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Diagnose II: Leuenberg

Dieser Dogmatikmüdigkeit und -gleichgültigkeit gegenüber steht eine andere Entwicklung, die für die neuere Kirchengeschichte von herausragender Bedeutung ist. Sie führte auf einem ganz anderen Weg dazu, dass die Frage nach dem, was beim Abendmahl geschehe oder nicht geschehe, mit gutem Grund – und das heisst hier: mit theologischer Begründung – in den Hintergrund treten durfte. Mit der Leuenberger Konkordie war es 1973 gelungen, die seit der Reformationszeit bestehenden Trennungen zwischen den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen zu beenden und unter ihnen Kirchengemeinschaft zu erklären. Die um die hundert8 Signatarkirchen der Leuenberger Konkordie erkennen einander trotz im Einzelnen weiterhin bestehender Lehr- und Bekenntnisunterschiede gegenseitig als wahre Kirche Jesu Christi an und sind miteinander in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft verbunden. Für die gegenwärtige Abendmahlsdiskussion stellen die Leuenberger Konkordie und der in der Folge in der Leuenberger Kirchengemeinschaft (heute: Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) – Leuenberger Kirchengemeinschaft) eingeleitete Prozess eine wesentliche Grundlage dar. Allerdings verhalten sich bei der Leuenberger Konkordie – wie so oft – Bedeutung und Bekanntheitsgrad umgekehrt proportional zueinander. Sowohl die sich aus ihnen ergebenden Chancen wie die Verpflichtungen – die es tatsächlich gibt, wie reformierte Individualisten sich gelegentlich sagen lassen müssen – konnten sich erstaunlich wenig im kirchlichen Bewusstsein verankern, und zwar auch bei Vertreterinnen und Vertretern der theologischen Zunft. Es erscheint von daher angezeigt, bei diesem Ausgangspunkt einen Moment zu verweilen.

Für heutige Protestanten ist es kaum noch nachvollziehbar, dass bis weit in das 20. Jahrhundert hinein evangelische Christinnen und Christen unterschiedlichen Bekenntnisses – also lutherische, reformierte, unierte, von den Freikirchen ganz zu schweigen – miteinander nicht Abendmahl feiern konnten. Dies ist besonders unverständlich in Zeiten äusserer und innerer Bedrohung. Doch war etwa während der Barmer Theologischen Synode 1934 genau dies, so viel auf anderer Ebene erreicht werden konnte, nicht denkbar.9 Der Grund für die Unmöglichkeit einer gemeinsamen Mahlfeier und weithin auch der Teilnahme an der Mahlfeier einer anderen evangelischen Konfession liegt darin, dass – nach protestantischem genauso wie nach katholischem Verständnis – Abendmahlsgemeinschaft Kirchengemeinschaft voraussetzt. Kirchengemeinschaft aber bestand seit der Reformationszeit zwischen den bekenntnisverschiedenen Kirchen nicht. Dabei bildete die Abendmahlsfrage bzw. der Abendmahlsstreit zwischen den Kirchen der Reformation nur einen der Differenzpunkte.10 Die Erfahrung des gemeinsamen Kampfes gegen den Nationalsozialismus führte jedoch dazu, dass frühere Bemühungen, die Trennung zu überwinden, intensiviert wurden. Diese Anstrengungen gipfelten 1957 in den «Arnoldshainer Abendmahlsthesen», deren Konsensformulierungen in leicht veränderter Form schliesslich 1973 in die Leuenberger Konkordie aufgenommen wurden.11

Doch nicht die Formulierungen zum Abendmahl in der Leuenberger Konkordie an sich sind das theologisch Bedeutsame. Wichtiger ist, dass die Kirchen der Reformation sich auf die Voraussetzungen einigten, unter denen für sie Kirchengemeinschaft möglich ist. Sie formulierten dies so: «Die Kirche ist allein auf Jesus Christus gegründet, der sie durch die Zuwendung seines Heils in der Verkündigung und in den Sakramenten sammelt und sendet. Nach reformatorischer Einsicht ist darum zur wahren Einheit der Kirche die Übereinstimmung in der rechten Lehre des Evangeliums und in der rechten Verwaltung der Sakramente notwendig und ausreichend12 In intensiven Lehrgesprächen, an denen Delegierte verschiedener reformatorischer Kirchen aus ganz Europa teilnahmen, konnte ein gemeinsames Verständnis festgestellt werden, das es den Kirchen ermöglichte, «Kirchengemeinschaft zu erklären und zu verwirklichen»13. Und so formulierten die an der Leuenberger Konkordie beteiligten Kirchen feierlich: «Mit diesen Feststellungen ist Kirchengemeinschaft erklärt. Die dieser Gemeinschaft seit dem 16. Jahrhundert entgegenstehenden Trennungen sind aufgehoben. Die beteiligten Kirchen sind der Überzeugung, dass sie gemeinsam an der einen Kirche Jesu Christi teilhaben und dass der Herr sie zum gemeinsamen Dienst befreit und verpflichtet.»14 Auf der Basis der nun festgestellten Kirchengemeinschaft stehen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen den noch immer bekenntnisverschiedenen Kirchen. Es gibt keine und wird auch keine protestantische Einheitslehre angestrebt, auch nicht in Bezug auf die Abendmahlslehre. Die bekenntnisverschiedenen Kirchen erklären die Kirchengemeinschaft «in der Bindung an die sie verpflichtenden Bekenntnisse oder unter Berücksichtigung ihrer Traditionen»15, doch vermögen die verbleibenden Unterschiede die Kirchengemeinschaft nicht mehr in Frage zu stellen. Das der Leuenberger Konkordie und der Kirchengemeinschaft zugrunde liegende Modell ist das der «Einheit in versöhnter Verschiedenheit»16.

