Kitabı oku: «Der letzte Flug des Chyratos», sayfa 2

Yazı tipi:

Ich will leben!

Ich fliege hinein in das Blau, es ist ein himmlisches Blau und lässt sich mit gar nichts anderem vergleichen. Ich steige höher und höher mit einer Leichtigkeit, welche ich so noch nie gespürt habe. Unter mir folgt Femina, diesmal habe ich sie überholt, ich steige weiter und weiter. Ein wunderbares Gefühl der Freiheit ist das. Von oben sehe ich auf meine Femina. Ihre Zeichnung ist wunderschön. Es spiegelt ihren Charakter wider, zackig bunt gemischt mit einer gewissen Eleganz. Ihr stromförmiger Körper und ihr sportliches Ganzes sind einfach umwerfend. So könnte es für immer bleiben. So muss der Himmel sein und nicht anders. Nur eines stört mich ein wenig, es ist dieses Zwicken und Pecken, das ich verspüre. Nein, ich lasse mir den Himmel nicht so einfach wieder wegnehmen. Doch es hört nicht auf, es wird stärker und tut weh, sehr weh. „Steh endlich auf, Fred“, höre ich von weitem jemanden sagen. „Steh auf, du größter aller Vögel.“ „Nein, ich will nicht“, murmle ich vor mich hin. „Steh auf, kaiserlicher Gebieter, oder soll ich dir den Hintern wund picken?“ „Was erlaubst du dir eigentlich?“, spreche ich so im Unterbewusstsein, „wer bist du eigentlich?“ „Dein verrücktes Küken, das mit dir geflüchtet ist.“ „Wovor geflüchtet?“, frage ich nach. „Na, vom Speicher, von der Strahlung usw.“, antwortet das Küken. Jetzt dämmert es mir wieder, „ja genau, wir mussten weg, ich habe zuerst Femina gepackt und dann dich, und mit einem Male war es finster.“ „Femina, wo ist Femina?“, rufe ich laut. Ich öffne meine Augen und fange wie wild an zu suchen. „Sie ist hier“, spricht der kleine Vogel mit verhaltener Stimme und zeigt nach links. Ich springe auf und renne zu ihr. Ich rüttle und schüttle sie und schreie laut: „Steh auf, Femina, steh endlich auf!“ Doch sie rührt sich nicht und lässt den Kopf hängen. „Was ist mit ihr?“, frage ich den Kleinen. „Sie ist, ja, sie ist …!“ „Ja, was ist sie?“, brülle ich ihn an. Er traut es sich fast nicht auszusprechen. „Sie ist tot, sie hat es nicht geschafft.“ „Nein, Femina, das kannst du mir nicht antun. Los, sprich mit mir, gib wenigstens ein Zeichen, wenn du zu schwach bist. Ich pflege dich wieder gesund!“ Doch sie rührt sich nicht. Tränen rinnen mir über die Wange entlang vom Scheitel über den Schnabel hinunter. Es tropft und tropft, wie ein Wasserfall rinnt der Bach.

