Kitabı oku: «Die moderne Erlebnispädagogik», sayfa 3
So will die Erlebnispädagogik den Menschen bilden zu dem, was er ist (…) 75
Der Begriff wird anschließend noch von weiteren Pädagogen / -innen verwendet, allerdings entwickelt er sich zu keinem „Leitbegriff“ der Pädagogik dieser Zeit. Dementsprechend selten taucht der Begriff „Erlebnispädagogik“ explizit auf:
Es ist aber deutlich geworden, dass sich – von Gegenwart und jüngerer Vergangenheit abgesehen – der Nachweis eines ausdrücklichen Gebrauches des Begriffs Erlebnispädagogik nur auf einige wenige Quellen beschränkt. Neubert ist hier zuerst zu nennen. Bei ihr kann der Begriff Erlebnispädagogik erstmalig belegt werden. Es folgen Kneisel und Fischer, sowie Lehmann und Nohl, die zahlreiche fruchtbare Anhaltspunkte zu Struktur und Konzept einer Erlebnispädagogik an die Hand geben.76
An dieser Stelle muss man auch anmerken, dass die oben genannten Personen in der Diskussion der „modernen Erlebnispädagogik“ so gut wie keine Rezeption erfahren. Eine Ausnahme ist nur Waltraud Neubert, einerseits als „Namensmutter“ und andererseits, weil sie als Erste versucht, eine Schuldidaktik auf Grundlage von Erlebnissen zu erstellen (mit Erlebnisaufsatz, neuem Zeichenunterricht, Musik und Körperbeziehung und der Methodik des Erlebnisausdruckes)77 Sie steht ganz im Zeichen eines humanistischen Bildungsbegriffs:
So will die Erlebnispädagogik den Menschen bilden zu dem, was er ist, in einem Leben, auf allen großen menschlichen Erlebnis feldern. Darin liegt, dass ihr Bildungsideal, obgleich es des sozialen Einschlags nicht entbehrt, doch im wesentlichen humanistisch ist und auf die vollkommene menschliche Entfaltung des einzelnen abzielt, dass also Erlebnis als Bildungsmittel mit hineinverwoben ist in die historische und weltanschauliche Bedingtheit dieses Bildungsideals.78
Waltraud Neubert begreift das Erlebnis als „methodischen Grundbegriff der modernen Pädagogik“79. Dabei greift sie auf den Erlebnisbegriff von Wilhelm Dilthey zurück und entwickelt daraus ihr Konzept einer Erlebnispädagogik bzw. der „Erlebnismethode“.80 In diesem Kontext ist zu erwähnen, dass ihr Diplomarbeitsbetreuer Hermann Nohl als „Nachfolger“ von Wilhelm Dilthey gilt und wesentlich zur Entwicklung der geisteswissenschaftlichen Pädagogik beitrug.
2.1.3 „Gegenmodelle“ Erlebnistherapie und Erlebnispädagogik
Es ist interessant, dass sowohl Kurt Hahn als auch Waltraud Neubert etwa zur gleichen Zeit an einer „Pädagogik des Erlebens oder des Erlebnisses“ arbeiteten, ohne sich aufeinander zu beziehen. Und dies, obwohl beide „reformpädagogisch geprägt“ waren:
Nicht nur institutionsgeschichtlich wurden tatsächliche Erziehungsfelder geschaffen, auf denen erlebnispädagogische Initiativen verwirklicht werden konnten. Auch unter dem Aspekt der ideengeschichtlichen Grundlagen der Erlebnispädagogik wurden zwischen 1925 und 1928 ihre wesentlichen Ziele, Inhalte und Methoden durch die Arbeiten von Waltraud Neubert und Kurt Hahn konkretisiert. Die zeitliche Parallelität, in der die Konzepte der Erlebnispädagogik und Erlebnistherapie erarbeitet wurden, musste schon überraschen. Einerseits kann mit großer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass weder Hahn die Arbeiten von Neubert noch Neubert die Arbeiten von Hahn kannte. Andererseits zeigt diese Parallelität, dass die „Erlebnisarmut“ im öffentlichen Erziehungswesen dafür sensibilisierte, sich alternativen Konzepten verstärkt zuzuwenden. Auf jeden Fall waren beide von reformpädagogischen Ideen beeinflusst, denn die Verbindung zwischen Erlebnis und Erziehung durch Methoden der Arbeitsschulbewegung wurde von Hahn und Neubert gleichermaßen thematisiert.81
Zusammengefasst bedeutet dies: die Grundlagen der Erlebnispädagogik und auch die Begrifflichkeit wird in der Zwischenkriegszeit ausformuliert. Dafür werden zwei Begriffe verwendet: Erlebnistherapie und Erlebnispädagogik. Beide Begriffe können der Reformpädagogik zugeordnet werden. Wie oben erwähnt, sind beide Konzepte Alternativkonzepte zum „öffentlichen Erziehungswesen“. Dementsprechend handelt es sich in beiden Fällen um Gegenmodelle.
