Kitabı oku: «10 Jahre Stalking - Nur weil Du ihn nicht siehst, heißt es nicht, dass er nicht da ist!», sayfa 5

Yazı tipi:

Da stand ich mit meinen Gummistiefeln und der stallverschmutzten Hose, einer fleckigen und viel zu weiten Stalljacke, ungeschminkt und mit zerzaustem Zopf, weil die Tauben sich gerne mal auf meinen Kopf setzten und mit ihren Füßen meine Haare durcheinander brachten, währen ich die Futternäpfe füllte. Mal ganz im Ernst, das Bild einer für Männer attraktiven Frau stelle sicherlich nicht nur ich mir irgendwie anders vor. Nein, es waren keine Komplexe, es war ein realistisches Selbstbild, mit dem ich auch gut leben konnte. Aber genau dieses Bild und meine Lebenserfahrung, dass ich immer nur die „Nette" war, verschafften mir eine ungesunde Beruhigung, dass ich auf ein ungutes Bauchgefühl nicht hören müsste.

Die erdrückende Stimmung zwischen Zwille und mir wurde für mich unerträglich. Es war mittlerweile so schlimm, dass ich nicht mal mehr ein schlechtes Gewissen bekam, wenn er mir wieder Geschenke am Zaun hinterließ. Auf dem Heimweg von einem Arbeitstermin beschäftigte mich bereits gedanklich das Zwille-Thema, ohne dass ich es bewusst hätte steuern können. Als ich linksseitig den Waldrand hinter mir ließ und der Blick auf unsere Einfahrt vor dem Haus frei wurde, sah ich bereits von Weitem etwas Rotes an unserem Briefkasten heften. Ich stellte mein Auto unter das Carport und sah einen Pralinenkasten mit einer großen, roten Schleife umwickelt an unserem Briefkasten heften. Kein Brief, kein Zettel, nur der Pralinenkasten mit der leuchtend roten Schleife. Die Pralinen drehte ich herum und schaute auch auf die Rückseite nach einem Hinweis, von wem der Kasten hier abgelegt worden sein könnte. In dem Moment, als das weiß vergitterte Eingangstor hinter mir ins Schloss fiel, klingelte mein Telefon. Die Hände voll mit Handtasche und Pralinen jonglierte ich alles etwas aufwendig umher, bis ich mein Telefon in der Tasche zu greifen bekam. Ich drückte rasch, ohne weiter auf die Nummer des Anrufers zu achten, auf „Gespräch annehmen“. „Hast de mein Geschenk jefunden?“ Ich war nicht mal zur Haustür rein, und schon war er wieder präsent. Während ich das Handy zwischen Schulter und Ohr klemmte, steckte ich zirkusgleich die Haustürschlüssel ins Schloss und versuchte zeitgleich, meine Tasche und die Pralinen nicht fallen zu lassen. Zu spät, beides rutschte mir auf die Fußmatte. „Sind die Pralinen von Dir, Zwille?“ „Ja, aber die sind nur für dir! Ick meene, nich für Frederik, nur für dir!“ Die Haustür öffnete sich, und die Hunde stürmten mir freudig entgegen. Umringt von immerhin sechs Hunden glich das nun wirklich einem Zirkusakt, meine Tasche vom Boden wieder aufzuheben, während sich eine kleine Hundemeute freudig über mich hermachte. Die Pralinen waren zwischenzeitig mit dem einzigen großen Hund der Meute im Garten verschwunden, und die Schlüssel steckten noch klimpernd in der Haustür. Das mit den Pralinen hatte sich vielleicht schon erledigt, Frederik würde sicherlich keine mehr davon bekommen. „Du, Zwille, ich muss Schluss machen, einer der Hunde hat gerade die Pralinen geklaut.