Kitabı oku: «Passion Laufen», sayfa 3

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Gewinner des Ultra Bolivia mit 68 Jahren.

KAPITEL 3 / WETTKAMPF

BACK ON THE TRACK!

Das Vorgängerbuch Running wild endet zum Jahreswechsel 2014/2015 nach einer langen Laufpause. Ich hatte eine Operation am Knie, die mich sechs Monate aus der Bahn warf. Es war eine harte Zeit, da die Ansagen vorher anders waren. Was im Mai begann, zog sich bis zu meinem ersten richtigen Lauf am Eibsee am Fuß der Zugspitze im Dezember. Wir hatten diese irrsinnige Show mit Ed Sheeran auf dem Gipfel der Zugspitze, und es war der Tag vor dem Aufbau zu diesem Konzert. Erst ab diesem Tag wusste ich, dass die Lauferei weitergehen wird. Seit Jahren hatte ich dieses 520 km lange Rennen The Track in Australien auf meiner Agenda, und der Start im folgenden Jahr fiel genau auf den Tag, an dem ich operiert wurde. Quasi das Comeback nach genau 365 Tagen. Das war’s für mich! Fünf Monate Zeit – eigentlich zu kurz nach langer Pause. Und das Rennen ein bisschen lang für den Wiedereinstieg, aber Glaube und Symbolik gehen öfter mal vor Vernunft bei mir, und so stehe ich Anfang Mai um drei Uhr morgens in Dubai am Airport und bekomme zu hören: »Hey Alda: was machst du denn hier?« Neben mir am Security-Check steht grinsend Markus Mockenhaupt, den ich Jahre zuvor über seine Schwester Sabrina kennengelernt hatte. Er ist ebenfalls auf dem Weg nach Melbourne, um als deutscher Vorjahressieger der Wings for Life World Run in Australien zu starten. Geht ja schon mal gut los. Wir treffen uns nach gemeinsamem Flug von Dubai nach Melbourne für ein paar Laufrunden am Indischen Ozean. Nach drei Tagen Akklimatisierung und Einrichtung der inneren Uhr auf Down-Under-Zeit geht es weiter nach Alice Springs. Hier treffen sich die 22 Starter zu The Track, dem weltweit längsten Etappenlauf, bei dem Equipment und Verpflegung im Rucksack getragen werden. Der Ablauf ist wie immer: Der Veranstalter stellt die Zelte und zwölf Liter Wasser pro Tag. Die Dimensionen sind gewaltig – Hitze, Sand, Trails. Wir werden 527 km in 9 Etappen hinter uns bringen. Allein die letzte – die Königsetappe – wird knapp 130 km, zu diesem Zeitpunkt werden wir bereits 400 km in den Beinen haben. Daraus ergibt sich die übersichtliche Teilnehmerzahl. Es sind ausnahmslos erfahrene Ultraläufer am Start – und somit viele Freunde aus meinen zurückliegenden zehn Wüstenrennen – launiges Klassentreffen.

ES WIRD EIN LEGENDÄRES RENNEN

Noch nie ist einer von uns 520 km gelaufen – warum auch? Es gibt keine wirklichen Strategien dafür. Wir bekommen ein Roadbook vom Veranstalter, die Strecken sind mit Pfeilen oder Flatterband markiert. Jeweils 15 km voneinander entfernt befinden sich Checkpoints, an denen ein Arzt oder Betreuer postiert ist, der auf den Zustand der Läufer achtet und auf Probleme eingehen kann. Zudem bekommen wir an diesen Punkten jeweils zwei Liter Wasser für den Weg zum nächsten Checkpoint. Die Rucksäcke mit Food, Isomatte, Schlafsack, Klamotten, Stirnlampen etc. wiegen zwischen 8 bis 10 kg. Lebensmittel für den zweiten Teil des Rennens können wir im Dropbag hinterlegen und bekommen diesen am fünften Tag ausgehändigt. Anders wären die Rucksäcke zum Laufen zu schwer geworden. Die beiden ersten Tagesetappen durch den West-MacDonnells-Nationalpark sind je 30 bis 40 km lang, wir müssen mehr als 1.000 hm pro Tag absolvieren. Hier merke ich das Knie nach einem Jahr doch wieder und muss kleine Brötchen backen, aber auch, wenn ich noch nicht wieder ganz fit bin, kann ich in den Bergen Platz neun halten. Das Knie tut es auch – halten.

