Kitabı oku: «Drei Romane», sayfa 4

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5. Tag, Abu Simbel und Segeltörn

In der Nacht war ich nur einmal kurz aufgewacht, als Paul sich fertig machte zum Gehen. Den Wecker hatte ich auf halb acht gestellt, weil es nur bis halb neun Frühstück gab. Ich erwachte fröhlich und endlich einmal ausgeschlafen. Ich war so froh, dass ich nicht zu dem Ausflug mitgegangen war. Endlich mal Ruhe und ich konnte nachdenken. Beim Frühstück saß ich alleine an dem langen Tisch, aber es machte mir nichts aus. Vergnügt aß ich mein hart gekochtes Ei, etwas Toast und Käse. Später machte ich in der Suite auf dem Bett meine Rückengymnastik. Und dann, darauf hatte ich mich am meisten gefreut, ging ich nach oben an Deck zum Heck und schwang mich für eine dreiviertel Stunde aufs Laufband. Das war überhaupt nicht langweilig. Ständig kreuzten Schiffe und man konnte auf die ganzen Nil-Schiffe schauen, die wie eine kleine Stadt vor Assuan angelegt hatten. Nachdem ich geduscht hatte, packte ich mein Schreibheft ein und setzte mich wieder aufs Deck mit einem Cappuccino. In Bruchstücken schrieb ich das Erlebte nieder. Was würde noch kommen? Als ich genug hatte vom Schreiben, stand ich auf und ging bis zum Geländer ans Heck. In dem Moment passierte ein Boot voll beladen mit Müll das Schiff. Es stank fürchterlich. Der Dieselgeruch war fast genauso unerträglich. Was für eine Umweltsauerei wir Europäer in Ägypten anrichteten! Ich schaute noch mal nach unten auf den Nil. Links und rechts waren zwei Rettungsboote am Schiff befestigt. Dazwischen eine schmale Aussicht auf den Nil. Wenn sich da jemand hinunterstürzen würde! Der müsste elegant zwischen den beiden Booten hindurchfallen. Ich ging in die Kabine, um auf die Ausflügler zu warten. Draußen auf dem Balkon konnte ich auf die Uferpromenade blicken. Und kurze Zeit später kamen sie an. Ich sah, wie sich Paul mit Toni unterhielt. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Ich biss mir auf die Lippen. Waren sie sich auf der Fahrt ohne mich nähergekommen? Mein Herz pochte wie damals bis zum Hals, als ich diese Ahnungen hatte, dass Paul fremdging. Beim Mittagessen waren alle total fertig und müde, bis auf Paul. Alle beklagten sich, man hätte in dem engen Bus nicht schlafen können und Abu Simbel sei so überflutet von Touristen gewesen, dass es überhaupt keinen Spaß gemacht hätte. Nur Paul war guter Dinge, er hatte im Bus gut geschlafen. Ich sagte zu ihm:

„Du bist ein Monster, Paul.“ Normalerweise hätte ich das mit einem Lachen gesagt, aber mir blieb das Lachen im Hals stecken.

Nachmittags war noch ein leichtes Programm vorgesehen. Wir gingen auf Segeltörn. Paul und Toni hatten sich nebeneinandergesetzt und manchmal meinte ich, ihre Hände würden sich berühren. Oder bildete ich mir das nur ein? Reiner saß neben mir und ich beobachtete aus dem Augenwinkel, wie er giftige Blicke auf Toni absandte. Er schien jetzt total eifersüchtig zu sein. Ich durchschaute Tonis Spiel nicht. Ich hatte Fragen ohne Ende. Der Ägypter, der das Boot segelte, hatte nur noch drei Zähne im Mund und trotzdem hatte er anscheinend drei Frauen. Der Reiseführer erzählte, dass auf dem Land die Mädchen noch beschnitten würden. Die Jungen aus Reinheit sowieso. Die Fahrt war ruhig und beschaulich, wenn da nicht mir gegenüber Toni und Paul säßen, die wie vereint auf die Uferpromenade des Nils schauten. In mir kochte es.

