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Kitabı oku: «Briefe an Ludwig Tieck 4», sayfa 19

Various
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XIII

Berl., Jan. 93.
Mein liebster Tieck!

In der Hälfte Deines kleinen Briefchens sagst Du mir auf 10 verschiedne Arten, daß ich Dir nicht schriebe und daß ich Dir schreiben solle, belegst mich auch mit dem ehrenvollen Titel eines fleißigen Briefschreibers. Den will ich auch nicht verscherzen. Unsre Briefe haben sich wieder begegnet.

Den Roßtrapp habe ich Deiner Schwester gegeben. In Ansehung dieses und Deiner übrigen Arbeiten fürs Publikum, mögen Rambach und Bernhardi Dir das Weitere schreiben, und diese Autorgeschäfte mit Dir betreiben. Allein, was soll ich zu dem Gedichte selber sagen? Fürs erste, so dünkt mich, daß es immer etwas, wo nicht viel, verdirbt, wenn man viele Sachen so flüchtig und nachläßig arbeitet; und ich wünschte nicht, daß Du hierin Rambachs Nachfolger werden möchtest. Es ist zwar eine blendende Einbildung, daß man dadurch mehr Fertigkeit, mehr Reichthum an Ideen und Wendungen erhalte; allein es ist wenig mehr als Einbildung. Denn man verwöhnt sich durch diese Art zu schreiben gewiß am Ende so sehr, daß man nachher nicht mehr etwas Langsames, Durchdachtes, in allen Theilen so viel als möglich Vollkommenes, zu Stande bringen kann. An hundert Orten bringt man zerstreut sehr artige Gedanken und Bilderchen an, und in allem was man hervorbringt ist ein Etwas, aber nichts Ganzes von Schönheit, und so verliert man die Kraft, die Stärke und die Beharrlichkeit, ein Werk zu schaffen, worin man nach Gewissen jeden einzelnen Theil, bis auf Kleinigkeiten, so ausgefeilt und der Vollkommenheit so nahe zu bringen gesucht hat, daß man das Ganze ein Produkt seiner höchsten und edelsten Anstrengung nennen darf. Und im Grunde sollte jeder Dichter und Künstler doch bey jedem Werke wenigstens den Vorsatz haben, es so zu vollenden, wie es seine Kräfte, in ihrer wirksamsten Thätigkeit, nur immer erlaubten. Ich glaube freilich weniger, daß meine Besorgnisse bei Dir wirklich eintreffen möchten, als ich diese Gedanken für andere (z. B. Rambach) treffend glaube. – Dein Roßtrapp ist gar nicht sonderlich und hat die Ehre, noch ziemlich unter der Emma und Adalbert zu stehen. (Das ist doch freymüthig genug?) Die Erfindung? könnte, dünkt mich, weit besser seyn. Daß ein Mädchen auf einem Pferde über den tiefen Abgrund einmal herübergesetzt hat, weil sie von einem Riesen verfolgt ist, ist eine triviale Fiktion, die – ich auch hätte erfinden können, und die durch die Ausführung in ein noch dürftigeres Licht gestellt wird. Die ganze Erzählung hat gar keine Haltbarkeit, kein Interesse, kein Leben: warum verfolgt der Riese das Hirtenvölkchen? Was will das Geisterwesen eigentlich sagen? Warum schützt das Diadem vor dem Riesen? Warum ziehen die Geister und Alles am Ende von dem Ort weg? Das liegt alles im Nebel. Und dann hast Du wohl in der Mitte den Eingang vergessen: ein Minnesinger kommt in die Harzgegend (der Anfang in Prosa enthält noch die meiste Kraft und Phantasie), beschreibt sich selbst (doch etwas steif, als wenn er dem Landschaftsmaler abgerissene Ideen angäbe), die Gegend, und fängt hierauf zum Zeitvertreib an, sich in Versen, die er, wenn es ihm zu unbequem wird, auch ohne Reim vorlieb nimmt, ein Geschichtchen vorzusingen. Ein kurieuser Minnesinger! Er muß närrische Launen gehabt haben! Ich hätt’ ihn sehen mögen, wie er da in der einsamen Gegend sitzt und sich ein Mährchen singt! – Warum ist nicht das Ganze Ein Ausfluß der Phantasie von Anfang an in Versen? warum läßt Du ihn nicht in einem lyrischen Gemählde die Gegend besingen, in lyrischer Begeisterung die Begebenheiten der Vorzeit ihn als gegenwärtig sehen? Und dann die Verse! Ganz gewiß hast Du das Stück nie laut gelesen, oder Du müßtest es denn in der Absicht gelesen haben, um Dir selber Spaß zu machen; sonst, wenn es Dir wieder etwas Neues seyn sollte, will ich Dir ein kleines Pröbchen zum besten geben:

