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Kitabı oku: «Narzißmus als Doppelrichtung», sayfa 4

Andreas-Salomé Lou
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Nun kann ich aber dies Thema nicht abbrechen, ohne eines hinzugesetzt zu haben: nämlich wie sehr eben dies meine ganze Hochachtung und Ehrfurcht vor dem Phänomen des »Ethischen« im Menschen geradezu ausmacht. Denn erst dadurch erhebt es sich zu den schöpferischen Betätigungen, ungeachtet es auf Gesetz und Regel und Soll ausgeht. Ja durch die Reibung innerhalb solchen Widerspruchs – durch die Unbedingtheit, die dennoch sich lediglich durchzusetzen vermag »von Fall zu Fall«, d. h. im lebendigen Vollzuge allein – wird es die schöpferische Tätigkeit par excellence, vollziehend das, was »nie und nirgends sich begeben«. Ethik: sich erst voll ausweisend im vorschriftsmäßig am wenigsten zu Schlichtenden, im Durcheinandersichkreuzen der Gebote und Verbote, erst damit wahrhaft autonom das Gültige zum Erlebnis hebend. Begreiflicherweise bleibt Vorschrift, Gesetz, das prinzipiell betonteste da, wo heimliche Wunschzutaten abgewehrt werden sollen, trotzdem aber ist in irgend einem Sinne »Ethik« auch immer zugleich das Unvorgeschriebene, schlechthin Gedichtete, d. h. trägt in all ihrem Tateifer wie ihrem Werk zugleich das Stigma des Verträumten, woraus Dichtertat sich zum Werke formt. Nur, leistet der Dichter »träumend«, so handelt in die Praxis hinein der ethisch gerichtete Mensch: wagt seinen Traum an Realität, Drangsal, Erfahrung, an den Anprall aller Zufälle und Wirrnisse. Darin liegt die Würde des Bruchstückhaften, nie Vollendeten, was ihm allenfalls gelingt, verglichen mit künstlerischer Werkrundung, deren Abseits er nicht ertrüge, die er sprengt, um sie nochmals und nochmals aufs Spiel zu setzen. Ethik ist Wagnis, das äußerste Wagestück des Narzißmus, seine sublimste Keckheit, sein vorbildliches Abenteuer, der Ausbruch seines letzten Mutes und Übermutes ans Leben.

IV

Bei dem, was Kunst genannt wird, künstlerisches Schaffen, oder sagen wir allgemeiner: poetisch anstatt praktisch gerichtete Betätigung, braucht man die narzißtische Kinderstube nicht erst an Restbeständen daraus aufzuspüren wie bei Objektbesetzungen oder Wertsetzungen: unmittelbar nimmt es immer wieder von dorther den Ausgang, auf eigenem Pfad, verfährt bis in alle letzten Ziele, narzißtisch »wertend« und »besetzend«. Die gleiche Methode stünde uns allen auch lebenslänglich, jeglichen Augenblick und bei jedem Eindruck zu Gebote, würden wir uns durch unsere logisch-praktische Anpassung an die Ich- und Realwelt nicht ihrer so grundsätzlich entledigen, daß wir meistens nur erinnernd dorthin zurückkönnen, wo Innen-Erlebnis und Außen-Vorfall noch ungetrennt für dasselbe Geschehen stehen. Für dies Erinnern gilt darum etwas anderes als fürs Gedächtnis, wovon Freud vermerkt, es scheine: »ganz am Bewußtsein zu hängen, und ist scharf von den Erinnerungsspuren zu scheiden, in denen sich die Erlebnisse des Unbewußten fixieren« (Fußnote aus »Das Unbewußte«); denn diese sind im Bereich wirkender »Sachvorstellungen«, nicht davon abgezogener »Wortvorstellungen« (Freud) zu denken, dieser bloßen Verständigungskonventionen, deren wir uns gedächtnismäßig bemächtigen. Äußerste Exaktheit, Triumph besten Gedächtnisses, kann so in umgekehrtes Verhältnis geraten zu Erinnerungsklarheit, die, in lebendigem Zusammenhang der Eindrücke wirksam, gleichsam nur an Leben entlang sich ins Bewußtsein hebt: Gedächtnis haben wir, Erinnerung sind wir. Das allein ist der Grund des unkünstlerischen bloßen »Abbildes«, und gilt darum weder für Kinder noch für Primitive, sofern sie Reales noch phantastisch, Phantasiertes als real nehmen können. Am schönsten kennzeichnet die vorgetäuschte Bewegung des Films den Gegensatz zu Erinnerungsbewegtem: man könnte sich sogar denken, daß derartige, dem Gedächtnis allzu tadellos nachhelfende Vergegenwärtigungen von Vergangenem, Erinnerung auf tödliche Weise beeinflussen würden, sie desorganisierend, zersetzend in ihrer grundliegenden Totalität. Gewissermaßen ist ja Erinnerung ein nie nur »praktischer«, immer auch schon »poetischer« Vollzug: sie ist damit sozusagen das einem jeden von uns aufbewahrte Stück Dichtertum, Ergebnis zugleich Distanz schaffender, bewußte Überschau ermöglichender Vergangenheit, und ewig-erneuter Aktualität und Affektivität, auch wo sich beides nicht so formend zusammentut wie im Werk des Poeten. Poesie ist Weiterführung dessen, was das Kind noch lebte und was es dem Heranwachsenden opfern mußte für seine Daseinspraxis: Poesie ist perfektgewordene Erinnerung.

Nun gibt es nichts, was tiefer in Kindheitseindrücke zurückbrächte, als aufgehobene Verdrängungen und nichts strebt von sich aus heftiger nach solcher erinnernder Befreiung als das kindliche, noch so ganz von Geboten und Verboten der Erwachsenen umstellte Leben. An die infantilen Verdrängungen schließen die spätern sich an – bilden damit den »Schatz von Erinnerungsspuren, welche der bewußten Verfügung entzogen sind, und die nun mit assoziativer Bindung das an sich ziehen, worauf vom Bewußtsein her die abstoßenden Kräfte der Verdrängung wirken. Ohne infantile Amnesie, kann man sagen, gäbe es keine hysterische Amnesie« (Freud, Drei Abh. z. Sexth.). Schon früh, in seiner Studie über »die Dichter und das Phantasieren«, faßte Freud daher Kunst auf als Spezifikum gegen Verdrängungsgifte, und welche Erweiterungen seine Arbeit über den Gegenstand auch seither durch ihn erfuhr: dieser Hauptpunkt bleibt derselbe, wenn er auch den Unwillen der Künstler erregt infolge meist zu flacher Auslegung. Man achtet nämlich zu häufig nur darauf, daß die Kunst Wunscherfüllungen gewährleistet, die sonst gar nicht oder nur strafbar oder endlich krankhaft sich durchsetzen, man übersieht aber darüber die ganze Tragweite der Freudschen Unterscheidung von »bewußtem« und »unbewußtem« Wunschziel. Niemand bedarf weniger der Erfüllung von Personalwünschen wie der Künstler. Niemand bleibt weniger in ihnen stecken, ja niemand kommt von vornherein, eben als Schaffender, von Erfüllungen her, statt ihnen nur nachzujagen. Durch zeitweiliges Zurückgenommensein in ursprünglicheren Zusammenschluß dessen, was sich uns sonst nur in Subjekt und Objekt spaltet, ist er seinem Einzelsinn und Privatsein im Schaffen enthobener als sonst irgendwo: ja eben dies allein gestattet und ermöglicht ihm die Aufhebung des Verdrängenden, eben dies erst gibt ja seinen Regungen eine Freiheit wieder, wie wenn sie »ich-gerecht« im Sinn der Bewußtseinszensur wären (vgl. Freud: »das Unbewußte wird für diese eine Konstellation ich-gerecht, ohne daß sonst an seiner Verdrängung etwas abgeändert würde. Der Erfolg des Unbewußten ist an dieser Kooperation unverkennbar; die verstärkten Strebungen benehmen sich doch anders als die normalen, sie befähigen zu besonders vollkommener Leistung«). Dafür ist maßgebend, daß nicht auf unser