Wenn ich über dich schreibe, denke ich an die weißen Mäuse, die ich unwiederbringlich verloren habe in meiner Kindheit. Die weißen Mäuse, Toni, das bist du.

Vor dem Abendessen saß ich alleine auf dem Deck und schrieb in mein Heft. Die ganzen Affären von Paul kamen wieder bei mir hoch. Und dass er mich überhaupt nicht mehr begehrte, war ein Fiasko. Fast begann ich zu weinen, als sich Toni zu mir setzte, ohne auch nur zu fragen. Sie sprudelte sofort los:

„Ich will deinen Paul, nicht Reiner. Paul ist so ähnlich wie Richard. Und ich glaube, es wäre okay, oder? Ihr wohnt doch nicht einmal zusammen, und verheiratet seid ihr auch nicht. Da kann ich doch dazwischengehen.“

„Aber Toni, ich dachte, du willst etwas von mir?“

„Das ist tatsächlich so, aber ich habe einen bestimmten Plan, den kein Mensch erfahren soll.“

„Also können wir nicht …?“

„Nicht auf diesem Schiff!“

„Ich will nicht, dass du mit Paul etwas anfängst.“

„Aber es ist nur ein böses Spiel.“

„Was für ein Spiel?“

„Das kann ich dir jetzt nicht sagen, vielleicht später einmal. Ich habe deine Adresse und werde dir schreiben. Ich verspreche es dir.“

„Nur damit du‘s weißt: Paul ist uralt, der kriegt sein verrostetes Ding bestimmt nicht mehr hoch. Glaub mir!“

„Darum geht es mir überhaupt nicht. Du kannst es nicht verstehen, erst später.“

Diesmal küsste mich Toni in aller Öffentlichkeit mitten auf den Mund, aber da keiner aus unserer Reisegruppe in der Nähe war, war das kein Thema.

Dichtung ist, wenn man etwas verdichtet. Wollte ich dich verdichten oder war es nur ein Traum, in dem ich im Geiste herumwandelte? Warst du mein Dichtungsring am Abflussrohr meiner Träume und Gedanken, oder brach diese Abdichtung und meine Dichtung schoss unaufhaltbar hinunter in den Abwasserkanal?

Beim Abendessen hatte sich Toni den Teller vollgeladen und sagte mit vollem Mund kauend:

„Ich habe, glaub ich, schon drei Kilos abgenommen von dem Stress.“ Gisela schob mit der Gabel ein einziges Stück Gurke hin und her und erwiderte höhnisch:

„Auch wenn du dich noch so anstrengst, du bekommst keinen unserer Männer, und dein Richard, der ist tot! Du bist alleine! Und überhaupt, was willst du von Reiner oder Paul, die beiden sind uralt. Da geht nichts mehr im Bett!“

„Vielleicht bringt Reiner nur mit dir nichts im Bett zustande, weil du so eine Schreckschraube bist und die ganze Zeit wie ein Sauertopf dreinschaust.“

Ich saß da und schaute Paul an, als ob ich ihn fragen wollte: Stimmt das? Aber er schien gar nicht zugehört zu haben, wie immer war er in seine Ägyptologie-Welt abgetaucht.

Später stritten Paul und ich in der Kabine. Ich schrie ihn mit gebleckten Zähnen an. Ich wollte ihn jetzt endlich mal aus der Reserve locken. Schließlich hatte ich ja jetzt so was wie Toni im Hintergrund. Über meine Gefühle war ich mir nicht klar. Wollte ich mit Paul zusammen sein oder mit einer Frau? Was war ein Mann wert, der mich ständig betrog? Was sagte der Kuss einer Frau aus, die ich kaum kannte? Ich war am Rande eines Nervenzusammenbruchs, meine Hände zitterten und meine Mundwinkel zuckten, als ich sagte:

„Hast du dich jetzt auch noch mit dem „Toni-Virus“ infiziert?“

„Was soll das, Annika?“

„Meinst du, ich habe das nicht bemerkt, dass du die ganzen letzten Jahre immer fremdgegangen bist?“

Er wurde blass.

