Kitabı oku: «10 Jahre Stalking - Nur weil Du ihn nicht siehst, heißt es nicht, dass er nicht da ist!», sayfa 6
Am nächsten Tag kam Zwille zuverlässig wie jeden Tag an unserem Grundstück vorbeigefahren und hielt natürlich gleich an, als er mich auf dem Grundstück sah. Ohne zu fragen verkündete er gleich, dass er am Nachmittag mal wieder „kurz“ vorbeikommen würde. Jetzt platzte meine Wut im Bauch und ich konnte nicht länger an mich halten. Nun bekam Zwille meine ganze, aufgestaute Wut zu spüren, indem ich ihm nun an den Kopf warf, dass er dies jetzt ein für alle Mal zu unterlassen hätte. Frederik würde nun von seinen Avancen wissen, ich hätte ihm alles erzählt und Zwille soll sich von nun an hier weder blicken lassen, wenn ich alleine bin, noch wenn Frederik da ist. Das ist jetzt vorbei! Mir war es wichtig, Zwille sein Gesicht zu lassen. Ich wollte die Sache gern als nicht stattgefunden ignorieren, doch mit dem, was Zwille sich hier geleistet hatte, sah ich nun keine andere Möglichkeit mehr, als offen zu legen, was vorgefallen war. Und schon ärgerte ich mich wieder über mich selbst. Kaum ausgesprochen empfand ich es so, als hätte ich mich gerade dafür gerechtfertigt, meinem Partner gegenüber ehrlich gewesen zu sein, und als hätte ich mich gerade dafür entschuldigt, dass ich es sagen musste. Jetzt wusste ich nicht, auf wen von uns beiden ich nun mehr wütend war. Auf Zwille, der mich dazu brachte so zu sein, oder auf mich, die diesem Typen gegenüber schon wieder einen Anflug von Anstand entgegenbrachte. Es war eigentlich egal, wen von uns beiden ich gerade mehr Wut zukommen lassen wollte. Bevor ich die Entscheidung hätte fällen können, war Zwille plötzlich auf und davon. Ich stand nun da und konnte es kaum fassen, er war weg. War das alles? Hätte ich das nicht schon viel früher haben können? Huch, da machte ich mir schon wieder Vorwürfe. Mein Adrenalin jagte meinen Puls durch meinen noch zitternden Körper. Ich atmete tief ein und schloss kurz die Augen, genoss die Ruhe um mich herum und atmete wieder aus. Es fühlte sich plötzlich so leicht, so befreit an, und mein Puls hüpfte weiter in einem fröhlicheren Takt, es kribbelte im Bauch. Er ist jetzt weg, endlich war es raus, jetzt ist endlich Ruhe! In diesem Moment war ich einfach erleichtert und glücklich.
Für mehrere Tage fühlte es sich nun leicht und unbeschwert an. Von Zwille war nichts mehr zu sehen, auch sein Auto hatte ich tagelang nicht mehr gesehen. Der Garten lockte mich täglich raus und ich genoss die Pausen zwischen meinen Arbeitsstunden, die ich mit meinen Tieren verbrachte. Hin und wieder bellten die Hunde plötzlich los und rannten zum Zaun, bellten von dort in den Wald hinein. Die vergangen Wochen waren mir so nahgegangen, dass ich natürlich gleich innerlich angespannt war und mir sogar kurz der Atem stockte. Ob er da war? Nein, das wollte ich nicht an mich heranlassen. Ich beruhigte mich selbst und war festen Glaubens, dass sich da sicherlich nur ein frecher Rabe durchs raschelnde Laub wühlte und damit die Hunde verrückt machte.
Doch mit was würde ich wohl die restlichen Zeilen dieses Buchen füllen, wenn tatsächlich danach Ruhe eingekehrt wäre? „Tatsächlich“ war nur, dass Zwille jeden Tag aufs Neue eine Change erhielt. Jeden Tag erhielt er die Möglichkeit, sich zu entscheiden, aufzuhören. Zwille entschied sich täglich aufs Neue gegen diese Change.