Beide Ansätze sind Gegenentwürfe zum vorherrschenden Schulsystem bzw. dessen didaktischer Ausrichtung, zumindest in ihren Anfangsphasen. Allerdings geht es um Alternativen zum aktuellen System und nicht um die Abschaffung der Institution Schule. Somit geht es im Fall der Erlebnistherapie um die Schaffung einer „Reformschule“ und im Falle der Erlebnispädagogik um die Einführung einer „Reformdidaktik“. Die Arbeit von Waltraud Neubert steht ganz im Zeichen eines didaktischen Reformversuchs von Schule und Hahn setzt seine Erlebnistherapie in Form von Internatsschulen um. 1920 gründet er die Internatsschule Schloss Salem, der bald noch weitere folgen (dazu mehr in Kapitel 4.4). In beiden Fällen handelt es sich also um schulische Erziehungskonzepte, zumindest was die institutionelle Umsetzung betrifft. Damit sind beide Konzepte zwar Gegenkonzepte was ihre didaktische Gestaltung betrifft, aber prinzipiell stellen sie reformierte Ergänzungen des (öffentlichen) schulischen Erziehungswesens dar. Beiden Konzepten liegt die Institution Schule zugrunde, beide richten sich an die Zielgruppe Kinder und Jugendliche und sind somit schulische Erziehungskonzepte. Diese Ausrichtung auf das „System Schule“ verändert sich erst im Laufe der Zeit bzw. erfährt in Form der so genannten Kurzschulen eine Ausweitung (dazu mehr in den Abschnitten 4.4.3 und 7.1)
Allerdings wird nur der Ansatz von Kurt Hahn langfristig, auch institutionell, umgesetzt. Der Grund dafür liegt wohl in der „Kraft der Bündelung“ der verschiedensten „erlebnisorientierten reformpädagogischen Ansätze“, in der „Erlebnistherapie“:
Der Begriff des Erlebens spielt in nahezu allen reformpädagogischen Bewegungen eine zentrale Rolle. Als Kurt Hahns historischer Verdienst kann gelten, dass durch seine Theorien der Erlebnistherapie die verschiedenen Fäden einer Pädagogik des Erlebens wohl eher unbewusst als beabsichtigt verknüpft werden. Diese historischen Fäden oder Wurzeln reichen über die Reformpädagogik hinaus bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Die herkömmliche Einteilung in Bewegungen versucht aus dem subtilen Zusammenspiel von Ideen ein geographisches (Landerziehungsheimbewegung), thematisches (Kunsterziehungsbewegung) oder soziales (Frauen-, Jugendbewegung) Raster zu bilden. Zunächst aber zu den zentralen Begriffen oder Ideen der Reformpädagogik: Erlebnis, Augenblick, Unmittelbarkeit, Gemeinschaft, Natur, Echtheit und Einfachheit.82
Aber neben dieser Entwicklung einer „Sammeltheorie“ ist der Grund für das nachhaltige Wirken von Kurt Hahn wohl seinem Organisationstalent und seiner charismatischen Ausstrahlung zuzuschreiben. Kurt Hahn ist als wirklicher „handlungsorientierter“ Pädagoge zu sehen. Während in der Wissenschaft über Begrifflichkeiten diskutiert wird, gründet Hahn eine Schule nach der anderen. Selbst nach dem Gang ins Exil nach England dauert es nicht lange und schon wird die nächste (Internats)Schule gegründet. Durch seine Tätigkeiten schafft er ein Fundament, auf dem die heutige, so genannte „moderne Erlebnispädagogik“ noch immer aufbaut. Diese Spannung zwischen „Aktionismus“ versus „gelehrtem Diskurs“ ist auch heute noch spürbar und wird an vielen Stellen erwähnt: hier die praktischen Erlebnispädagogen / -innen, dort die verkopften Theoretiker / -innen. Allerdings handelt es sich dabei um einen weit über die Grenzen der Erlebnispädagogik vorkommenden Topos. Tatsache ist auf jeden Fall, dass, im Gegensatz zu Waltraud Neubert, Kurt Hahn noch heute präsent ist: einerseits durch die aktuelle, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit seiner „Erlebnistherapie“ und andererseits in „materieller“ Form durch seine Schulgründungen (siehe dazu Kapitel 4.4).