„Wie hast du das bemerkt?“

„Du hast nach Sex gerochen, obwohl du mich gar nicht angerührt hast.“

„Und warum sagst du erst jetzt etwas dazu?“

„Weil ich Toni kenne, deine anderen Weiber kannte ich nicht.“

„Das tut mir leid.“

„Das tut mir leid, das tut mir leid“, äffte ich ihn höhnisch nach. „Und was ist mit mir? Warum hatten wir all die Jahre keinen Sex mehr?“

„Das ist etwas anderes. Du bist meine Frau und ich will dir die Schweinereien ersparen.“

„Seit wann ist Sex eine Schweinerei? Das kann doch auch schön sein!“

„Das ist nicht das, was ich meine …“

„Was meinst du?“

„Das kann ich dir nicht sagen, das ist zu dreckig.“

„So dreckig, dass du es mit anderen Frauen machst?“

„Ja, genau.“

„Und jetzt auch mit Toni?“

„Ich weiß noch nicht.“

„Wenn ich euch erwische, ist Schluss.“

Er wurde kreidebleich.

„Aber Annika, Annika, das kannst du doch nicht machen!“

„Haha, spielst dich immer auf, als ob du alles wüsstest, aber gefühlsmäßig bist und bleibst du ein kleines Würstchen, das deine Mutter immer zur Sau gemacht hat.“

Um vier Uhr morgens erwachte ich. Die andere Bettseite war leer. Paul war nicht da. Ich wusste, dass er zu Toni gegangen war. Ich dachte, ich könnte noch mal schlafen, aber es klappte nicht. Ich wälzte mich hin und her. Gegen sechs Uhr kam Paul zurück. Ich sagte zu ihm: „Jetzt ist es aus!“

„Aber Annika, du bist doch meine Frau!“

„Ach ja?“

Er schlief sofort ein, aber ich wälzte mich so lange herum, bis ich aufstand und hoch an Deck ging. Toni saß alleine oben in einem Liegestuhl, in eine Decke gehüllt und starrte in das Morgengrauen. Morgengrauen sagte ich mir, nicht umsonst hieß das so. Es war eiskalt. Trotzdem setzte ich mich neben sie. Sie schaute mich nicht an und sprach:

„So habe ich mir das nicht vorgestellt.“

„Was?“

„Die Reise.“

„Stimmt etwas nicht?“

„Ja, ich habe Selbstmordgedanken.“

„Wegen mir?“

„Wegen allem. Wenn das morgen passiert, dann nicht wegen dir. Ich liebe und schätze dich, Annika. Ich glaube, wir wären ein gutes Paar. Aber die Männer? Pah!“

„Was ist dir in deinem Leben passiert?“

„Ich werde es aufschreiben und dir schicken, ich habe deine Adresse.“ Plötzlich stand sie auf, küsste mich wieder und verschwand.

Ich wollte ihr hinterhergehen, aber irgendetwas hielt mich zurück. Es war wahrscheinlich jene Mauer, die mir sagte, ein Kuss, aber nicht mehr. Es war für mich rein platonisch. Mehr würde ich ihr niemals geben können. Vielleicht hatte ich mich auch mit Paul in einem Sarg der platonischen Liebe begraben. Ich wusste keine Antwort auf meine Haltung zur Liebe. Irgendwo war sie mir in meiner Beziehung zu Paul völlig abhandengekommen. Wo war ich eigentlich noch? Ich trieb in einem Nowhere, irgendeinem Meer, das die körperliche Liebe nicht kannte.

Ich beobachte wieder die Bienen. Mittlerweile haben sie sich auch das zweite Loch im Tisch ausgesucht. Auch der Mensch braucht immer zwei Optionen. Wäre Toni auch eine Option? Einen Tag später war das Loch, das sich die Bienen als erste Option gesucht hatten, verschlossen. Soll ich mit Paul abschließen?