„Warum weinst du?“, höre ich plötzlich eine Stimme. Es ist Feminas Stimme, ja, ganz deutlich kann ich sie hören. „Ich bin doch hier“, gibt sie zu verstehen! Ich blicke auf den toten Körper, und bemerke: „Aber du bist doch gestorben!“ „Nein, ich lebe und war immer neben dir.“ Da geht es mir durch den Kopf, ja, diese innere Stimme, diese vertraute innere Stimme. „Du warst immer da, und ich habe es nicht bemerkt. Du hast mich geführt. Aber jetzt, was ist jetzt? Ich will zu dir, ich will auch sterben, dann sind wir wieder vereint.“ Einen kurzen Moment herrscht vollkommene Stille, doch da höre ich sie wieder, diese Stimme. „Nein, du musst sie aufhalten, du darfst sie nicht gewinnen lassen.“ „Wen darf ich nicht gewinnen lassen?“, frage ich zurück. „Na, die Menschen, welche alles zerstören und beherrschen wollen.“ „Ich kann das nicht“, entgegne ich. „Ich bin schwach, was soll ich gegen Maschinen und Strahlungen schon ausrichten? Ich will einfach nur zu dir, soll doch die Welt untergehen, denn ohne dich ist es hier eh nicht mehr lebenswert.“ „Tu es für mich, Fred, ich begleite dich, ich begleite dich …!“ Langsam verhallt die Stimme. „Femina, verlass mich nicht!“ „Mit wem redest du da?“, stupst mich das Huhn an. „Na, mit meinem Geist, der sagt, ich soll nervige Hühner einfach auffressen“, entgegne ich. Erschrocken weicht es zurück. „Sie ist es, nicht wahr? Du redest mit Femina, gib es ruhig zu.“ „Du hast ja Recht“, antworte ich. „Sie will, dass ich sie aufhalte und sie will, dass ich lebe.“ Ja, ich will leben, und tue es für sie. „Ich will leben“, rufe ich in den Himmel, „und ich werde sie aufhalten, und wenn ich dafür die Atmosphäre durchbrechen muss. Und du, kleiner Vogel, du hilfst mir dabei. Wie heißt du eigentlich?“ „Darf ich mich vorstellen, ich bin Niki Huhn, mein Vater war Nikolaus Hahn und meine Mutter war Henriette, die Nette, meine Oma war Charlotta …“ „Schon gut, Niki, du darfst mich Fred nennen.“ Wir kreuzen die Schnäbel, und sind von nun an Schnabel-Hacken-Brüder. Zur Draufgabe machen wir auch noch den Buschwind-Federntanz und tollen lustig umher. In meinem Inneren spüre ich auch Femina, welche lachend von oben auf uns herab blickt, und sich denkt: „Vögel sind komische Geschöpfe.“

Nach einer Weile der Ruhe rüttelt mich Niki. „Es ist wieder da, spürst du es auch?“ Ja, jetzt vernehme ich es auch. Wie bei einem Kochtopf fängt mein Blut an sich zu erwärmen, bis es kocht. Die Adern schwellen an, als wollen sie aufplatzen. Meine Nervenstränge stehen unter Strom. Unerträglich ist dieser Zustand. Man ist total hilflos, plötzlich ist einem alles egal, man will nur, dass es aufhört. Ja, sie senden wieder, und diesmal verspüre ich das Signal noch viel, viel stärker. „Wir müssen weg von hier“, bemerkt Niki angstvoll. „Ich kann nicht, ich bin noch zu schwach, ich kann jetzt nicht fliegen, besonders nicht, wenn diese Energie da ist. Es brodelt in mir, ich werde bald zerspringen“, stöhne ich vor mich hin. Da verspüre ich wieder diesen Pecker. „Aua, willst du, dass ich aufplatze und verglühe?“, pfauche ich den kleinen Mistvogel an. „Nein, ich will leben, und du auch, heb sofort die Schwanzfedern auf und lass uns verschwinden.“ „Aua!“, schon wieder ein Pecker, „du nerviges Küken, Niki.“ Ich erhebe mich und besinne mich auf Feminas Worte. „Plustere dich auf, verschließe die Federn, lass die Strömung nicht durch deinen Körper.“ Mit aller Kraft versuche ich, die Luft unter mein Federkleid zu kriegen. Tatsächlich, es funktioniert, ich wachse und werde größer, gleichzeitig kühlt es ein bisschen. Fast unerträglich laut ist es mit einem Male im Kopf. „Lass es nicht zu, lass dich nicht beherrschen von dieser unsichtbaren Macht.“ Mein Kopf dröhnt, es schmerzt und es ist nicht zu ertragen. Ich presse gegen das Eindringen dieser Töne, ich presse und presse und schließe den Gehörgang. In diesem Moment breche ich wie ein Vulkan aus, schnappe schnell noch Niki und schieße wie ein Pfeil in die Höhe. Wie ein Zischer klingt mein Start. Mit hoher Geschwindigkeit steigen wir empor, ohne Kontrolle und ohne Richtung geht es nur senkrecht nach oben. Mit jedem Meter Höhe geht die Temperatur zurück. Unter uns sehe ich das Wolkenmeer, und plötzlich stabilisiert sich alles, nur der Außendruck steigt. „Kehr um“, ruft Niki, „ich bekomme keine Luft mehr, ich ersticke.“ Wild schlage ich mit den Flügeln, doch jedes Manöver bleibt ohne Reaktion. „Ich kann es nicht steuern!“, rufe ich zurück. Wir treiben führerlos Richtung Atmosphäre. „Lass einfach die Luft raus“, höre ich Niki sagen, dann verstummt sie. Sie ist ohnmächtig geworden und ihr Kopf fällt zur Seite. Ich bin so müde, ich könnte sofort einschlafen. „Nur nicht nachgeben, du darfst jetzt nicht einschlafen.“ „Fred, bleib wach!“, rufe ich laut durch diesen schwerelosen Raum. Da schließen sich meine Augenlider und eine lange Nacht beginnt.