Frederik und mir fiel eines Tages ein kleiner, weißer Transporter, ein Caddy Kastenwagen, auf, der seine Runden vor dem Haus drehte und immer wieder neben unserem Grundstück in einen Feldweg hineinfuhr, in den sonst niemand fährt. Der Feldweg führt nur zu den Scheunen und endet dort. Der Fahrer würde sicherlich gleich selbst merken, dass er dort nicht weiterkommt und zurückkommen. Vielleicht sucht er ja eine Adresse oder hat sich verfahren, vermuteten wir. Tatsächlich kam der Wagen gleich wieder zurück, fuhr auf die Straße und anschließend ins Dorf hinein. Wir fühlten uns in unserem Gedanken bestätigt und ließen den Wagen außer Acht. Als der Wagen jedoch wenig später erneut vor unserem Haus auftauchte, erinnerten wir uns daran, dass wir den weißen Wagen bereits des Öfteren bemerkt, aber ihn bis dahin nicht konkret beachtet hatten. Wir bemerkten, dass der Wagen auch immer wieder in den Feldweg neben unserem Grundstück nach hinten fuhr. Als der Wagen nun erneut in den Feldweg hineinfuhr, beschlossen wir, den Fahrer anzuhalten und anzusprechen. Vielleicht bräuchte er Hilfe oder suchte etwas? Wir gingen auf das Auto zu, als der Wagen nur wenige Minuten danach wieder aus dem Feldweg nach vorne zurückkehrte. Als der Wagen uns fast erreichte und wir einen Blick in den Innenraum des Wagens erhielten, traf es mich wie ein Schlag. Es war Zwille! Während ich darauf vertraute, dass nun endlich Ruhe eingekehrt war, hatte Zwille einfach nur ein anderes Auto, welches mir zwar in den letzten Tagen immer wieder mal aufgefallen war, aber welchem ich keine weitere Bedeutung beigemessen hatte. Die von mir angenommene Ruhe existierte also scheinbar gar nicht. Mir schossen sofort die Situationen durch den Kopf, in denen die Hunde öfter angeschlagen und scheinbar sinnlos in den Wald gebellt hatten. War es sinnlos? Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Warum hatte ich den Hunden hier nicht vertraut?
Frederik und ich wollten in der Stadt einige Dinge erledigen, und dafür kam Frederik an diesem Tag etwas früher als üblich von der Arbeit. Als er zur Tür hereinkam, klingelte das Notruftelefon unserer Rehkitzrettung. „Unbekannter Anrufer“ stand auf dem Display. Ich nahm das Gespräch entgegen. Umgehend krächzte mir Zwilles Stimme ins Ohr: „Hier hinten sitzt ein Reh auf meinem Acker! Wenn de nicht sofort herkommst und dit holst, dann fahr ick dit Vieh platt!“ Vermutlich hatte Zwille nicht mitbekommen und auch nicht damit rechnen können, dass Frederik gerade in diesem Moment nach Hause kam. Da Frederik nur ein Gekrächze am Telefon mitbekommen hatte, erzählte ich ihm natürlich gleich von Zwilles Äußerung. Zwille wusste ja, dass ich in der Wildtierrettung aktiv war und egal welche Differenzen es auch zwischen uns gab, ich hätte einem hilfsbedürftigen Tier keine Hilfe verweigert, nur weil Zwille das Tier meldete. Das Tier kann schließlich nichts für menschliche Differenzen. Wir gingen also nach hinten auf den Acker, der gleich neben unserem Grundstück liegt. Zwille stand vor seinem Traktor und guckte in unsere Richtung. Er schien schon auf mich gewartet zu haben. Doch scheinbar wartete er wohl auf mich alleine und war richtig überrascht, dass Frederik dabei war. Wir schauten uns um und hielten nach dem angeblich verletzten Tier Ausschau. Wir zogen die Schultern hoch und breiteten die Arme fragend aus, während wir zu Zwille schauten und nach einem Hinweis fragten, wo das Tier denn sei. Zwille jedoch fuchtelte nur wild mit dem ausgestreckten Finger einmal quer über die gesamte Fläche des Ackers. Er zeigte mal da hin und mal dort hin, konnte sich scheinbar nicht entscheiden. Seiner Deutung nach hätte das Tier wohl auf dem gesamten Bereich liegen müssen. Schleunigst sprang Zwille in den Trecker und verschwand. Es war uns beiden glasklar, dass es nie ein hilfloses Tier gegeben hatte, sondern es vermutlich nur ein Versuch war, mich allein an eine abgelegene Stelle zu zitieren. Dieser Vorfall beschäftigte auch Frederik noch sehr lange, bekam er doch nun mit, dass Zwille sich auch nicht zu schade war, eine Notsituation vorzugaukeln, nur um mich in eine Falle locken zu können.