2.1.4 Rückgriff: Das Erlebnis nach Wilhelm Dilthey
Zentraler Leitbegriff der Erlebnistherapie und der Erlebnispädagogik ist das Erlebnis. Dabei ist es gerade der Begriff des „Erlebnisses“, der in der „modernen Erlebnispädagogik“ sehr kritisch hinterfragt wird. Im Prinzip gibt es drei Hauptkritikpunkte:
Erlebnisse sind nicht pädagogisch (methodisch-planvoll) provozierbar bzw. erzeugbar.83
Erlebnisse sind als isolierte, individuelle Erscheinungen nicht in ein pädagogisches System integrierbar.84
Erlebnisse sind nur die Befriedung einer „Abenteuerlust“ oder „Entgrenzung“ der Gesellschaft und dementsprechend als pädagogisch-erzieherische Kategorie nicht zulässig85
Es ist sicher so, dass „das Erlebnis“ als ein „erlebtes Gefühl“ einer wissenschaftlichen Beschreibung schwer zugänglich ist. Der Begriff bzw. der Begriff des „Erlebens“ wurde von Wilhelm Dilthey bereits in den Anfängen der (geistes)wissenschaftlichen Diskussion als ein zentraler eingeführt:
Die Wurzeln der Erlebnispädagogik liegen bei Wilhelm Dilthey (1833–1911) und seiner Begründung einer geisteswissenschaftlichen Psychologie, in der das Erleben der eigenen Zustände und das Verstehen des in der Außenwelt objektivierten Geistes als die beiden Möglichkeiten des Menschseins verstanden wurde, die Wirklichkeit zu erfassen.86
Die oben angesprochene Waltraud Neubert arbeitete aus dem Gesamtwerk von Wilhelm Dilthey für ihre Erlebnispädagogik sieben zentrale Momente für die Bestimmung des Erlebnisses heraus:
Erlebnisbegriff von Wilhelm Dilthey nach Waltraud Neubert:87
Kategoriale Gliederung | Inhaltlicher Kontext |
1. Unmittelbarkeit des Erlebnisses | Erlebnisse sind unmittelbar, da mit ihnen, im Gegensatz zum denkenden Verstehen, das Leben vom Individuum selbst erfasst wird. |
2. Erlebnis als gegliederte Einheit | Das Erlebnis ermöglicht eine solche denkende Aufhellung dadurch, dass es eine gegliederte Einheit darstellt, die als solche sich im gesamten Erlebnisstrom als bedeutsam von anderen Erlebnissen abgrenzt. |
3. Erlebnis als mehrseitiges Spannungsgefüge | 3.1. Totalität In jedem Erlebnis sind alle geistigen Grundrichtungen wirksam. Es kann in ihm auch wie in jedem anderen seelischen Akt die Totalität des Seelenlebens, das Wirken des ganzen, wollend-fühlend-vorstellenden Menschen nachgewiesen werden. Dabei liegt der Nachdruck auf der entscheidenden mächtigen Mitte: „im Gefühl genossene Lebendigkeit“.3.2. Subjekt-Objekt-Bezug Zwar ist für das Subjekt das Erlebnis herausgehoben aus dem Gesamtverlauf des seelischen Geschehens durch seine Intensität im Bewusstsein. Zugleich mit dem seelischen Zustand aber ist im persönlichen Erlebnis in Beziehung auf ihn die Gegenständlichkeit der Welt gegeben.3.3 Allgemeingültigkeit und Individualität Jeder Mensch erlebt etwas Schmerz und Freude in der gleichen Grundart. Darüber hinaus aber sind jedem Erlebnis Züge eigen, die durch Rasse und Geschlecht, Gesellschaftsschicht und Beruf, schließlich durch die individuelle Anlage bedingt sind. |
4. Historischer Charakter des Erlebnisses | Individualität ist nicht etwas Gegebenes, sondern das Seelenleben bildet eine Entwicklung. Umgekehrt schwingt auch alles je Erlebte im Erlebnis mit, so dass jeder einzelne Bewusstseinsakt in seinem Auftreten und seinem Charakter von diesem ganzen erworbenen seelischen Zusammenhang bedingt ist. |
5. Entwicklungsfähigkeit des Erlebnisses | Das Erlebnis lässt sich einmal nach seinen Wurzeln hin verfolgen: denn hat es auch den Charakter des Plötzlichen, so ist es doch das Ergebnis einer inneren Folge von Seelenzuständen, welche nach ihrem Zusammenhang auf das Erlebnis hindrängen und in ihm Höhepunkt und Abschluss haben. |