Sensationell das Treffen mit meinen Spezies aus dem Outdoor Fashionstore am zweiten Tag: Auf den höchsten Bergen der Region treffen wir einige von diesen coolen Wanderern. Vorher mit dem SUV durch den Outdoorstore und für 2.000 Euro Klamotten kaufen. Damit dann am Berg chic im Weg stehen, Fotos machen und immer schön den Thermobecher in der Hand halten. Ich würde mich ja zanken, aber mir bleibt kurz die Sprache weg, als ich hinter dem dicken Wandermonster auf meinem Trailpfad drei Helikopter stehen sehe. Ordentlich abgeparkt auf dem Gipfel. Die »lassen« hier oben wandern – find’ ich vernünftig. Das schont die Rettungskräfte, die heutzutage mit an Selbstüberschätzung leidenden Outdoor-Opfern viel Arbeit haben. Für viele dieser Kollegen wäre der Anstieg zum Heidelberger Schloss schon ein Abenteuer. Die kommen mir gerade recht. Da kann ich mich aufregen und vergesse mein Knie. Vollkommen unüberheblich – wie das so meine Art ist (grins!) – fühle ich mich heute überlegen.


Mein Neuanfang in Down Under.

Wir kommen ins Flache. Die Temperaturen werden höher und es kommt der Sand. Obwohl wir die 30 °C-Marke selten knacken, ist jetzt meine Zeit. Der Alte schafft sich über die Tage bis auf Platz drei nach vorn. Das Tempo ist allerdings vollkommen unphilosophisch. Durch die Tatsache, dass die ersten vier Läufer alle in einer ähnlichen Liga unterwegs sind, wird gerannt, was das Zeug hält, und die Abstände bei den Etappen sind jetzt im kleinen Minutenbereich.

Das Leben, das Laufen und die Menschen ändern sich. Die Lauten vom Anfang werden von Kilometer zu Kilometer stiller und nachdenklicher, andere schließen sich in ganz kleinen Gruppen sehr eng zusammen. Wieder andere, die eher schüchtern sind, blühen über die Tage auf. Das Laufen wird zum Bestandteil des Lebens, und beim Gespräch am Lagerfeuer – laufen wir morgen 50 oder 60 km? – stehe ich nicht mehr auf, um das Roadbook zu konsultieren. Ist irgendwie egal. Es beginnt eine andere Zeitrechnung, in uns und um uns herum. Wir laufen schnell, aber alles andere wird langsamer. Eigentlich der ideale Lauf und Ort, um total abzuschalten. Wenn da nicht dieses sportlich so dicht beieinanderliegende Viererfeld an der Spitze wäre. Aber es bringt unerwartet viel Spaß, auf diese lange Distanz jeden Tag wieder von Neuem hart am Limit zu laufen. Die Strecke ist abwechslungsreich, bietet Sandpisten, gelegentlich Flussbetten (ohne Wasser) und wiederkehrende Traversen über kleine Hügelketten.

