Kitabı oku: «Briefe an Ludwig Tieck 4», sayfa 18
XII
Im Januar 1793.
Lieber, bester Tieck
Eben komm’ ich vom Hofjäger zurück, wo ich mit Bernhardi den ganzen Nachmittag im Saal gesessen habe, um beym Kaffee, ich meinen herrlichen Brief von Dir, Er den seinigen und einen Theil des kleinen Trauerspiels zu studieren. Er hat mir eben aufgetragen, Dir zu danken, daß Du ihm heut einen so sehr angenehmen Nachmittag gemacht hast. Auf dem Rückwege war er sehr heiter und laut, und hat mir lauter Stellen aus Axur vorgesungen, die sich ihm unauslöschlich eingeprägt haben, und die ihn außerordentlich entzücken. Ich danke Dir, daß Du ihm die Freude gemacht, mir einen so kolossalen Brief zu bringen; denn, da ich heut Mittag keinen erhielt, kam er mir ganz unerwartet. Es ist sonderbar, daß ich erst heute durch Deine Antworten auf unsre Briefe erfahren habe, daß er wieder hypochondrisch ist; gegen mich hat er sich nichts merken lassen, und ich bin so glücklich gewesen, auch nichts an ihm zu merken, wie ich mich denn bey dergleichen Vorfällen oft leicht täuschen kann. Ich sollte nicht denken, daß er zu viel arbeitete, und Bewegung macht er sich auch gewiß hinlänglich, denn er geht itzt alle Nachmittage zum Hofjäger und trinkt dort Kaffee. Zerstreuungen hat er doch auch sonst genug, sollt’ ich meynen. Er ist nicht mit sich selbst zufrieden, er fühlt Mißbehagen in seiner Lage, wie er mir heut gestand. Unglückseliger Zustand! Welches Mittel vermag etwas gegen dieses Uebel, zumal wenn man es so sorgfältig in seinem Busen verschließt und da veralten läßt, wenn man sich mit der heitern Aussenseite verstellter, erzwungner Fröhlichkeit gegen jede Arzeney, gegen alle zuvorkommende Hülfsleistung waffnet. Aber ich denke, Bernhardi wird bald besser. Deine melancholische Träumerey, mit der Du Dich wohl schon ein Jahr getragen hast, daß Du ihn nicht wiedersehen werdest, ist eine Grille, von der ich durchaus keinen Grund sehe, und wobey Dein Ahndungsgeist ganz zuverläßig Dich betrügt. Ich begreife gar nicht, wie Du Dir solche aus der Luft gegriffene Ideen in den Kopf setzen kannst. – Es freut mich, daß Du Bernhardi so liebst, denn er verdients und liebt Dich außerordentlich. Ja wohl ist er itzt hier mein bester, mein einziger Freund. Wen hab’ ich denn auch sonst? Wen hab’ ich? – O wie glücklich preise ich Dich in Deinem gelehrten Cirkel! Ich kann es Dir bey diesen Umständen kaum verdenken, daß Du mir mit lächelnder Miene schreibst: ich behandelte die Materie über meinen hiesigen Umgang und mein Verhalten dabey wohl zu ernsthaft; daß Du Dich weiter gar nicht über meine, aus den Wunden eines kranken Herzens fliessende Klagen auslässest; und mich mit einem Paar allgemeiner Sätze abfertigest, die eine so unbestimmte Mittelstraße angeben, als nur irgend ein Gemeinplatz eines pflegmatischen Moralisten thun kann. Das ewige: Nicht zu viel und nicht zu wenig! Die allgemeinsten Ausdrücke, die sich erdenken lassen! Die vagesten Begriffe, so unpraktisch, so unbefriedigend! Wie gesagt, man kann es dem Glücklichen nicht verargen, wenn er den Mangelleidenden aus lauter Gutwilligkeit mit einem Trost abspeist, der gar nichts ist; weil – er den Mangel nicht kennt. Er verstehts nicht besser. In dem Fall bist Du. Mein Geschwätz muß Dir freilich fremd und unverständlich vorgekommen seyn; Du mußt freilich glauben, daß die Gedanken, die ich äußere, übertrieben und überspannt sind; daß ich viele Sachen viel zu ernsthaft fasse, sie viel zu unverhältnißmäßig würdige, ihnen einen viel zu großen Einfluß zuschreibe; blos weil Du sie nicht genug kennst und Dich in die Umstände nicht genug hinein denken kannst. Ich kenne das! Aber ich versichere Dich, daß es nicht so ist, als Du wähnst, nicht so seyn kann. Glaube mir auf mein Wort, daß Du keinen Tag lang die Situation halten könntest, die Aufopferungen, den Zwang erdulden könntest, dem ich itzt ausgesetzt bin. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie ich nach Freiheit lechze. Gott, wie verzeihlich ist es, sie zu mißbrauchen, wenn man so lange gequält ist. In Erlangen soll auch nicht Eine Menschenstimme mich geniren! Und in dieser Rücksicht ist mir der Abschied von Berlin fast noch willkommner, als er mir in anderer schmerzhaft ist. Je länger ich von Dir entfernt gewesen bin, desto mehr hab ich Dich vermißt. Ach Gott, ich fühl es leider so lebhaft, – wär’ ich länger noch von Dir getrennt, so würdest Du einen ganz andern Menschen wiederfinden. Auch nicht Eine halbe Stunde voll Enthusiasmus und Freundschaftsseligkeit, – Himmel sonst berauschte ich mich jeden Tag mit diesen hohen Gefühlen, – auch nicht Eine hab’ ich in Deiner Abwesenheit verlebt, – wenigstens nicht mit einem andern. Es wäre kein Wunder, wenn ich itzt die Heraldik studierte, – doch nein! Vielleicht schreib ich grade in einer trüben Stunde.
Sey doch nicht bange, daß ich mit der altdeutschen Poesie meinen Geschmack verderbe. Was soll ich anders thun, als mich auf Dinge legen, die meinen Geist mit weniger erhabenen Ideen nähren! Die helfen mir jetzt nicht; sie lassen mir Deinen Mangel desto deutlicher fühlen. Was hilft es mir itzt, den Shakspeare zu lesen? Was hülf’s mir, ein noch so schönes Gedicht zu schreiben? Ich müßte mich auslachen! Du kennst übrigens sehr wenig von den altdeutschen Litteraten, wenn Du blos die Minnesinger kennst. Ueberhaupt ist sie zu wenig bekannt. Sie enthält sehr viel Gutes, Interessantes und Charakteristisches, und ist für Geschichte der Nation und des Geistes sehr wichtig.
Ich habe mich schon lange gewundert, daß Du mich nicht gefragt hast, was ich von den Franzosen denke. Ich denke ganz mit Dir gleich von ihnen, und stimme von ganzem Herzen in Deinen Enthusiasmus ein, das versichere ich Dich. Aber ich kann mich nicht enthalten, Dir folgendes zu sagen. Ich spreche hier durchaus mit keinem Menschen von den Franzosen; und zwar darum, weil jeder von ihnen spricht, ihre größten Thaten immer mit einem Lächeln erzählt, als wollt’ er sagen: Was die närrischen Leute nicht für Dinge thun! Und wer mit diesem Lächeln davon spricht, dem möcht ich gleich eine Ohrfeige geben. – Auch denk’ ich sehr wenig über die Angelegenheiten nach: – ich weiß selbst nicht, wies kommt. – Auch lese ich die Zeitungen nicht, weil ich nicht Zeit habe, und alles von andern höre. – Endlich würd ich, wenn ich ein Franzose wäre, so stolz ich auf mein Vaterland und meine Nation seyn würde, doch gewiß nicht Soldat werden und den Säbel oder das Gewehr in die Hand nehmen, weil ich mein Leben und meine Gesundheit zu sehr liebe, und zu wenig körperlichen Muth besitze. Ich weiß, daß Du Dich über meine Dreistigkeit, Dir meine krassesten Grundsätze so nakt darzustellen, wundern wirst; daß Du nicht wirst begreifen können, wie man in der That von dieser Sache begeistert seyn kann, ohne auch Muth genug in sich zu fühlen, dabey selbst mitzuwirken; ich weiß, daß ich durch mein offenherziges Geständniß, wenigstens auf ein paar Stunden, Deinen Zorn auf mich lade. Allein bedenke nur: kannst Du von irgend einem Menschen Heldenmuth und Tapferkeit verlangen, die er nicht hat. Ich bin sehr davon zurückgekommen, diese körperlichen Tugenden gering zu achten: aber, – ich habe sie nicht; und es ist unmöglich, daß Du mir das zur Sünde machen kannst; ich thue Verzicht auf diese Größe. Auch bin ich einmal so eingerichtet, daß die idealische Kunstschönheit der Lieblingsgegenstand meines Geistes ist; ich kann mich unmöglich von lebhaftem Interesse hingerissen fühlen, wenn ich in den Zeitungen lese, daß die Preußen itzt diesen, die Franzosen itzt jenen Ort eingenommen haben, und was dergleichen Partikularia mehr sind; alles ist mir etwas zu fern, – zu wenig sichtbar, geht mir zu langsam, stimmt nicht mit dem idealischen Gange meiner Phantasie, macht mich unruhig, befriedigt mich nicht. Vieles können die ungewaschnen Urtheile bey mir gethan haben. Soviel itzt davon; mündlich mehr. Ich werde nur zu aufrichtig gegen Dich gewesen seyn.
Ich muß nur Deinen Brief nach der Reihe beantworten, daß ich nichts vergesse.
Mein Freund bey Jena heirathet itzt im Januar, und wird mir, hoff’ ich, bald schreiben. Wir werden wohl grade um Ostern, oder ein Paar Tage vor oder nach Ostern, von hier abreisen. Ich muß Dich also ernstlich bitten, daß Du bey guter Zeit hier bist, das heißt, 8, oder über 8 oder 14 Tage vor Ostern. (Ostern ist den 31. März.) In der That, Du mußt über 8 Tage vor Ostern schon hier seyn. Und warum sollte das auch nicht gehen? Durch die Kollegia wirst Du Dich ja nicht abhalten lassen. Wenn Du nur erst hier wärst; und bist Du hier, so werd’ ich gewiß wünschen: wenn wir nur erst fort wären. Wie wird es aber mit unsrer Reise werden? Das liegt mir noch alles zu sehr im Dunkeln. An einem Abend, als ich bey Dir war, entwarfen wir zwar in größter Geschwindigkeit einen sehr artigen Plan, allein ich zweifle itzt beinahe, daß er sich ganz wird ausführen lassen, wie es denn oft den guten und frommen Wünschen, deren uns in Einer Viertelstunde oft 10 aufstoßen, ergeben muß. Fürs erste wird unsre Zeit sehr kurz seyn. Mein lieber Prediger macht mir schon in seinem Briefe ein Gesicht dafür, daß ich nur von 8–14 Tagen spreche; und neulich wollte man mich schon versichern, daß die Kollegia in Erlangen in der Mitte des April angiengen. Indeß mag das nun seyn wie es will, unsre Zeit wird immer sehr kurz seyn. Ueberdies darf man der Jahrszeit so wenig trauen, daß wir von einem Aufenthalt in Wörlitz vielleicht wenig Vergnügen erwarten dürften. Und wie sollten wir uns auch bequem dort aufhalten können, wenn wir, wie es doch seyn wird, mit der Post reisen? An Excursionen von Halle aus will ich gar nicht einmal denken. Das kürzeste und zweckmässigste wäre immer wohl, in Einem Strich nach Jena zu reisen. Und dazu würde ich auch in den ersten Tagen weit eher aufgelegt seyn, als in Wörlitz zu lustwandeln, wozu ich eben nicht Laune haben möchte. – Bei allem dem würde es mir doch herzlich leid thun, wenn Deine Schwester dadurch einer angenehmen kleinen Reise, worauf sie sich gefreut hat, verlustig gehen sollte. Lange wenigstens, und an vielen Orten könnten wir uns wenigstens nicht aufhalten.
Vom Theater. Daß ich sehr leicht von einem Extrem aufs andre falle, ist nur zu wahr. Aber bey Menschenhaß und Reue ist das nicht mein Fall, und ist es nie gewesen. Ich schätze die schönen und rührenden Scenen so sehr als sonst, und habe nur eingesehen, daß die komischen Personen, die mir sonst so weise angebracht schienen, ziemlich ungeschickt angebracht sind u. s. w. – Dein Enthusiasmus über die Räuber und über Schiller ist einmal wieder ganz aus meiner Seele gestohlen. – Du begreifst nicht, wie Fleck in einem schlechten Stück schön spielen könne? Du hast Recht; ich habe mich nur falsch ausgedrückt, wie es öfters geht, wenn man seine besonderen Erfahrungen und Beobachtungen einem Abwesenden mittheilt, der alsdann manches undeutlich und unbestimmt findet. In einer schlechten Rolle kann ohnmöglich ein Schauspieler gut spielen. Allein – doch läßt es sich in gewissem Verstande gedenken. Das heißt, gewisse Empfindungsausdrücke, die leicht zu finden und allgemein gebraucht sind, die Ausrufungen, das Ach und das Wehe, die Lücken, die der Dichter läßt, daß sie durch stummes Mienenspiel oder durch schöne Gebehrden ausgefüllt werden sollen, – hier ist der Ort, wo sich der Schauspieler noch immer zeigen kann; hier in einzelnen Stellen, im Ganzen freilich nicht. Und jenes meynte ich auch nur. – Ueber Kaselitzens Spiel in dem Barbier von Sevilla bin ich ganz mit Dir einig; und auch was Du über die Karrikaturen sagst, unterschreibe ich von ganzer Seele. Es ist viel wahres und treffendes darin. – Neulich hab’ ich ein neues Stück: Die falschen Entdeckungen, Lustspiel nach Marivaux in 4 Akten gesehen; ein Stück was äusserst artig ist, und voller Empfindung und Feinheit. Die letztere wird vorzüglich durch das unnachahmliche Spiel der Engst gehoben. Auch Unzelmann spielt vortrefflich drin. Er ist jetzt ganz und gar mein Liebling, und ich halte ihn fast für den vollkommensten Schauspieler vom hiesigen Theater; und fast möchte ich auch dies Fast noch ausstreichen. Er spielt im Ganzen, immer gut, in den verschiedensten Rollen. Bey jenem Stück sah ich noch ein andres neues: Der Richter, Lustspiel in 2 Aufzügen nach Mercier; simpel, aber voller Wahrheit, worin Fleck einen alten Bauern spielt. – Seitdem habe ich die Nina wiedergesehen, und bin von der ausdrucksvollen Musik und von dem Gesange der Unzelmann, worin nichts als ächtes Gefühl ist, beinahe bis zu Thränen gerührt. – Am Mittwoch war zum erstenmal: Ludwig der Springer, Rittertrauerspiel von Hageman (Akteur in Hannover), zum Benefiz für Herdt. – Neulich habe ich die neue Oper von Righini (aus Maynz) gesehen. Die Musik ist in einigen Stellen, besonders in Terzetten, Duetten u. s. w. voll Gedanken und Geist, und wird hier sehr bewundert. Nur sieht mir zuweilen der Italiäner mit seinen sangbaren und einfachen Melodieen, wie sie seyn sollten, die aber nur zu sehr an bekannte und gemeine Lieder-Weisen und Tanzmusik gränzen und etwas zu gewöhnlich sind, durch. Da ich Dir von den Schönheiten nichts zur Probe geben kann, so muß ich so undankbar seyn, Dir eine abgeschmackte Idee des Komponisten mitzutheilen, welche beweist, daß Leute sich in Geniestreichen oft gewaltig täuschen können. Er hat sich vermuthlich auf seine Originalität etwas zu Gute gethan, wenn er das Orakel, das 6 oder 8 Verse sind, beständig in demselben Tone singen läßt. Allein um es noch origineller zu machen, hat er, – kann man sich etwas widersinnigers denken? – hat er diesen Einen stets ausgehaltenen Ton von nichts weiter als von den künstlichsten Bravourpassagien in den hohen Regionen der Violine begleiten lassen. Es ist ein Exempel über alle Exempel von verdorbenem Ausdruck! Trompeten oder andre Blasinstrumente müssen ihm zu gemein gewesen seyn. – Noch von Einem Theaterprodukt muß ich ein paar Worte sagen, und Du solltest wohl nicht den Verfasser rathen: Es ist Bernhardi. Er wird Dir ehestens ein Nachspiel schicken, das er seit Michaelis beinahe schon, im eigentlichen Verstande, verfertigt hat. Du kennst meine Langsamkeit und Selbstkritik im Schreiben; aber gegen ihn bin ich hierin noch sehr zurück. Er hat alle Zeit und Mühe darauf verwandt, und weißt Du, was seine Absicht ist? Was sein Lohn seyn soll? Ein Freybillet in der Komödie. Ich gönne es ihm herzlich. Er hat eine Abschrift neulich an Hagemeister gegeben, weil er es nach einiger Ueberlegung am Ende fürs beste gehalten hat, es durch diesen Weg zu Engel gelangen zu lassen. Er ist sehr ängstlich und oft fürs Auspochen bange gewesen, weil er dem groben Geschmack des Publikums nicht ganz Genüge gethan zu haben glaubt. Indeß will er sich, auch im Fall, daß seinem Kinde etwas Menschliches begegnen sollte, mit dem Gedanken beruhigen, er habe es nicht besser machen können, und wisse nun woran er sey. Wenigstens sagt er das; wenn es auch seine wahre Meynung wohl nicht seyn kann. Denn so ruhig ist nicht leichter einer über das Schicksal seiner Produkte, (als Du,) am mindesten Er, der sich so gern den Schein dieser Gleichmüthigkeit giebt. – Du siehst mich an und frägst nach dem Gehalt des Stücks? Es ist ein artiges kleines Intriguenstück, worin viel Bernhardische Feinheit, aber kein Geniezug ist. Kein Wort steht umsonst da; er hat das Ganze wol ein halbes Dutzend mal, und das Detail wohl noch öfter umgearbeitet, und kein wiederholtes Abschreiben gescheut. Plan, Knoten, Auflösung, Einleitung und die ganze künstliche Baumeister-Arbeit am Stück, ist Lineal und Winkelmaaß, nach richtigen An- und Ueberschlägen, Kalkulen und Entwürfen, ausgearbeitet. Und wirklich haben eine Scene, worin viel Empfindung ist, einige komische Züge und einige Bernhardische Delikatessen mir sehr wohl gefallen und mir ein Interesse für das Stück, besonders für einzelne Scenen abgewonnen. Doch aber glaub’ ich, daß das Publikum, wenn es nicht grade gestimmt ist, etwas ernsthaft zu seyn und Acht zu geben, zuweilen – Langeweile fühlen könnte, – das Berliner Publikum nämlich. Du kannst Dir bey diesen Umständen denken, wie mißlich meine Lage gewesen sey, wenn er mich um mein Urtheil befragte, da ich seine Absicht bey dem Stücke wußte. Ich habe mich so schicklich als möglich zu nehmen gesucht. So viel davon. Nun magst Du selbst urtheilen. Das Launige, Komische hat er, da dies nicht in seinem natürlichen Charakter liegt, mit Mühe, – aber ich will nichts weiter davon sagen. Genug, – es ist sonderbar, wie auffallend die Manier von der Deinigen, selbst in der hingeworfenen Probe eines Nachspiels, die Du mir in Berlin auf Michaelis vorlasest, ist. Allein es ist dennoch viel Gutes darin, und macht Bernhardi als ein Werk seiner Beharrlichkeit und seiner Kritik, wie ich glaube, Ehre. – Doch noch Eins, was hieher gehört. Wie kommt’s, daß Du mir gar nichts von dem kleinen Drama schreibst, das Du an Bernhardi geschickt hast? Es gefällt ihm sehr; ich habe es aber noch nicht lesen können, weil er es einem neuen hiesigen Buchhändler, Nauke, zur Probe Deines Styls geliehen hat, welcher, wie er mit ihm verabredet hat, Deinen Abdallah drucken wird, und Dir für Deine 24 Bogen 96 Rthlr. verspricht. Bernhardi hat mir vieles aus seinem Briefe von Dir vorgelesen, so wie ich ihm vieles aus meinem: aus jenem haben wir beyde mit Vergnügen Deine Kühnheit und Dreistigkeit in Autorplanen ersehen. Es ist in der That itzt der beßte Weg, zu einem gemächlichen Leben zu gelangen, daß man drucken lasse.