Auf der Alm

„Du hattest wirklich viel Glück, du großer dummer Vogel du. Wie kann man auch nur einfach vom Himmel fallen? Sag, konntest du nicht einmal fliegen, wozu hast du auch diese komischen Dinger da an beiden Seiten? Fällt mir direkt aufs Dach ohne zu bremsen, Sachen gibt es. Na, in dieser Zeit ist alles möglich, alles ist verdreht und verrückt. Die Welt steht sowieso nicht mehr lange, aber bis es so weit ist, lassen wir es uns gut gehen hier oben. Von niemandem lasse ich es mir nehmen, dieses Leben und diese Freiheit. Ich muss echt lachen über diesen Vogel, hält noch dazu ein Huhn unter dem Arm, oder sollte ich besser sagen unter dem Flügel? Wir bekommen das schon wieder hin, schließlich habe ich so meine Methoden, und dies wäre nicht das erste Mal, dass ich jemanden wieder auf die Beine oder die Stelzen bringe.“

„Das ist nur Dominique, du wirst sie nicht verstehen. Sie redet oft so vor sich hin. Ist aber ganz nett und lustig.“ „Ich verstehe nicht, wer redet da mit mir?“ „Hallo, mein Großer, ich bin es, Niki, dein Begleithuhn.“ „Niki, mein Begleithuhn“, beginnen meine Sinne wieder zu arbeiten. Ich öffne die Augen und ein kleiner gelber Schnabel ragt mir entgegen. „Du hast aber lange geschlafen, du Absturzadler“, redet Niki weiter. „Wie lange habe ich denn geschlafen?“, frage ich zurück. „Na, es waren sicher ein paar Tage oder so“, berichtet das zerrupfte Huhn. „Wo bin ich?“, frage ich weiter. „Wir sind in großer Höhe in einem Haus, oder soll ich Almhütte sagen?“, kichert es vor sich hin. „Warum lachst du?“ „Na, sieh selber.“ Ich richte mich ein wenig auf und schaue mich um. Dampf und Nebel durchziehen den Raum, vielleicht ist es auch Rauch, ich weiß es nicht. Da vorne ist ein Herd, und aus den Töpfen, welche drauf stehen, brodelt und quillt es nur so heraus. Ich würde sagen, wir befinden uns in einer Hexenküche oder einer Zauberwerkstatt. Es ist so mystisch, düster und geheimnisvoll. Ich will mich weiter bewegen, doch es schmerzt überall, und meine Bewegungen sind eingeschränkt. „Aua, aua“, seufze ich vor mich hin, und bemerke, dass ich einen weißen oder doch etwas schmutzigen Verband trage. Besonders betroffen sind der rechte Flügel und das linke Bein. „Sie hat dich wieder zusammengeflickt“, bemerkt Niki mit einem Grinsen im Gesicht. „Ist sie neben einer Hexe auch noch Tierarzt oder so?“, entgegne ich ihm. „Das könnte man so sagen, aber sie ist gut, und hat es voll drauf.“ „Wie meinst du das?“ „Zuerst hat sie dir den lahmen Flügel gebrochen, oder vielleicht hat sie ihn nur eingerenkt, mit Nadel und Zwirn die Schrammen genäht, dann noch mit einem Stock geschient und verbunden. Des Weiteren hat sie dein linkes Augenlid hochgezogen, mit einem Gummiband verbunden, das es hochhält und dass es doch beweglich bleibt. Drittens hat sie dir die Krallen geschnitten und dein abgebogenes Bein in Stellung gebracht, wieder geschient und mit einem Stützstrumpf überzogen. Du siehst aus wie ein Uhu nach dem Waldbrand, total zerpflückt, bunt, mit fetzigem Outfit. Du müsstest dich sehen können“, bemerkt der Gockel und lächelt dabei. „Du kleines schadenfrohes Luder, wie kannst du es wagen, den König der Lüfte auszulachen!? Und dir ist natürlich nichts passiert?“, frage ich Niki. „Nein, kleine dumme Hühner haben immer Glück, ich bin unversehrt geblieben, doch nur weil du mich mit deinem Federkleid geschützt hast.“ Niki rennt auf mich zu, umarmt mich, dockt mit seinem Schnabel an den meinen, und ruft laut: „Danke!“ „Ist schon …“, versuche ich sie abzuwehren. „Nein, ein Dankes-Pecker muss sein“, und hackt weiter herum. „Erzähl mir lieber, was genau passiert ist.“ Niki berichtet vom Raketenstart senkrecht in die Lüfte hinauf, vom schwerelosen Raum, von der Ohnmacht, und dann vom Aufprall auf der Hütte, und dass sie im Suppentopf gelandet ist, und fast ertrunken wäre, hätte Dominique sie nicht gerettet. Komisch, ich kann mich an gar nichts mehr erinnern, es ist wie ein Filmriss.