6. Objektivationsdrang und Erlebnis | Wie alle seelischen Grundfunktionen im Erlebnis ins Spiel treten, so wird auch der ganze seelische Zusammenhang, in den sich unser geistiges Leben gliedert, in ihm durchlaufen. Von der empfindungs- und vorstellungsgemäßen Antwort auf die Reize, über die Wertung im Gefühl als dem wichtigsten Teil, stößt das Erlebnis durch bis zum Willensimpuls, der sich dann in der doppelten Form des Ausdrucks oder der Handlung entladen kann. |
7. Zusammenhang von Leben-Ausdruck-Verstehen | Die schöpferische Kraft des Erlebnisses begründet schließlich den Zusammenhang von Leben-Ausdruck-Verstehen, infolgedessen nun auch auf dem umgekehrten Wege von außen nach innen in jedem Gebilde, in welchem Erlebnis Gestalt geworden ist, das Schaffende, Wertvolle, Handelnde, Sichausdrückende, Sichobjektivierende im Nacherleben wieder flüssig gemacht werden kann. |
Die Diskussion über den Begriff des Erlebnisses ist ein zentrales Moment der „geisteswissenschaftlichen Pädagogik“, ja in der Geisteswissenschaft als solche.
In der modernen Erlebnispädagogik ist allerdings nicht mehr der Begriff des Erlebnisses ein „Leitbegriff“ der wissenschaftlichen Diskussion, sondern die „pragmatischen“ Begriffe wie „Transfer“, „Wirkung“ und „Lernen“. Dabei ist auch nicht mehr die „geisteswissenschaftliche Pädagogik“ die Leitdisziplin, sondern es wird auf eine Fülle anderer Wissenschaftstheorien (kritisch-rationale, empirische Theorie, Systemtheorie, Konstruktivismus etc.) bzw. auf die unterschiedlichsten Bezugswissenschaften (Psychologie, Soziologie), Modelle und Erklärungen zurückgegriffen. Eine genaue Differenzierung und Systematisierung dieser Diskussionsstränge in der modernen erlebnispädagogischen Literatur steht noch aus. Trotzdem gilt es festzuhalten, dass der Begriff „Erlebnis“ noch immer ein, wenn auch manchmal nur historischer Leitbegriff der Erlebnispädagogik ist. Allerdings (ver)schwindet er oft durch Bezeichnungen wie „Outdoor-Training“ oder durch die Umschreibung „handlungsorientierter Ansatz“. Diese Verschiebung ist aus meiner Sicht eine logische Konsequenz aus den oben angeführten Tendenzen bzw. Differenzierungen. Auch in den beiden in diesem Buch verwendeten pädagogischen Wörterbüchern wird der Begriff „Erlebnis“ nicht behandelt. Diese Entwicklung spiegelt aus meiner Sicht auch die Entwicklungen in der wissenschaftlichen Pädagogik wider. Der Begriff des Erlebnisses verweist direkt auf die geisteswissenschaftliche Pädagogik, die ja gerade in den 60er Jahren massiv kritisiert wurde.88 Der Begriff „Training“ dagegen verweist auf die in der kritischen Wende aufkommenden (empirischen) Bezugswissenschaften und eine empirische Studie ist etwas „Handfesteres“ als der „sperrige“, schwer fassbare Begriff des Erlebnisses. Allerdings ermöglicht gerade der Begriff des Erlebnisses einen Anschluss an Begriffe wie „Ganzheitlichkeit“ bzw. ist anschlussfähig an „spirituelle“ Ansätze. Im Gegensatz z.B. zum Begriff des Trainings hebt er die hohe „emotionale Qualität“ von Erlebnispädagogik hervor:
Unter einem Erlebnis soll ein besonderes Ereignis aus subjektiver Sicht des Erlebenden verstanden werden, das einen hohen Erinnerungsgrad aufweist.89
2.1.5 Unterscheidung von „Erleben“ und „Erlebnis“ nach Schott
Bei einem Erlebnis handelt es sich also um ein „besonderes Ereignis aus subjektiver Sicht“. Ist „das Besondere“ nicht gegeben, handelt es sich also um ein „Ereignis“, und wird dementsprechend „erlebt“. Dies ist eine bedeutsame Unterscheidung, wenn auch „Erlebnis“ und „Erleben“ in der Literatur oft synonym verwendet werden. Thomas Schott hat dagegen, in Fortführung von Dilthey und Neubert, die Unterschiede bzw. die unterschiedliche Struktur und Qualitäten, auch in ihrer historischen Entwicklung, sehr genau untersucht und damit den Begriff auch wissenschaftlich fassbar gemacht. Dabei unterscheidet er zwischen „Erleben“, siehe Abschnitt 2.3, ein Begriff der eher dem handlungsorientierten Ansatz zugeordnet werden kann und dem Begriff „Erlebnis“90:
Zentrale und periphere Momente von „Erleben“ und „Erlebnis“ nach Thomas Schott.91
Zentrale Momente des Erlebens | Zentrale Momente des Erlebnisses | wichtige Unterscheidung |
Als erstes, zentrales Moment des Erlebens ist dessen Unmittelbarkeit zu nennen. | Das erste zentrale Moment des Erlebnisses betrifft dessen Unmittelbarkeit | |
Das zweite zentrale Moment des Erlebens bezieht sich auf dessen Einheitscharakter. Gemeint ist damit, dass das Erleben über die Fähigkeit verfügt, heterogene Vorgänge des seelischgeistigen Geschehens zu verbinden. (…) Das Erleben ist Bedingung dafür, dass Gefühle kultiviert und Prinzipien in Handlungen umgesetzt werden können. Es ermöglicht ein „learning by doing“. (Hervorhebung durch Verfasser). | Das zweite zentrale Moment des Erlebnisses ist sein Einheitscharakter. | |
Das dritte zentrale Moment des Erlebens, seine Geprägtheit durch unterschiedliche Spannungsverhältnisse – geht mit dem zweiten Hand in Hand. (…) Das erste Spannungsverhältnis liegt in der Dialektik von Allgemeinheit und Individualität. (…). Das zweite Spannungsverhältnis äußert sich im Dualismus von Dynamik und Statik. (…) Das dritte Spannungsverhältnis erstreckt sich auf die Dialektik von Abstand und Nähe. (…). Das vierte Spannungsverhältnis endlich kennzeichnet den Widerstreit zwischen Willkürlichkeit und Unwillkürlichkeit (…). | Das dritte zentrale Moment des Erlebnisses erstreckt sich auf seine Spannungsverhältnisse. Im Unterschied zum Erleben können beim Erlebnis allerdings nur zwei Spannungsverhältnisse ausgemacht werden: Einmal die Dialektik von Allgemeinheit und Individualität (…) hinzu kommt die relative Opposition zwischen Abstand und Nähe. | Von einem Erlebnis kann also dann die Rede sein, wenn willkürliches, selbstinitiiertes Interesse mit unwillkürlichem, neigungsgebundenem Interesse koinzidiert, wenn Leidenschaft und Lust mit Überlegung und Einsicht einhergeht. |
Das vierte zentrale Moment des Erlebens erstreckt sich auf die Zeitlichkeit. Wie schon Dilthey anmerkte, wirken biographische Umstände eines Menschen zum Teil Zeit seines Lebens auf dessen Erleben zurück. (…) | Die Zeitlichkeit stellt das vierte zentrale Merkmal des Erlebnisses dar. | Im Unterschied zum Erleben aber halten beim Erlebnis augenblickliche, zurückliegende sowie antizipierte Geschehnisse ihren Eigencharakter nicht aufrecht. Vielmehr scheinen sich deren strukturelle Grenzen, die beim Erleben noch vorhanden waren, gleichsam aufzulösen. (…) Man gewinnt die Überzeugung, als verstreiche im Erlebnis die Zeit wie im Fluge oder – das andere Extrem – als bliebe die Zeit stehen. (…) Im Erlebnis scheint eine Aufhebung zwischen Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft vorzuherrschen. |
Das fünfte zentrale Element des Erlebens ist seine „Manifestationstendenz“, das ist seine Neigung bzw. sein Drang sich zu vergegenständlichen. Dieser Drang offenbart sich darin, dass Erlebtes je nach Intensität zur Reflexion zwingt, zur Sprache gebracht wird oder in unterschiedlicher Verhaltensweise in Erscheinung tritt. (…) | Das fünfte zentrale Moment des Erlebnisses meint seinen Drang zur Äußerung, Besinnung und Mitteilung. | Jedenfalls zeichnet ein Erlebnis unter anderem aus, dass man sich mit ihm verstärkt beschäftigen muss. Es verursacht das Streben nach Ausdruck und Handlung, ganz gleich, ob sich das beobachtbare Verhalten niederschlägt oder nicht. |