Individual-Ich, wie es sich bewußt auf sich selbst bezieht, dabei zurückgegangen sei, sondern auf jene noch Allen gemeinsame Grundlage, auf Aller Wesenskindheit, wie sich auch der künstlerische Mitgenuß hierauf nur gründen kann11. Ohne es zu wollen, hat so der Künstler sein Publikum in sich, bei sich, und nur um so mehr, je vollständiger er davon abzusehen pflegt, aufgebraucht vom Schaffensvorgang selber. Wird es – meines Erachtens – beim ethischen Verhalten auffallend, wie sehr das Allgemeingültige letztlich sich »ethisch« doch nur durchführen läßt von »Fall zu Fall«, in solchem scheinbaren Selbstwiderspruch gerade seine eigentliche schöpferische Bedeutung erst offenbarend, so überrascht am allerpersönlichsten Erfaßtsein des Künstlers, wie sehr, wie ganz es immer schon das Allgemeine mit umfaßt, um erst daran wirklich, Werk, zu werden. Hier erschließt sich das anscheinend Subjektivste als Anschlußstelle des objektiv Gültigsten. Dazu stimmt die Erfahrung, daß schaffendes Verhalten, je leichter, sieghafter es sich durchsetzt, in desto rücksichtsloseren Gegensatz oft tritt zum, körperlich oder seelisch bestimmten, sonstigen Personalzustand: darin tatsächlich der Leibesfrucht ähnlich, deren Wachstum zu Verlagerungen, Bedrängnissen im übrigen Organismus führt oder Muttergift durch seine Adern kreisen läßt. Nicht selten erwacht der Künstler aus seiner Benommenheit wie aus einer zwangshaften, mit dem Gefühl von Befreiung, nun wieder an Beliebiges denken zu dürfen, sich in personell oder sachlich Wünschbarem ungehindert gehen zu lassen. Wobei er sich dann freilich oft mitverwandelt fühlt durch das Vorhergehende: als habe vieles sich erledigt, was vorher am stärksten beschäftigte, als seien Umwertungen eingetreten, die zuvor Unmerkliches neu betonen, Altes verjüngen, Junges vergreisen ließen.

Interessant studiert es sich am Geschlechtlichen: wie durchaus es mit seinen Hauptkomplexen im Schaffensmittelpunkt stehen bleibt, an der Konzeption zutiefst damit beteiligt, und dennoch nur soweit, als es aufgearbeitet wurde ins – gleichsam – Privatwollustfreie, d. h. als der Zentralpunkt sich total aus dem personalen Umkreis verschob. Wo dies auch nur im geringsten mißlang, bedeutet die persönlich erstrebte Phantasiewunscherfüllung sofort das Versagen im Schöpferischen. Denn wohl bedarf der Künstler der Regression bis ins Infantilste und damit am leiblichsten Beeinflußte, aber auch nur er verhält sich auch hiezu »schaffend«. Der Anteil des Eros an Geistschöpferischem – wie stark der Hinweis darauf auch Freud verübelt wird – gehört wohl zu den ältesten Erkenntnissen, und im Grunde sollte doch ebenfalls selbstverständlich sein, daß dafür nur die Anteile daran in Betracht kommen, die wir nicht geradenwegs zum Normalziel abführen, sondern diesem Ziel entgegen, also infantil erhalten. Aber schöpferisch bedeutsam werden sie wiederum erst unter Beihilfe von Verdrängung: nur daß sie sich, anstatt aufs »Desinfantilisieren« und »Genitalisieren«, auf ein Entleiblichen des ursprünglich kindlich Polymorphen bezieht. Man möchte sagen: künstlerisches Schaffen enthülst gewissermaßen aus dem Leibhaften den fruchtbaren Kern, der sich im Werk dann allseitig auswächst. Mit E. Jones' Wort (aus der vorzüglichen Studie: »Die Empfängnis Mariae durch das Ohr«, Jahrbuch IV) gesagt, liegt im Künstlerischen: »die Reaktion gegen die Geschlechtlichkeit dem Streben, und ihre Sublimierung den Formen, die das Streben annimmt, zugrunde«12. Daß Begehr und Reaktion, beide, hier gewaltig vertreten sein müssen13, darauf gründet Schopenhauer sein bekanntes Experiment: sexueller Reizung nachzugeben um dann, jählings, vom Punkt hoher Steigerung, abzubiegen in Geistesarbeit. Man wäre versucht zu glauben, ähnliche Experimente müßten sich bestätigen nicht nur bezüglich speziell-sexualer Mitwirkung, sondern aller Triebhaftigkeit, z. B. auch von als »böse« gebrandmarkten Regungen, denen wir ja nur infantil-sorglos noch ohneweiters nachgaben. Das noch amoralische Begehren, so dicht bei seiner Umstülpung vom narzißtisch Ununterschiedenen ins kraß selbstisch Verengte, mag bei diesem Übergang Möglichkeiten in sich enthalten, die dem Menschen nicht in der Praxis, nur in schaffender Phantasie, ganz aufgehen. Ist doch »Sexuales« wie »Böses« in diesem Sinn allein, aber darin tatsächlich, dem Schaffenden vermehrt zu eigen: wenn Goethe versichert, er wisse »von keinem Verbrechen, das er nicht auch begangen haben könnte«, so kennzeichnet das nicht den individuellsten, sondern typischesten, den noch infantil-alles enthaltenden Menschen, den, auf formkünstlerischem Wege zielmächtigsten, aber auch den schlechthin riskiertesten. (Es handelt sich darum: »zu begreifen, daß die bevorzugten Objekte des Menschen, ihre Ideale, aus denselben Wahrnehmungen und Erlebnissen stammen, wie die von ihnen am meisten verabscheuten, und sich ursprünglich nur durch geringe Modifikationen voneinander unterscheiden«; Freud, »Das Unbewußte«.) Entgleist der Mensch aus seinem Schaffenszustand, so sieht er sich infolgedessen furchtbar aufgehängt zwischen Nichts und Nichts: weder geborgen am Werk, noch an der Realwelt, worin er dem Urteil der anderen fragwürdig wurde wie dem eigenen, d. h. wie seinem Privatpersonentum innerhalb praktischer Weltgeltungen. Lassen schon Stockungen, Störungen während der Arbeit Künstler leicht als Neurotiker erscheinen, so gleicht die gefährliche Grundvoraussetzung alles Schaffens sie nahezu psychotischer Verfassung an: indem es sie hinter den Rücken ihres Ich zurückzieht in ihrer eigentlichsten Tätigkeit. Gelegentlich mehrfacher Beobachtungen habe ich mich immer wieder überzeugt, mit welcher Selbstverständlichkeit, bei unvermutetem Absturz aus produktivem Verhalten, ein Zurückfallen in Infantilismen sexueller Art sich einstellen kann (Freuds Bemerkung bewahrheitend: »Das Höchste und das Niederste hängen an der Sexualität überall am innigsten aneinander.« Drei Abh. z. Sexth.). Gerade daran pflegt die Befürchtung sich zu verstärken: daß es sich wohl nicht nur um vorübergehende Unterbrechung handle, sondern um Nachlassen der geistigen Potenz überhaupt. Dies ist aber um so bedauerlicher, als Schaffenszustände oft geradezu derartiger Absetzungen, Aussetzungen bedürfen mögen, solcher Erholungspausen des Bewußtseins, dem heimlich weitergehende Arbeit sich entzieht, etwa wie dem Auge der Säfterückzug in winterlichen Stamm entzogen bleibt, während dessen die Bäume sich umschütten mit aller Melancholie entleerten, entfärbten Laubes. Wir beurteilen uns eben vom Bewußtseinsauge aus, das wir prüfend auf uns richteten seit Überschreiten unserer Infantilgrenze; und dieser beurteilende, verurteilende Blick ist dann am unerbittlichsten, schärfsten, wie auch die Triebe an dieser Grenze hier am stärksten sich stauen und verstärken14. Es ist deshalb, als ob der Schaffende noch einmal Kindheitsparadies wie Kindheitshölle gleichermaßen zu durchkosten bekäme.

Entfremdetsein von unserm Ich ist uns harmlos nur gegeben in unserer allnächtlichen kleinen Psychose, unserem allnächtlichen wundersamen Schaffenszustand, dem Traum, der schon so vielfach primitivem Kunstwerk verglichen wurde. Was den Traum dem Schaffen vor allem anähnelt, ist die ungeheuere Objektivität, womit er seinen Inhalt vor uns hinstellt, auch noch an das scheinbar krauseste Durcheinander verblüffende Kraft überzeugender Formung, Gestaltung, verschwendend. Aber nicht einmal diese selbst enthält, meines Erachtens, das künstlerischeste Moment daran: sondern erst die Traumfähigkeit so vielem gerecht zu werden unbeeinflußt von unserer persönlichen Stellungnahme dazu. Man kennt Lichtenbergs ärgerliche Frage, warum, um alles in der Welt, sogar Dichter außerstande seien, fremde Charaktere derartig treffend, wissend, unbestechlich durch eigene Vorurteile zu verlebendigen, wie der Traum es mühelos erzielt. Mir ist das stets als tiefster Beweis dafür erschienen, daß im gesunden, unbeschädigten Narzißmus an sich selber dies übersubjektive Moment wirksam sei, d. h. seine Wunscherfüllungen gar nicht umhin können, aus tiefer Identifikation mit allem herauszuschaffen, weil nur dies seiner unwillkürlichen Tendenz entspricht. Sowohl am manifesten wie latenten Traumtext finden sich Teile dieser Art, die sich über das persönlich Wünschbare hinaussetzen, den Träumer anderen gegenüber zu kurz kommen lassen, und, wenn psychoanalytisch weit genug verfolgt, auf das noch Allumfassende des Narzißtischen führen. Nur daß im Traum der Homer schläft, der das Werken zunutze machen könnte. In Wachträumen dagegen, wo die geistige Überlegenheit nicht schlummert und wo sie auch Beobachtungen des Sachverhalts so erleichtern könnte, fehlt damit auch jene narzißtische Identifikation mit ihrer ungewollt großzügigen Objektivität: Wünsche des Ichs gewinnen Oberhand und zerstören mit ihrer passiven Selbstbespiegelung den aktiven Formdrang15. Auch im Kunstwerk kann es Punkte geben, daraus Traum oder Wachtraum verräterisch reden: d. h. ungenügende Bewußtseinsarbeit oder aber ungenügende Ichverdrängung – Punkte, bei denen besonders erfolgreich Analyse ansetzen kann, während das künstlerisch Vollgelungene sich aller Berechenbarkeit entzieht: sozusagen nicht ermöglicht, auf der Linksseite des bunten Mustergewebes dem Verlauf der Fäden und Verknotungen nachzuspüren16.