In diesem Augenblick kehrt Dominique zurück und beginnt wieder zu sprechen. „Na endlich, es wurde auch schon Zeit, dass du munter wirst“, spricht sie mich an. Behutsam nimmt sie mich und probiert mich aufzustellen. Wackelig und zittrig halte ich mich auf den Beinen. „Funktioniert doch“, bemerkt sie nebenbei. Ich versuche mit meinem „Adlerisch“ zu antworten. „Sie kann dich nicht verstehen“, gackert Niki dazwischen. „Hauptsache ist, wir können sie verstehen. Ich sage dir eines, hier bleiben wir, es ist wie in einem Fünfsternehühnerstall. So gut versorgt wurde ich schon lange nicht mehr.“ Niki stochert weiter in ihrer Schale mit Körnern und Samen. Da beginnt Dominique mich abzutasten, bemerkt dazu gleich: „Wehe, wenn du mich pickst mit deinem langen großen Schnabel, dann mache ich eine Adlerbrühe aus dir!“ „Es heilt gut“, spricht sie so vor sich hin, „du wirst bald wieder fliegen können, vorher müssen wir dich aber wieder zu Kräften bringen. Bleib so stehen, ich hole dir etwas“, redet sie weiter, und verlässt den Raum. Kurzum kehrt sie mit einer Schüssel zurück, und was erblicken meine Adleraugen da? Fleisch, richtiges Fleisch. Mit kleinen Happen beginnt sie mich zu füttern, zuerst langsam, aber dann schlinge ich die Stücke nur so hinunter. Es ist eine Ewigkeit her, dass ich so gespeist habe. In meinem Magen rumort es ein wenig, er muss sich erst wieder an die Zersetzungsarbeit gewöhnen. Mit dem Fleisch kehrt wieder Leben und Energie in meinen Körper zurück. Nach dem Mahl streicht Dominique über mein Federkleid. „Du bist schön, sehr schön sogar, du bist ein edles Tier“, sagt sie zu mir. Ich gurgle zurück, und sie weiß, dass ich sie verstanden habe. Ganz entspannt, mit vollem Bauch, betrachte ich Dominique genau. Mag der erste Eindruck etwas schrullig erscheinen, so ist sie doch eine hübsche Frau. Das kurze schwarze Haar steht ihr gut, eingefasst in ein buntes Band, welches die Frisur zusammenhält und die Stirnfalten verdeckt. Das runde Gesicht ist geschmückt mit den dunkelbraunen Augen, und die roten Wangen sind auch nicht ohne, selbst die kleine Warze auf der Nase schmälert ihre Eleganz nicht, und wenn schon, sie ist halt eine Hexe. Sie hat mir das Leben gerettet und hat ein gutes Herz. Sie trägt einen roten Pullover und eine schwarze Hose, doch was sehe ich da? „Schuhe mit Absätzen, echt schräg“, bemerke ich in meinem Unterbewusstsein. Die Lady ist echt abgefahren.