 
Die Mädchen:
Das Glück
Mit holdem Blick
Wohnt
Hier und sonnt
Im Buchenhain
Sich im Frühlingsschein.
 

Und mehr dergleichen Verse, die in der That wahre Knittelverse sind. – Auch Bilder, wie: der Donner stößt sich an den Klippen wund, hast Du wohl nur Spaßes halber hingeschrieben. Du siehst wie beredt ich bin, wenn Du einmal etwas Mittelmäßiges oder Schlechtes hervorbringst. So machens die kleinen Geister, welche die größern weit zu übersehen glauben, wenn sie im Stande sind in den Bastardgeburten ihres Geistes Fehler zu entdecken, die sie selbst nicht einmal zu machen vermögen. Bey Meisterstücken schweigen sie still, und wissen nicht was sie sagen sollen, weil sie viel zu eingeschränkt sind, die verborgene Quelle der Schönheiten aufzuspüren, und nach Verdienst die Schönheiten zu würdigen. So mach ichs auch!

Neulich hab’ ich das neue Ritterstück: Ludwig der Springer gesehen. Ein dürftigeres, anfängermäßigeres, bedauernswertheres, nüchterneres, faderes, unbedeutenderes, nichtssagenderes, gemeineres, gewöhnlicheres, – (aber ich komme außer Athem!) Stück kenn’ ich gar nicht. So ohne einen Funken, ohne einen Schatten von tragischem Geist, Empfindung, Durchführung von Charakteren und Situationen geschrieben? Es ist so kurz, daß die Hauptpersonen nur grade so viel Zeit haben zu sprechen, als um die Geschichte die zum Grunde liegt, zu erfahren nöthig ist: alles nichts als ein dialogisirtes historisches Compendium. Alles nur Skelett, Thema zur Ausführung. Nicht eine einzige Rolle, nicht eine einzige Scene, wobey das Herz warmen Antheil nähme. Der Plan: wie ein Spinnengewebe. Vorn ein Sancho Pansa, der den Spaßmacher spielt. Wenn die Hauptpersonen den Gang der Handlungen fortführen sollen, werden ein Paar Gefangenwärter, oder dergleichen Gesindel eingeschoben, die uns indeß mit den trivialsten Späßen die Zeit vertreiben. Die Baranius hält im Gericht die Feuerprobe aus und das Ende ist ein Rittergefecht: beydes ist interessanter anzusehen als das ganze Stück zu hören; denn die sehr genau beobachteten, stummen Ceremonien eines heimlichen Gerichts, und der Pomp der Turnierrüstungen verfehlt nie den Eindruck. Von der schönen edlen! Sprache eine Probe: „Da müßt ihr Pferde anspannen lassen, wenn ihr mich von der Stelle bringen wollt,“ spricht Ludwig im höchsten Zorn. Der leibhaftige Fuhrmann, der in der Trunkenheit, den Hut auf einem Ohr, die Hände in die Seite setzt. Doch das ganze Ding verdient nicht, daß ich ein Wort mehr darüber sage.