6. Tag, Rückfahrt nach Luxor

Ich saß auf dem Raucherbalkon. Ich wollte nicht an Deck gehen und Toni sehen. Ich wollte über mich selbst nachdenken. Die Sonne warf Silberstreifen, die wie Irrlichter glitzerten, ins Meer. Wir hatten gerade von Komo Ombo abgelegt und fuhren zurück in Richtung Luxor.

Ein anderes Kreuzfahrtschiff folgte uns. Ich trug draußen auf meinem kleinen Balkon wieder meinen Wintermantel. Am Himmel zog eine Wolkendecke auf, durch die die Sonne immer wieder durchbrach. Das Geräusch der Wellen beruhigte mich ein wenig. War eine platonische Beziehung nicht genug?, zog ein Gedanke durch mein Hirn. Wir passierten eine kleine ärmliche Hafenstadt. Bunte Boote wiegten sich im Nil. Eine Fährstation unweit davon. Danach nur grüne Wälder mit Palmen. Heute Morgen kam in den Nachrichten, dass Trump den Irak mit Drohnen angegriffen hatte, nachdem Demonstranten in Bagdad im Irak versucht hatten, die amerikanische Botschaft zu stürmen. Zwei wichtige Leute aus dem Militär waren nach dem Angriff ums Leben gekommen. Paul hatte mir die politische Situation erklärt. Er und sein Hirn. Das würde mir ewig bleiben, dafür liebte ich ihn. Aber war ich überhaupt noch zu körperlicher Liebe in der Lage? Was war in der letzten Nacht mit Paul und Toni passiert? Warum konnte ich jetzt einfach hier so untätig dasitzen und in den Nil starren? War ich jetzt alt, oder was? Oder war ich schon lebendig begraben in einem ägyptischen Grab? War ich eine Mumie, die niemand wollte? Hier und da zogen einzelne verlassene Häuser vorbei. Eine einzige schwarz-weiß gezeichnete Kuh weidete am Rand des Flusses. Rohre aus dem Nil versorgten ein Haus mit Trinkwasser. Ein Fischer saß neben seinem bunten Boot im Sand. Danach schaukelte blühendes Schilf im Wind, während ein Fischreiher lauernd und unbeweglich, zu einer Salzsäule erstarrt, im Uferwasser stand und dahinter drei schwarze Büffel ihr kleines Stück Weide bearbeiteten. Ja, ich war erstarrt wie eine alte Jungfer, nachdem Paul mich nicht mehr begehrte. Kein einziges Mal hatte ich mir die Muße gegeben, mich auf etwas Neues einzulassen. Ein Roman hatte den anderen abgelöst. Meine sexuellen Gedanken waren ein einziger Hirnfick gewesen. Sonst nichts. Das Leben um mich war zerronnen und hatte sich stattdessen nur in Büchern abgespielt. War das das Schicksal einer Schriftstellerin? Einige Zeit später schleuderte ein Kraftwerk seinen Ruß in den Himmel. In Edfu angekommen sangen zwei Muezzins gleichzeitig, eine hohe und eine tiefe Stimme. Die beiden Muezzins waren Symbol für meine Bisexualität, die ich nicht hatte. Höhnisch lachte ich in mich hinein. Ich war ein Nichts in dieser Gesellschaft, die fröhlich ihre Sexualität auslebte. Die Pferdekutschen warteten auf Touristen. Trotz der Sonne, die durch die Wolken schien, blies der Wind eiskalt.

Der Bohrer der Nachbarn dringt in meine Synapsen. Er will nicht aufhören. Jedes Mal, wenn ich denke, es ist Schluss, fängt er wieder an. Er ist ein Unterbrechungsfaktor beim Schreiben. Er bohrt immer noch. Mittlerweile ist er bei meinen Ganglien. Panikartig verlasse ich meinen Schreibplatz und renne hinaus auf die Straße. Ich will schreien, aber es kommt kein Ton heraus.

Jetzt war es Nacht. Wir fuhren in die Schleuse. Ich stand alleine in der Dunkelheit. Meine Gedanken hämmerten auf mich ein. Die Trennung von Paul würde mir das Genick brechen! Das Schiff sank mehrere Meter nach unten und wir fuhren unter einer Brücke hindurch.