Es gibt aber auch die typischen langen, geraden, rotsandigen Tracks. Damit es nicht langweilig wird, stolpere ich am fünften Tag über einen Stein, und es haut mich gewaltig hin. Ich habe keine exakte Erinnerung, wie es passiert, da mir eine kleine Gehirnerschütterung anscheinend ein paar Sekunden gelöscht hat. Ich falle, bremse aber den Sturz mit dem Gesicht. Ich habe seltsamerweise keine Verletzungen an den Händen, was normal wäre, wenn man sich nach vorn abfängt. Wahrscheinlich ein altersbedingter Schwächeanfall, oder noch besser: Totalausfall. Ich liege plötzlich mit dem Gesicht in den Steinen. Philippe und Patrick sind kurz darauf zur Stelle. Ich blute, als hätte man mich frisch geschlachtet. Da mir die Suppe auch aus dem Mund tropft, werden Nase und Zähne genauer betrachtet. Die beiden begleiten mich bis zum nächsten Checkpoint. Dort wartet unser französischer Doc Bruno, der mich eingehend untersucht. Viel Blut, aber nix gebrochen. Alles wird getapet. Er tippt auf Gehirnerschütterung und will mich ein wenig dabehalten. Ich will aber weiter und versuche ihm klarzumachen, dass es mir gut geht. Wir einigen uns auf eine finale Testung – ich zähle auf Französisch von eins bis zehn. Bestanden! So geht das in der Wüste … bis ich außer Sichtweite bin und mich hinter dem nächsten Busch erst mal übergeben muss. Gehirnerschütterung. Bruno hat das grundsätzlich richtig entschieden. Im Zweifel auch mal für den Sportler – er war früher selbst aktiver Läufer. Bis zu Patrik und Philippe kann ich wieder aufschließen, und somit wurde auch dieser Tag nicht langweilig. Außer Blut und ein wenig Futter für die Schlangen war ja nix.

Die letzte Etappe mit fast 130 km endet am Uluru (Ayers Rock) und wird – wie erwähnt – legendär. Die Führenden starten einige Stunden nach dem Hauptfeld. Frank Reintjes, der das Rennen auch gewinnen wird, ist vorne weg, Philippe, Patrik, noch ein Philippe und ich laufen fast den ganzen Tag im Vierertrupp durch das Outback. Gegen Nachmittag löst sich das Feld auf. Philippe Richet gibt Gas, und ich konzentriere mich darauf, Patrick nicht aus den Augen zu verlieren. Philippe Manial geht ein wenig verloren. Wir überholen Frank, bei dem ich aber nicht bleiben kann, da ich folgen muss. Patrick ist ein sehr erfahrener Läufer mit mehreren Teilnahmen beim Badwater Ultra, und er ist ein Fuchs. Ich meine das liebevoll und mit großer Anerkennung. Er wartet bis zum Eintritt der Dunkelheit und zieht dann mächtig das Tempo an. Ich versuche dranzubleiben, habe allerdings einen Aspekt nicht bedacht – die Nacht. Als er hundert Meter Vorsprung rausgelaufen hat, kann ich ihn nicht mehr sehen. Tagsüber würde man vielleicht darüber lächeln und sich reinhängen. Da durfte der Fuchsgruber mal wieder was lernen. Sein Abstand wächst von Checkpoint zu Checkpoint. Ich muss mich mittlerweile mit einem Dingo auseinandersetzen, der mich in der Dunkelheit verfolgt. Dingos sind nicht ganz so putzig, wie man meint, vor allem nicht, wenn sie allein unterwegs sind. Oftmals handelt es sich dabei um kranke Tiere, die sich in ihrer Hungernot auch schon mal an einer Beute vergreifen, die eindeutig größer ist als sie. Einen deutschen Touristen haben sie kurze Zeit zuvor so zerlegt, dass er mehrere Wochen in Australien im Krankenhaus lag. Ein neunjähriger Junge starb sogar nach einem Angriff. Trotz meiner Wurfgeschosse in seine Richtung ist er beharrlich. Wir laufen mittlerweile auf der Straße, und ich versuche, dem weißen Randstreifen zu folgen. Obwohl dieser im Schein der Stirnlampe fett vor mir liegt, verliere ich diese Linie immer wieder aus den Augen. Dann heißt es: Augen schließen, Hirn wieder hochfahren, Augen öffnen – und da ist sie dann wieder, die weiße Linie. Das mache ich alle fünf Minuten oder lasse mich wahlweise von einem der riesigen Roadtrains erschrecken. Die sind über 50 m lang und etwa 100 km/h schnell. Schlagartig ist man wieder wach, wenn einem Stirnlampe und Hut wegfliegen.