Bernhardi hat itzt schnell den Entschluß gefaßt sein Nachspiel selbst an Engel zu bringen. Vorher hat ers Hagemeistern gewiesen, der es gelobt hat. – Neulich ist eine neue Operette: die unruhige Nacht, nach Goldoni, Musik von Lasser in München, 2 Tage hintereinander ausgepocht worden.

Aber was heißen alle diese Neuigkeiten gegen die, welche ich Dir itzo vortragen will. Lege Dein Gesicht in Falten, bereite Dich auf einen großen Gedanken vor, und setze Deine Seele in eine gemäße Stimmung. Triumph und Viktoria, 3 mal und 4 mal! mein Glück, mein Heil ist gekommen; ich bin emporgehoben aus dem Staube, und stoße an den Orion mit meinem Scheitel. Nun erst wag’ ich es, Dich brüderlich zu umarmen und mit Dir vereint dem Tempel der Unsterblichkeit zuzufliegen. Fort mit allen Phantasien, die itzt vielleicht wie schwarze Wolken Deinen Kopf durchziehen; sie sind nichts gegen das was Du hören wirst! Gebiete den kleinsten Gedanken Deiner Seele eine feierliche Stille, und laß in dieser erhaben-majestätischen Pause Deine Geistesthätigkeit Dir die goldenen, himmlischen Worte Deine beyden Ohren füllen: Ich bin Schriftsteller, und abermals: ich bin Schriftsteller. – Allein ich muß mich wohl von meiner schwindlichten Höhe herablassen und Dir in der Sprache der Menschen in aller Kürze erzählen: Cur, quomodo, quando. (N. B. Alles was Du jetzt hörst sind die tiefsten Geheimnisse, nur für Dich, mich und Bernhardi offen.)

Bernhardi ist zum Mitarbeiter an einer neuen Monathsschrift engagirt, die Rambach und Heydemann (vielleicht auch von Zöllner, Jenisch, Eschenburg und Veit Weber unterstützt) bald herausgeben wollen. Nun bat er mich so dringend und unabläßig, ihm meine Ode an die Zeit, die ich ihm einmal vorgelesen, hier zum Drucke anzuvertrauen, daß ich es ihm in der That nicht abschlagen konnte. Er wollte durchaus die Gründe meines Weigerns wissen, und da fast der Hauptgrund war, daß ich in einer zum Theil doch etwas verdächtigen Gesellschaft, und in einem so ephemeren, verachteten, plebejen Werkchen mich in der Welt nicht zuerst produciren wollte, so mußte ich, da ich ihm diesen Grund nicht gut sagen konnte, ihm keinen Grund zu haben scheinen. Genug, ich mußte ihm, halb gezwungen, die Ode (mit einigen Veränderungen) geben: nur ließ ich mir strenge Verschwiegenheit von ihm versprechen. Nun hat er sie an Rambach und Heydemann vorgelesen, aber in einiger Entfernung, damit sie meine Hand nicht erkennen sollten; sie hat Beyfall gefunden und wird nun wahrscheinlich gedruckt werden. Was das komischeste aber ist, so hat Bernhardi Rambachen im Vertrauen gesteckt, die Ode wäre von seinem Freund Schmiedecke; und freut sich schon im Voraus auf die komische Scene, die dadurch zwischen diesem und Rambach entstehn wird, da ohne Zweifel Schmiedecke, wenn ihm der geschwätzige Rambach die Ode auf den Kopf zusagt, den Unwissenden besser als irgend einer spielen wird. Ob Bernhardi an der Scherzlüge klug gethan hat, und ob Rambach bey seinem Glauben bleiben, oder nicht doch auf mich argwöhnen wird, welches mir nicht lieb wäre, weiß ich nicht. Unter die Ode habe ich den Namen Agathon gesetzt, weil das mein Lieblingsname ist.