“ Es ging mir nicht darum, die Pralinen zu retten, sondern darum, dass meinem Hund nichts geschieht, denn Schokolade ist für Hunde bekanntlich giftig und wenn ein verspielter, junger Hund im Gestrüpp einen kompletten Pralinenkasten verdrückt, könnte das recht ungesund werden. Die guten Pralinen, die doch NUR für mich gedacht waren. Jetzt hatte sie der Hund, samt Schleife. Nach einer kleinen Ehrenrunde im Garten hatte Etana sie unversehrt zu mir zurückgebracht. Wenn man beherzigt, dass Etana ein Rhodesian Ridgeback war, ist dies nicht unbedingt selbstverständlich. Sie war rassetypisch in vielen Dingen ziemlich eigensinnig und wirklich sehr verfressen. Unbemerkt klaute sie uns mal drei Tennissocken vom Wäscheständer und schluckte sie gierig herunter. Dass sie die Socken überhaupt verschluckt hatte, bekamen wir erst mit, als sie diese mit viel Würgen glücklicherweise wieder ausspuckte. Aber das hätte schlimm ausgehen können. Jedenfalls waren die Pralinen auch wieder da und der Hund blieb schokoladenfrei. Hatte Zwille mich beobachtet? Immerhin kam der Anruf umgehend, noch während ich die Pralinen auf dem Weg ins Haus begutachtet hatte. Hatte er meinen Tipp, Pralinen zu verschenken missverstanden? Er sollte seiner Frau Pralinen schenken, nicht mir! Mit einer kräftigen Handbewegung feuerte ich diese blöde Pralinenschachtel auf die Küchenablage, sodass die vermutlich mühsam angebrachte rote Schleife abfiel. Gut, nach Etanas Ehrenrunde im Garten hatte sie ohnehin nicht mehr viel Halt an der Verpackung. Meine immer noch fröhlich um mich herumspringenden Hunde guckten kurz zu den Pralinen, die in die Ecke flogen und schauten mich mit großen Augen an, stellten auch kurz das aufgeregte Tänzeln ein. „Wollen wir jetzt in den Garten, ein bisschen spielen?“, fragte ich aufmunternd, um ihnen den Schrecken wieder zu nehmen. Natürlich wollten sie spielen und das Hopsen begann von Neuen. Ich schnappte mir die kleine Meute und ging mit ihnen auf die Wiese, damit sie sich austoben konnten und ich einen klaren Kopf an der frischen Luft bekam.

Wir hatten zu dieser Zeit sechs Hunde: Etana, die Rhodesian Ridgebackhündin, und vier kleine, schwarz-weiß gefleckte Hunde. Unser Rudel bestand aus zwei Rüden, Wabbe und Horst und den Mädchen Neele, Sassy und Suse. Wabbe und Neele waren meine ersten beiden Hunde, welche ich bereits in die Beziehung mitbrachte. Horst war ein Sohn der beiden, und Frederik suchte sich Horst als seinen ersten eigenen Hund aus. Sassy und Suse übernahmen wir aus schlechter Haltung, einer Massenvermehrung. Als wir sie in den Arm nahmen, war der Geruch kaum zu ertragen. Sie wurden aus einem Verschlag genommen, der nur mit Zeitungspapier ausgelegt worden war. In den alten, rostigen Gittern, welche die Hunde voneinander abtrennten, klebten verschmierte Kotreste. In dem Verschlag gab es keine saubere Stelle mehr. Selbst das völlig zerfressene Plastikkörbchen war vollkommen verdreckt. Zunächst war nicht auszumachen, welcher Farbfleck im eigentlich weißen Fell echt war und welcher nicht. Das Weiß war aber auch kein Weiß, es war durch Kot und Urin derart gelblich verfärbt, dass es sich nicht sauber waschen ließ. Auch nach mehreren Bädern blieb das Gelb einfach Gelb und musste mit dem Fellwechsel im Laufe der Zeit einfach rauswachsen. Die beiden waren so ängstlich, dass wir sie zunächst nicht weitervermitteln konnten, so blieben sie erstmal bei uns. Etana kauften wir bewusst bei einer Züchterin, damit wir für das Grundstück einen großen, beschützenden Hund hatten. Natürlich schlief Etana ebenso im Haus wie die kleinen, aber es war schon ein besseres Gefühl, einen großen Hund im Haus zu haben als nur die kleinen, drolligen und immer freundlichen Hunde, die sich über jeden Besucher mächtig freuten. Sie waren alle wachsam und meldeten mit Gebell, wenn etwas nicht normal war, aber ein kleiner Hund hat halt nicht so viele Möglichkeiten, wenn es darum geht, einen tatsächlichen Schutz darzustellen. Eine ernst guckende Etana würde man nicht so rasch ignorieren. So war zumindest der Gedanke bei der Anschaffung. Aus zwei kleinen Hunden wuchs also das Rudel zu einer Meute, und ehe man sich versah, saßen halt nun sechs Hunde abends mit uns auf dem Sofa.

