Kitabı oku: «Willkommen in Wien», sayfa 2

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Verkannt, verbannt, missachtet ist er, der Genius, das wusste seinerzeit schon Walther. Doch er war in der Lage, das unvergleichlich schöner, mit feinem Spott auf sich und die Welt, nach außen zu tragen: „Wie möht ein wunder groezer sin? Es regent beidenthalben mîn, daz mîr des alles niht entwirt ein tropfe!“ Was für ein Wunder: Links und rechts von ihm regnet es, ihn selber aber trifft kein einziger Tropfen! Der arme Poet.

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Ein letzter noch sichtbarer Rest der Babenbergerresidenz, wo wohl auch Walther wohnte, befindet sich im Kellergeschoss des Collalto-Palais, Am Hof 13, 1010 Wien.


AUSSEN UND INNEN
DER SCHOTTENMEISTER

Wer sich Wien besieht, folgt dabei bevorzugt Malern. Da gibt es zum einen den Canaletto-Blick vom Belvedere-Garten aus, der die Weite zwischen Karls-, Stephans-und Salesianerinnenkirche fokussiert – eine Sphäre zwischen Aristokratie und Katholizismus, wie sie um 1760 festgehalten worden ist, aber nach wie vor viel von der Stadt erzählt, auch wenn sich mittlerweile ein paar Hochhäuser am Bahnhof Wien-Mitte, am Kai oder am Gürtel in die Zeitlosigkeit der Aussicht geschoben haben. Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, weil er seine Karriere am Canal Grande begonnen hat, ist nach wie vor so etwas wie die Autorität, geht es darum, Neubauten zu verhindern oder Stadtporträts mit dem Pittoresken anzureichern (Maximilian Schells Verfilmung der Geschichten aus dem Wienerwald von 1979 leitet ihre Handlung eben mit dieser Perspektive ein). Und dann gibt es zum Zweiten den Rudolf-von-Alt-Blick, der dem Stephansdom gilt, wie er vom Stock-am-Eisen-Platz her ins Visier genommen wird. Rudolf von Alt, Aquarellist und Naturbeobachter, die Graue Eminenz der Wiener Künstlerschaft vor 1900, steht dafür Pate. Sein Standpunkt geht weniger ins Panorama als in jene Kleinteiligkeit, deren man erst habhaft werden konnte, als Wiens Hauptsehenswürdigkeit in den 1880ern von den sie umstehenden Häusern befreit worden war.

Demgegenüber führt der Blick des Schottenmeisters ein Schattendasein. Auch dieser Blick rankt sich um den Stephansdom, als Ausrufezeichen markiert sein Turm nicht weniger die Symmetrieachse als bei den späteren Kollegen. Er wird von Südwesten her angepeilt, von einer der stadtnahen Terrassen aus, wie sie typisch sind für Wiens Topografie, vielleicht von der Höhe, wo heute der Margaretenhof steht. Mit dem Gewässer, zart blau ganz links am Bildrand, könnte der Wienfluss gemeint sein. Der Steffl ist das Zentrum des Zentrums, denn es gibt auch Vorstädte zu sehen, und ganz am Horizont grüßen der Kahlen-, der Leopolds- und der Bisamberg. Der Schottenmeister-Blick ist heute nicht mehr zu haben, er spielt sich um 1470 ab, als die Welt doch noch ganz anders war, und bei aller Genauigkeit der Einvernahme spielt er sich vor allem im Hintergrund ab. Die Szenerie ist Wien, doch das Thema ist Die Flucht nach Ägypten. „Da stand Josef in der Nacht auf“, heißt es im Neuen Testament, Matthäus 2, 14, mit Bedacht auf die Verwandtschaftsverhältnisse, „und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten“. Man kann den Satz für die Plausibilität der Darstellung in Anspruch nehmen, denn am Horizont, im Osten, erscheint ein Streifen Helligkeit, als würde jene Sonne aufgehen, die den neuen Tag zur im Text apostrophierten Nacht ankündigt. Es ist, so erzählt es das Bild, in der Zwischenzeit Morgen geworden, die Stadt im Hintergrund zeigt an, dass bereits ein Stück Weges zurückgelegt worden ist – und vom Himmel grüßen Komet und Mondsichel der Heiligen Familie zu.

Der Schottenmeister-Blick gilt als eine der frühesten Stadtveduten der Kunstgeschichte. So viel man von Wien erfährt – man erkennt auch die Minoritenkirche, Maria am Gestade oder Teile der Hofburg und ganz rechts macht sich samt Baukran die Dominikanerkirche bemerkbar, deren Neubau des Langhauses eben für die Zeit aktenkundig ist –, so wenig weiß man von ihrem Porträtisten, der eher Handwerker als Künstler ist und in kalkulierter Uneindeutigkeit deswegen als Meister firmiert. Meisterlich kann man das Bestreben, sich auf das Gesehene zu verlassen, der Erfahrung zu vertrauen und alles, was ist, festzuhalten wie es ist, schon nennen. In seinem Realismus ist er zeittypisch. Und zeittypisch ist auch seine Anonymität. In dieser Ungreifbarkeit heißt er nun Schotten-meister, er ist benannt nach einem Altar mit einstmals 24, jeweils knapp einen Meter im Quadrat messenden, aus Eichenholz gefertigten Tafeln, von denen 21 erhalten sind. Wie oftmals bei solchen vielteiligen Zyklen gibt es, Vorder- bzw. Rückseite einnehmend, eine Abteilung mit der Kindheits- und eine mit der Passionsgeschichte von Jesus Christus. Der Notname steht in – nicht vollständig erhelltem – Zusammenhang mit dem Schottenstift an der Freyung. Dieser Benediktinerkonvent, gegründet im 12. Jahrhundert und von iro-schottischen Mönchen besiedelt, existiert heute noch, seine Ehrwürdigkeit wird besiegelt von einem Museum, zu dessen Bestand eben der Schottenaltar gehört – und zu dessen Hauptattraktionen die Tafel mit dem Schottenmeister-Blick.

Auch Krems hat in der Bilderfolge des Schottenmeisters eine Vedute bekommen. Sie ist ähnlich gelagert, sie findet sich im Fond einer Kreuztragung Christi und soll ihrerseits darauf hindeuten, dass sich das Geschehen außerhalb einer Stadt abspielt. Krems steht in der hier bemühten Logik für Jerusalem wie Wien für Bethlehem. Es ist eine Logik der Illustration, keine der Geografie. Weil die biblische Wahrheit sich in alle Ewigkeit versteht, ist es nur billig, sie in der spätmittelalterlichen Wirklichkeit wiederzufinden. So reitet Jesus auch bei seinem Einzug in Jerusalem durch ein Stadttor, das eine Datierung enthält: 1469 ist zu lesen, denn die Passion, das Sterben dieses Gottes als Mensch, gilt so generell wie aktuell. Mit dem späteren 15. Jahrhundert ist das Wirkungsfeld des Schottenmeisters dann auch abgesteckt. Dass er bei aller Kenntnis internationaler Tendenzen aus der ostösterreichischen Gegend stammte, darf man zusätzlich annehmen.


Der Schottenmeister-Blick auf Wien, eine der frühesten Stadtveduten der Kunstgeschichte: die Flucht nach Ägypten (oben) und die Heimsuchung Mariens (unten). Museum im Schottenstift, um 1470.

Der Stephansdom macht sich auf einem weiteren Gemälde bemerkbar. Diesmal indes muss man ihn erst ausfindig machen, auf die Zeigegeste seines Südturms ist verzichtet, dafür sieht man das Zickzackmuster des Daches und die beiden Heiden-türme, die die Westfassade in der Fasson halten. Der Blick geht nach innen, ins Herz der Stadt und in die Seele der beiden Frauen, Marias und ihrer Base Elisabeth, die bei dieser Heimsuchung gezeigt werden. Schauplatz der Begegnung ist eine Gasse, aber keine in Wiens Stadtplan ausgewiesene. Was man immerhin noch identifizieren kann, ist als Pendant zur Stephans- der Turm der Peterskirche. Und um diese Pendantwirkung geht es gerade: Wie Sankt Peter zu Sankt Stephan komplementär steht, wie der vordere Heidenturm zum hinteren und wie der Erker links der Gasse zum Vis-à-vis, so gehören die beiden Frauen in ihrer Zweisamkeit zueinander. Wieder spricht die Stadt die Sprache der biblischen Wahrheit und wieder geht es nicht vordringlich um das Porträtieren des Momentanen als vielmehr um die Bekräftigung, die Beglaubigung des sowieso in der Welt Angelegten. Es geht, gewissermaßen, um ein eh schon wissen. Darin war Wien von jeher gut.

Die Stadt von außen und die Stadt von innen, Wien im Panorama und Wien im Interieur: In beiden Fällen ist der Schottenmeister auf seine Weise innovativ. Er zeigt sich als früher Vertreter des Prinzips Vedute, und man kann gleichsam die Uhr stellen, wie genau er seine Ansicht auf das Gefüge der Gebäude austariert. Und er gibt der Stadt eine Art Physiognomie, er gibt ihr ein Gesicht und teilt sie ein zur Stellvertretung der einen, großen, nicht weiter hintergehbaren, biblischen Gegebenheit. Beide Könnerschaften, das Metier des Porträtierens und jenes des Charakterisierens, wird die bildende Kunst noch sehr gut brauchen können und bis zur Moderne gerade darin ihr Alleinstellungsmerkmal behaupten. So führt durchaus ein direkter Weg vom Schottenmeister zum ersten Großmeister auf dem Gebiet, zu Albrecht Dürer.

Die Stadt von außen und die Stadt von innen, Wien im Panorama und Wien im Interieur: In beiden Fällen ist der Schottenmeister auf seine Weise innovativ. Er zeigt sich als früher Vertreter des Prinzips Vedute, und man kann gleichsam die Uhr stellen, wie genau er seine Ansicht auf das Gefüge der Gebäude austariert. Und er gibt der Stadt eine Art Physiognomie, er gibt ihr ein Gesicht und teilt sie ein zur Stellvertretung der einen, großen, nicht weiter hintergehbaren, biblischen Gegebenheit.

Doch man sollte die Kirche im Dorf lassen. Dass der Schottenmeister weniger eine Person ist als ein Werkstattzusammenhang, für den diverse Hände tätig sind (welche die Kunstgeschichte als akademische Disziplin dann wieder scheidet und in ihre individuellen Einzelteile zerlegt), gehört zu den ökonomischen Bedingungen von solchen Großaufträgen. Dass der Schottenmeister, den man fortan eigentlich in Anführung setzten müsste, bei aller Avanciertheit seiner Ansichten als Bildgrund oftmals einfach Gold appliziert und auf Landschaft dann auch gern verzichtet, hat mit der seinerzeit noch eher unentschiedenen Frage zu tun, was wertvoller ist: die künstlerische Handschrift oder letztlich doch die Pretiosen des Materials. Und dann sind da noch diese Köpfe, wie sie immer wieder über die einzelnen Tafeln hinweg auftauchen und einen Goût des Gleichgeschalteten, der blinden Wiederholung und gleichsam industriellen Herstellung verbreiten: So das Gesicht des ausgemergelten, bleichen, faltigen Alten, das des Öfteren auf dem Körper eines heiligen Joseph sitzt (so etwa bei der Flucht nach Ägypten), aber auch die Figur eines Geharnischten ausstattet, der mit gezücktem Schwert Hand anlegt zum Bethlehemitischen Kindermord. Das Heilige und die Gewalt sind über einen Kamm geschoren, der Böse und der Gute sehen sich allzu ähnlich. Hier gibt es keine Korrespondenz von Außen und Innen. Hier agiert der Meister nicht meisterlich.

Das Verhältnis von Außen und Innen ist eine Wiener Obsession. „Wir haben nichts als das Außen zum Innen zu machen“, heißt es bei Hermann Bahr, dem vielbeschäftigten Stichwortgeber zur ortsansässigen Mentalität. Umgekehrt gilt der Satz genauso. Die beiden Sphären jedenfalls werden über die Wiener Kulturgeschichte hinweg in Spannung gehalten, Interieur und Exterieur, Zentrum und Vorstadt, die Wohnung und die Fassade, die Seele und der Körper, das Hirn und die Haut, das Abgründige und das Gediegene, die Depression und die Theatralik sind Aggregatszustände, in denen sich das Fluidum des Wiener Lebens überhaupt geltend macht. Da braucht es als Kronzeugen noch lange keinen Sigmund Freud. Schon der Schottenmeister also brachte die Korrespondenz aufs Tapet und er ließ im Unentschiedenen, welche Perspektive, die ins Milieu oder die ins Ensemble, jene von Rudolf von Alt oder jene Canalettos, die größere Prominenz beansprucht. Eines aber auf jeden Fall: Prominenz.

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Museum im Schottenstift

Freyung 6

1010 Wien


KOLLEGIEN UND KOLLEGEN
KONRAD CELTIS

Im Jahr 1493 ging Wien erstmals in Druck. Die Stadtansicht, die der Nürnberger Künstler Michael Wolgemut für ein sensationelles Kompendium schuf, das als Schedelsche Weltchronik Kulturgeschichte geschrieben hat, ist weitaus weniger plausibel als jene gemalte des Schottenmeisters ein Vierteljahrhundert davor. Doch ging sie durch viele Hände, mehr als 1.500 Exemplare der zunächst auf Lateinisch, dann gleich auch auf Deutsch publizierten Enzyklopädie sind heute noch erhalten. Wien wird von einem Terrain aus, das heute der zweite Bezirk ist, in Augenschein genommen: Man sieht die flussseitigen Mauern mit dem Roten Turm, man erkennt mit einiger Mühe Maria am Gestade und den Turm von Sankt Stephan, der weniger gotisch als pagodisch, eben wie eine Pagode, aussieht. Die Silhouette der Stadt ist eher grobschlächtig erfasst. Immerhin aber folgt das Bild dem Text, der ein „Vienna Pannonie“ in Aussicht stellt. Das ist nicht immer so, die Darstellung von Paris zum Beispiel ist die linke Hälfte jenes Druckstocks, der vorgibt, Magdeburg zu zeigen – und das, obwohl Anton Koberger, der Drucker und Verleger, eine Niederlassung an der Seine hatte.

Der Liber Chronicarum ist ein Nürnberger Unternehmen. Hartmann Schedel, der Verfasser, kam ebenso von dort wie Koberger, der Taufpate Albrecht Dürers, und wie Wolgemut, dessen Lehrer, sowie die beiden Financiers Sebastian Kammermeier und Sebald Schreyer. Bald war man unzufrieden mit der Publikation – angesichts der Nachlässigkeiten kein Wunder. Die Chronik sollte überarbeitet werden und Schreyer wandte sich an eine damalige Weltberühmtheit, die auch noch sein Freund war. Die Redaktion sollte Konrad (auch „Conrad“) Celtis übernehmen, 1459 im fränkischen Wipfeld in eine Winzerfamilie hineingeboren, ein wundersames Exemplar von Aufsteiger, der es allein über seine Intelligenz zu Universitätskarriere und gar zum ersten nichtitalienischen Poeta laureatus gebracht hatte – zum vom Kaiser, es war Friedrich III., höchsteigen mit Lorbeer dekorierten Haupt- und Staatsdichter. Seit 1487 war Celtis, der eigentlich Bickel hieß, aber seinen Nachnamen branchenüblich latinisierte, gekrönt, in aller Unbescheidenheit rechnete er fortan die Weltzeit vom Datum seiner Auszeichnung her. Celtis versagte sich dem Nürnberger Projekt. Zur Kehrseite der Parvenü-Psyche zählte eine notorische Säumigkeit, ein Zögern und Zaudern, das sich auch in seiner eigenen dichterischen Arbeit niederschlug. Nicht nur Sebald Schreyer saß ihm diesbezüglich im Nacken: „Hier werde ich nicht aufhören Dir lästig zu fallen“, schrieb er Celtis gleichsam nachholend im Jahr 1500. „Du läßt Dich nämlich durch Übellaunigkeit, Trägheit, Hochmut oder irgend einen anderen Irrsinn dazu bestimmen, Deine … Werke … in der Schublade zu lassen.“

Schreyers Brief ging nach Wien, wo Celtis seit 1497 Professor für Poetik und Rhetorik war. Das Prozedere seiner Berufung ist so typisch für die Stadt wie offensichtlich unabdingbar. Es ging erstens nur über Protektion, seine Fürsprecher waren zwei Räte des neuen Königs Maximilian, der 1508 auch Kaiser wurde. Zweitens gab es einen Konkurrenten, den Celtis nach allen Regeln seiner Kunst schlecht machte und das auch noch mit gelinde gesagt chauvinistischen Mitteln: In einem Epigramm und also immerhin in Hexametern (kombiniert mit Pentametern) versucht er seinen Mitbewerber namens Bernhard Perger als „perfide slave“ zu schmähen, was sich auf Deutsch genauso liest wie im von Celtis gepflegten Latein. Der ortsansässigen Mentalität gemäß hat er den Tschuschen aus dem Weg geräumt. In arte humanitatis sollte er fortan unterrichten, doch ausschließlich menschenfreundlich mag es nicht zugegangen sein.

Letztlich sollte es auch weniger um Humanität als um Humanismus gehen. Es fand im akademischen Betrieb seinerzeit statt, was man heute einen Paradigmenwechsel nennen würde: Statt Scholastik sollte Antike auf dem Plan stehen, statt Bibelinterpretation die Lektüre der römischen Klassiker, die man oftmals erst ausfindig machte, irgendwo in Klosterbibliotheken, wo sie in Folianten versteckt waren, meist im Verbund mit christlichen Erbaulichkeiten. Neben der Religion galt der Fokus nun dem Menschen, ihm und einer Natur, die man sich göttlich beseelt und den Geschöpfen verfügbar zugleich dachte. In Wien schrieb Celtis sein Hauptwerk, 1502, Schreyer wird es glücklich entgegengenommen haben, in Nürnberg veröffentlicht. Die Quattuor libri amorum, kurz Amores, sind Liebeselegien in der Tradition der Alten, aber auch eine Kosmografie nach neuzeitlicher Fasson, und alles hängt mit allem zusammen: Die vier Bücher der amourösen Dichtung sind jeweils einer Frau gewidmet, lassen dabei aber die vier Jahreszeiten, Himmelsrichtungen, Temperamente, Elemente, die vier Lebensabschnitte mit ihren vier Eigenschaften und alles, was es sonst noch im Quartett gibt, Revue passieren. Alle Dinge sind von Gott gefügt, aber sie kreisen um den Menschen wie die Planeten um die Erde. Dieses neue, auch bald schon wieder veraltete Wissen galt es nun in die Welt zu tragen, die traditionellen vier Fakultäten – Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie – anzureichern mit den freien Künsten, wie sie die Antike gekannt hatte Nicht zuletzt dank Celtis gewann die Universität Wien ein gutes Jahrhundert nach ihrer Gründung 1365 Weltruf und entfaltete ihre Sogwirkung auf Kollegen- wie Studentenschaft. Um 1500 war sie die größte im Reich.

Haupt- und Staatsdichter Konrad Celtis und Albrecht Dürer (Bildmitte) als Beobachter eines grausamen Blutbads: die Marter der zehntausend Christen. Öl auf Holz, Kunsthistorisches Museum Wien, 1508.

Celtis ist auch eine Art Gründungsdirektor des Collegium poetarum et mathe-maticorum, das im Jahr 1501 von Maximilian gestiftet worden ist. Es bestand aus vier Lehrstühlen, zwei aus den literarischen Disziplinen Poetik und Rhetorik sowie zwei aus der Mathematik – theoretische wie angewandte. Maximilian, der Herrscher, baute an seinem neuzeitlichen Staat, wollte fähige Beamte und auch Rhapsoden, die an seinem „Gedechtnus“, wie er es nannte, seinem Nachruhm also arbeiteten. Das Wiener Kolleg sollte dafür sorgen, mit Celtis als Hofpoeten.

In eben dem Jahr 1501 war er diesbezüglich schon tätig gewesen, als man in Linz vor Maximilian und seinem Gefolge (zu dem die Familie seiner Frau, die Herzöge von Mailand, gehörte), seinen Ludus Dianae zum Besten gab, ein Singspiel, in dem reihum die Götter auftreten, um dem Monarchen zu huldigen. Celtis bringt dabei die hübsche Idee unter, Vienna komme von Vindobona und das wiederum von „Vinum bonum“ – der Wein wird dann schon gut gewesen sein. Heute noch zu bestaunen ist übrigens die Unterkunft von Celtis’ Humanistenkränzchen – es ist der Neuberger Hof in der Grünangergasse 1, seinerzeit im Besitz des Zisterzienserklosters Neuberg an der Mürz, von dessen Abt Celtis selbst die Räume mietete und offenbar auch die Kosten übernahm. Wer jetzt die Galerie nächst St. Stephan besucht, betritt das Gebäude. Hier schrieb Celtis 1508 dann auch sein Testament.

Er wurde nicht alt. Die Amores, die er besang, hielten ihn, wie es scheint, seinerseits in Aufruhr und manches, das er beschreibt, wirkt autobiografisch. Mit einem „infideliter se ad amorem natum“ setzen die Verse, es sind Distichen, ein: Unglücklicherweise sei er zur Liebe hin geboren, um dann den Sternen, wie sie an jenem 2. Februar 1459 über Mainfranken prangten, die Schuld zu geben, dass er keine Frau findet – aber dafür Frauen im Plural, denen er dann auch hingebungsvoll huldigt. Im Jahr 1498 erscheint in Wien von der Hand des Physikus und späteren Dekans der Medizinischen Fakultät Bartholomäus Steber ein Traktat über die Malafranzos, die französische Krankheit. Die Syphilis hatte sich breitgemacht und Celtis ist eines der frühesten unter ihren prominenten Opfern (das berühmteste ist wohl das Jahrhundertgenie Raffael). Bereits um 1496 hatte er damit zu kämpfen, sein Tod mit nicht einmal 50 Jahren ist darauf zurückzuführen.