„Genug mit Träumen“, packt mich Dominique auf einmal, und schleppt mich hinaus vor die Hütte. Die Sonne scheint ganz grell. Meine Augen vertragen das noch nicht so ganz und müssen sich erst daran gewöhnen. Nach einer Weile kann ich diese fremde Welt erblicken. Wunderschön liegt sie da, diese Hütte, inmitten eines Hochplateaus umrahmt von Bergen. Ganz weit vorne glitzert ein See in der Sonne. Es gleicht einem Paradies, und erinnert mich wieder an früher. Bilder von unserem Adlerhorst in den zirbischen Bergen gehen mir durch den Kopf, der blaue Himmel und die Sonne, welche die Natur berührt und schimmern lässt, wie im Paradies. „Femina!“, rufe ich laut, der Gedanke an früher holt mich in die Realität zurück. Ich senke mein Haupt. Dominique bemerkt dies sofort, und fängt mit mir zu reden an: „Na, wer wird denn bei so einem Wetter traurig sein? Lass einfach die Vergangenheit hinter dir, schau in dieses Land und gestalte dir deine Zukunft neu!“ Sie wischt mir über den Kopf, streicht mit einem verkehrten Löffel über die Federn in alle Richtungen, zerstäubt das Ganze und beginnt zu blasen. Etwas beängstigend ist das schon. Es hat etwas mit Magie oder so zu tun. Hauptsache es hilft, meine dunklen Gedanken sind wie weggeblasen, und auch die Schmerzen sind nicht mehr zu spüren. Ich hebe meinen Kopf und man kann es an meinen Augen sehen, dass ich mich wohlfühle. „Die kann echt was, die Alte“, bemerkt Niki, welche gerade um die Ecke kommt, hüpft auf meinen Rücken und zieht mir die letzte Laus unter den Federn heraus. Laut ertönt unser Gelächter oder „Gegackere“, und selbst Dominique schmunzelt vor sich hin und sagt: „Danke, Herrgott, du hast mir lachende Vögel geschickt, die können nur aus dem Himmel gefallen sein!“

Die Versuche

Mir geht es von Tag zu Tag besser. Die Therapie von Dominique schlägt voll an. Ich hüpfe sogar auf einem Bein über den Vorhof. Das andere kann und darf ich noch nicht belasten, aber ich hasse diesen schrecklichen Stützstrumpf, wie das aussieht! Ich spüre ein leichtes Zucken und Kribbeln im Flügel, „ein gutes Zeichen“, meint Dominique, „der Lebensstrom kommt zurück“, bemerkt sie lächelnd. Niki hat sich als Küchen- und Siedegehilfin etabliert. Sie bringt Dominique die Zutaten ihrer Mixturen, aber meist die falschen, doch wie soll ein dummes Huhn auch was von Heilkunde verstehen? Auch mein Geist wird wieder aktiv. Mir fällt vieles auf. Mir fällt auf, dass wir hier nur Kerzenlicht benützen, und keine etwaigen Leuchtgefäße mit Zuleitung und Masten zu finden sind. Mir fällt auf, dass der Holzvorrat sehr groß ist, und jeden Tag der Herd und der Kessel erhitzt werden. Mir fällt auch auf, dass Dominique keines dieser komischen Dinger, welche sich die Menschen an die Ohren halten oder vor sich hinstellen und hineingaffen, besitzt. Mir fällt auf, das Dominique allein ist, denn seit unserer Ankunft durch das Dach habe ich noch keine andere Menschenseele zu Gesicht bekommen. „Ist sie eine Aussteigerin, oder ist sie vielleicht verbannt worden, ein Exil im Niemandsland sozusagen? Warum erzeugt sie Mixturen und für wen? Natürlich bin ich dankbar, ich bin ihr einziger Patient, und werde dies wahrscheinlich auch bleiben, bis ich ganz gesund bin. Warum pflegt sie mich eigentlich gesund? Wäre es nicht sinnvoller, von mir und Niki eine kräftige Hühnersuppe zu machen?“ Diese und ähnliche Fragen kommen mir so in den Sinn. „Was mache ich dann, wenn ich gesund bin, wo fliege ich hin, wo ist mein Zuhause? Habe ich überhaupt noch ein Zuhause? Welche Perspektiven habe ich? Alleine über ein zerstörtes Gebiet zu herrschen, na, das sind ja Aussichten.“ „Worüber denkst du nach?“, fragt plötzlich eine Stimme. Es ist Niki, wie immer ganz ungeniert. „Ich kenne dich genau, du großer Greifer heckst etwas aus.“ „Tue ich nicht!“, antworte ich. „Ich mache mir halt Sorgen, was morgen sein wird.“ „Du denkst zu viel, genieße einfach den Tag und lass es dir gut gehen. Pflegt Dominique dich nicht großartig?“ „Du hast ja Recht, aber mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf, und ignorieren kann ist sie nicht, noch nicht!“