Es sei eigens darauf hingewiesen: Auch zwischen den evangelischen Kirchen musste Kirchengemeinschaft hergestellt werden, damit Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft möglich wurden. Es ist nicht einfach so, dass nur die Katholiken Mühe haben mit den Protestanten; die Protestanten hatten lange Zeit – über 400 Jahre – auch miteinander erhebliche Mühe und taten sich schwer damit, einander als wahre Kirche Jesu Christi anzuerkennen. Das wurde erst 1973 mit der Leuenberger Konkordie offiziell und im grossen Stil möglich. – Daran gemessen ist es mehr als unfair und zeugt von wenig Geschichts- und Problembewusstsein, wenn Protestanten ungeduldig die Haltung des katholischen Lehramts gegenüber den Kirchen der Reformation tadeln und sie als stur und unzeitgemäss kritisieren. So lange ist der Balken aus dem protestantischen Auge nun auch noch nicht entfernt. Ganz abgesehen davon, dass die theologischen Streitpunkte, die die römisch-katholische Kirche von den Kirchen der Reformation trennen, um einiges schwerer wiegen als die innerprotestantischen Differenzen.

Die Leuenberger Konkordie beschreibt sozusagen den Minimalkonsens, den die Kirchen der Reformation in Bezug auf das Verständnis des Evangeliums miteinander teilen. Dieser umfasst Rechtfertigung, Verkündigung, Taufe und Abendmahl. Die knappen Formulierungen, die das Abendmahl betreffen, benennen sechs Elemente: 1) Gegenwart und Geschenk Jesu Christi, 2) Vergebung und neues Leben, 3) Gemeinschaft und Dienst, 4) Vergegenwärtigung und Verkündigung, 5) Bekenntnis und Begegnung, 6) Dank und Lob.17 Einige weitere Sätze beziehen das gemeinsame Abendmahlsverständnis auf die Lehrverurteilungen der Reformationszeit, die mit der Konkordie überwunden sind.18 Mit der Zustimmung zur Leuenberger Konkordie erklären die betreffenden Kirchen – auch diejenigen unter ihnen, die kein Bekenntnis mehr haben –, dass sie im Verständnis des Evangeliums, und darin also auch dem Verständnis des Abendmahls, wie es in der Konkordie zum Ausdruck kommt, übereinstimmen.19 Die Konkordie selbst will ausdrücklich kein Bekenntnis sein und lässt die verpflichtenden Bekenntnisse der Signatarkirchen bestehen.20 Dennoch sind die Formulierungen der Konkordie für die beteiligten Kirchen verbindlich. Und das bedeutet auch: Ein einseitiges explizites Abweichen einer Kirche von den Konsensformulierungen hätte – auch wenn die Konkordie selbst dies nicht ausdrücklich festhält, jedoch konsequenterweise – den Bruch mit den anderen an der Konkordie beteiligten Kirchen zur Folge.

Die Leuenberger Konkordie beinhaltet eine weitere, weitreichende Verpflichtung, nämlich diejenige zu «kontinuierlichen Lehrgesprächen» unter den an der Konkordie beteiligten Kirchen.21 Zu den Lehrunterschieden, die als nicht kirchentrennend gelten und an denen die Gemeinschaft theologisch arbeiten will, gehören insbesondere hermeneutische Fragen im Verständnis von Schrift, Bekenntnis und Kirche, das Verhältnis von Gesetz und Evangelium, die Taufpraxis, Fragen um Amt und Ordination, die Zwei-Reiche-Lehre und die Lehre von der Königsherrschaft Jesu Christi, das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft.22 Signatarkirchen der Leuenberger Konkordie sind somit in den Fragen ihrer Lehrentwicklung nicht völlig frei, sondern aufeinander verwiesen. Dieses Grundelement des evangelischen Kirchenverständnisses ist insbesondere den reformierten Kirchen der Schweiz, die sich bis heute vor allem ihrer Bekenntnisfreiheit rühmen, noch nicht recht in Fleisch und Blut übergegangen. Ist in der Konkordie die Frage des Verhältnisses von Konkordie, Kirchengemeinschaft und Bekenntnis nur wenig reflektiert, so gilt das in den Schweizer Kirchen erst recht für dasjenige von Konkordie, Kirchengemeinschaft und Bekenntnisfreiheit.