Ich habe eine Bitte an Dich. Da Du im vorigen Frühlinge Matthisons Mutter gesprochen hast, so kannst Du mir vielleicht schreiben wo, wann er gebohren, wo er itzt ist, und was Du sonst von seiner Jugendgeschichte und seinen Lebensumständen weißt. Vergiß es nicht in Deinem nächsten Briefe. – Hast Du noch die sibirische Anthologie von Schiller? —

Du willst mich gern den Roßtrapp auf Ostern in Natura sehn lassen? Aber die Jahreszeit, das Wetter und unsre eingeschränkte Zeit! Es ist wohl kaum möglich. Ich muß Verzicht darauf thun. Wir werden unsre Reise so simpel und aufenthaltlos als möglich machen müssen. Auch bitte ich Dich, so viel ich bitten kann, lieber Tieck, daß Du so schnell als möglich, auf dem kürzesten Weg, und so bald als möglich hier bist: und es, wenn auch nur auf ein Paar Tage (damit Du uns nicht wieder in Sorgen setzest) im Voraus bestimmst, wann Du anzukommen gedenkst. Wie dringend wünschte ich Dich 14, oder Dich doch zwischen 8 und 14 Tage vor Ostern (dem letzten März) hier zu sehen! Deine Schwester stimmt ganz in meine Wünsche ein.

Du wirst wohl sehen, lieber Tieck, daß ich bis hieher noch nicht Dein Trauerspiel: der Abschied, gelesen hatte; denn wovon hätte ich Dir sonst zuerst schreiben können, als hiervon? Und wie ist es möglich, daß in Deinen Briefen an mich nichts davon steht? Himmel Du hast mir wieder eine sehr glückliche Stunde gemacht, hast mich ganz hineingezaubert in die Zeiten, da wir noch hier zusammen lebten und zusammen empfanden. O es ist nicht wahr, daß ich die Schönheiten hier nicht bis auf die allerfeinste fühlen sollte! Ich fühl’ es, ich fühl’ es, wie alles aus dem Strohm der Empfindung eines vollen Herzens geschöpft ist. Wovon soll ich anfangen? Es hat mich gerührt, entzückt! Ganz in dem Göthen’schen Geist des Werthers, der Stella, gedichtet! Ganz Gemählde, treustes Gemählde der erhabenen, ätherischen und schwärmerischen Gefühle, die wir so manchesmal in den Stunden der Seligkeit mit einander wechselten. Hast Du bey der Stelle, wo Luise das von ihrem Geliebten komponirte Lied: „Wie war ich doch so wonnereich,“ spielt, an mich gedacht, so dank ich Dir: glücklich fühl’ ich mich, wenn mein Andenken Dich in solchen Stunden umschwebt. Wie lautere Natur ist Ramstein! Ich wäre außer mir, wenn ich ihn einmal, Du den Weller, spielen könnte! Wie unnachahmlich die 2 Scenen zwischen Luise und R.! wie wahr der glühende und kochende Ehemann! wie wahr die lenkbare Schwachheit des weiblichen Charakters! Ueberall die feinsten Züge verstreut! Es ist mir nicht möglich, Dich itzt auf Einzelnes aufmerksam zu machen; Du wirst Dir die Stellen hinzudenken, worüber ich so vorzüglich entzückt ward: vielleicht hätte das Ende etwas besser ausgearbeitet seyn können; und noch gewisser wage ich zu behaupten, daß zuweilen der Dichter die Personen noch immer mehr von ihrer Empfindung sprechen, als sie, ihrer Empfindung gemäß, sich ausdrücken läßt. Doch der Glanz des Ganzen verschlingt diese Flecken. Wärst Du hier, wir wolltens zusammen lesen, und jeden Augenblick würde ich Dir mein Entzücken zu erkennen geben. Aber so kann ich nichts auszeichnen, es ist zu viel, und ich bin zu voll. O laß doch die Reimerey seyn! Hier ist Dein Wirkungskreis, im Feld des Tragischen und der trüben Melancholie. Wie glücklich wär’ ich, wenn ich etwas ähnliches dichten könnte! Diese Gattung würde meine Lieblingsgattung seyn! Ich danke Dir inniglich, mein lieber, mein bester Tieck, für das süße Vergnügen, was Du mir gemacht hast!