Es ist Zeit für meine Übungen und Dominique kommt daher. Ich nicke mit dem Kopf und gebe damit meine Einverständniserklärung ab. Wir kommunizieren auf dieser Basis, und es funktioniert gut. Behutsam nimmt sie den Verband ab, rollt ihn zu einem Bündel zusammen. Dann tastet sie meinen Flügel genau ab. Wieder nimmt sie den Löffel und streicht ohne den Flügel zu berühren drüber. Bei diesem Vorgang spüre ich genau die Energie und die Nervenstränge, es zuckt und reißt. Nickend gibt mir Dominique ihre Zufriedenheit zu verstehen. Mit einer Flasche mit normalem Wasser, jedenfalls scheint es für mich so, tröpfelt sie leicht über die verletzten Stellen. Wie gut sich das anfühlt, Wärme durchströmt die Gegenden am Flügel. Jetzt nimmt sie die Flügelspitze und zieht sie ganz sachte auseinander. Ein bisschen verkrampft halte ich entgegen. „Lass locker, ganz locker“, gibt mir Dominique ein Zeichen. „Es geht, glaube es mir!“, und in diesem Moment zieht sie mit einem starken Ruck den Flügel auseinander. Ein kurzer Brenner, ein Schmerz und ausgebreitet ist die Schwinge, ohne wieder abzubrechen. Normalerweise ist das nicht meine Art, aber ich muss ihr meine Dankbarkeit zeigen. So lege ich meinen Kopf an ihre Schulter, und sie versteht. „Ist schon gut!“, meint sie, „ich habe dir doch gesagt, dass wir es hinkriegen. Weißt du“, spricht sie weiter, „ich hatte noch nie die Ehre, einen Kaiser zu pflegen, ich verneige mich vor dir, Aquila heliaca“, und sie beginnt zu lachen. Sofort ist auch Niki zur Stelle und macht einen Hofknicks: „Stets zu Diensten, Majestät.“ „Ja, ja, mach dich nur lustig über mich, aber einen Hofnarren braucht jeder Kaiser auch, und dafür bist du genau der Richtige!“ Ich packe Niki mit dem Schnabel und rolle ihn wie eine Kugel durch den Raum. Daraufhin schnappt sich Dominique den kleinen Vogel, und sagt: „Halt, dich brauche ich noch, ich habe was auszuprobieren!“, und beginnt schelmisch zu grinsen. „Nein, nein, nicht in den Suppentopf“, fängt Niki an zu schreien, als Dominique sie über ihre brodelnden Töpfe hält. „Ich bin noch zu jung zum Sterben“, gackert das arme Ding vor sich hin. „Vertrau mir, du bist einfach mein Versuchsobjekt, es passiert dir schon nichts“, redet Dominique jetzt auf Niki ein, und im gleichen Atemzug ist Niki im Topf verschwunden. Sofort zieht Dominique den Vogel wieder heraus, dies wiederholt sie dreimal, bis sie das Huhn wieder abstellt. Nach der ersten Betrachtung und dem Staunen beginne ich laut zu lachen. Vor mir steht ein kunterbuntes Huhn, das alle Farben spielt, komischerweise sind auch die Federn gewachsen und lange, und nicht mehr so zerrupft wie gerade noch vorhin. Es sieht fast aus wie der Federnschmuck bei einem Indianerhäuptling. Laut erschallt mein Gelächter, was man aus einem Huhn alles machen kann. „Das finde ich nicht lustig“, gackert die Henne grantig. „Was hast du mit mir angestellt?