»Joy and pain« auf 527 Kilometern.


Seite an Seite mit Frank Reintjes.

Als ich kurz vor dem Ziel bin, treffe ich meinen Kameramann Gabriel Pielke, der unser Rennen für das ZDF begleitet. Es gibt mir arg zu denken, dass ich laufe, Gabriel aber mich gehend dabei filmt. Meine Reaktion beschränkt sich in diesem Moment auf die Feststellung: »Hier stimmt was nicht, und ich muss später mal darüber nachdenken!« Im Ziel bin ich zwar drei Stunden schneller als der Gewinner der letzten Ausgabe von The Track, aber ich erfahre auch, dass Patrick mir mit sieben Minuten Vorsprung den dritten Platz stibitzt hat. Das ist ein Kilometer von 520. Das hat er gut und clever gemacht. Ich bin für einige Minuten etwas unglücklich. Aber: Hey, das darf ich! Ich bin nach 17 h laufen dehydriert und komplett durch. Kurz darauf stehen wir alle schon wieder gutgelaunt am Lagerfeuer und feiern das Ende eines ganz besonderen Rennens. So besonders, dass es auch bis heute das einzige ist, bei dem ich noch einmal starten würde.

Frank Reintjes gewinnt nach 61 h Laufzeit das Rennen bei den Männern, und meine Freundin Ita Emanuela Marzotto aus Italien kommt als erste Frau rein. Sie wird mir zwei Jahre später behilflich sein, die ersten Kontakte zu Marco Olmo herzustellen, um auch ihn hier im Buch dabeizuhaben.

Zwei Gedanken bestimmen die Nacht nach dem Zieleinlauf: Ich habe für mich wiedergefunden, was mir in den vorangegangenen Jahren ein wenig abhanden gekommen war: das Glück und Genießen des Laufens. Das macht mich froh. Die lange Verletzung und das drohende Aus für meine heißgeliebten kleinen Abenteuerläufe hatten mir extrem zugesetzt. Ich war teilweise restlos fertig – ohne dabei aufzugeben.

Mara geht mir durch den Kopf. Wir machen gern Deals – wir haben beide großen Spaß daran, und irgendwie kommen wir im Gespräch über das Rennen in Australien kurz vor meiner Abreise auf das Thema »gegenseitige Versprechen«. Ich weiß nicht mehr, wie es dazu kommt, aber ich verspreche ihr, dass ich bei The Track nicht einmal gehen, sondern nur laufen werde. Aus der zeitlichen Entfernung betrachtet hat es sicherlich etwas mit der »Unvorstellbarkeit« dieses Rennens zu tun. Es gibt keinen Plan und keine Taktik, die man mit sich vorher vereinbaren kann. Dieser Deal geht aber! Beziehungsweise »läuft« immer. Ein Vater hält ein Versprechen gegenüber seinem Kind – auch immer!

Über einen Transfer aus diesem Rennen in unser normales Leben nachzudenken, ist ein interessantes und großes Thema – wie dieser Lauf selbst. Die Worte Respekt bzw. Demut und das Thema Selbstwahrnehmung kommen in meinen Monologen während des Laufens im Outback immer wieder vor. Wer der Meinung ist, dass er schon sehr viel über sich weiß, kann viele neue Erfahrungen bei langen Läufen machen. Und wer dazu besonders viel erfahren will, geht zu The Track.

Zum Thema Demut und Respekt: Ich sage es – und ich sage es gern: Nur wer Respekt gibt, kann auch Respekt erhalten. Dies gelingt vielen von uns im täglichen Leben, und wir machen das oft gut mit »unseren« Leuten. Aber eine entscheidende Frage hier in die Runde: Gelingt uns das auch mit uns selbst? Gehen wir respektvoll mit uns um?