Warum bearbeitest Du den „Orest in Ritterzeiten“ nicht? —

Schreib’ mir bald, – schreib’ wann Du kommst.

Dein
Freund
W. H. W.

XIV

Berlin, Febr. 1793.
Mein liebster, bester Tieck!

Länger kann ichs kaum aushalten. Grade 3 bis höchstens 4 Wochen sinds noch hin, daß Du hier seyn wirst und Du schreibst mir noch nicht, wann Du kommen wirst; lebst lustig und vergnügt in Göttingen oder in Kassel, wohin Du, wie Deine Schwester sagt, hast reisen wollen; indeß ich hier in einer Quaal lebe, von der Du keine Idee hast. Alles verläßt mich, ich bin in der ärgerlichsten Ungewißheit, da ich am ersten etwas Bestimmtes über manche Umstände bey meiner künftigen Lage erfahren möchte. Keine Briefe von Dir; keine von meinem Prediger; keine aus Erlangen. Und die Zeit ist vor der Thür.

Von Dienstag zu Sonnabend und von Sonnabend zu Dienstag hab’ ich gewartet; heut ist wieder Sonnabend und noch kein Brief. Ich bin immer noch glücklich genug, mir einzubilden, daß Dich nichts anders als Nachläßigkeit oder Vergnügen, keinesweges aber Krankheit abgehalten hat. Mein Prediger hat nun endlich geschrieben. Die Hochzeit ist vorbey; er lebt äußerst glücklich in seiner neuen Verbindung und erwartet uns mit offenen Armen nach Ostern.

Ich bitte Dich um unsrer heiligen Freundschaft willen, schreib’ mir doch nur mit ein paar Zeilen, ob Du nicht 14 oder spätestens 8 Tage vor Ostern hier seyn kannst. Je länger ich in meiner unglücklichen Lage hier eingezwängt bin, desto ungeduldiger und mißmüthiger macht sie mich, und bringt mich zuweilen zur Verzweiflung. Ich schleppe manche Tage wie ein Esel hin. Mein aufschwellender Geist schrumpft ein, seine Flügel sind gelähmt, seine Schnellkraft erschlafft. Ich fühle nichts deutlicher als das: An Verstand und Herz bist Du schwächer, Du bist schlechter geworden; dies nagende Geständniß bringt mir jeder Pulsschlag. Aber ich schwör’ es Dir bey den Seligkeiten, die ich je in den erhabensten Stunden von Deinen Lippen geküßt und aus Deinem Auge getrunken habe, ich schwöre es Dir: noch fühl’ ich Kraft genug in mir, sobald nur ein paarmal die Sonne über uns an Einem Orte auf- und untergegangen ist, so schwing’ ich mich wieder ganz zu Dir hinauf, so hat der Zauberdruck Deiner Hand und der Zauberblick Deines Auges und der Zauberton Deiner Stimme mich wieder mit entzückender Begeisterung durchdrungen, und Coetusque vulgares et udam sperno humum fugiente pennâ. —

Hätt’ ich Zeit so wollt’ ich Dir noch allerhand erzählen: wie ich mich im Theater über Betrug durch Aberglauben geärgert, und über Axur abermals gefreut habe; wie, zum Erstaunen der vernünftigen Welt, Bernhardi’s Julius von Tarent auf unserer Bühne gegeben ist, und wie mich die unübertreffliche originelle Diktion dieses Stücks entzückt hat; wie ich neulich, bey Czechtizky’s Tellheim, auch keinen Funken der feinen Empfindung in dem Charakter gefühlt, sondern eine ganz andre Rolle zu sehen geglaubt habe; vornehmlich aber, wie ich von Reichards Erwin und Elmire im Konzert neulich bezaubert bin, wo jede, jede Arie, den innigsten Ausdruck, jeder Ton Liebe oder erhabne Empfindung, oder romantische Schwärmerey athmet. Aber noch eins: ich habe eine Bekanntschaft gemacht, die mir nicht erfreulicher seyn konnte: mit einem jungen Architekten, Gilly, den Bernhardi kennt. Aber jede Schilderung ist zu schwach! Das ist ein Künstler!! So ein verzehrender Enthusiasmus für alte griechische Simplicität! – Ich habe einige sehr glückliche Stunden ästhetischer Unterhaltung mit ihm gehabt. Ein göttlicher Mensch.

Und nun beschwöre ich Dich noch einmal, mein ewiggeliebter Tieck, schreib mir, tröste mich bald. O Tieck! wollen wir in Erlangen nicht glücklich wie im Elysium leben? Wir müssen!! Meine ganze Seele erhitzt sich jeden Augenblick itzt bey dem Bilde dieses zukünftigen Himmels. Aber schreib mir den Tag, wenn Du kommst; komm doch so bald als möglich – was hindern Kollegia Dich? – Den ersten Posttag nach Ostern, werden, müssen wir vermuthlich reisen; und Ostern ist 31. März.

Schreib mir doch an demselben Tage, da Du diesen Brief bekommst, wenns irgend angeht: – nur das Nöthige, nur ein paar Zeilen.

Ich hoffe und wünsche, daß Du gesund und vergnügt bist.

Ewig Dein Freund.
W. H. Wackenroder.

XV

Sonnabends,
den 2ten März 1793.
Mein bester Tieck

Gottlob, daß ich doch einmal wieder ein paar Zeilen von Dir am Montag erhielt. So wenig es war, so machte es mich doch ganz außerordentlich froh. Du bist nach Kassel gereist; deswegen schrieb ich Dir nicht am Dienstag; nun wirst Du wohl zurück seyn. Deinen Abdallah kann ich erst in den folgenden Tagen lesen; ich habe ihn Deiner Schwester geliehen gehabt.

Seit vorigen Ostern hab ich Dich nie so vermißt, hab ich nie so ungeduldig den herzerhebenden Umgang mit Dir zurückgewünscht, als in diesen letzten Monaten. Zuweilen habe ich indeß, ich muß es gestehen, einige sehr vergnügte Stunden; allein ich kann es mir nicht verbergen, daß ich bey Dir ein ganz anderes, höheres Vergnügen empfinden würde.

Von Erlangen hab ich Antwort; wir haben eine Wohnung von 2 Stuben und 1 Kammer neben einander, bey einem Schneider. Sie soll sehr gut seyn und in guter Gegend liegen. Die Gegend um Erlangen, im Anspachschen und Baireuthschen &c. &c. wird sehr gerühmt; Erlangen selbst, nicht von allen. Der Himmel gebe, daß Du Dich dort glücklich finden mögest. Nur wirst Du den Umgang mit so vielen interessanten Köpfen, wie in Göttingen, dort leider wohl vermissen. – Aber ich kann Dir unmöglich mehr schreiben, Du mußt Alles übrige mündlich von mir hören.

Ich wiederhohle meine dringenden Bitten, uns bald zu schreiben, wenn Du kannst, und – in ein Paar Wochen zu kommen. Hier mußt Du dann vornehmlich für Deine liebe Schwester leben. Ich mache wenig oder gar keine Ansprüche auf Dich, weil ich dann – (welche herrliche Aussicht) so lange genieße. – Alles übrige mündlich. Komm nur in 14 Tagen. Ja?

Mit zärtlicher Sehnsucht sieht Deiner Ankunft entgegen

Dein
Dich ewig liebender Freund
W. H. Wackenroder.

XVI

Dienstag, d. 5ten März 1793.
Lieber, bester Tieck

Gestern (Montag den 4ten März) hab’ ich am Mittag Deinen Brief bekommen. Deine Schwester läßt Dich herzlich wieder grüßen. Sie befindet sich itzt recht gesund, und wünscht nichts inniger als Dich bald hier zu umarmen.