Beim sechsten zentralen Moment des Erlebens handelt es sich um die Einbindung des Erlebens in die Vorgänge des Ausdrückens und Verstehens. Hier darf erneut auf Dilthey verwiesen werden, denn Dilthey hat klargemacht, dass das Erleben den Grundstein von Ausdruck und Verstehen darstellt. Ohne (bewusstes) Erleben ist keine begriffliche Objektivation und ohne diese kein Verstehen möglich. Das Erlebte muss also zunächst in Begriffe bzw. zur Sprache gebracht werden, um es verstehen zu können (…) | Das sechste zentrale Moment des Erlebnisses (…) ist gekennzeichnet durch seine Einbindung in die Vorgänge des Ausdrückens und Verstehens. | Allerdings ist das Erlebnis nicht – wie etwa das Erleben – Voraussetzung dafür, dass etwas auf einen Begriff gebracht und somit dem Verstehen zugänglich gemacht werden kann, denn die Vergegenständlichungen sind schon auf niedrigeren Ebenen möglich, die nicht des Erlebnisses bedürfen. Vielmehr könnte ein Erlebnis kraft seines gesteigerten Manifestationsdranges dazu beitragen, dass jemand seine Welt besser verstehen lernt, weil er sich mit dem Erlebnis intensiver auseinandersetzen wird als mit alltäglich Erlebtem. Gleichwohl gibt es dafür keinen Automatismus. |
Das siebte zentrale Moment des Erlebens rekurriert auf die Fähigkeit zur Kommunikation (…) Kommunikation wird aufgefasst als Mitteilung und Verständigung, als Vorgang, bei dem etwas in Kontakt tritt bzw. bei dem etwas vereinigt wird. | In der Kommunikation zeigt sich das siebte zentrale Moment des Erlebnisses. | Im Unterschied zum Erleben aber ermöglicht es nicht die wechselseitige Kontaktaufnahme zwischen Empfundenem und Denken, zwischen Fühlen und Wollen, sondern im Erlebnis ist Kommunikation. Im Erlebnis ist die Kommunikation dieser Glieder kaum behindert (…) Es ist dann, als seien keine Grenzen mehr vorhanden. (…) In den Mittelpunkt gerät vielmehr ein Gefühl, mit welchem sich Ohnmacht und Allmacht zugleich einstellen. |
Das achte zentrale Moment des Erlebnisses ist sein Resultatscharakter. | Das achte zentrale Moment des Erlebnisses fasst einen markanten Unterschied zum Erleben in sich, den Unterschied, dass das Erlebnis im Vergleich zum Erleben Resultatscharakter hat. Das Erleben ermöglicht etwas, es ermöglicht Verbindungen, Verknüpfungen, es ermöglicht Einheit etc. Im Erlebnis ist Einheit von Denken, Fühlen, Wollen, ist Einheit von Dynamik und Statik, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, von Willkürlichkeit und Unwillkürlichkeit. Im Erlebnis ist Ganzheit. | |
Das neunte zentrale Moment schließlich kennzeichnet die Eigen- bzw. Selbsttätigkeit des Erlebnisses. Das Erlebnis stellt ein „autokinetisches System“ dar, das sich, per definitionem, selbst bewegt bzw. bildet und weder von außen – etwa durch Vorgaben des Lehrers – noch von innen – z.B. durch Neigung und Gefühle des Schülers – erzwingen lässt. | ||
Periphere Momente des Erlebens | Periphere Momente des Erlebnisses | |
Das Kriterium der Quantität | Das Kriterium der Quantität | Klarheit und Deutlichkeit zum Gegenstand |
Das Kriterium der Relation | Das Kriterium der Relation | |
Modi des Erlebenswirkliches (objektives) und mögliches (antizipierendes) Erlebenpositives und negatives ErlebenAbgrenzung innerhalb des Erlebens nach kognitives Erleben, affektives Erleben oder konatives Erleben | Modi des Erlebnisseswirkliches (durch faktische Ereignisse bewirkt) oder mögliches (durch vermutete, antizipierte etc. Inhalte bewirktes) Erlebnispositives und negatives Erlebnisaffektives (durch sinnes- bzw. verstandesmäßige Tätigkeiten ausgelöstes) und konatives (durch Neigungen und Bedürfnisse ausgelöstes) Erlebnis |