Nehmen wir dafür das schöne Wort »Achtsamkeit«. Im ersten Moment mutet es vielleicht ein wenig seltsam an, als extremer Ausdauerläufer über Achtsamkeit nachzudenken. Aber gerade Sportler – insbesondere der Läufer – kann darüber viel erzählen. Sein Umgang mit sich selbst lässt sich praktischerweise direkt in Metern oder Sekunden messen. Im Leben oder in der Berufswelt ist das schwieriger. Ich glaube, hier ist noch viel offen und wir widmen uns im Lauf dieses Buches wieder und wieder diesem Thema.

KAPITEL 4 / MOHAMAD AHANSAL

DER WÜSTENSOHN

Mohamad war der erste Ultratrailläufer, den ich in meinem Leben kennengelernt habe. Im Ernst! Ich begegnete ihm 2006 das erste Mal in der Sahara. Dass er und sein Bruder Lahcen die besten Wüstenläufer der damaligen Zeit waren, war bis kurz vor meiner Reise an mir spurlos vorübergegangen. Die beiden haben zusammen 15 Mal in Folge den Marathon des Sables (MdS) gewonnen. Wie schon in Running wild erwähnt, hatte ich Bilder vom MdS in einer Zeitschrift gesehen, und die ließen mich nicht mehr los. An den MdS hatte ich mich nicht ’rangetraut, weil mir der Mumm fehlte – im Gegensatz zu meinen Rookies im Little Desert Runners Club heute. Ich war damals auf der Suche nach einem leichteren Wüstenlauf – nicht gleich 250 km.

Mohamad und Lahcen hatten damals die zweite Ausgabe ihres Zagora Marathons vorbereitet, und ich hatte das Rennen irgendwo im Internet aufgestöbert. Die Tatsache, dass der Lauf über die klassische Marathondistanz ging, kam mir entgegen. Damals waren Rennen in fernen Ländern noch nicht so professionell gelistet wie heute. Oftmals gab es auch keine eigene Webpräsenz. Mohamad spricht perfekt Deutsch und unterstützte mich in der Planung meiner kleinen privaten Reise nach Zagora, die mich via Casablanca und Quarzazate dorthin führte. Das verbindet. Wir sahen uns ein Jahr später wieder, bei meiner Premiere eines großen Wüstenlaufes, dem Marathon des Sables 2007. Der Kontakt ist nicht abgerissen, vor zwei Jahren kam Mohamad uns sogar besuchen. Wir waren abends mit Aurore Zatopek, Claudi Konowski und Joe Kelbel unterwegs. Gute Leute – guter Abend.

Riesig gefreut habe ich mich, als sich ein paar Wochen vor dem Start des ISRU (Iranian Silk Road Ultramarathon) im Iran herausstellte, dass Mohamad kurzfristig seinen Start zugesagt hatte. Im Jahr 2016 gab es die Premiere des ISRU. Dieser 250 km lange Lauf entlang der alten persischen Seidenstraße war sowas wie ein Traumziel für mich. Ich hatte mich lange Zeit sehr darauf gefreut, und dass der Wüstenläufer – und ich meine der Wüstenläufer! – auch teilnahm, war für mich wie ein Fest. Er lief und gewann die lange Version mit 250 km. Ich tat es ihm gleich; allerdings auf der 180-km-Variante dieses Rennens, da ich wegen einer Knieverletzung, die ich mir zwei Monate zuvor bei einem Trailwettbewerb in Sri Lanka eingefangen hatte, noch arg gehandicapt war.