Zwille legte sich nun neue Verhaltensweisen zu. Wollte er vorher eher verdeckt bleiben, im Hintergrund wartend, beobachtend, unauffällig, so wollte er nun unbedingt gesehen werden. Er ließ keine Möglichkeit aus, mir zu demonstrieren, dass ich ihn nicht aus meinem Umfeld heraushalten konnte. Er fuhr mit dem Auto demonstrativ laut vor dem Haus auf und ab, ließ den Motor aufheulen, bremste abrupt ab, nur um sogleich wieder zu beschleunigen. Er lief oft stundenlang vor dem Haus die Straße auf und ab, ständig einen Fotoapparat in der Hand. Sein Gesicht war beinahe dauerhaft und ständig zu mir gerichtet, provozierend, suchend. Sein Verhalten wurde immer unheimlicher und ich wollte jeden Kontakt mit ihm unbedingt vermeiden. So blieb ich die meiste Zeit des Tages im Haus und vermied es immer mehr, nach draußen zu gehen. Was zunächst wie ein kurzzeitiges Meideverhalten erscheint, war bereits der erste Schritt in die Einsamkeit. Doch das war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Hätte ich es gewusst, hätte ich mich vielleicht mehr gewehrt? Beim nächsten Blick aus dem Fenster konnte ich Zwille nicht mehr sehen. Doch die Vergangenheit hatte mir bereits oft genug gezeigt, dass dies nicht zwangsläufig bedeuten musste, dass er auch tatsächlich nicht da war!
Nur weil Du ihn nicht siehst ...
Nur weil Du ihn nicht siehst, heißt es nicht, dass er nicht da ist!
Als mein Blick über die Felder schweifte, wurde mir schnell klar, dass Zwille noch irgendwo da draußen sein musste. Sein Auto parkte gegenüber dem Haus, mitten auf einem Feld. Mit größerer Aufmerksamkeit folgte ich nun den üblichen Wegen, die er für gewöhnlich immer wieder entlanglief, wenn er ums Haus streifte. Zunächst übersah ich ihn, aber dann bemerkte ich unweit seines Wagens, eine Gestalt. Gegenüber vom Haus in etwa 80 Metern Entfernung verlief eine Reihe von diversen Sträuchern und Büschen. Was soll ich sagen, aus einem dieser Büsche ragten abwärts zwei blaue Jeansbeine heraus. Da stand Zwille mitten im Busch und richtete vermutlich sein Fernglas auf das Haus.
Wollte er sich dort tarnen oder wollte er von mir gesehen werden? In diesem skurrilen Fall war ich mir nicht mehr sicher, es hätte beides sein können. Dass er mich mit dem Feldstecher beobachtete, zeigte mir seine umgehende Reaktion auf mein gefertigtes Foto dieser skurrilen Situation. Nachdem ich das Foto anfertigte, ging er plötzlich zügig zu seinem Auto, stieg ein und drehte hastig auf dem Feld. Er fuhr so flott zurück zur Straße, dass hinter ihm der Staub vom Boden in die Luft gewirbelt wurde. Er schlitterte mit dem Auto auf die Straße und raste bis vor mein Fenster, wo er mit einer heftigen Bremsung zum Stillstand kam. Seine Seitenscheibe war heruntergelassen und er pöbelte lauthals über die Straße zu mir herauf „watt solln ditte! Wat machst de denn Fotos von mir?!“ Ich war baff. Aus der Entfernung hatte er mit bloßem Auge niemals sehen können, dass ich mit einer kleinen Handkamera am Klappfenster ein Foto machte. Per Feldstecher, den er ja quasi immer bei sich hatte, war es hingegen möglich. Eigentlich hatte er sich mit dieser Aktion doch selbst verraten. Wäre er nur kurz im Busch austreten gewesen, so hätte er mich wohl überhaupt nicht wahrgenommen, wenn ich am aufgeklappten Fenster stand, und den kleinen Fotoapparat ohnehin nicht. Seiner Reaktion entnahm ich, dass er sich scheinbar nun ertappt fühlte, er wurde erwischt und das schien ihm gar nicht zu gefallen. Was ging in ihm nur vor, dass er mich ständig beobachtete und das so unaufhörlich? Was hatte er davon? Was auch immer er sich einbildete, ich hoffte einfach nur, dass der nahende Winter seine Beobachtungen doch stark minimieren würde. Wer sitzt schon gerne bei Regen, Kälte oder Schnee im Busch, nur um einen anderen Menschen zu beobachten? Irgendwann muss das doch auch mal aufhören.
Es kann sicherlich helfen die Nerven zu bewahren, wenn man sich ein Ziel sucht, bei dessen Erreichen alles entspannter werden würde. Doch ich ging immer noch von einem normal denkenden und gebildeten Menschen aus. Dass dieses normale Denken und normale Handeln nicht in die Welt eines jeden Menschen passt, das wollte ich vielleicht nicht wahr haben und tröstete mich in meiner Hilflosigkeit mit trotziger Ignoranz. Dass sich manche Situationen und erst Recht nicht manche Menschen einfach ignorieren lassen, dass sollte mir täglich immer mehr bewusst werden.
In meiner Hilflosigkeit vertraute ich mich nochmal Frederik an, als er eigentlich beiläufig von mir erfahren wollte, wie mein Tag so verlaufen war. Als ich Frederik mein Herz ausschüttete, war es ihm deutlich anzumerken, dass auch er große Probleme damit hatte, sich auf ein solch unfassbares „Zwille-Niveau“ herab zu denken. Frederik konnte meine Schilderungen nicht richtig einsortieren und verstand den Sinn von diesem ganzen Unsinn ebensowenig wie ich. Da Frederik sich die Intensität und das ganze Ausmaß von Zwilles Aktionen kaum richtig vorstellen konnte, bat ich ihn darum, sich einfach mal einen Tag frei zu nehmen. Frederik sollte einfach mal einen Tag unerwartet zuhause bleiben und sein Auto zur geplanten Arbeitszeit auf dem Grundstück versteckt abstellen, sodass Zwille annehmen würde, Frederik sei wie geplant nicht da. Gesagt, getan. Frederik nahm sich spontan einen Tag frei und wir versteckten sein Auto auf dem Grundstück. Zuverlässig begann Zwille mit seinen Darbietungen. An diesem Tag wurde uns beiden klar, dass hier tatsächlich ein Problem besteht, welches wir aber nicht richtig zu fassen bekamen.
Ist das Stalking?
Passiert das nicht nur den reichen, berühmten und wichtigen Menschen? Sind Stalker nicht immer nur Ex-Partner, die mit übertriebenem Werben und Kämpfen ihren Partner nur zurückgewinnen wollen? Wir kannten uns damit einfach nicht richtig aus. Es war so befremdlich für uns, einfach nicht nachvollziehbar und auch nicht greifbar. Mein Selbstbild war alles andere als gut, ich empfand mich nicht als hübsch oder ansatzweise als so interessant, dass es ausgerechnet mir passieren könnte. Und Zwille war ja auch kein Ex-Partner von mir. In seinem Kopf vielleicht doch? Es dauerte wirklich lange, um es zu begreifen, dass es tatsächlich passiert, dass es hier tatsächlich mir passiert. Das mussten wir erstmal begreifen, dass es nicht immer der Ex-Partner ist, dass man nicht immer berühmt, besonders hübsch oder reich sein muss, um mit einem Stalker konfrontiert zu werden. Wir waren der Annahme, dass es sich mit der Zeit schon wieder von allein beruhigen müsste und er irgendwann einfach das Interesse verlieren würde, wenn wir es nur konsequent ignorieren. Doch wir sollten uns beide irren.
Das Jahr ging dem Ende entgegen und draußen war es bereits dunkel und kalt. Es lag sogar ein Hauch von Schnee auf der frostigen Wiese vor dem Haus. Frederik war in dieser Woche wieder in der Spätschicht, und ich war bis in die Nacht hinein alleine Zuhause. Das Arbeitszimmer hatten wir nach einer Renovierung von der Rückseite des Hauses nach vorne zur Straße verlegt. Hier hatte ich das Gefühl, dass Zwille mich nicht so leicht beobachten konnte, wenn ich den halben Tag am PC saß. Während Zwille hinter unserem Haus gute Versteckmöglichkeiten in unserem privaten Wald fand, so würde er vorne an der Straße, wo hin und wieder mal ein Auto vorbeikommen und vielleicht die Beobachtungen stören könnte, keine so guten Möglichkeiten haben, mir ungestört nachzustellen. Tatsächlich interessierte sich aber niemand für Zwilles merkwürdige Verhaltensweisen, die er zudem auch geschickt zu tarnen wusste. Wenn es draußen dunkel war, verriet ihm natürlich das Licht im Haus unproblematisch, wo ich mich aufhielt, und Zwille hatte wieder seine Hochform gefunden. Aus heiterem Himmel erschreckte mich ein lautes, mehrfach hintereinander folgendes Hupen auf der Straße. Ich sprang vom Stuhl auf und öffnete das Fenster, um nachzusehen, was da los war. Zwille stand mit seinem Auto bei laufendem Motor auf der Straße und hatte die Seitenscheibe herunter gelassen.
Er hielt einen Fotoapparat aus dem Fenster und schoss sofort einige Bilder von mir, wie ich oben am Fenster stand. Er brüllte zu mir hoch: „Ick kann dir immer sehn! Wann und wo ick dit will!“ Und dann raste er davon. Die nächtliche Kälte fiel durch das offene Fenster ins Zimmer hinein, aber in diesem Moment war es wohl nicht nur die Kälte, die mich am ganzen Körper zum Zittern brachte. So kann es doch nicht weitergehen. Es muss doch Möglichkeiten geben, dass dieser Terror aufhört? Seit Monaten waren Szenen wie diese schon stressiger Alltag in meinem Leben. Doch an diesen unerträglichen Alltag konnte und wollte ich mich nicht gewöhnen. Im Internet suchte ich endlich nach Rat und Informationen und fand eine Telefonnummer zur Opferprävention der Kriminalpolizei. Noch im gleichen Moment wählte ich diese Nummer. Rund um die Uhr, versprach die Hotline, und ich war so verzweifelt und verängstigt, dass ich das Gefühl hatte, ich bräuchte jetzt sofort jemanden, der mir zuhört. Ich fühlte mich so schrecklich alleine und ausgeliefert. Ich hatte Angst, dass Zwille jetzt nicht weggefahren sein könnte, sondern vielleicht sogar wieder auf unserem Grundstück umherlief und vielleicht sogar ins Haus eindringen könnte, denn er wusste ja, dass ich noch lange alleine sein