Jetzt wurde mir klar, woher dieses metallische Geräusch kam, das ich in der Silvesternacht gehört hatte. Es kam von der Autobrücke, die über die Schleusenausfahrt führte. Die Autos fuhren mit einem lauten metallischen Donnern an bestimmten Stellen über die Brücke. An diesen Stellen schien die Brücke einen Metallboden zu haben. Ich war also nicht verrückt. Und einen Nervenzusammenbruch hatte ich auch nicht. Mit Paul hatte ich kein Wort mehr geredet. Ich fragte mich, wie wir die letzte Zeit miteinander in einer Kabine sein konnten.

Das Schiff durchquerte langsam mit einem Vibrieren die Dunkelheit in Richtung Luxor. Beim Abendessen hatte Toni richtig hübsch ausgesehen, sie hatte sich geschminkt und hatte unverhohlen mit Reiner und Paul geflirtet. Gisela saß blass neben Toni und aß nur zwei Tomaten, zwei Gurkenscheiben und eine Orange. Toni war beim Abendessen in Tränen ausgebrochen, denn Gisela hatte zu ihr gesagt: „Vielleicht wird dich ja bald dein verstorbener Mann mit seiner dunklen Seele heimsuchen. Dann wirst du verrückt.“ Nachdem Gisela dies gesagt hatte, hatte Toni ein Glas Rotwein nach dem anderen getrunken. Reiner trank mit und verabschiedete sich kurz darauf schlaftrunken in die Kabine. Nachdem er weg war, sagte Toni zu mir:

„Ich werde mich umbringen.“

„Aber warum?“

„Ich halte das alleine hier auf der Welt nicht aus.“

„Du findest bestimmt wieder jemanden, glaub mir, aber bring hier bitte nicht alle Beziehungen durcheinander.“

Später stand Toni am Heck an der Reling und starrte nach unten in den schwarzen Nil. Das Schiff war kurz vor dem Einlaufen in Luxor.

Ich beobachtete sie, während ich eine Zigarette rauchte und hin und wieder an meinem Wein nippte. Ich würde sie nicht trösten können. Dazu waren meine Gefühle zu durcheinander.

Gisela kam an Deck und ich sah, wie sie die Gestalt von Toni wahrnahm. Sie ging an mir vorbei auf Tonis Rücken zu. Ich überlegte, ob ihr jetzt vielleicht eine weitere Fiesheit entfuhr oder ob sie Toni trösten wollte. Da hörte ich Giselas Stimme: „Spring, spring, spring! Nichts wird gut werden. Du bist doch eh schon depressiv. Der Nil wird dich aufnehmen und dann bist du mit deinem Mann wieder vereint im Paradies. Reiner und Paul bekommst du nicht! Wie kannst du das nur hoffen? Bist du blind?“ Wie ein Automat stand ich auf, um Linda und Jakob als Beistand zu holen. Ich rannte unter Deck und klopfte an ihrer Kabine: „Kommt schnell!“, rief ich. „Toni steht an der Reling und Gisela hinter ihr!“ Die Tür wurde aufgerissen und Linda stürzte an mir vorbei. Ihr folgte Jakob. Was das Zeug hielt, rannte ich den beiden hinterher.

Oben an Deck sah ich, dass Toni auf die Reling geklettert war. Gisela immer noch in ihrem Rücken. Linda und Jakob, die zwei Eichen, standen jetzt jeweils rechts und links von Toni wie zwei Wächter. Als ich näherkam, hörte ich die beiden verschwörerisch auf Toni einreden, während Gisela immer noch rief: „Spring schon!“ Wie viel Hass und Boshaftigkeit musste in Gisela stecken! Da passierte es. Toni sprang direkt zwischen die unten vertäuten Rettungsboote mit einem eleganten Hechtsprung in den dunklen Nil. Ich zögerte. Sollte ich hinterherspringen? Ich war doch so eine gute Schwimmerin! Aber im Nil schwimmen? Nachts? Ich würde sie nicht mehr finden. Gisela lachte hysterisch. Linda rannte weg, um Hilfe zu holen. Das Boot musste gestoppt werden. Nach einer halben Minute waren die Motoren aus. Die Rettungsboote wurden hinuntergelassen. Aber Toni blieb verschlungen vom schwarzen Nil. Osiris hielt sie fest umklammert mit seinen Klauen.