Und plötzlich war alles anders

Am Morgen war meine Welt noch in Ordnung. Es war ein schöner, sonniger Sommertag. Nachdem ich meine morgendliche Runde durch die Ställe erledigt hatte und alle Tiere versorgt waren, spielte ich mit den Hunden im Garten. Heute würde mir wohl selbst Zwille meine gute Laune nicht verderben können. Kaum daran gedacht, bog auch schon das Auto um die Ecke, und er stand wieder am Zaun. Na gut, ich hatte meine gute Grundstimmung vielleicht doch überschätzt. Nun kannte ich Zwille schon so lange und hatte so oft mit ihm gesprochen, dass ich bereits an geringster Mimik von ihm erkennen konnte, ob er launisch oder fröhlich war. Doch egal an welchem Tag er kam und in welcher Stimmung er war, ich hatte mich stets nur am Gartenzaun mit ihm unterhalten. Nie hatte ich die Intention dazu, ihn aus reiner Höflichkeit auf einen Kaffee ins Haus zu bitten oder im Sommer auf die Terrasse einzuladen. Im Grunde war das überhaupt nicht meine Art, normalerweise war ich immer sehr gastfreundlich und hatte Besucher recht gern empfangen. Selbst Handwerker wurden von mir stets mit Kaffee und Keksen versorgt, wenn sie bei uns arbeiteten. Doch bei Zwille, den ich nun schon so lange kannte und mit dem ich oft lange Unterhaltungen führte bzw. führen musste, war das irgendwie von Beginn an anders. Ihn lud ich niemals ein. Auch hielt ich ihn immer auf Abstand. Wenn ich sonst Bekanntschaften recht herzlich zur Begrüßung einfach kurz in den Arm nahm und drückte, war das bei Zwille nie der Fall. Ihn hielt ich immer auf Abstand, am liebsten mit dem Zaun zwischen uns. Zwille schien etwas besorgt, als er am Zaun auf mich wartete. Den Ärger der letzten Tage schluckte ich einfach herunter, wie so oft, und ich ließ mir nichts mehr anmerken. Eigentlich hoffte ich, dass Zwille mir heute erzählen würde, mit was er seiner Frau eine Freude gemacht hatte. Mir schwirrte immer noch der Pralinenkasten durch den Kopf. An dem Pralinen-Tag hatte ich Zwille am Telefon nicht aussprechen lassen. Vielleicht waren die Pralinen ja ein Dankeschön für einen guten Ratschlag? Doch stattdessen begann Zwille wirres Zeug zu stammeln. Er faselte plötzlich los, dass ich mich sicherlich wundern würde, warum er immer so nett zu uns sei. Ja, in der Tat fragten wir uns das immer wieder mal. Antworten wollte ich daraufhin aber nicht. Zudem nahm ich an, dass er ohnehin keine Antwort von mir erwartete. Er redete weiter, dass er in Wahrheit alles nur für mich machen würde, nicht für den Frederik, sondern nur für mich. Sogar die Hausmeisterstelle auf dem Nachbargrundstück hätte er nur wegen mir angenommen, um dadurch mehr in meiner Nähe sein zu können. Er würde das Rasenmähen auf dem verlassenen Nachbargrundstück hassen, aber für mich würde er das gerne tun. Die Hallen hätte er nur für mich besorgt, um mir eine Freude zu machen. Er wollte die Hallen von Anfang an nicht haben, die wollte er nur für mich besorgen. Selbst wenn ich etwas dazu erwidern wollte, es ging nicht. Kein Wort brachte ich heraus und wusste dazu auch gar nichts zu sagen. Eigentlich erwartete ich zu hören, was er für seine Frau getan hatte, und nun zählte er auf, was er alles für mich getan hatte. In dem Augenblick konnte ich meine Gedanken nicht richtig sortieren, es gab keine passenden Worte dazu, und er hörte auch nicht auf zu reden. Es wurde immer schlimmer. Zwille meinte plötzlich zu mir, dass ich wie seine verstorbene Ex-freundin aussehe und sie sei immerhin seine ganz große Liebe gewesen. Es fühlte sich an, als wenn mir die Luft abgedrückt würde, als läge ein riesiger, kalter, schwerer Stein auf meiner Brust. Das war eine so unheimliche Aussage von Zwille, bei der mir gleich tausend Gedanken durch den Kopf schossen. Verstorbene Ex-freundin? Woran starb sie denn? Ach weh, eigentlich so traurig, dass er mir gerade wieder leidtun könnte, aber wie war das, dass ich so aussehe wie sie? Er wird doch wohl nicht sie auf mich projiziert haben? Noch bevor ich meine Gedanken überhaupt sortieren konnte, plapperte er unaufhörlich weiter. Als er mich das erste Mal gesehen hatte, als er den Strohballen zu uns brachte, da hätte ich