„Erleben“ und „Erlebnis“ unterscheiden sich also wesentlich in einigen Punkten. Dabei ist die Unmittelbarkeit des „Erlebnisses“ und die hohe „Intensität“ ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal. Bei Dilthey ist diese Differenzierung so noch nicht vorgenommen, aber die von Schott durchgeführte Unterscheidung spricht einen wesentlichen Aspekt der modernen Erlebnispädagogik an. Der Begriff des „Erlebens“ weist eher in die Handlungssphäre des „handlungsorientierten Ansatzes“ und des „erfahrungsorientierten Lernens“, bestimmt durch eine hohe Prozesshaftigkeit und einen reflexiven Charakter. Hier wird didaktisch auch oft mit so genannten „(Lern)Schleifen“ gearbeitet, in denen immer wieder gleiche Übungen durchlaufen und anschließend besprochen werden. Im Gegensatz dazu stehen die „Erlebnisse“, die „besonderen Erfahrungen“, die nicht „erzwingbar“ sind. Sie haben eine wesentlich höhere „emotionale Wirkung“ und dadurch ein wesentlich höheres (mögliches) Wirkpotential, sind aber methodisch nicht zu erzeugen. Diesem (methodischen) Problem wird in der erlebnispädagogischen Praxis dadurch begegnet, indem „Settings“ geschaffen werden, die eine „hohe Erlebniswahrscheinlichkeit“ haben (z.B. Hochseilgärten) bzw. der Ort der Handlung in die „unberührte Natur“ verlegt wird. Eine Raftingfahrt auf einem Wildbach, ein Abseilen aus zehn Meter Höhe oder eine Übernachtung ganz alleine im Wald haben sicher ein relativ hohes „Erlebnispotential“. Trotzdem stellen sich folgende, vor allem hinsichtlich des Nachweises und der Legitimität, methodische Probleme:
Erzeugt das Setting ein Erlebnis?
Hat das Erlebnis überhaupt einen Bezug zu Ziel und Intention?
Ist das Erlebnis im Sinne der Ziele nutzbar zu machen?
Ist es überhaupt „rational“, reflektier- und besprechbar oder in seiner emotionalen Wirkung „übermächtig“?
Wie geht man mit einer hohen negativen Emotionalität, einem negativen Erlebnis um?
Warum aber „das Erlebnis“ als Kategorie der Erlebnispädagogik nicht verschwunden ist, liegt eben in seiner großen Intensität und dem damit verbundenen erhofften „Wirkpotential“. Dahinter steht die Hoffnung, diese „Energien“ für den pädagogischen Prozess nutzbar machen zu können und dadurch viel mehr „Wirkung“ erzielen zu können. Manchmal kann man fast von einer Hoffnung auf ein „Erweckungserlebnis“ sprechen (dies schwingt ja bei der Bezeichnung „finaler Rettungsanker“ in der Erziehungshilfe mit). Aber Schott hat meiner Meinung nach sehr gut herausgearbeitet, dass Erlebnisse keinesfalls „pädagogische Erfindungen“, sondern sehr wohl auch begrifflich fassbar sind. Neben dieser wissenschaftlichen Aufarbeitung kommt eine Unzahl von biographischen „Beweisen“ solcher „wirkmächtiger Erlebnisse“. Aus meiner Sicht ist es vor allem die Diskrepanz zwischen der subjektiven Wirkung und der (wissenschaftlichen) Beweisbarkeit bzw. der methodischen Planbarkeit, die sich hier zeigt. Im Rahmen eines professionellen Konzeptes ist es schwierig, mit einer derartig „sperrigen Kategorie“ zu argumentieren. Diese Diskussion wird in der modernen (professionalisierten) Erlebnispädagogik vor allem über Begriffe wie „Wirksamkeit“, „Nachhaltigkeit“, „Transfer“ und „Wirkungsnachweis“ geführt. Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Begriffe „Erleben“ und „Erlebnis“ auch auf zwei unterschiedliche, in der aktuellen Diskussion oft vermischte „Ansätze“ verweisen. Wie erwähnt stehen beim Begriff des Erlebens die Prozesshaftigkeit und die Reflexion im Vordergrund. Somit verweist der Begriff des Erlebens auf den handlungsorientierten Ansatz. Beim Begriff des Erlebnisses steht die hohe „Intensität“ und die damit verbundene „Wirkmächtigkeit“ im Vordergrund und verweist daher auf die (Hahnsche) Erlebnispädagogik mit ihren wirkmächtigen Erlebnissen (siehe 2.1.) Wie gesagt sind beide Begriffe noch immer in der