11.Innerhalb davon dürfte sich zweierlei Schaffensart unterscheiden lassen, je nachdem, wie weit Aufhebung von Verdrängungen vorwiegend in Frage kommt. Diese kann den Vorgang so kampf- und angstvoll einleiten, daß er zunächst Widerstreben statt Freude weckt; Hermann Bang erzählte mir, wie oft er bei Arbeitsausbruch vom Stuhl springe und ans Fenster eile, hoffend, etwas Ablenkendes draußen möge ihn daraus erlösen. Glücksgefühl stellt sich hier erst als abgeworfener Verdrängungsdruck, als Kraftersparnis ein (analog den Freudschen Ausführungen über die Witztechnik). Positiver, bedingungsloser wirkt das Glück, wo es sich weniger um Verdrängungskampf handelt, als um unwillkürlich an uns sich vollziehende Erweiterungen, Ausweitungen unseres Wesens: um Beschenktwerden mit etwas, was nicht Wunsch oder Versagung in unserm Dasein gewesen war, sondern was praktisch uns gar nicht »lag«, d. h. unserer persönlichen Struktur nicht entsprach, »verdrängt« also schon wurde mit der andrängenden Fülle unverwendbarer Ureindrücke. Im tiefen Zurückreichen bis ins Infantilste kann uns gerade daraus zufallen, was sich damit »werkhaft« erledigt: Ergänzung, Ahnung, die hoch um uns herum reicht, uns nun erst einschließend ins Menschentum Aller. Der identifizierende Narzißmus, von produktiver Phantasie aus seiner Infantilität emporgerissen, beteiligt sich berauscht daran, ohne daß unsere persönliche Ichhaltung praktisch verändert würde.
12.Ich finde eben zwei Verse von Hugo von Hofmannsthal, die sowohl die Verdrängungshilfe beim Schaffen, als auch dessen widerspruchsvolle Verknüpfung mit der Leiblichkeit hübsch wiedergeben:
  1. »Aus der verschütteten Gruft nur wollt' ich ins Freie mich wühlen,
  Aber da brach ich dem Licht Bahn und die Höhle erglüht.«
  2. »Fürchterlich ist diese Kunst! Ich spinn' aus dem Leib mir den Faden,
  Und dieser Faden zugleich ist auch mein Weg durch die Luft.«
13.In seinen »Drei Abh. z. Sexth.« vermerkt Freud die Tatsache, daß man, obwohl dem Schönen das sexuell Reizende praktisch zugerechnet zu werden pflegt, doch niemals die Genitalien selber als schön bezeichnete. Sicherlich erklärt sich daraus, wie ganz die Hochwertigkeit ästhetischer Betrachtungsweise sich nur gegen die Gepflogenheiten der Praxis durchsetzte: auch noch die Enthüllung des Nackten als Poesie bleibt insofern eine Folge des Feigenblattes.
14.Der verstorbene junge Markus hat gut in einer kleinen Studie (Zentralblatt IV, 11–12 »Die Objektwahl in der Liebe«, p. 598) darauf hingewiesen, wie die Freudsche »Latenzzeit« es sei, worin diejenigen Urteile sich in uns festsetzen, die später der Sexualität so autoritativ wie aus anderer Welt gegenübertreten.
15.Mir hat es sich bisweilen aufgedrängt, daß in Wachträumen sich Übergang vorbereitet zu tätig-produktivem Zustand, wenn der Wunschtext, der meist höchst bewußt zugrundeliegt, mit seinem passiven Realisierungsspiel zur Seite weicht vor einer gewissermaßen formalen Bewältigung seiner Einfälle. Dieser Übergang selbst schert sich dann daran illustrativ zu spiegeln, schafft sich selber gleichsam Sinnbilder, so daß es dabei fast zugeht, wie bei Silberers »funktionalem Phänomen«: nur, anstatt zwischen Wachen und Einschlafen, hier zwischen Wachtraum und Produktion, also nach der anderen Richtung dessen, was uns unserem isolierten Ichbewußtsein enthebt.
16.Hinsichtlich der Psychoanalyse an lebenden schaffenden Künstlern möchte ich glauben, daß man äußerst vorsichtig und streng zweierlei mögliche Wirkungen auseinanderhalten muß: die künstlerisch befreiende, wodurch Hemmungen, Stockungen in den formentbindenden Sublimationsvorgängen beseitigt werden, und eine unter Umständen gefährdende, insofern sie ans Dunkel rühren kann, worin die Frucht keimt. Ob man sich ganz ans Personale, Außerästhetische, halten kann bei tiefer dringender Psychoanalyse, ist kaum zu beantworten bei unserem geringen Wissen um das Zustandekommen schöpferischer Vorgänge.
Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 mayıs 2017
Hacim:
50 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
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