Celtis und die Frauen: Seine humanistische Detektivarbeit in den Klöstern ermöglichte eine Wiederentdeckung, die, eine ziemliche Einmaligkeit, eine Autorin, betraf. Hrotsvit von Gandersheim, eine Nonne, die im 10. Jahrhundert tätig war. Ihre Ambitionen waren zwar auf die Kirche beschränkt, in ihrer Art war sie jedoch auch Vorgängerin der Renaissancedichtung, denn sie bezog sich in ihren Werken auf die Antike, speziell auf den Komödienschreiber Terenz, und sie schrieb in Latein, der Lingua franca der Gebildeten. Mit zwei Holzschnitten von Dürer ausgestattet, übergab Celtis die Schriften der Hrotsvit dem Druck. Die Handschrift hatte er aus dem Kloster Sankt Emmeram bei Regensburg mitgenommen, hatte ungeniert Kommentare auf dem Pergament hinterlassen und das Unikat auf der Suche nach dem besten Verleger durch halb Europa geschickt. Auch das gehört zum Humanismus: in aller Nonchalance oder gleich Barbarei alles mitgehen zu lassen, in der überheblichen Vorstellung, die Zimelien seien bei einem selbst besser aufgehoben als unter den Verstaubtheiten der Kirche.

Heute noch zu bestaunen ist übrigens die Unterkunft von Celtis’ Humanistenkränzchen – es ist der Neuberger Hof in der Grünangergasse 1, seinerzeit im Besitz des Zisterzienserklosters Neuberg an der Mürz, von dessen Abt Celtis selbst die Räume mietete und offenbar auch die Kosten übernahm.

Noch etwas hatte sich Celtis unter den Nagel gerissen, heute eine der größten Kostbarkeiten im mit derlei Schätzen reichlich gesegneten Wien: Die Tabula Peutingeriana ist die einzige Straßenkarte, die uns aus der Römerzeit bekannt ist. Das Exemplar selbst, das in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt ist, stammt aus dem Mittelalter, ist wohl die Abschrift einer Abschrift, doch was sie zeigt, ist antik. Angelegt als Rotulus, 675 auf 34 Zentimeter messend und mithin lesbar, indem man sie von einem Rand zum anderen aufrollt, zeigt sie das spät-römische Straßennetz von Britannien bis nach Indien. Stark verzerrt stellt sie dar, wie die Städte zueinander positioniert sind und wie viele Tagesreisen sie trennen. Geografische Exaktheit ist nicht vorgesehen, Vindobona zum Beispiel ist gleich neben Carnuntum eingetragen – aber auch, legte man Himmelsrichtungen an, weit südlich etwa des friulanischen Aquileia. Wo Celtis der Pretiose habhaft wurde, weiß man nicht. Er übergab sie, vielleicht weil er den Tod nahen sah, seinem Augsburger Kollegen Konrad Peutinger, damit der sie publiziere.

Die Karte ist eher zufällig in Wien, sie kam im 18. Jahrhundert hierher. Auch eher zufällig im Kunsthistorischen Museum präsentiert sich das vielleicht bekannteste Zeugnis von Celtis, ins Werk gesetzt parallel zu dessen Tod. Zusammen mit Dürer steht er inmitten eines Gemetzels, das die legendäre Marter der Zehntausend darstellt. En gros werden auf Dürers Gemälde christliche Bekenner herbeibuchstabiert, minutiös vorgeführt in ihren vielerlei Martyrien. Doch da gibt es noch die beiden Zeitgenossen des Jahres 1508, aus dem Bild blickend, in der zeitlos achselzuckenden Geste eines Was-will-man-machen. Die ewige Zuständigkeit des Kulturarbeiters: Beschreiben – und daran leiden.

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Eine Kopie des Grabsteins von Konrad Celtis befindet sich an der Ostseite des Nordturms des Stephansdoms.

Stephansdom

Stephansplatz 3

1010 Wien

Neuberger Hof

Grünangergasse 1

1010 Wien

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26 mayıs 2021
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