Eins der geilsten Rennen, die ich bis dato hatte. Perfekte Crew. Perfekte Bedingungen für mich. Fast nur Sand und Tagestemperaturen von 56 °C, die wir mit verschiedenen Uhren auf Brusthöhe gemessen haben. Was wir in Filmen oder Berichten unerwähnt ließen, war die Tatsache, dass auf Schienbeinhöhe die Temperatur 65 °C betrug. Unter der Wüste Lut, die auch als heißester Ort der Welt in Wikipedia steht, ist die Erde sehr aktiv. Es gibt keine Vulkane, aber die Hitze kommt massiv aus dem Boden. Wir haben diese Tatsache nie erwähnt, weil wir Angst davor hatten, dass man uns maßlose Übertreibung hätte unterstellen können.

Da ich auf der kürzeren Distanz unterwegs war, hatte ich andere Startzeiten als Mohamad, aber bei der langen Etappe standen wir alle gemeinsam am Start. An diesem Tag hatte ich mir vorgenommen, Mohamad zu folgen, solange es geht. Ich kann mich noch genau erinnern, wie er vor zehn Jahren in einem Film auf die Frage geantwortet hat, wie man auf Sand am besten läuft: »Das Geheimnis ist, sehr schnell zu laufen.« Eine weise Antwort – und so stimmig. Aber nur, weil sie stimmt, ist sie noch lange nicht umsetzbar. Gilt natürlich nicht für Mohamad! Versuch mal, Mohamad Ahansal auf Sandboden zu folgen. Ich habe es knapp 20 min geschafft. Oder eher versucht. Er hat eine enorme Kraft, sein Laufstil ist sehr elegant, und die Füße berühren den Boden nur einen kurzen Moment. Es wirkt so, als hätte die Schwerkraft einfach nicht genügend Zeit, ihn zu erwischen.


Mohamad Ahansal: Veranstalter des Trans Atlas Marathon.

In Sri Lanka und auch im Iran entstanden zwei Konzepte während des Laufens; einmal wurde der Little Desert Runners Club geboren. Das andere Konzept beschäftigte sich mit dem Buch nach Running wild.

Es gibt ja bekanntlich keine Zufälle, und es war auch nicht abgesprochen. Genau zehn Jahre zuvor hatte ich meinen ersten Wüstenlauf gemacht, und nun stand ich mit dem Meister Seite an Seite an der Startlinie. Welche Ehre! Hätte mich 2006 jemand gefragt, ob ich mir so etwas vorstellen könnte, hätte ich nur gesagt: »Is’ klar, ne?!«

Im Iran bin ich ihm hinterhergerannt, wir haben in der Not aus dem gleichen Infusionsbeutel vom Doc gesoffen. Ja! Die Infusionen sind gemeint, die man mit der Nadel bekommt, wenn man total fertig ist. Richtiger Doc mit Nadel war gerade nicht in der Nähe, aber hier der kleine Insider: anpieksen und trinken, hilft auch. Wir sprachen dabei weniger über das Rennen und die irrsinnige Hitze, die wir beide noch niemals so intensiv bei einem Rennen erlebt hatten. Wir sprachen über Familie, über unsere kleinen Kinder und vor allem über die Zukunft. Mohamad hat ein Trainingscamp in Zagora aufgebaut, in dem man sich sehr schön auf Wüstenläufe vorbereiten kann. In die eine Richtung geht es aus dem Lager in die Wüste, und auf der anderen Seite ins Atlasgebirge, wo es sehr schöne Trails gibt. Mit dem Trans Atlas Marathon und dem Ultra Trail Morocco Eco Sahara (UTEMS) veranstaltet er mit seinem Bruder mittlerweile auch die ersten eigenen Rennen, die schon guten Zuspruch bei den Läufern finden.

Naheliegend war die Idee, ihn im Buch dabei zu haben. Ich bin über die Jahre der Wüste nähergekommen und mir auch – verstehen tue ich immer noch wenig, aber doch viel mehr als früher. Es freut mich ganz arg, dass wir die Chance auf diese schönen Gespräche auf dem Perserteppich hatten und noch mehr, dass wir diese in dem danach stattgefundenen Interview nochmal für Passion Laufen zusammenfassen konnten.