“, blickt Niki Dominique empört an, welche nur darauf meint: „So habe ich mir dich immer schon vorgestellt, schließlich muss auch ein Huhn zu meinem Outfit passen! Vielleicht muss ich noch an den Konturen arbeiten, aber gar nicht schlecht für den Anfang“, bemerkt Dominique zufrieden. „So kann ich mich nirgends mehr sehen lassen, was werden die anderen Hühner sagen? Ich grabe mich am besten gleich selber ein.“ „Wer soll dich schon sehen? Es gibt keine anderen Hühner mehr, und mir gefällst du so!“, bemerke ich, um Niki ein wenig zu beruhigen. Doch sie senkt den Kopf, „Was, es gibt keine anderen Hühner mehr?“, sinniert sie vor sich hin. „Ich hatte das fast vergessen, und du bist der letzte Adler!“ In diesem Augenblick fällt mir Femina wieder ein. „Warum haben wir heuer nicht gebrütet, warum hat Femina kein Ei mehr gelegt? Ich würde alles dafür geben, ein kleines, fresslustiges Adlerküken zu füttern.“ Vielleicht waren es die Strahlen, welche uns unfruchtbar gemacht haben. Vielleicht waren wir einfach nur zu unterernährt und zu schwach um zu brüten! „Wem soll ich alle meine Künste beibringen?“ Aus und Schluss, es wird alles vergehen, am liebsten würde ich mir den Flügel selber brechen. „Schau mich an!“, höre ich plötzlich jemanden sagen. Ich schließe meine Augen und sehe Femina, wie sie mir entgegen fliegt und lacht. „Vertraue dir und der Welt, du darfst nicht aufgeben, du musst sie suchen, die Quelle, die Quelle, von der alles Unheil ausgeht, du hast die Kraft und die Stärke sie zu vernichten!“ Vor mir baut sich ein unendlicher Kosmos auf, eine unendliche Weite breitet sich aus, ein himmlisches Blau in allen Variationen erfüllt mein Herz. In meinen Gedanken schwebe ich in diesem Blau, und es kann nichts Schöneres geben als hier zu fliegen. Es ist die Fülle, das Universum in Ekstase. Nichts und niemand kann dies stören, ich gleite weiter und weiter. Ein Rauschen beendet die Idylle, ein Ding mit Flügeln und Körper kommt auf mich zu. Es ist kein Lebewesen, sondern ein Metallgerüst ganz nach Konstruktion auf Menschenart. Was will es hier, und warum stört es meinen Himmel?

„Das Essen ist fertig!“, höre ich auf einmal Dominique rufen, und bin wieder zurück in dieser Welt. Gefesselt noch von meinem Traum, würge ich die Fleischhappen hinunter, und weiß nichts über die Bedeutung dieser Bilder. „Du willst mir etwas sagen“, schaut mich Dominique an. Sie kennt mich wirklich gut inzwischen, ihr kann ich nichts mehr verheimlichen. Sie streicht mir über die Federn, und meint nur: „Wir müssen an unserer Verständigung arbeiten, und ich weiß auch schon wie. Wir werden uns prächtig verstehen!“, und zupft mich dabei an den Schwanzfedern.

₺550,78

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
290 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783991300083
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre