – »Ich bin's, ich!« antwortete der unsichtbare Geist. Damit wollte er mir die Schenkel öffnen, die ich fester geschlossen hielt als ein Geizhals die Hand. Ich sagte: »Madonna, o Madonna!« und glaubte es ganz leise zu sagen, aber seine Frau hörte mich. Schnell sprang der Mann, der schon mit mir die Klinge gekreuzt hatte, aus dem Bett und lief in den Saal. Und im selben Augenblick, wo seine Frau mit einem Licht in der Hand meine Kammer betrat, um zu sehen, was ich hätte, ging er in die soeben von ihr verlassene Stube und sah den Bullen sich auf seinem Platz räkeln und die Flöte streichen, mit der er der Lerche das Singen beibringen wollte. Gerade als die Geweihfabrikantin mich fragte: »Was ist dir denn?«, nahm mir ein Jammergeschrei, das eher dem Plärren eines Esels als einer Menschenstimme glich, die Antwort aus dem Munde. Der Gatte verdrosch nämlich den Magister mit 'ner Feuerschippe auf eine ganz gottserbärmliche Weise; und wenn sie ihm nicht zu Hilfe gekommen wäre und ihrem Mann das Ding aus den Händen gerissen hätte, so hätte es mit dem Schulmeister ein gar böses Ende genommen.
Antonia: Der Mann hatte recht, ihm alle Knochen im Leibe zu zerschlagen.
Nanna: Hm – er hatte recht und hatte auch nicht recht!
Antonia: Wieso, zum Teufel, denn nicht?
Nanna: Darüber ließe sich viel sagen ... Als nun die Frau ihrem Kerl das Blut aus der Nase strömen sah, drehte sie sich nach ihrem Mann um, stemmte die Arme in die Seiten und rief: »Für was für eine hältst du mich denn, was? Wer bin ich denn, ha? Meine Amme hatte ganz recht! Die hat's mir vorausgesagt, du würdest mich noch mal behandeln, wie wenn du mich von dem Kehrichthaufen aufgelesen hättest, auf dem ich dich fand. Ihre Prophezeiungen sind in Erfüllung gegangen! Wie oft sagte sie mir: ›Nimm ihn nicht, nimm ihn nicht, du wirst von ihm mißhandelt werden!‹ Ist es möglich, von einer Frau, wie ich's bin, zu denken, sie habe sich mit so 'nem Stück Fleisch mit zwei Augen drin zu schaffen gemacht?! Sag nur, warum hast du ihn geschlagen? Warum? Was hast du ihn machen sehen? Ist vielleicht unser Bett ein geheiligter Altar, daß ein Hansnarr es sich nicht mal ansehen darf? Weißt du denn nicht, daß Leute wie dieser Magister, sobald man sie von ihren Büchern wegbringt, nicht mehr wissen, in was für 'ner Welt sie leben? Aber schön! Ich hab dich verstanden! Du willst es so, und dein Wille geschehe! Morgen früh geh ich auf der Stelle zum Notar und laß mein Testament aufsetzen, damit nicht ein Feind mein lachender Erbe wird, ein Mensch, der seine Frau wie eine Hure behandelt, ohne zu wissen, warum.« Und noch lauter die Stimme erhebend, setzte sie weinend hinzu: »O weh, o weh! Ich Unglückliche! Bin ich eine Frau, die man so behandeln darf?!« Dabei fuhr sie sich mit den Händen in die Haare und gebärdete sich, wie wenn ihr Vater vor ihren Augen dort auf der Stelle gestorben wäre. Im Handumdrehen hatte ich mich angezogen, lief herzu und rief in den Lärm hinein: »Nun ist's aber genug! Bitte, bitte, seid jetzt still! Macht Euch doch nicht zum Gerede der ganzen Nachbarschaft! Nicht weinen, liebe Frau!«
Antonia: Was antwortete denn der Eisenfresser darauf?
Nanna: Kein Sterbenswörtchen! Ihm stand die Zunge still, als er sie mit dem Testament drohen hörte, denn er wußte wohl, wer heutzutage nichts hat, der ist schlimmer dran als ein Kavalier ohne Kredit, ohne Einfluß und ohne Einkommen.
Antonia: Da liegt viel Wahres drin.
Nanna: Ich konnte mir das Lachen nicht verbeißen, als ich den armen Mann, im bloßen Hemd, an allen Gliedern schlotternd, in eine Ecke gedrückt sah.
Antonia: Er muß ausgesehen haben wie ein Fuchs, der ins Garn gegangen ist und sich eine Tracht Prügel auf seinen Buckel ergießen sieht.
Nanna: Hahaha! Genauso sah er aus. Kurz und gut, der Mann wollte die Krippe nicht verlieren, weil ihm der Esel ein Maul voll Futter herausgerauft hatte, und wollte die Weide nicht missen, die das ganze Jahr so schön grün war: Er fiel ihr zu Füßen und redete soviel und bettelte so lange, bis sie ihm verzieh. Ich aber mußte Kummerbrot essen – das hatt ich davon, daß ich mich als eine Nein-das-tu-ich-nicht aufgespielt hatte. Der Schulmeister ging mit einem Dutzend Striemen von der Feuerschaufel zu Bett, die Eheleute legten sich versöhnt zueinander, und ich ging auch schlafen. Und als es Zeit zum Aufstehen war, kam meine Mutter und holte mich nach Hause. Ich wusch mich und zog mich um und war den ganzen Tag dumm im Kopf von der schlechten Nacht, die ich gehabt.
Antonia: Der Schulmeister wurde wohl weggejagt?
Nanna: Weggejagt? Haha! Acht Tage darauf sah ich ihn im feinsten Staat wie einen Kavalier!
Antonia: Soviel ist gewiß: Wenn so einer wie ein Diener, ein Verwalter oder ein Lakai besonders schön gekleidet geht, viel Geld ausgibt, in Spielhäusern verkehrt – der liegt ganz gewiß der Hausfrau auf der Tasche!
Nanna: Daran ist nicht zu zweifeln ... Nun kommt 'ne Geschichte von einer, die vor Lust umkam, sich von einem Bauernkerl den Sturmbock ins Festungstor rennen zu lassen. Man erzählt sich allerdings von dem Mann, er habe einen Pflock wie ein Bulle oder ein Maulesel; daher sind ihre Wünsche begreiflich. Sie war die Frau eines bejahrten Ritters vom goldenen Sporn, der seine Würde dem Papst Johann verdankte und mit seiner Ritterschaft mehr Gestank machte als Manioldo von Mantua. Er ging immer auf dem breiten Stein, drehte sich wie ein Pfau, blähte sich auf, daß man vor Lachen platzte, wenn man ihn ansah, und hatte fortwährend das Wort im Munde: »Wir Ritter!« Wenn er an Feiertagen in seinen schönen Kleidern erschien, brauchte er buchstäblich 'ne ganze Kirche, so drehte er sich in seiner Eitelkeit; er sprach immer nur vom Großtürken und dem Sultan und wußte alles, was in der ganzen Welt vorging. Die Frau dieses langweiligen Gesellen hatte über alles zu schimpfen, was von ihren Gütern in ihr Stadthaus gebracht wurde; wenn Hühner kamen, sagte sie: »Sind's nicht mehr? Wir werden bestohlen!« Wurden Früchte gebracht, so hieß es: »Ein schönes Zeug! Die reifen werden gemaust, und die grünen bringt man uns?« Wurde Salat oder ein Bündel Drosseln oder ein Korb Erdbeeren oder derartiges zum Schlecken gebracht, so keifte sie: »Oho! so dumm sind wir nicht; solche Kinkerlitzchen müssen wir am Korn, am Öl, am Wein bezahlen!« Mit all diesen Redereien setzte sie schließlich ihrem Mann einen Floh ins Ohr, und er schaffte einen anderen Pächter an; auf ihren Rat nahm er den Mann, der den großen Besen für die breitesten Wege hatte. Der Vertrag wurde schriftlich gemacht, und der Pächter zog ein.
Ein paar Tage drauf kam er in die Stadt und erschien ganz beladen vor dem Hause, stieß mit dem Fuß gegen die Tür, die ihm sofort aufgemacht wurde, und stieg die Treppe herauf. Auf der Schulter hatte er einen Knüppel, an dessen Hinterende drei Paar Enten und an dessen Vorderende drei Paar Kapaunen baumelten; in der rechten Hand hielt er einen Korb, worin wohl hundert Eier und eine Menge Käschen waren; er sah aus wie ein venezianischer Wasserträger, der in der einen Hand den sogenannten Bigolo hält, woran zwei Eimer hängen, und in der anderen Hand einen dritten Eimer trägt. Er sagte guten Tag, machte seinen Kratzfuß, blieb mit der Fußspitze auf dem Boden stehen und überreichte der Herrin seinen Tribut; sie freute sich über den Mann mehr als über Allerheiligen und bereitete ihm einen Empfang, der für ihren Ritter sogar zu prächtig gewesen wäre, zunächst ließ sie dem Pächter auf dem Küchentisch einen Imbiß vorsetzen, der alle Mahlzeiten vom Frühstück bis zum Abendessen in sich schloß, dazu trank er auf ihre Aufforderung einen großen Pokal Weißwein von sehr angenehmem süßsäuerlichem Geschmack. Und als sie sah, daß er einen hübschen roten Kopf kriegte, wie sie's gern hatte, sprach sie zu ihm: »Wenn Ihr uns recht gute Sachen bringt, so werdet Ihr finden, daß das Leben 'ne schöne Sache ist.« Der Ritter war nicht zu Hause. Sie rief der Köchin zu: »Hörst du denn nicht?« und ließ sie den Korb leer machen und ihn dem Bauern zurückgeben. Die Enten wurden in den Entenstall gesetzt, und sie wollte auch die Kapaunen in den Kapaunenstall sperren, da sagte aber die gnädige Frau: »Bleib nur hier!« und befahl dem Bauern, die Vögel zu nehmen und sie auf den Dachboden zu tragen. Dort band sie den Kapaunen die Füße los, und die armen Tiere hatten solche Schmerzen gelitten, daß sie länger als eine Stunde brauchten, ehe sie sich wieder bewegen konnten. In der Zwischenzeit machte sie die Dachluke zu und sah sich die Hacke an, womit der Mann sein Feld bearbeitete, denn sie wollte gern wissen, ob die Wirklichkeit den Gerüchten entspräche. Wie die Köchin mir schwor, hatte sie von oben Stöße gehört, als ob alle Dachbalken sich bögen. Nachdem sie sich zweimal hatte pfropfen lassen, wobei sie fortwährend mit ihm von dem Schaden sprach, den unter seinem Vorgänger in der Pacht die Öl- und Pfirsichbäume gelitten hätten, kamen sie wieder herunter. Der Mann konnte nicht länger auf den Ritter warten, denn es war bereits kurz vor Torschluß, beurlaubte sich daher von der gnädigen Frau und kehrte ganz fröhlich nach seinem Dorf zurück. Und es fehlte nicht viel, so hätte er sein gutes Glück dem Domine erzählt. Die wackere Frau aber war nach seinem Fortgehen noch ganz betäubt ob seinem Riesending, das ihr Kellergewölbe bis an die Decke gefüllt hatte. Auf einmal erhebt sich ein Lärm in der Stadt, man läuft hin und her und schreit: »Häuser zu! Häuser zu!« Sie eilt auf den Balkon und sieht einige von ihren Verwandten wütend mit gezogenen Degen, die Mäntel um den linken Arm gewickelt, die Straße entlangrennen, andere schwingen barhäuptig Landsknechtspieße, Hellebarden und Flammberge. Da wird sie aschfahl, und alles dreht sich mit ihr! Dann sieht sie ihren Ritter ganz blutüberströmt auf den Armen von zwei Männern getragen; eine große Menschenmenge stürzt hinterher. Da sinkt sie halbtot zur Erde nieder. Der arme Ritter wird ins Haus gebracht und auf sein Bett gelegt. In aller Eile wird nach Ärzten gesandt; inzwischen sucht man im Hause Eier4 und Scharpie von Manneshemden zusammen. Die Frau kommt wieder zu sich, läuft zu ihrem Mann, der sie ansieht, ohne ein Wort zu sagen, und kehrt im ganzen Hause das Unterste zuoberst. Und als sie sah, daß er im Verscheiden lag, machte sie mit geweihter Kerze das Zeichen des Kreuzes über ihm und sagte: »Verzeiht mir und empfehlt Euch Gott!« Er macht das Zeichen, daß er ihr vergebe und sich Gott empfehle, und tut den letzten Atemzug. Als Arzt und Priester kamen, war alles vorüber.
