Kitabı oku: «Hitlers Theologie», sayfa 4
2. Hitlers Kritik
a) „Langsames Ausklingen“ der Kirchen: Hitlers Szientismus
Selbstverständlich hat Hitlers Analyse der Kirchen nichts mit Zustimmung zu ihren Verkündigungsinhalten zu tun. Wiewohl Hitler sich als „gottgläubig“ bezeichnet und ihm eine spezifische Form der Religiosität wohl auch persönlich eignet, so gelten ihm doch die meisten der konkreten Inhalte der christlichen Verkündigung als durch die naturwissenschaftliche Forschung widerlegt. Die Popularisierung der wissenschaftlichen Erkenntnisse werde denn auch, so Hitlers Überzeugung, die Glaubwürdigkeit der Kirchen endgültig untergraben. „Wer naturgemäß lebt, kommt …, ohne daß er es will, in Gegensatz zur Kirche. Die Kirche geht daran zugrunde. Die Wissenschaft wird Siegerin sein“22, so Hitler in einem Gespräch im Führerhauptquartier am 14.10.1941.
Es sei deshalb auch nicht „richtig, sich jetzt in einen Kampf mit der Kirche zu stürzen. Am besten, man läßt das Christentum langsam verklingen; ein langsames Ausklingen hat auch etwas Versöhnendes in sich: Das Dogma des Christentums zerbricht vor der Wissenschaft. Die Kirche muß schon jetzt mehr und mehr Konzessionen machen. Tausend Dinge werden allmählich hinfällig. Es braucht nur noch der Nachweis geführt werden, daß das Anorganische und das Organische in der Natur ohne Grenze ineinanderüberfließen! Wenn erst einmal das Wissen um das Universum sich verbreitet, wenn der Großteil der Menschen sich klar darüber wird, daß die Sterne nicht Leuchtkörper sind, sondern Welten, vielleicht belebte Welten, wie die unsere, dann wird die Lehre des Christentums völlig ad absurdum geführt“23.
Der „ganze(.) katholische(.) Kirchenglauben“ ist denn auch für Hitler „eine unglaublich schlaue Mischung von Heuchelei und Geschäft unter Ausnutzung der menschlichen Anklammerung an die überkommene Gewohnheit“. Selbst ein „gebildeter Geistlicher könne“, so Hitler, „doch unmöglich den Unsinn glauben, den die Kirche verzapfe“24. Das Christentum sei „das Tollste, das je ein Menschenhirn in seinem Wahn hervorgebracht hat“, vor allem, und Hitler hebt dies eigens hervor, ist es für ihn „eine Verhöhnung von allem Göttlichen“25 – so Hitler im Führerhauptquartier am 13.12.1941.
Hitlers durchgängiger Szientismus, also seine Wissenschaftsgläubigkeit, ist dabei durchaus nicht ungebrochen und völlig unaufgeklärt über seine Grenzen. „Die Wissenschaft“ ist für ihn „nichts anderes wie eine Leiter, die man erklimmt: Mit jeder Stufe sieht man ein bißchen weiter, aber an das Ende der Dinge sieht auch die Wissenschaft nicht“26. Auch bezweifelt Hitler, dass wissenschaftlicher Fortschritt und individuelles Glück unmittelbar zusammenhängen. „Ob wissenschaftliche Erkenntnisse den Menschen glücklich machen? Ich weiß es nicht. Aber: mit ganz verschiedenen Bekenntnissen sind die Menschen glücklich! Gut, so muß man darin eben auch tolerant sein! Töricht ist es, den Menschen glauben zu machen, er sei ein Dirigent, wie das eine aufdringliche liberale Wissenschaft des vorigen Jahrhunderts getan hat.“27 Aber Wissenschaft, so Hitler, „bemüht sich, nach den Grenzen, die jeweils ihrer Einsicht gezogen sind, eine Sache richtig zu sehen. Sie stellt nicht bewußt falsch dar“. Das Christentum aber lüge: Es sei deshalb wegen seines Wahrheitsanspruchs „in einen Konflikt mit sich selbst hineingeraten“28.