ihn angelächelt und er hatte sich genau in diesem Moment unsterblich in mich verliebt, total in mich verguckt. Seither könne er die Finger nicht mehr von mir lassen. Er hätte sich sofort in mein Lächeln und in mich total verknallt. Das war der Knall, der mich nun wachrüttelte, und ich konnte nicht mehr still bleiben. Seinen Redefluss musste ich eilig stoppen, mehr wollte ich gar nicht hören, und ich wollte nicht wissen, was er noch zu sagen hatte, ich sprang ihm ins Wort. Eigentlich fehlte mir die Luft, um ihm zu entgegnen, aber das wollte ich nicht hören. Er musste sofort aufhören, solche Sachen zu sagen. Zunächst hauchte ich ihm erstmal seinen Namen entgegen, um einen Moment zum Nachdenken zu bekommen. Da ich seine cholerische Art kannte, war nun Fingerspritzengefühl gefragt, schließlich wollte ich ihn weder verletzen noch bloßstellen. So nahm ich zunächst die Schuld auf mich, dass es mir leid täte, dass ich keine Ahnung von seinen Gefühlen gehabt hätte. Auch, dass seine Exfreundin verstorben sei, täte mir sehr leid, aber ich würde hoffen, dass ihm trotzdem bewusst sei, dass ich nicht seine Exfreundin bin. Er hätte in seiner Ehefrau auch eine tolle Frau gefunden, die schließlich gut zu ihm passt, und gleichgültig welche Höhen oder Tiefen man im Eheleben auch durchlebt, mit ihr hätte er eine Partnerin gefunden, die ihm eine Familie bietet. Doch das wollte er gar nicht hören und fuhr mir hastig ins Wort: „Für dir würd ick meine Frau verlassen! Der Junge is nu schon groß, nix hält mich mehr bei der! Der Bengel is eh nich meener! Die hat keene Bedeutung für mir!“ Zwille lief am Zaun auf und ab, und ich ging einen Schritt zurück. „Ick kann die Finger nich mehr von dir lassen!“ Er redete sich gerade um Kopf und Kragen, und ich fiel ihm wieder ins Wort. Es würde mir wirklich schrecklich leidtun, wenn er falsche Hoffnungen gehegt hätte, aber ob er nun verheiratet sei oder nicht, ich sei mit Frederik zusammen und hätte wirklich nicht ansatzweise die Gefühle, wie er sie anscheinend für mich hat. Zwille schnaufte und lief unruhiger umher, wurde im Ton plötzlich ruppiger und fast schon trotzig: „Wenn ick dir vor zehn Jahrn kennenjelernt hätt, dann hätte der Frederik dir sowieso nie jekricht. Dafür hätt ick jesorgt!“ Was Zwille mir da so an den Kopf knallte, machte mich sprachlos. Ich hatte so viel Kopfkino und Gedankenstürme zu bewältigen, dass ich schlichtweg damit überfordert war. Zum einen war ich regelrecht empört darüber, dass ich hier überhaupt nicht gefragt wurde, ob ich Zwille überhaupt hätte haben wollen, dass er es einfach ignorierte, dass ich seine Gefühle überhaupt nicht teilte. Mir drängten sich Bilder von den Neandertalern auf, wie die Urmenschen sich ohne zu fragen eine Frau schnappten und an den Haaren in eine Höhle zerrten. Zwille war ohne Zweifel ungebildet und primitiv, aber nun rutschte er auf ein ungekanntes Niveau ab. Neandertaler. Was bildete er sich hier ein? Und was sollte das mit den zehn Jahren? Weder vor zehn Jahren noch jetzt wäre Zwille mit seiner Art und Weise ein Partner für mich. Dieses Grobe, dieses Prollige, der hohe Altersunterschied und einfach das ganze „Zwille-Sein“. Er war ja nicht mal tierlieb! Nein, in mir sträubte sich alles und ich spürte, wie ich immer weiter vom Zaun wich und mein Körper sich immer weiter von ihm wegdrängte. Halt, stopp! Das musste ich beenden, das geht einfach nicht. Nochmals sagte ich ihm, nun mit mehr Nachdruck, dass ich keine Ahnung davon hatte, dass er unseren Kontakt so sieht. Ich würde jetzt auch nicht noch mehr von solchen Sachen hören wollen. Mit bestimmtem Nachdruck gab ich erneut zu verstehen, dass all seine Empfindungen nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Es war mir wichtig, dass er durch meine Ablehnung sein Gesicht nicht verlieren würde. Meine Aufregung versuchte ich nun zu bremsen und mein Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. „Zwille, es tut mir wirklich leid, dass Du das so siehst. Wir tun jetzt so, als hättest Du all das nie zu mir gesagt und ich hätte es somit nicht gehört. Ich kann diese Gefühle nicht teilen. Ich bin mit Frederik zusammen und das bleibt auch so. Jetzt, da ich weiß wie Du denkst und fühlst, bin ich in einer blöden Situation. So kann ich mich einfach nicht mehr unbeschwert mit Dir unterhalten und das möchte ich auch nicht mehr. Ich bitte Dich, das zu akzeptieren und wir gehen einfach zukünftig getrennte Wege. Ich will unter diesen Umständen den Kontakt nicht mehr haben.