Antonia: Warum mußte denn der Ritter sterben?
Nanna: Weil die Verräterin einen Kerl bezahlt hatte, der ihn mit drei Löchern im Leib auf den Schragen brachte. Die ganze Stadt geriet in Aufruhr über den Vorfall; die Frau machte zweimal einen Versuch, sich aus dem Fenster zu stürzen, ließ sich aber rechtzeitig festhalten. Dann bestellte sie das prunkvollste Leichenbegängnis, das jemals dagewesen war; an alle Wände der Trauerkapelle wurde das Wappen des Ritters gemalt, der Sarg, der mit der Decke von gesticktem Brokat bedeckt war, wurde von sechs Bürgern getragen und in der Kirche aufgebahrt; beinahe die ganze Stadt folgte der Leiche. Die Witwe in schwarzem Trauergewand, mit einem Gefolge von zweihundert weinenden Frauen, sagte so rührende Klagen mit so süßer Stimme, daß alle Anwesenden in innigem Mitleid mit ihr Tränen vergossen. Von der Kanzel herab hielt ein Prediger die Leichenrede und zählte alle Tugenden des Ritters und alle seine Heldentaten auf; das Requiem aeternam wurde von mehr als tausend Priestern und Mönchen aller Farben gesungen. Dann wurde der Leichnam in einen prachtvollen bemalten Sarkophag gelegt, und die Inschrift darauf war so schön, daß alles Volk herzuströmte, um sie zu lesen. Auf den Sarkophag legte man des Ritters Banner, sein Schwert in roter Samtscheide mit silbervergoldeten Beschlägen, seinen Schild und seinen Helm, der wie das Schwert mit Samt verziert war. Ich vergaß zu erwähnen, daß alle Tagelöhner von seinen Gütern in die Stadt gekommen waren; sie trugen schwarze Mützen, die ihnen zu diesem Tage geliefert waren, und folgten dem Sarg; unter ihnen war auch der Mann mit den Enten, den Kapaunen, den Eiern und dem guten Glück. Was soll ich dir noch weiter sagen. Es gelang ihr, mit ihm ihre Tränen zu trocknen, und sie blieb gnädige Frau und Herrin und Erbin des Ganzen, denn der Tote, der sie aus Liebe geheiratet hatte, und wohl wußte, daß er von ihr weder Sohn noch Tochter haben konnte, hatte ihr zum großen Verdruß aller seiner Verwandten schon bei Lebzeiten all sein Hab und Gut geschenkt.
Antonia: Die Schenkung war gut angebracht!
Nanna: Nun konnte sie, ohne irgendwelche Rücksichten zu nehmen, auf dem Lande leben; sie schickte alle anderen nach Hause und behielt nur des Ritters Nachfolger bei sich, der sie mit seinem Elefantenzahn so wirksam zu trösten wußte, daß sie alle Scham beiseite setzte und ihn zum Mann zu nehmen beschloß, ehe ihre Verwandten sie mit ihren Vorschlägen zu einer neuen Heirat belästigten. Zunächst streute sie, um bessere Bewegungsfreiheit zu haben, das Gerücht aus, sie wollte Nonne werden, so daß alle Schwesternorden ihr das Haus einliefen; dann auf einmal führte sie ihren Entschluß aus und nahm den Bauern, ohne sich weiter um das Gerede der Leute zu kümmern und nach den Rücksichten zu fragen, die sie ihrem adligen Blute schuldig war. Sie war nicht dumm und wußte, daß Rücksichten Freudenverderber sind, daß aufgeschobene Wünsche ranzig werden, daß die Reue bitter schmeckt wie der Tod. Darum ließ sie einen Notar kommen und tat, wozu sie Lust hatte.
Antonia: Sie konnte aber doch Witwe bleiben und geradesogut ihr Gelüste mit dem Glockenklöppel stillen!