Varia. Um noch einmal auf meinen jetzigen Hang zur altdeutschen Poesie zurückzukommen, so kann ichs mir sehr wohl denken, daß ich, wenn ich wieder in Deinem Umgang und in Deiner Lieblingsdichter Umgang hinein komme, sie ganz vergesse, und ihr Studium vielleicht mit der Diplomatik und anderen dieses Gelichters in Eine Klasse setze. Aber jetzt häng’ ich daran, weil ich – dem Himmel seys geklagt, – an kein menschliches Herz hängen kann, das meinen Geist ganz glücklich machte. Den Geschmack und den Gaumen, denk’ ich doch, werd’ ich mir nicht verderben. Wer kann immer so ängstlich wählen, was ihm grade am heilsamsten ist? Man ißt auch einmal harte Speisen. – Die Minnesinger sind, so viel ich sie kenne, freilich einförmig. – Die Beobachtungen für die alte Sprache, und ihre Verwandtschaft mit der andern, sind auch oft interessanter als das poetische Verdienst. Aber dies sucht man doch sehr oft nicht vergeblich. Sehn wir uns, so kann ich Dir manches Schöne aus dem Heldenbuche mittheilen, das ich itzt gelesen habe.
Schmols sonderbares Benehmen bey einem Abentheuer, das er sich selbst, wie ein Don Quixotte fingirt hat, ist so abentheuerlich wie möglich. Ich kann gar nicht fassen, wie ein vernünftiger Mensch, und der schien er mir doch wenigstens vor ein Paar Jahren, so unvernünftige Dinge angeben kann.
Es kränkt mich, daß Du Dich so gewaltsam von Deinem sonstigen Zwillingsbruder Moritz losreissest. Es ist, nach der Parallele, in der ich Dich und ihn sonst betrachtete, und mit Recht, da Du mich selbst darauf geleitet, fast nicht möglich, daß er sich itzt so weit von Dir entfernen sollte. Es ist sehr übereilt, so rasch, – darf ich hier nicht im allereigentlichsten Sinne sagen: von Einem Extrem aufs andre zu fallen? Es kann mir nichts kränkender seyn, als eine solche Beobachtung bestätigt zu sehen.
Du verlangst, daß ich nicht nach Erlangen wegen einer Wohnung schreiben soll? Aber, demohnerachtet, hab ichs doch, und grade mit dieser Post gethan. Meine Aeltern wollens, der Sicherheit wegen. Indeß, soll das Quartier, nur auf 1 Monat oder höchstens 1 Viertel Jahr gemiethet werden, damit wir im Nothfall ausziehn können; – und, wenns irgend angeht, aus 2 Stuben und 1 Kammer dicht nebeneinander in Einem Hause, bestehn. Ist Dir dies recht? – In der That viel, daß Schwieger sich entschließt, heimlich mit Dir nach Erlangen zu gehen. Sag mir, wie ist er jetzt?
Deine gelehrte Gesellschaft ist vortrefflich. Das glaub’ ich, daß so etwas zur Thätigkeit anspornt und zum vergnügten Leben viel beyträgt. – Du gehst ja mit lauter Edelleuten um!
Ich muß bedauern, daß Deine scharfsinnige Hypothese über die Genesis meines kleinen Gedichts, – ein Fehlschuß ist. Die Veranlassung war keine andre, als daß einige Frauen, die ich gekannt und geschätzt hatte, Bekannten von meinen Aeltern, kürzlich hintereinander gestorben waren und traurige Männer hinterlassen hatten. (Die Frau in dem Gedicht soll also nicht ermordet, sondern natürlichen Todes gestorben seyn.) Du wirst hieraus, was in dem Dinge unnatürlich ist, erklären können; denn ich schrieb aus meiner Seele und wollte mich doch in eine fremde versetzen. Was Du vom zu Individuellen dieser lyrischen Poesie sprichst, muß wohl wahr seyn; aber es ist ganz sonderbar, daß ich itzt in diesen Fehler verfalle. Mündlich mehr darüber. Ich weiß noch gar nicht, wie das kommt. Ich soll bey Deiner Poesie nicht denken statt zu empfinden. Sehr gut. Aber thust Du’s nicht auch zuweilen? Ifflands Elise von Valberg hast Du mir mit einem so gleichgültigen Tone getadelt und bekrittelt, als wäre nichts oder wenig Schönes drin. Behüte, daß ich die Kritik verachten sollte! Aber das Gefühl geht doch bey einem solchen Stücke vor, und ich kann mich ärgern, wenn man von hinten anfängt: einzelne Fehler in der Oekonomie des Stücks rügt, ehe man sich von den in die Augen fallenden, vortretenden Schönheiten in der Behandlung der Scenen und Charaktere entzücken läßt. Doch sehr vermuthlich rede ich einmal wieder in die Luft, und treffe Dich nicht, oder habe Dich damals nicht recht gefaßt.
Ramler war in meinen Augen der größeste Dichter, als ich noch keinen andern kannte. Aber auch in Ansehung seiner bin ich wirklich nicht aufs andre Extrem verfallen.
Ich muß gestehen, so ganz habe ich Dich über das Idealisiren noch nicht gefaßt. Mündlich mehr davon. Du wirst mir wieder ächte Begeisterung geben. – Ich muß wohl auf einem falschen Wege gewesen seyn und besonders in die dramatische Poesie einen Eingriff gethan haben. In der That, ich bekenne, ich hatte neulich die Idee, daß dergleichen Stellen wie der Monolog Seyn oder Nichtseyn, u. s. w. die schönsten lyrischen Gedichte geben würden; aber ich sehe itzt so viel ein, daß sie alles Interesse verlieren würden.
Was Du nun wieder für Zeug machst? Deine Anna Boleyn liegen zu lassen. Es wäre mir sehr leid, wenn auf immer. Was hast Du denn wieder dran zu kritteln?
Wie sehr freut es mich, daß Du froh, heiter und leichteren Blutes in Göttingen geworden bist. Wirklich noch vor weniger als einem Jahre hab’ ich das nicht von Dir erwartet. Und wenn Du Dich zurückerinnerst, wirst Du Dir von Dir selber ein Gleiches gestehen müssen. Wie der Mensch, – wie selbst ein Mensch wie Du sich doch ändern kann! – Himmel, ist es wahr, daß Du nicht mehr jener unglückselige melancholische bist, den die Welt anekelt, der Du doch an jenem traurigen Abend warst? Sieh, ich sagte Dir damals schon, es wäre unmöglich, daß Du es immer seyn und bleiben könntest, und Du, mein Lieber, mein beßter Tieck, Du meyntest, daß all’ Dein Frohsinn nur täuschender Ueberzug über schwarzen Mißmuth seyn könne. O Dank dem Himmel, Dank Dir, wenn Du es nicht mehr bist. Wohl mir, wohl! Der Erde ist ein Wesen wiedergegeben, daß mehr als irgend eins, Glückseligkeit verdient! Ein Engel, ein Gott hat Dich gewandelt! Dein Lächeln ist keine Grimasse mehr! Ich darf nicht mehr zittern, wenn Du froh bist, daß in Deinem Herzen tausend Stacheln die Freude zerreissen. Wohl mir, Du wirst auch gegen mich künftig immer so nackt, so wahr erscheinen als Du bist, auch nicht eine Minute lang einen trüben Gedanken ersticken, eine Falte vom Gesicht wegzwingen. Die Welt hat Dich wieder. Dein Freund darf Dich als ein ihm gleiches Geschöpf, nicht als einen fremdartigen der Erde nicht zugehörigen Geist, an seine Brust drücken, und mit Dir, an Deinem Arme alle Seligkeit genießen, die die Phantasie in diesem Leben uns vorzaubert. – Du siehst noch immer mit einem wehmüthigen Lächeln meinen Freundschafts-Enthusiasmus an. So lange dieser Geist in mir athmet, wird er nicht erlöschen, oder ich müßte ein ganz andrer Mensch werden. Ich kann ihn nicht unterdrücken. – O wir wollen künftig zusammen wie im Himmel leben!
Schreib’ mir ja bald, wenn Du kommen wirst. Ich erwarte, 14 Tage vor Ostern. Das wäre vortrefflich. —
Dein FreundW. H. Wackenroder.