würde, bevor Frederik von der Spätschicht nach Hause käme. Mittlerweile traute ich Zwille sogar so etwas zu, wo er doch immerhin schon mehrfach unser Grundstück betreten hatte. Es wurde doch nun wirklich lange genug geschwiegen, ohne dass es annähernd besser geworden war. Im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, dass es immer schlimmer wurde. Der Kriminalbeamte am anderen Ende der Leitung war wirklich eine Wohltat für mich. Seine entschlossene, aber ruhige Stimme gab mir etwas Halt, und ich fühlte mich sicher mit ihm am anderen Ende der Leitung. Kurzzeitig hatte ich das Gefühl, dass, solange er am Telefon war, die Polizei mitbekommen würde, wenn Zwille nun einbrechen würde. Dann wäre ich immerhin nicht alleine. Der Beamte erfragte alles rund um die Geschehnisse, welche bis dahin vorgefallen waren. Er erfragte, wie es überhaupt dazu gekommen war, wann es angefangen hatte und wie lange das schon so ging. Doch er war am anderen Ende der Leitung und was noch schlimmer war, in einem völlig anderen Bundesland. Er konnte mir also nicht wirklich helfen, jetzt in dieser Situation. Er riet mir dazu, so schnell wie möglich eine Stalkeropferberatung aufzusuchen und mir dort Hilfe zu holen. Auch der Weisse Ring würde in diesen Fällen Unterstützung bieten, aber ich müsse auf jeden Fall damit zur Polizei gehen und es melden, die Vorfälle anzeigen und somit festhalten lassen. Auch sollte ich unbedingt einen Rechtsanwalt einschalten und eine Bannmeile gegen den Stalker erwirken, so dass er sich mir nicht mehr nähern darf. Die Polizei würde in diesen Fällen eine Gefährderansprache mit dem Stalker führen und ihm in diesem Gespräch erste Konsequenzen aufzeigen, welche ihn erwarten würden, sollte er nicht aufhören, mich zu belästigen und zu behelligen. Bei dem Gedanken daran, dass man Zwille mit seinen Taten konfrontieren würde, zitterte ich am ganzen Körper, obwohl das Fenster schon lange wieder geschlossen war. Jetzt erst wurde mir immer mehr bewusst, dass es sich hier tatsächlich um Stalking handelt, dass es tatsächlich passiert und real in meinem Leben geschieht. Vor allem aber, dass ich ohne Hilfe diesem Stalking nicht mehr entkommen konnte. All dies geschieht nicht irgendwo und weit weg von einem selbst. Es betraf nicht irgendwelche Fremden, die man gar nicht kennt, es betraf mich unweigerlich schon seit vielen Monaten. Nur, weil ich es nicht wahrhaben und mir nicht richtig bewusst machen wollte, bedeutete es nicht, dass es nicht tatsächlich geschieht. „Ignorieren ist halt keine Lösung“, sagte der Beamte und versicherte mir, dass, sollte irgendetwas vorfallen, er am Telefon bereit und erreichbar sei. Sollte jedoch etwas passieren, so sollte ich mich nicht scheuen, umgehend den Notruf der Polizei zu wählen. Schließlich dürfte der Stalker auch unser Grundstück nicht betreten, das sei bereits Hausfriedensbruch, wenn nicht sogar Einbruch. Der Beamte gab mir den Rat, alle Vorkommnisse mit dem Stalker zu notieren, denn in einigen Wochen weiß ich nicht mehr, welcher Vorfall an welchem Tag geschah. Den Abend blieb es allerdings ruhig und von Zwille bekam ich nichts weiter mit. Trotzdem konnte ich die ganze Nacht kein Auge schließen. Immer wieder lauschte ich auf, ob ich etwas hören würde. War da jemand an der Tür? Da rumpelte doch etwas vor dem Fenster? Waren es bloß die Ziegen im Stall oder klopfte da was? Während des Lauschens hielt ich sogar immer wieder meinen eigenen Atem an, um noch besser lauschen zu können. Auch wenn ich mich nicht verrückt machen lassen wollte, die Angst hatte mich schon längst im Griff. Die Ratschläge des Beamten nahm ich ernst und ging auf seinen Rat hin am nächsten Tag zur Polizei.
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