Die ganze Reisegruppe stand verstört an Deck. Keiner sagte etwas. Reiner meinte schließlich:

„Aber sie hatte doch eine Hoffnung, eine Kraft in sich. Ich verstehe es nicht.“ Ihm liefen die Tränen übers Gesicht. „Ich bin schuld.“

Paul sagte darauf:

„Sie hat gespielt und sie hat verloren.“

Ich fragte:

„Warum hat sie gespielt, Paul?“

„Da war nichts, ich habe sie ja in ihrer Kabine besucht und sie war ein heulendes Elend. Sie sprach immer wieder von Selbstmord, und bei so was bin ich der Falsche, ich kann nicht trösten. In dem Punkt bin ich hilflos.“

„Also hast du nicht …?“

„Nein. Und du, Reiner?“

„Sie hat sich die ganze Zeit nur ausgeweint. Sie wollte gar nichts von mir. Sie hat uns allen etwas vorgespielt.“

Ich fragte: „Inwiefern vorgespielt?“

„Das darf ich nicht sagen, denn es wäre ein weiterer Verrat an ihr. Es wird mein Geheimnis bleiben.“

„Das verstehe ich nicht. Wie sollen wir jetzt damit umgehen?“, fragte ich. Reiner und Paul raunten im Chor:

„Wir wissen es nicht.“

Gisela schaute auch ganz betreten, sie hatte den Kopf eingezogen und stand mit hängenden Armen da.

Ich sagte zu Gisela: „Du bist schuld, dass sie gesprungen ist.“

Schluchzend sagte Gisela: „Sie hatte doch Selbstmordgedanken. Ich habe vielleicht etwas nachgeholfen.“

Linda und Jakob sahen sich an und Linda sagte zu Jakob:

„Vielleicht sind wir schuld, wir hätten ihre Selbstmordgedanken ernster nehmen sollen.“

Militärpolizei-Boote fuhren jetzt auf dem Nil, um nach Toni zu suchen, aber sie fanden nichts außer einer Blondhaar-Perücke.

Wir alle kehrten traurig und befremdet in unsere Kabinen zurück, und ich nahm an, dass auch die anderen in dieser Nacht so gut wie gar nicht schliefen.

Zwischen Paul und mir kam es zum Streit.

Ich feindete ihn an:

„Auch wenn du nicht mit Toni fremdgegangen bist, du hattest es vor, das stimmt doch, oder?“

„Ich hatte keinen Plan, Annika.“

„Das glaube ich dir nicht, du wolltest mich betrügen! Und diesmal mit einer Frau, die ich kannte! Dazu noch auf dem engen Raum eines Schiffs. Du bist das Allerletzte, Paul.“

Er stand mit gesenktem Kopf da. Seine Arme hingen wie Mehlsäcke von seinen Schultern.

„Ich weiß nicht, wie ich diese Nacht neben dir schlafen soll.“

„Toni hatte sie nicht alle“, stieß er hervor.

„Da war was …“

„Was?“

„Es ist so übel, das kann man nicht erzählen.“

Ich horchte auf. „Sag schon!“

„Sie hat doch alle gegeneinander ausgespielt. Das ist nicht normal, außerdem …“

„Außerdem was?“

Er sagte leise: „Ich glaube, die war Borderlinerin.“

„Hä, wieso denn das?“

„Es war echt gruselig. Sie hatte Blut an ihren Pulsadern.“

Ich war wieder im Garten, den Rasen gießen. Eine Meditation hat sich nicht eingestellt. Demnächst werde ich die jungen Grashalme einzeln wieder herauszupfen, ich werde sie umbringen, wie Toni sich umgebracht hat.

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