Nanna: Warum sie nicht Witwe blieb, das werde ich dir ein anderes Mal erzählen, denn das Leben der Witwen verlangt ein Gespräch für sich allein. Nur soviel will ich dir sagen: Die Witwen sind um zwanzig Karat gediegenere Huren als die Nonnen, die Ehefrauen und die Straßendirnen.
Antonia: Wieso?
Nanna: Nonnen, Ehefrauen und Huren reiben sich an Hunden und Sauen, die Witwen aber brauchen zu ihrem Hurenkram Gebete, Büß- und Andachtsübungen, Predigten, Messen, Vespern, Gottesdienste, Almosen und alle Sieben Werke der Barmherzigkeit.
Antonia: Gibt es denn nicht auch Gute unter den Nonnen, den Ehefrauen, den Witwen und den Freudenmädchen?
Nanna: Von diesen vier Menschenklassen gilt das Sprichwort, das vom Gelde sagt: Vorsicht und Vertrauen!
Antonia: Ich verstehe! Na, aber wie wurde es mit der Hochzeit der Ritterin?
Nanna: Sie nahm ihn also zum Mann und zog aufs Land. Als die Sache bekannt wurde, traf sie nicht nur der Tadel ihrer Familie, sondern die Verachtung der ganzen Stadt. Sie aber war so sterblich in ihn verliebt, daß sie ihm sogar sein Frühstück aufs Feld, in den Weinberg, kurz, überallhin nachbrachte. Der Bauer war übrigens von guter Art: Einen ihrer Brüder, der gedroht hatte, er wolle ihn vergiften, gab er ein paar tüchtige Messerstiche; und seitdem wagte kein Städter sich mehr über ihre Schwelle.
Antonia: Mit solchen Leuten ist nicht gut Kirschen essen.
Nanna: Man sagt ja auch:
Vor Bauernfäusten und ähnlichen Gefahren,
Du lieber Herrgott, wolle uns bewahren!
Aber nun wollen wir uns etwas besseren Spaßen zuwenden und den Tod des armen Ritters ein bißchen überzuckern, nämlich mit dem Leben eines alten reichen Geizhalses und großen Esels, der sich eine Siebzehnjährige zur Frau nahm. Sie hatte den feinsten und schlanksten Wuchs, den ich je gesehen zu haben mich erinnere, die anmutigste Anmut, und alles, was sie sagte und was sie tat, war geradezu entzückend. Ihre Bewegungen waren vollendet vornehm, und besonders ein gewisses hochfahrendes Wesen, verbunden mit der liebenswürdigsten Freundlichkeit, wirkte so, daß man ganz hin war, wenn man's sah. Gabst du ihr 'ne Laute in die Hände, so konntest du sie für eine Musikmeisterin halten; mit einem Buch sah sie aus wie 'ne Dichterin; mit dem Degen in der Hand wie 'ne Fechtmeisterin. Tanzen tat sie wie 'ne Hinde, singen wie ein Engel, spielen ganz unbeschreiblich schön; und mit ihren brennenden Blicken, in denen ein unerklärlicher Zauber lag, brachte sie alle um Sinn und Verstand. Wenn sie aß, schien sie die von ihr berührten Speisen zu vergolden, wenn sie trank, dem Wein einen besonderen Duft zu verleihen; schlagfertig im Gespräch, liebenswürdig, wußte sie über ernste Gegenstände mit einer Majestät zu sprechen, daß neben ihr Herzoginnen als schlumpige Bettpisserinnen erschienen. Die Kleider, mit denen sie sich schmückte, entwarf sie selbst, und ihre Toiletten fanden allgemeine Beachtung; manchmal erschien sie mit der Haube, manchmal in bloßen Haaren, die teils zum Knoten geschlungen waren, teils in Zöpfen herabhingen, mit einer Locke über dem einen Auge, daß sie dadurch zum Blinzeln gezwungen war, und o Gott! wie verstand sie das! Die Männer kamen vor Liebe und die Weiber vor Ärger um. Und zu ihren natürlichen Anlagen besaß sie noch eine Erfahrung, womit sie ganz überaus schlau alle ihre Liebhaber zu ihren Sklaven zu machen wußte; sie waren verloren, wenn sie einen Blick auf ihren wogenden Busen warfen, den die Natur mit Tautropfen