Hitler stellt sich an dieser Stelle übrigens auch die Frage, ob mit der Verdunstung des Christentums in der Kritik der modernen (Natur-)Wissenschaften, „nicht überhaupt der Gottesglaube beseitigt werden“ wird. Seine Antwort: „Das würde nicht gut sein! Der breiten Masse ist der Begriff der Gottheit nur eine Substantiierung. Diese Substantiierung ist wunderbar. Warum sollen wir den Sammelbegriff für das Unbegreifliche zerstören?“29 Das Christentum aber habe „nun freilich“, so Hitler, „den Gipfel aller Torheit erklommen. Deshalb wird eines Tages sein Gebäude gänzlich zerbrechen. Das Wissen hat heute schon die ganze Menschheit erfaßt. Je mehr sich das Christentum an das Dogma klammert, umso rascher wird es verglimmen.“30
Nachdem für Hitler aber „alle Erschütterungen von Übel sind“, hält er „es für das Schönste, wenn wir die Einrichtung der Kirche allmählich durch eine geistige Aufklärung überwinden und schmerzlos machen, zu einer gewissen Milde bringen. Das allerletzte könnten Frauenklöster sein!“31 „Die Zeitenwende des Untergangs“ der Kirchen sieht Hitler jedenfalls gekommen. „Es dauert noch einige Jahrhunderte, dann geschieht durch Evolution, was nicht durch Revolution geschieht. Jeder Gelehrte, der etwas Neues entdeckt, haut ein Stück von deren Basis weg. Es tut einem oft leid, daß man in einer Zeit lebt, in welcher einem noch nicht bewußt ist, wie die neue Welt aussehen wird“32 – so Hitler am 11.11.1941.
„Die Zeit, in der wir leben, ist die Erscheinung des Zusammenbruchs dieser Sache. Es kann hundert oder zweihundert Jahre noch dauern. Es tut mir leid, daß ich wie Moses das gelobte Land nur aus der Ferne sehen kann. Wir wachsen in eine sonnige, wirklich tolerante Weltanschauung hinein: Der Mensch soll in der Lage sein, die ihm von Gott gegebenen Fähigkeiten zu entwickeln. Wir müssen nur verhindern, daß eine neue, noch größere Lüge entsteht: Die jüdisch-bolschewistische Welt muß zerbrechen!“33
b) Die unüberwindbare Kluft zwischen Wort und Tat universalistischer Konzepte
Hitler grenzt sich jedoch gegenüber den christlichen Kirchen nicht nur dadurch ab, dass er deren Glaubensaussagen als unvereinbar mit den modernen Wissenschaften denunziert und damit den baldigen Einflussverlust des Christentums bei weiten Teilen der Bevölkerung voraussagt. Er wirft den Kirchen bezeichnenderweise auch vor, sich selbst mehr über das Wort als über das Handeln zu definieren und gerade dadurch unglaubwürdig geworden zu sein. In Hitlers Sprache: Es sei ein „Christentum des Wortes“ geworden und keines mehr „der Tat“.
Eine Bewegung der Tat zu sein, gerade dies aber nimmt Hitler für den Nationalsozialismus in Anspruch. In seinen Anfängen reklamiert Hitler für den Nationalsozialismus gar, das eigentliche „Christentum der Tat“ zu sein. „Wer nicht will, daß unser Christentum, das heute leider Gottes nur noch ein Christentum des Scheins statt der Tat ist, verloren geht, der muß Front machen gegen den, der uns unser Christentum raubt. (…) Aus uns heraus muß die Gesundung wachsen. Wir sind zwar klein, aber einst stand auch ein Mann auf in Galiläa, und heute beherrscht seine Lehre die ganze Welt. Ich kann mir Christus nicht anders vorstellen als blond und mit blauen Augen, den Teufel aber nur in der jüdischen Fratze“34 – so Hitler auf einer NSDAP-Versammlung 1921 in Rosenheim.
Noch 1937 benutzt Hitler das Klischeebild eines für das „Winterhilfswerk“ sammelnden Kindes, um das wahre Christentum der (nationalsozialistischen) Tat gegen die unaufrichtigen Wortbekenntnisse der Kirchen auszuspielen. „Wenn ich so manches Mal ärmlich gekleidete Mädchen mit unendlicher Geduld sammeln sehe“, so Hitler, „selbst frierend, um für andere Frierende zu sorgen, dann habe ich das Gefühl, daß sie alle auch Apostel eines Christentums sind. Und zwar eines Christentums, das von sich mit mehr Recht als ein anderes sagen kann: Dies ist das Christentum eines aufrichtigen Bekenntnisses, weil hinter ihm nicht das Wort, sondern die Tat steht.“35
Diese Argumentationslinie hält sich bis zu Hitlers Tod. Sie findet sich noch im „Politischen Testament“ vom 21.2.1945. Es formuliert noch einmal das Konzept des „Nationalsozialismus als Tat“ und entwickelt dieses Konzept bezeichnenderweise aus dem Anti-Universalismus des Nationalsozialismus. Denn gerade die Unfähigkeit zur Tat, das Scheitern am eigenen Anspruch, das Steckenbleiben im bloßen „Wort“ sei eine direkte Folge des falschen „westlichen“ Universalismus.
Universalistische Konzepte können für Hitler nie die Grundlage tatkräftigen Handelns werden. Während diese nämlich „das Wohl des abstrakten Individuums (erstreben)“ und so „dem Trugbild einer universalistischen Lösung nach(jagen)“, kenne der Nationalsozialismus „nur das Deutschtum“ und interessiere ihn „nur das Wohl des deutschen Volkes“. „Zwei Fronten“ stünden sich so „als unversöhnliche Lager“ gegenüber: „Auf der einen Seite das Weltjudentum und seine Helfershelfer, auf der anderen Seite die Führer einer völkischen Realpolitik.“36 „Die Universalisten, Idealisten und Utopisten“ aber, so Hitler, „zielen ins Nichts. Sie versprechen ein unerreichbares Paradies und betrügen damit die Welt. Wie auch immer sie sich tarnen mögen, ob als Christen, Kommunisten oder Liberalisten, ehrliche Narren oder zynische Betrüger, sie arbeiten allesamt an der Unterjochung des Menschengeschlechtes. Ich aber habe immer nur das im Bereich des Möglichen und unserer Macht Liegende auf dieser Welt für mein Volk vor Augen gehabt.“37
„Universalisten, Idealisten und Utopisten“, das ist die zentrale Feindkennung Hitlers in seinem „Politischen Testament“ aus dem Februar 1945. Hitler war dezidiert der Meinung, dass nur eine anti-universalistische Weltanschauung überhaupt politisch handlungsfähig mache. Sowohl der ethische Universalismus („Alle Menschen besitzen die gleiche Würde“) als auch der religionsgemeinschaftliche Universalismus („Das Christentum ist objektiv wahr und hat daher überall zu herrschen“) sind für Hitler politische Handlungshindernisse. Der ethische Universalismus „zielt ins Nichts“ des irdischen Paradieses für alle und ist damit schlicht etwas für „Narren“ und „Betrüger“, der religionsgemeinschaftliche Universalismus ist für Hitler aber einfach durch die Fakten widerlegt.
Hitlers ideologische Gebundenheit an die rassistisch legitimierte Volksgemeinschaftsideologie ist dabei derart massiv, dass er universalistische Konzepte noch im Angesicht seiner eigenen totalen Niederlage gegen die westlichen Demokratien und die kommunistische Sowjetunion für handlungsunfähig erklärt. Wenn „Universalisten, Idealisten und Utopisten“ letztlich nichts anderes als Unerreichbares versprechen können, so Hitler, müssen sie auch notwendig im Spalt zwischen „Wort“ und realer Tat stecken bleiben. Denn ihr Handeln bleibe nicht nur gelegentlich, sondern prinzipiell hinter ihren eigenen Worten zurück. Zumal, wie Hitler sehr genau sieht, universalistische Konzepte dann doch nur partielle soziale Räume belegen können und so ihren universalistischen Anspruch in der Begrenztheit ihrer eigenen sozialen Existenz selbst zu dementieren scheinen. Hitler war sich der konkreten Partikularität religiöser und/oder weltanschaulicher Geltungsansprüche sehr bewusst. Durchgängig wirft Hitler dem Christentum vor, einen allgemeinen und universalistischen Anspruch zu erheben, also Aussagen über alle Menschen und für alle Menschen zu machen, aber doch immer nur eine historisch und geographisch beschränkte Partikularität zu erreichen.
So etwa in einem Tischgespräch am 27.2.1942: „Warum gibt Gott den Menschen nicht die Möglichkeit, alle zur richtigen Vorstellung zu kommen? Horizontal gesehen, wissen die Gebildeten heute, daß die Gottesvorstellung des Katholizismus noch nicht einmal zehn Prozent der Menschheit hinter sich hat. Im gleichen Zeitraum haben die von der gleichen Vorsehung geschaffenen Menschen tausenderlei verschiedenen Glauben. Wir sehen die Dinge heute aber auch vertikal: Wir wissen, daß dieses Christentum nur eine ganz kurze Epoche der Menschheit umfaßt.“38 Und nicht ohne Hohn stellt Hitler im erwähnten „Politischen Testament“ denn auch fest, dass „der ganze Erfolg der bewunderten christlichen Mission, deren Künder die göttliche Wahrheit für sich allein in Erbpacht genommen haben“, nur einige „winzige Farbflecke als Inselchen der Christenheit, und auch diese mehr dem Namen nach“ ausmache.39
Die regional begrenzte Bedeutsamkeit und die damit verbundene soziale Verkapselung der Konfessionen gerade in Deutschland stehen für Hitler in unübersehbarem Gegensatz zur für ihn einzig – politisch wie „wissenschaftlich“ – möglichen Handlungsbasis: der rassisch geeinten Volksgemeinschaft. „Unser Volk ist nicht von Gott geschaffen, um von Priestern zerrissen zu werden“, so Hitler in einer Rede vor Gauleitern bei der Einweihung der Ordensburg in Sonthofen am 23.11.1937. „Daher ist es notwendig, seine Einheit durch ein System der Führung sicherzustellen. Das ist die Aufgabe der NSDAP. Sie soll jenen Orden daher stellen, der, über Zeit und Menschen hinwegreichend, die Stabilität der deutschen Willensbildung und damit der politischen Führung garantiert.“40 „Heute vollzieht sich“, so Hitler in dieser Rede weiter, „eine neue Staatsgründung, deren Eigenart es ist, daß sie nicht im Christentum, nicht im Staatsgedanken ihre Grundlagen sieht, sondern in der geschlossenen Volksgemeinschaft das Primäre sieht. Es ist daher entscheidend, daß das ‚Germanische Reich Deutscher Nation‘ diesen tragfähigsten Gedanken der Zukunft nun verwirklicht, unbarmherzig gegen alle Widersacher, gegen alle religiöse Zersplitterung, gegen alle parteimäßige Zersplitterung.“41
Dieser Kampf gegen die „konfessionelle Zersplitterung“ Deutschlands ist für Hitler nicht nur rein taktisch motiviert, sondern gründet unmittelbar in seiner rassistischen Anschauung vom unerbittlichen Kampf der Rassen gegeneinander und von der Auserwählung der Deutschen als Teil der arischen Rasse. Hitler fordert denn auch in der Konsequenz der oben analysierten „Wort“-„Tat“-Dichotomie von seinen Anhängern die Reinterpretation ihrer Konfessionsmitgliedschaft in rassistischen Handlungskategorien. „Gerade der völkisch Eingestellte hätte“, so Hitler in „Mein Kampf“, „die heiligste Verpflichtung, jeder in seiner eigenen Konfession, dafür zu sorgen, daß man nicht nur immer äußerlich von Gottes Willen redet, sondern auch tatsächlich Gottes Willen erfülle und Gottes Werk nicht schänden lasse.“42 Bereits in „Mein Kampf“ hatte Hitler auch in jenen, „die heute die völkische Bewegung in die Krise religiöser Streitigkeiten hineinziehen, schlimmere Feinde meines Volkes“ gesehen „als im nächst besten international eingestellten Kommunisten“43. Denn „jüdisches Interesse“ sei es heute, „die völkische Bewegung in dem Augenblick in einem religiösen Kampf verbluten zu lassen, in dem sie beginnt, für den Juden eine Gefahr zu werden“44.
3. Ein Resümee
Totaler Anspruch, Dogmatisierung und Normierung des Diffusen sowie 2000-jährige Organisationsklugheit: So lässt sich zusammenfassen, was Hitler an den christlichen Kirchen analysiert und durchaus bewundert. All dies ist formaler Natur. Hitlers inhaltliche Kritik gilt der materialen Verkündigung der Kirchen, deren Entplausibilisierung durch die modernen (Natur)Wissenschaften für ihn feststeht.
Doch Hitlers Kritik geht über diese szientistische Trivialargumentation hinaus. Denn die Unvereinbarkeit der christlichen Verkündigungsinhalte mit dem „modernen Bewußtsein“ schlägt für Hitler nicht nur auf deren Plausibilität im Bewusstsein der Einzelnen zurück, sondern auch auf die Möglichkeit der Konstitution von Kirche als handlungsfähigem sozialem Organismus. Nach wie vor sieht Hitler in der christlichen Verkündigung ein universalistisches Konzept am Werk. Dieses aber bleibt für Hitler handlungsunfähig. Es zielt für ihn „ins Nichts“, da es zu keiner Konkretion fähig sei, ohne darin den eigenen universalistischen Anspruch implizit zu verraten. Christliche Konzepte würden permanent zwischen dem eigenen Anspruch, dem ins Ganze zielenden „Wort“, und dem eigenen Handeln, der dann weit hinter dem eigenen Anspruch zurückbleibenden „Tat“, zerrieben.
Die Kirchen retteten sich dann notgedrungen einerseits in einen Intellektualismus des Wortes, andererseits in eine Form bloß partikulärer Konstitution, die ihre eigene konfessionelle und regionale Partikularität vor sich selbst verschleiern muss. Es fällt nicht schwer, diese beiden Varianten mit den Gefährdungen der beiden großen christlichen Konfessionen zu parallelisieren.
Auf dieser implizit selbstwidersprüchlichen Basis aber ist für Hitler die Schaffung einer handlungsfähigen sozialen Organisation unter den Bedingungen der Moderne nicht möglich. Hitlers Ausweg ist ebenso schlicht wie effektiv: Der grundsätzliche Abschied vom Universalismus beseitigt das typisch moderne Problem der Kluft von universalem Anspruch und bloß regionaler Plausibilität. „Wort“ und „Tat“, universeller Anspruch und historisch-kontingente Realität bleiben so vermittelbar.
Erst wenn man sich vom Universalismus befreit, wie es Hitler mit dem Ideologem der Volksgemeinschaft tut, dann, so Hitler, ist es möglich, eine handlungsmächtige Weltanschauungsinstitution unter den Bedingungen der Moderne zu schaffen. Denn dann erst ist es möglich, die plausibilitätszerstörende Kluft von Anspruch und Wirklichkeit im Bewusstsein der Einzelnen zu überwinden, insofern man dem „Wort“, also der „Verkündigung“ der Weltanschauung, auch eine identifizierbare und realistische soziale Basis verleiht. Wenn dies, wie bei Hitler, auch noch unter Rückgriff auf die sozialdarwinistische Interpretation biologischer Theorien geschieht und sich also mit „wissenschaftlicher“ Legitimation versehen kann45, dann ist die Anschlussfähigkeit an die Moderne sichergestellt.
Hitler sieht im Totalisierungs-, aber auch im Normierungs- und Konkretisierungspotential der kirchlichen Verkündigung deren herausragende Leistung, deren existenzgefährdende Schwäche aber erkennt er zum einen in der veralteten kirchlichen „Weltanschauung“, zum anderen aber in der notwendigen Kluft von „Wort“ und „Tat“.
Beide Schwächen zusammen aber zerstören, so Hitler, unaufhaltsam die Basis der eigentlich eindrucksvollen Herrschaftstechniken und Konkretisierungsleistungen der kirchlichen Institutionen. Hitler ist der festen Überzeugung, dass eine „Weltanschauungsinstitution“ in der Moderne nur plausibel und handlungsfähig wird, wenn sie anschlussfähig bleibt an das Wissen der Gegenwart und zudem nicht zwischen ihrem eigenen universalistischen Anspruch und der modern notwendig erkennbaren Regionalität zerrieben wird. Beides sieht er bei seinem Politikprojekt einer rassisch geeinten Volksgemeinschaft als gegeben.
Institutionell aber will Hitler keine andere Kirche, sondern Individuum, Öffentlichkeit und Religion sollen auf politischer Basis in eine neue Konstellation zueinander treten. „Die Zukunft denke ich mir deshalb so: Jeder hat zunächst seinen Privatglauben; Aberglaube wird auch immer eine Rolle spielen. Die Partei ist der Gefahr enthoben, ein Konkurrenz-Unternehmen für die Kirche zu werden. Es muß durchgesetzt werden, daß die Kirche im Staat nichts mehr dreinredet. Die Erziehung von Jugend auf sorgt dafür, daß jeder weiß, was richtig ist im Sinne der Staatserhaltung. (…) Wir werden dafür sorgen, daß die Kirchen keine Lehren mehr verkünden, die mit unseren Lehren in Widerspruch stehen. Wir werden weiter unsere nationalsozialistischen Lehren durchsetzen, und die Jugend wird nur mehr die Wahrheit hören.“46
III
Hitler und die Theologie der „völkischen Bewegung“
1. Die Religiosität der „völkischen Bewegung“
Hitler sieht Christen, Demokraten, Sozialisten und überhaupt alle „Universalisten“ in der Kluft zwischen ihrem universalistischen Anspruch und der real immer begrenzten Reichweite dieses Anspruchs hoffnungslos verstrickt, zumal diese begrenzte Reichweite in der Moderne völlig unübersehbar geworden sei. Hitlers Ausweg aus diesem Dilemma ist schlicht: Er verabschiedet sich vom Universalismus als ethischem Konzept der Gleichwertigkeit aller Menschen, stellt vielmehr eine völkische Einheit, eben das deutsche Volk, oder, wohl absichtlich unscharf erweitert, die arische Rasse in den Mittelpunkt. Sie verdient für Hitler letztlich allein das, was universalistisch Menschenwürde heißt.