“ Unbewusst setzte ich währenddessen bereits einen Schritt hinter den anderen und schlich mich aus der Situation. Während ich mich langsam zurückzog, wünschte ich ihm von Weitem nochmal alles Gute und verabschiedete mich mit den Worten, dass wir es unter uns belassen würden. Er hätte das nicht gesagt und ich nichts gehört. Dann drehte ich mich um und ging ins Haus, ohne nochmal nach Zwille zu schauen. Die Autotür klappte und der Motor startete, Zwille fuhr weg. Ein Tee sollte mir helfen, das zu verarbeiten, was da gerade passiert war. In solch einer Situation hatte ich noch nie gesteckt. Es war schrecklich für mich. Zwille offenbarte sich mir, stellte seine Gefühle bloß und ich drehte ihm den Rücken zu, ließ ihn stehen und ging weg. Habe ich gerade eine Freundschaft kaputt gemacht? War es überhaupt eine Freundschaft? Nein, das war keine Freundschaft, das war … Was war das eigentlich? Es war ja nicht mal ein Nachbar, es war einfach so oft nur lästig. Plötzlich fühlte ich mich erleichtert, um Zwille erleichtert und ich ertappte mich dabei, wie ich mich auf einmal richtig leicht und fröhlich fühlte nach diesem blöden Erlebnis. Mir zitterten die Hände und am liebsten hätte ich mit jemanden darüber gesprochen, als es mit mir allein ausmachen zu müssen. In meinem Bauch wechselte ein aufgeregt fröhliches Kribbeln mit einem plötzlichen, flauen Gefühl. Was kommt jetzt? Akzeptiert er meine Meinung? Eigentlich war ich ja sehr deutlich und er muss doch Sorge haben, dass ich seiner Frau erzählen könnte, was er da zu mir gesagt hatte. Dass ich Frederik davon nichts erzählen würde, das war für mich eigentlich selbstverständlich. Schließlich hatte ich das ja gerade so zu Zwille gesagt, ihm quasi mein Wort gegeben, um sein Gesicht zu wahren. Er hat nichts gesagt und ich habe nichts gehört, und mein Wort zählt. Zudem war mir nicht klar, wie Frederik darauf reagieren würde. Auf keinen Fall wollte ich Streitigkeiten wegen diesem Vorfall riskieren, weder zwischen Frederik und mir noch zwischen Frederik und Zwille. Die beiden hatten ja ohnehin kaum Kontakt miteinander, das würde also zukünftig nicht viel anders werden. Doch fortan hätte ich mehr Ruhe vor Zwille und ich fühlte mich einen Moment lang wieder richtig frei und gelöst. Zu meinem Wort stand ich und behielt diesen Vorfall für mich.

Schon am nächsten Tag wurde meine Illusion von Ruhe und Erleichterung jedoch zerschlagen. Meinen Ohren mochte ich kaum Glauben schenken, als ich das Motorengeräusch von Zwilles altem Golf vernahm. War es tatsächlich so undeutlich, was ich gesagt hatte? Wollte er sich vielleicht entschuldigen? Warum kommt er doch wieder her? Was nun? Wie soll ich mich nun verhalten? Hingehen oder nicht? Mir blieb quasi kaum eine Wahl, denn meine Zweifel waren kaum zu Ende gedacht, da war er ja schon da. Er drehte die Seitenscheibe des Autos herunter und sprach mich gleich an: „Bist de nachher da?“ Darauf ging ich gar nicht erst ein, ich versuchte eher, nochmal deutlich zu machen, dass ich das gestern wirklich ernst meinte, als ich ihm gesagt hatte, dass wir zukünftig nicht mehr miteinander reden sollten. Die Sache sei mir unangenehm und ich möchte keinen Kontakt mehr zu ihm. Zwille wollte noch irgendwas sagen, aber ich hörte nicht mehr hin, drehte mich um und ich ging einfach ins Haus. Es war mir wirklich sehr unangenehm, ihn so stehen zu lassen, aber ich wollte mich wirklich nicht mehr in aufgezwungene Gespräche verwickeln lassen, egal wie unverschämt mein Verhalten auch sein mochte. Man war ja wohlerzogen, aber genug war einfach genug und ich ließ ihn nun einfach stehen. Natürlich missfiel mein Verhalten Zwille sehr. Er trat auf das Gaspedal, sodass loser Sand, der auf der Straße lag, hinter den Reifen regelrecht hervorgeschleudert wurde. Er