von roten Rosen besprengt hatte. Oft spreizte sie ihre Hände aus, wie wenn sie einen Makel daran entdecken wollte – dann mußte man das Funkeln ihrer Diamantringe mit dem Funkeln ihrer Augen vergleichen, und so blendete sie den Blick, der sich auf ihre Hände lenken mußte und sich nicht wieder abwenden konnte, solange ihre eigenen koketten Blicke darauf ruhten. Wenn sie ging, berührte sie kaum den Erdboden, dabei tanzten ihre schönen Augen; und wenn sie sich mit dem Weihwasser die Stirn betupfte, machte sie eine Verbeugung, als ob sie sagen wollte: ›So macht man's im Paradiese!‹ Und mit all ihren Schönheiten, mit all ihren Tugenden, mit all ihrer Grazie konnte sie's doch nicht hindern, daß ihr Vater – (Ochse!) – sie mit einem Alten von sechzig Jahren verheiratete. Das heißt, für sechzigjährig gab er sich selber aus, aber alt wollte er beileibe nicht sein! Dieser ihr Mann ließ sich Herr Graf nennen von irgendeinem ihm zugehörigen alten Gemäuer mit zerbröckelnden Wänden und zwei Schornsteinen, und auf Grund eines Diploms auf Pergament und mit großem Bleisiegel, das ihm, wie er behauptete, vom Kaiser verliehen war und wodurch er das Vorrecht erlangt hatte, den Stutzern, die sich zu ihrem Vergnügen gern Löcher in die Haut machen, freien Kampfplatz gewähren zu dürfen. Fast jeden Monat fand ein solches Turnier statt, wobei er auftrat, als hielte er sich für die Potta von Modena5, und mit Genuß sah er die Maulaffen, die sich das Lanzenbrechen von Hinz und Kunz ansehen wollten, ihre Mützen ziehen. Am Tage der großen Turniere, da erschien er in pontifikaler Pracht, in einem mit vergoldeten Flittern übersäten Wams aus pfauenblauem Samt mit langen und kurzen Haaren, die nicht geschoren waren – denn diese Sorte Samt wird ja nicht geschoren – auf dem Kopf ein Barett mit Tellerdeckel, in einem grüngefütterten roten Mantel mit Kapuze aus Silberbrokat, wie sie früher die Studenten manchmal trugen, an der Seite den Degen, einen spitzspitzigen Degen, mit Messingknauf und in altertümlicher Scheide. Zunächst schritt er zweimal zu Fuß um die Stechbahn mit zwanzig barfüßigen Strolchen hinter sich, die Armbrüste oder Hellebarden trugen und zum Teil seine Lakaien, zum Teil von seinem Landgut zu diesem Dienst kommandiert waren. Dann bestieg er sein altes, mit Kleie dickgemästetes Schlachtroß, eine Stute, die hunderttausend Sporen sowenig wie ein einziges Paar je vermocht hätten, einen Sprung zu tun, und vor Schreck kroch er ganz in sich zusammen, wenn auch für ihn die Trompete zum Angriff blies. An solchen Tagen hielt er seine Frau hinter Schloß und Riegel; sonst schnüffelte er beim Kirchgang und an Festtagen und überall hinter ihr her, wie ein Gärtnerhund 'ner Hündin unter den Schwanz riecht. Im Bette erzählte er ihr seine Heldentaten aus seinen Soldatenzeiten, und wenn er ihr die Schlacht beschrieb, worin er gefangengenommen war, machte er mit dem Mund das Tuff! taff! der Bomben nach, wobei er sich wie ein Besessener im Bett herumwarf. Die arme Kleine hätte lieber ein nächtliches Lanzenstechen veranstaltet und kam ganz in Verzweiflung; manchmal, um wenigstens etwas zu haben, brachte sie ihn dazu, daß er auf allen Vieren auf dem Fußboden herumlief, dann ließ sie ihn einen Gürtel wie einen Zügel in den Mund nehmen, stieg auf seinen Rücken, spornte ihn mit den Fersen und ließ ihn springen wie er selber seinen Gaul. In solchem melancholischen Leben kam ihr plötzlich eine feinfeine Schelmerei in den Sinn.