Den Abdallah habe ich gelesen. Wenn Du Dich erinnerst, so hast Du mir ihn im vorigen Winter schon einmal des Abends in meiner Stube vorgelesen. Da er also schon vor einem Jahre geschrieben, dieser erste Theil nämlich, so paßt das nicht, was Du sagst, er trüge die deutlichen Spuren Deiner alten Laune. Schon damals habe ich Dir meinen Beyfall wegen des Stücks geschenkt, und ich wiederhohle dies itzt noch zuversichtlicher. Ueber den Plan des Ganzen kann man noch nicht urtheilen, weil bis itzt erst ein Theil des geheimnißvollen Gewebes von natürlichen Begebenheiten und von dazwischentretenden Zaubermächten vor Augen liegt. Ueber die Komposition der Erzählung, die Anordnung der Kapitel und der einzelnen Haupttheile in denselben, wünschte ich urtheilen zu können; allein ich verstehe es nicht recht, weil ich noch nicht viel darüber nachgedacht habe; es ist aber eine wichtige, sehr wichtige Sache, welche von tausend Romanschreibern, die nur von schönem blühenden Styl gehört haben, und diesen oft in nichts als in Witzeleien und unächte Blümchen setzen, vernachlässigt werden mag. So weiß ich z. B. nicht, ob die isolirte Charakteristik des Sultans, die den Anfang macht, da an ihrem rechten Orte steht u. s. w. Uebrigens sind in dieser wie in den übrigen Charakterschilderungen viele wahre, treffende Naturzüge. – Die Phantasie, die das Ganze durchströhmt, ist feurig, groß und erhaben, und vermischt sich oft so innig mit der Vernunft, daß man sie nicht davon scheiden kann.

Deine Schwester hat aber gegen mich schon sehr richtig geäußert, die Dir so gewöhnliche und so leichte Bildersprache wäre zu sehr verschwendet. In der That, läßt sich wohl ein vollkommenes, ein schönes Gedicht erwarten, wenn der Dichter jedes Bild, das seine üppige Einbildungskraft im Schreiben ihm darreicht, ergreift, und weil er in diesem Augenblicke der poetischen Begeisterung es deutlich faßt, es so hinwirft, wie es sich ihm darbietet, ohne die Verbindung, in die es gesetzt wird, ohne den Plan des Ganzen vor Augen zu haben? Gesetzt auch, daß alle Bilder die Kritik aushielten, (und ist dies beym Abdallah und vielen Deiner übrigen Arbeiten der Fall?) so wäre dies nicht weniger als ein Beweis für ihre Rechtmäßigkeit an diesem Orte. Wahrlich, eine Schreibart, wo der von Empfindungen, von Visionen der Phantasie überfließende Dichter von einem Bilde zum anderen überspringt, und eins in das andere hineinzieht, ist nicht viel besser als ein Styl, worin epigrammatische Laune herrschen soll, wo eine Witzeley die andre, ein Wortspiel das andre jagt. Doch dies gilt keineswegs ganz von Deinem Abdallah. Allein daß man zuweilen seinen Verstand anstrengen muß, um die, – ich kann es doch nicht anders nennen, als witzigen allegorischen Bilderchen, die hintereinander von ganz heterogener Art ausgesäet sind, zu fassen, und wenn man mit dem Einen fertig ist, gleich sich wieder in eine andre Welt von Bildern, in eine andre Metaphernsprache zu werfen, die den Schlüssel zum folgenden Bilde giebt, das scheint mir unläugbar. Deinem erhitzten Geiste mag diese Fülle sehr natürlich gewesen seyn; aber schön ist sie darum nicht. – Dagegen könnte ich Dir auch viele der vortrefflichen Stellen zeigen, wenn ich Dich hier hätte. So aber muß ich nur beym Allgemeinen bleiben. – Die philosophischen Hypothesen des Omar sind meisterhaft dargestellt, und haben mich ganz in jenen wunderbaren und überirdischen Abend zurückgezaubert. Aber (und das wird wohl unsre beyderseitige Meynung seyn) zerrüttet wird der Geist, für Freuden der Erde und angenehme Eindrücke verstimmt, selbst für Freundschaft und Liebe verdorben, zu ewigem Mismuth, zu trauriger Unthätigkeit verdammt, wenn er sich diesen wunderbar fürchterlichen Träumereien überläßt, und sie nicht wenigstens im Gespräche mit dem Freunde des Herzens, im Mondschein, verbannt, daß sie am Morgen mit der milden Sonnenhelle aus seinem Busen verscheucht werden und ihm als nichts mehr, als was sie sind, erscheinen, – als Traum. Die Einsamkeit, die zu weit tröstlicheren, Herz erhebenderen Gedanken und Phantasien inspiriren kann, und der Tag, der unsere Thätigkeit des Geistes für uns und unsere Neben-Menschen fordert, – bleibe von diesem verzehrenden Gifte frey, das unsere Seele vor der Auflösung des Körpers verwesen läßt. Aber, o wehe! diese felsenfeste Wahrheit ist Dir ja leider nur zu bekannt, – und der Himmel wird meinen sehnlichsten Wunsch erhören, – nicht vergebens bekannt. – Wir wollen froh mit einander leben, Tieck; – froh, aber weise; froh, und nicht in eitler Melancholie vergraben. Nicht wahr? – O ja, o ja! und der Frohsinn, der weisere Frohsinn wird allmählig in Deine Natur, in Dein Wesen übergehen! – Du bist noch immer der Alte, mein lieber bester Tieck! Auch ich bin, wie ich war! Wollte Gott, daß Du’s nur hierin nicht mehr wärst. – Aber still davon, still!

Es bleibt dabey, Dein Drama: der Abschied, ist schön, sehr schön. Bernhardi hat sich nie der von Dir erwähnten List bedient, es für sein Werk auszugeben. – Aber es bleibt auch dabey: Dein Roßtrapp ist schlecht, und ich habe ihm, glaub’ ich, eben nicht Unrecht gethan. Wie Burgsdorf ihn dem Adalbert und Alladdin vorziehen kann, ist mir durchaus ein unerklärbares Räthsel! Und daß Du ihn mehrmals geändert hast, würd’ ich denn doch auch gegen jeden andern abgeschworen haben, wenn Du mirs nicht sagtest. Der Sachen itzt zu geschweigen, so sind Einkleidung, Verse, Styl, Bilder, Wohlklang so, daß sie mich beleidigen. Du und Burgsdorff, ihr versteht euch auf erhabene große Gefühle, dramatischen Genius &c. tausendmal besser als ich. Ich hingegen behaupte dreist, daß ich über Versbau, Wohlklang, Rhythmus, Ausfeilung der Perioden, Ausbildung der Metaphern, Feinheiten der Sprache, und was dergleichen kleine Sächelchen mehr sind, ungleich treffender urtheilen kann als ihr beyde.

Die Hinrichtung des Königs von Frankreich hat ganz Berlin von der Sache der Franzosen zurückgeschreckt; aber mich gerade nicht. Ueber ihre Sache denke ich wie sonst. Ob sie die rechten Mittel dazu anwenden, verstehe ich nicht zu beurtheilen, weil ich von dem Historischen sehr wenig weiß.

Wie Rambach mit Heidemann so vertraut seyn kann, weiß ich selber nicht, kanns Dir also auch nicht erklären. —

Du schreibst mir nie, wann Du kommst. Du setzst wohl wieder voraus: zu rechter Zeit??

Du mußt in 14 Tagen hier seyn. Wir werden Mittwoch nach Ostern reisen müssen, dann bist Du 14 Tage etwa in Berlin. Darin muß Deine Schwester Dich mehr als sonst wir genießen. Sorge für Deine Gesundheit; lebe wohl mein liebster, bester Tieck.

Dein
W. H. Wackenroder.

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01 kasım 2017
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