modernen Erlebnispädagogik anzutreffen, wenn auch in der wissenschaftlichen Diskussion der erste zur Zeit überwiegt. Dies aus meiner Sicht deshalb, weil ersterer konzeptionell planbar und methodisch-didaktisch umsetzbar und auch empirisch leichter erfassbar ist. Dadurch sind solche Programme auch Geldgebern / -innen gegenüber leichter argumentierbar. Aber in letzter Zeit ist, vor allem in den rituell-kreativen Ansätzen, der Ansatz des „wirkmächtigen Erlebnisses“ wieder zu erkennen. Manchmal werden diese Ansätze auch als „europäischer Sonderweg“ im Gegensatz zu den „behavioristisch-amerikanischen“ Projektkonzepten gedeutet.92
2.2 Ansatz II: Die Handlungs-Pädagogik (John Dewey)
Handlung: Handlung ist eine menschliche Tätigkeit, bei der als wesentliche Momente das Subjekt und Objekt der Handlung, der Vollzug und die Intention unterschieden werden. Die Handlungstheorie als philosophische Forschungseinrichtung sucht u.a. durch die Aufnahme der aristotelischen Unterscheidung von „praxis“ und „poisis“ und durch die Methoden der Sprachanalyse Strukturen und Voraussetzungen von Handlungen zu klären. Die Handlungstheorie kann so Pädagogik als handlungsorientierte und -orientierende Wissenschaft über die Bedingungen pädagogischen Handelns aufklären, unter denen sich weiterhin ein Erziehungs- als spezielles Handlungsziel anstreben lässt; von Bedeutung ist dabei die handlungstheoretische Frage nach Freiheit, d.h. nach der Begründung von Handeln durch die selbstbestimmte Intention der Person, die erst Erziehung zur Mündigkeit und Handlungskompetenz erlaubt.93
Es zeigt sich, dass die inhaltlich divergierenden Unterscheidungen von Handeln und Verhalten, Praxis und Poisis, Interaktion und Arbeit, Kommunikation und Diskurs weniger Themen als vielmehr wie auch immer wichtige Nebenprodukte eines Klärungsversuchs der primär normativen Frage sind: „Was ist (rationales, richtiges, vernünftiges…) Handeln? Insofern gilt: „Der Handlungsbegriff ist selbst in einem ursprünglichen Sinn ein Wertbegriff“, Pädagogik als Handlungsreflexion daher eine „praktische“ Disziplin.94
Neben der Bezeichnung „Erlebnispädagogik“ wird für die moderne Erlebnispädagogik auch oft die Bezeichnung „handlungsorientierter Ansatz“ verwendet. Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht einmal annähernd möglich den Begriff des „Handelns“ zu klären. Wie allerdings schon bei der Generierung des Wortschatzes zu erkennen ist, steht der Begriff der „Handlung“ (fast) gleichberechtigt neben dem Begriff „Erlebnis“. In der erlebnispädagogischen Literatur wird mit diesem Ansatz besonders eine Person in Verbindung gebracht und rezipiert: John Dewey. Dieser gilt in den USA und Kanada als Vater des „handlungs- und erfahrungsorientierten Lernens“95 und ihm wird auch das in der erlebnispädagogischen Literatur oft rezipierte Theorem: „Learning by doing“96 zugeschrieben.
John Dewey ist also neben Kurt Hahn sicher eine wichtige Persönlichkeit in der Geschichte der Erlebnispädagogik. Seine „Projektmethode“97 wird in Form des „Projekts“, wenn auch wahrscheinlich im Umweg über Kerschensteiner, zu einem konstitutiven Element der Hahnschen Erlebnistherapie:
Im Projekt-Lernen geht es (Hahn) um geistige, handwerkliche oder technische, wissenschaftliche, kunsthandwerkliche, musische und soziale Aufgaben und Felder der Bearbeitung (und Bewährung); (…). Die einschlägigen Vorbilder für Hahn, die (amerikanische) Projektmethode und der Arbeitsunterricht Kerschensteiners haben dabei vor allem die Selbständigkeit der Ausführung und die Selbstprüfung der Lernenden an der Sache betont. Nicht das Projektergebnis, sondern vielmehr die Fähigkeiten, die auf dem Weg zum Ziel erworben werden können, sind zentral.98