Mohamad, du bist ein Sohn der Wüste, lebst aber große Teile des Jahres auch in Deutschland.

Ja, das stimmt. Ich bin der Sahara geboren. Ich war das jüngste von fünf Kindern, und wir waren anfangs tatsächlich Nomaden draußen in der Wüste. Wir hatten Ziegen, Schafe und Dromedare und lebten von der Zucht und Verkauf der Tiere. Als ich zwei Jahre alt war, starb mein Vater, und wir zogen für eine Übergangszeit mit unserer Mutter zu unserem Onkel. Aber das war alles sehr schwierig. Es kam ein wenig später das Angebot von meinem Großvater, zu ihm in die Oase von Draa zu ziehen. Sie liegt bei Zagora und bot die Möglichkeit der Schulbildung für uns Kinder, was für meine Mutter äußerst wichtig und Nomaden normalerweise verwehrt war. Wir siedelten um und blieben dauerhaft in der Oase bei unserem Großvater, der starb, als ich neun Jahre alt war. Es wurde noch schwieriger für meine Mutter, aber immerhin durften wir auch weiterhin im Haus von meinem Großvater wohnen. Einer meiner Brüder lebt heute noch dort.

Wie sind die beiden Welten für dich im Vergleich, wo fühlst du dich wohler?

Den Wechsel zwischen den Welten kenne ich ja schon seit meiner Kindheit. Wir lebten bei meinem Opa, und in den Ferien sind wir wieder raus in die Wüste und verbrachten viel Zeit bei unserem Onkel. Ich mochte beide Welten sehr gern, eben weil sie so unterschiedlich waren. Ich ging gern zur Schule, fühlte mich aber auch sehr glücklich in der Einfachheit und Kargheit der Wüste. Heute ist es ähnlich. Ich verbringe viel Zeit bei der Organisation meines Rennens und in unserem Trainingslager. Den Rest des Jahres verbringe ich aber auch sehr gern hier bei meiner Familie in Bayern.

Wo lernt es sich besser?

In der Wüste oder in der Schule?

Schwer zu beantworten … Oder auch ganz leicht. Ich werde oft gefragt, warum es uns ohne Unterbrechung gelungen ist, so viele Jahre den MdS zu gewinnen. Wir haben als Nomaden gelernt, mit Entbehrungen zu leben, und dies in einer Konsequenz und einem Ausmaß, welche mit dem Dasein in Europa nicht zu vergleichen ist. Sicherlich gibt es hier auch manchmal Probleme und schwierige Situationen, da möchte ich niemandem zu nahetreten. Aber die Kindheit als Nomade ist härter. Wir sind gute Läufer, und andere Teilnehmer hatten auf der Marathondistanz sogar bessere Zeiten vorzuweisen als wir, aber mit den Entbehrungen in der Wüste kamen sie nicht so gut klar. Auf der anderen Seite hatte unsere Mutter vollkommen recht mit ihrer Entscheidung, dass wir auf die Schule müssen. Alles, was sie durch den Verkauf von Datteln, Koriander und ein oder zwei Schafen pro Jahr verdiente, steckte sie in unsere Schulsachen und in die Ausbildung. Sie arbeitete extrem hart für uns. Wir sind dafür sehr dankbar. Heute ist sie 82 Jahre und lebt immer noch in Zagora bei einem meiner Brüder und dessen Frau. Einer meiner großen Brüder nahm ein Studium in Agadir auf, das war teuer für die Familie, und für ein weiteres Studium fehlte das Geld. Also gingen Lahcen und ich nach Casablanca an einer Art Berufsschule, wo wir eine Schneiderlehre machen konnten. Ich bekam allerdings kurzfristig die Chance, eine Ausbildung als Bergführer zu machen. Lahcen erlernte somit den Schneiderberuf, und ich ging in die Tourismusbranche.

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