raste ins Dorf hinein. War ich schlecht? Nein, soweit kommt es noch, dass ich mir jetzt noch Vorwürfe mache. Das war doch jetzt nur konsequent, oder nicht? Mein Versuch, es dabei zu belassen, hatte scheinbar nicht gefruchtet. Dann muss ich doch auch das Recht haben, Zwille konsequent abzuweisen, oder nicht? Trotzdem nagte dieser Zweifel an mir, denn so hatte ich mich bis dahin noch nie verhalten müssen. Obwohl ich mich auch über diese Dickfälligkeit von Zwille sehr ärgerte, ließen mich Selbstzweifel nicht in Ruhe. Hätte ich mich doch bloß mit jemandem darüber austauschen können. Was dachte er sich nur dabei? Um diesen Gedankenwechsel zu verdrängen, widmete ich mich meiner alltäglichen Arbeit und zog mich zurück ins Arbeitszimmer. Am Nachmittag zog mich aber das schöne Wetter wieder mit den Hunden nach draußen in den Garten. Endlich gelang es mir, die Zweifel wegzuwischen. Die Hunde tobten über die Wiese, und weit und breit war nichts zu hören, außer ein Auto. Ein Auto? Das konnte doch wohl jetzt nicht sein Ernst sein! Aus der Entfernung hörte ich wieder das alte Auto von Zwille nahen. Rasch rief ich die Hunde zusammen und eilte ins Haus. Um ihn nicht schon wieder so stehen lassen zu müssen und nicht schon wieder mit ihm konfrontiert zu werden, ergriff ich praktisch die Flucht. Die Tür schloss sich grade hinter mir, da klingelte schon das Telefon. Ein unbekannter Anrufer. Zwille war dran und schimpfte sofort lauthals rum: „Watt solln dit jetzt?! Du versteckst dir wohl vor mir!“ Er pöbelte weiter, das wäre eine Unart von mir, dass ich ihn so stehen lassen und die Tür hinter mir regelrecht zuschmeißen würde! Gut, ich muss gestehen, dass es mich wirklich ärgerte, dass er mich im Grunde genommen dabei ertappt hatte, wie ich vor ihm ins Haus geflüchtet war. Noch mehr ärgerte es mich aber, dass ich mich tatsächlich vor ihm versteckte. Da konnte ich nicht mehr an mich halten und schimpfte nun jetzt auch mal zurück: „Sag mal, Zwille, was willst du eigentlich von mir? Es war doch wirklich ganz deutlich von mir gewesen, dass ich keinen Kontakt mehr mit dir haben möchte. Ich werde deine Gefühle nicht teilen, und ich erwarte, dass du meine Meinung nun respektierst und dich hier nicht mehr blicken lässt!“ Meine Wut war während meines Schimpfens so weit angestiegen, dass ich es mir nicht verkneifen konnte, ihm noch mehr an den Kopf zu werfen: „Und wenn du nun schon selbst mitbekommst, dass eine Frau regelrecht vor dir Reißaus nimmt, dann sollte das doch wohl aussagekräftig genug sein!“ In meiner Wut sprudelte es nun unaufhörlich aus mir heraus: „Was fällt dir eigentlich ein! Ich will den Kontakt nicht mehr haben, du sollst mich gefälligst in Ruhe lassen und dich hier nicht mehr blicken lassen! Weißt du, Zwille, ich finde es unmöglich von dir, mich derartig zu belästigen! Du lässt mich jetzt in Ruhe, ich werde mich auf keinen Kontakt mehr mir Dir einlassen!“ Dann legte ich einfach auf. Danach war auch Ruhe, für ungefähr 20 Minuten. Was schon einmal zum Erfolg geführt hatte könnte wohl wieder Erfolg haben? Das Telefon klingelte erneut, diesmal war es, wen wundert es nicht, der Frederik. Zwille hatte wutentbrannt bei Frederik angerufen und ihn beschimpft, was er für eine „blöde Olle“ hätte, dass Zwille sich von mir so nicht behandeln, sich nicht von mir beschimpfen lassen würde! Er würde uns so viel Gutes tun und ich würde ihn undankbar und völlig grundlos beschimpfen und beleidigen. Mündlich kündigte Zwille nun Frederik sofort die Hallen, welche wir bereits für ein Jahr im Voraus bezahlt hatten. Zwille tobte am Telefon, dass er unser Heu sofort aus den Hallen entfernt haben wolle! Frederik war natürlich völlig überrumpelt von dem Anruf. Nicht nur, dass er mit seinen Gedanken voll und ganz bei der Arbeit sein musste und mit diesem Anruf völlig unerwartet und unvorbereitet konfrontiert wurde, sondern er wusste ja auch von dem ganzen Vorgeschehen nichts. Dass Zwille wieder bei Frederik anrief, war nicht sonderlich überraschend, aber es ärgerte mich maßlos, aber ein klein wenig war ich auch überrascht. Zwille hätte doch damit rechnen müssen, dass Frederik vielleicht