Dieser „arischen Rasse“ und darin zentral dem „deutschen Volk“ kommt nichts weniger denn der universale Herrschaftsanspruch über die Welt zu. Das ist ein Universalismus dezidiert anti-universalistischen Charakters. Er ist typisch für jene „völkische Bewegung“, die lange vor Hitler begann, unter deren Einfluss er in seinen Wiener Jahren gekommen war,1 als deren „Trommler“2 er sich zuerst vor allem sieht, bevor er sich dann als ihr Vollstrecker und Erfüller begreift.
Die völkische Bewegung stellt nun aber ihrerseits eine eigene religiöse Tradition und Praxis zur Verfügung,3 sie besitzt also eine eigene Theologie. Ohne Zweifel kommt Hitler auch gerade in seiner Wiener Zeit mit ihr in Berührung.4 Entgegen vielen bis heute verbreiteten Vorstellungen zeigt aber der Blick in Hitlers Schriften, Reden und Aufzeichnungen: Hitler greift nicht auf dieses ebenso nahe- wie bereitliegende Angebot einer religiösen Einbindung seines eigenen Politikprojekts zurück.
Die „Völkische Religion“ war in den Krisen der Moderne entstanden. Sie bildete einerseits ein Nischenphänomen kleiner, versponnener und oft auch untereinander zerstrittener Kreise, war aber andererseits auch von nicht geringer Attraktivität über diese Kreise hinaus. Die von „Baron Johannes Lancz de Liebenfels“ (eigentlich: Joseph Adolf Lanz) herausgegebenen „Ostara“-Hefte etwa, deren Ingredienzien Rassismus, aggressiver Frauenhass und Okkultismus waren, wurden durchaus auch in „besseren Kreisen“ gelesen, ganz zu schweigen von Autoren wie Julius Langbehn, dem Wagner-Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain oder Paul de Lagarde, die, wiewohl religiös grundierte Rassisten, hohes und höchstes Ansehen genossen.
Diese anti-christliche, germanisierende, von den Kirchen als „neuheidnisch“ abgelehnte Religiosität war rassistisch, meist anti-feministisch und männerbündisch, anti-jüdisch und anti-kirchlich, bisweilen das Christentum radikal uminterpretierend, bisweilen es strikt ablehnend, praktisch immer romantisierend und archaisierend. Man berief sich auf „wissenschaftliche“ Erkenntnisse, die weitgehend frei erfunden und zudem vor allem eines waren: anti-universalistisch. Diese Religiosität vermittelte Überlegenheit, Wissenschaftlichkeit, Befreiung von christlicher Moral und das Gefühl der Wiederentdeckung von Verschüttetem, von durch Judentum und Christentum „artfremd“ Überlagertem – und war doch schlichte, reine Erfindung ihrer „Gründer“.
Lanz von Liebenfels war mit seinen obszönen „Ostara“-Heften sicher in Inhalt und Sprache der Radikalste solcher religiös grundierter Rassefanatiker. Aber die Auffassung, dass Rassenzucht und Blutreinhaltung notwendig oder wenigstens wünschenswert seien, war um 1900 weit verbreitet bis hinein in bürgerliche Kreise. Die Existenz edler Arier und minderwertiger Mischrassen wurde für ganz selbstverständlich genommen. In Lanz’ „Neutemplerorden“ fanden sich denn auch durchaus wohlhabende und ehrenwerte Männer, immerhin konnte Lanz die Ruine Werfenstein an der Donau von ihren Spendengeldern erwerben.
Die „völkische Religiosität“ hatte im Nationalsozialismus ihre Anhänger und Propagandisten, etwa Heinrich Himmler oder Reichsbauernführer Darré. Auch Hitler wurde sicherlich von ihr beeinflusst und stimmt in den rassistischen Grundannahmen ebenso mit ihr überein wie etwa in der Ablehnung des Christentums. Aber ein Anhänger der „völkischen Religiosität“ war er nicht – im Gegenteil.
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