doch etwas von seinen Avancen mir gegenüber hätte wissen können. Wie sollte ich diesen Streit zwischen Zwille und mir nun erklären, ohne weiter Öl ins Feuer zu gießen? Zudem hatte ich doch mein Wort gegeben, dass ich niemandem etwas von Zwilles deutlichen Liebesgeständnissen sagen würde. Andererseits hatte ich meine Zusicherung daran gebunden, dass er sich zurückziehen und wir beide einfach getrennter Wege gehen würden. Doch das, was Zwille nun veranstaltete, war völlig gegen jede Vereinbarung. Wie man sich so verhalten konnte, war mir völlig schleierhaft. Damit wusste ich auch nicht umzugehen. Zunächst beschloss ich, auch weiterhin nichts von Zwilles Avancen zu erzählen, sondern vorerst nur von seinem Anruf, bei dem er mich mal wieder unverschämt beschimpft hatte. Aber diesmal blieb ich Frederik gegenüber starrsinniger und blockte völlig ab, als er mich in die Richtung bringen wollte, für Zwille mal wieder Verständnis aufbringen zu müssen. Diesmal blieb ich dabei. Ich möchte diesen Typ hier nicht mehr sehen, und ich möchte mich nicht immerzu mit ihm abgeben müssen. Es ist schließlich meine Zeit, die mir täglich verloren geht, und es sind meine Nerven, die das ertragen müssen. Das kann so nicht weitergehen und das akzeptiere ich auch nicht mehr. Natürlich war Frederik verwundert über meinen Starrsinn, aber Frauen sollen ja, laut Ansicht der Männer, wohl manchmal einfach so sein? Da kann sich doch jetzt mal der Frederik mir gegenüber so verständnisvoll zeigen, wie er dies von mir gegenüber Zwille immer erwartete.

Neben dem funktionstüchtigen RS09 baute sich Frederik voller Hingabe nun den Styler nach und nach wieder auf. Dies nutzte Zwille plötzlich für sich und schwenkte nun trickreich um. Er brachte Frederik scheinbar selbstlos Ersatzteile, tauschte mit ihm Teile am Trecker und kam hin und wieder einfach mal vorbei, um zu helfen. Praktisch war dabei natürlich, wenn Zwille die Ersatzteile nur bringen konnte, wenn Frederik ausgerechnet dann auf der Arbeit war, sodass ich diese für Frederik entgegen nehmen sollte. Doch da machte ich nicht mit. Ganz gleich was Frederik auch sagte, ich wusste genau, warum Zwille nun diesen Weg einschlug. In Gedanken hörte ich Zwilles widerliche Stimme, wie er sagte, er mache das alles nur für mich, nicht für Frederik, nur für mich! Einmal ließ er sich auch nicht davon abbringen, selbst an dem Trecker herumzuschrauben, obwohl Frederik gar nicht da war. Das war mir nicht recht, und ich sagte Zwille, er soll das lassen und wieder gehen! Zwille überhörte das einfach stur und fummelte weiter am Trecker herum. Das war ein so schrecklich hilfloses Gefühl, denn was sollte ich nun tun außer sauer werden? Vielleicht wäre es fatal, ihn einfach unbeobachtet auf dem Grundstück an dem Trecker rumdoktern zu lassen und zu gehen. Doch wenn ich nun dabeistehen würde, hätte Zwille wieder seinen Willen bekommen und mich auf diesem Weg dazu gezwungen, mit ihm Zeit zu verbringen. Egal, wie auch immer ich mich entscheiden würde, es war einfach nicht richtig. Ein derart schrecklich hilfloses Gefühl, welches nur wegen falscher Höflichkeit zustande kommen konnte. Wäre ich nicht so höflich gewesen, so hätte ich hier doch einfach die Polizei rufen oder den Hund holen oder Frederik alles sagen können? Im Nachhinein oder als Unbeteiligter ist es immer leicht zu sagen, „da hätte ich aber das und das getan oder es so und so gemacht“. Ja, mit dem heutigen Wissen hätte ich definitiv auch anders gehandelt. Aber damals war ich in der Zwickmühle. Es ärgerte mich maßlos, dass Zwille meinen Anstand so ausnutzte und mich damit in Bedrängnis brachte. Es reichte mir allmählich, und ich verjagte ihn vom Hof, sagte ihm, dass ich das nicht akzeptiere und er jetzt gehen soll! Ich drehte mich um und ging in Richtung Haus. Im Wissen, dass Zwille vor Hunden Angst hat sagte ich noch beiläufig, dass ich jetzt ohnehin den Hund mal rauslassen müsste. Zwille meckerte was von „Undank“, „Unverschämtheiten“ und anderen Sachen, die mir egal waren. Immerhin verschwand er zu seinem Glück zügiger, als die mittlerweile stattlich herangewachsene Etana vor der Tür war.

So kam natürlich auch irgendwann Unmut in meine Beziehung, denn Frederik verstand es nicht, dass ich mit Zwille plötzlich nicht mehr klar kam und mich sogar weigerte, nur mal kurz ein Ersatzteil für Frederiks geliebten Trecker von Zwille entgegenzunehmen. Selbst wenn Frederik mich darum bat, blieb ich hart und weigerte mich, auch nur diesen kurzen Kontakt zu Zwille aufzunehmen. Doch ich wollte diese Konsequenz beibehalten, ich sah es nicht ein, mich derart von Zwille austricksen und mir auf diese Versuche hin seinen Willen aufzwingen zu lassen. Was bildete sich Zwille eigentlich ein? Als ich mich weiter konsequent weigerte, kam Zwille notgedrungen zu den Zeiten, in denen Frederik zu Hause war. Die zwei puzzelten nun gemeinsam am Traktor rum und in mir wuchs die Wut über Zwilles Verhalten. Solch eine Unverschämtheit und Frechheit! Er macht sich an die Freundin des Mannes heran, mit dem er nun auf gut Freund tat? Hatte er denn gar keinen Anstand? Ich begann, ihn regelrecht zu hassen. Frederik, der nichts von meinem Unmut wusste, rief natürlich immer wieder nach meiner helfenden Hand, ob ich ihm mal ein Handtuch bringen oder den beiden etwas zu trinken holen könnte. In meinem Inneren wuchs die Wut immer weiter an. Es fühlte sich an, als hätte ich einen großen Stein im Magen, und ich wusste, so konnte es nicht weitergehen! Jetzt muss Schluss damit sein. Das darf ich mir nicht länger gefallen lassen. Mir wurde klar, dass ich mir mit meinem Anstand nur selbst im Wege stand und ein klärendes Gespräch mit Frederik nun zwangsläufig nötig war. Doch wie würde Frederik reagieren? Würde er sich Zwille schnappen und ihn kräftig durchschütteln? Allein schon wegen Zwilles Frechheit ihm gegenüber? Würde er mir die Schuld geben? Eigentlich war das alles völlig egal, das musste jetzt besprochen werden. Frederik ist mein Partner, und wenn ich ihm das nicht sagen kann, was taugt dann die ganze Beziehung? So bat ich Frederik in einem ruhigen Moment zu einem Gespräch an den Tisch, machte uns einen Cappuccino und stellte ein paar Kekse auf den Tisch. Frederik saß nun mit fragendem Blick vor mir und ich begann zu erzählen. Es wäre ihm sicherlich schon selbst aufgefallen, dass ich auf Zwille sehr gereizt reagiere und ich würde ihm nun gerne erklären, warum das so ist und vor allem, warum ich einfach nicht mehr möchte, dass er Zwille zu uns einlädt. Mir war klar, dass ich niemandem vorschreiben kann, mit wem oder mit wem auch nicht er sich trifft oder unterhält, aber ich wollte Frederik zumindest erklären, warum mir der Kontakt zu Zwille so zuwider ist. Als ich Frederik nun davon erzählte, dass Zwille eindeutige Avancen mir gegenüber gemacht hatte und mich trotz meiner Bitte, mich zukünftig in Ruhe zu lassen, immer wieder aufsucht, wurde Frederik plötzlich ganz ruhig. Er kehrte kurz in sich und überlegte. Frederik musste sich wohl erstmal sortieren, er stand auf und schüttelte den Kopf, warf plötzlich fassungslos Fragen in den Raum: Wie soll er nun den Trecker alleine aufbauen? Was wird nun mit der Scheune und dem Heu? Wie soll man Zwille das jetzt sagen, dass er hier nicht mehr willkommen ist? Frederik ging raus, und ich saß allein am Tisch. Dazu konnte ich erstmal nichts mehr sagen, und das lag nicht nur daran, dass Frederik längst den Raum verlassen hatte. In diesem Moment hatte ich kurz das Gefühl, dass Frederik nicht so recht verstand, was ich ihm da gerade zu sagen versuchte. In meiner Kränkung hatte ich sogar kurz das Gefühl, dass ihm sein Trecker und das Basteln mit Zwille wichtiger seien als ich. Doch wenn bereits ich von dieser Situation so überrollt worden war, warum sollte es Frederik damit anders ergehen? Er hatte sich das alles sicherlich auch anders vorgestellt. Während er an den netten Menschen in Zwille glaubte, wurde er von genau diesem derart hintergangen. Wie sollte er nun damit zivilisiert umgehen?