Seit der Entstehung der Leuenberger Konkordie haben eine ganze Reihe von Lehrgesprächen stattgefunden, darunter auch über Fragen, die für Theologie und Praxis des Abendmahls von zentraler Bedeutung sind.23 Den Ergebnissen der Lehrgespräche, die sich die Vollversammlung zu eigen gemacht hat, kommt zwar ausdrücklich nicht dieselbe Verbindlichkeit zu wie der Konkordie; insbesondere ist die Kirchengemeinschaft nicht in Frage gestellt, wenn eine Kirche dem verabschiedeten Text nicht zustimmen kann. Dennoch legte der Exekutivausschuss fest, dass das in den Ergebnissen der Lehrgespräche festgehaltene Verständnis von Taufe und Abendmahl in den Signatarkirchen gemäss den bei ihnen jeweils vorgesehenen Verfahren der Rezeption anzunehmen und ihnen so ein hoher Grad von Verbindlichkeit zuzusprechen sei.24 Es ist deshalb folgerichtig, dass auch neuere kirchliche Stellungnahmen zum Abendmahlsverständnis – so etwa die Orientierungshilfe der EKD und die Überlegungen und Empfehlungen des Rates des SEK – die Leuenberger Konkordie sowie die sie weiterführenden und konkretisierenden Dokumentationen zu den Lehrgesprächen zum Ausgangspunkt und Leitfaden wählen.25

Eine Reihe von aktuellen Fragen im Zusammenhang mit dem Abendmahl wurde bereits genannt. Sie sollen im folgenden summarisch aufgelistet und um wenige weitere Punkte ergänzt werden. Dem Konzept der Leuenberger Konkordie folgend sollen dabei ausdrücklich die in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa erarbeiteten Standpunkte einbezogen werden. Es möge dies auch als ein Plädoyer für theologische Verbindlichkeit in der Vielfalt26 verstanden werden.

Die Last des Amtes

Die Hauptdifferenz zwischen evangelischem und römisch-katholischem (sowie natürlich orthodoxem) Verständnis des Abendmahls bzw. der Eucharistie liegt – und hier ist ein bis heute kolportiertes Missverständnis ausdrücklich zu korrigieren27 – nicht in der Abendmahlslehre selbst, sondern in der mit ihr unlösbar verknüpften Frage des Amtes und der Ordination. Den Kirchen der Reformation genügt gemäss Leuenberger Konkordie für die Festsstellung und Erklärung von Kirchengemeinschaft die Übereinstimmung in der rechten Lehre des Evangeliums und in der rechten Verwaltung der Sakramente. Damit ist etwas ausgesagt über den Grund und die Bestimmung der Kirche nach evangelischem Verständnis, nicht jedoch über die Gestalt der Kirche. Letztere kann im Laufe der Geschichte vielfältige Formen annehmen; die Kirche (Einzahl) ist in unterschiedlich geprägten, geschichtlich gewordenen Kirchen (Mehrzahl) gegenwärtig.28 Für die Einheit der Kirche stellt die Vielfalt ihrer Gestalten kein Hindernis dar. Neben presbyterial-synodalen Kirchenstrukturen haben episkopal verfasste Kirchen gleiches Recht, und ihr unterschiedlicher Aufbau hindert nicht die Einheit. Die konkrete Gestalt der Kirche ist eine Frage der zweckmässigen Organisation, aber nicht eine Wesensfrage der Kirche. Zwar gibt es Kennzeichen der wahren Kirche, doch gehören ihre Struktur und ihr Aufbau nicht dazu. Es wäre also theoretisch denkbar, und wird – für manche Reformierte horribile dictu – gelegentlich auch diskutiert, ob es nicht sinnvoll sein könnte, dass auch die Reformierten einen oder mehrere Bischöfe hätten, wie es ja auch reformierte und andere evangelische Kirchen (wie etwa lutherische oder die evangelisch-methodistische Kirche) gibt, die episkopal verfasst sind. Doch ist das nicht eine Wesensfrage, die darüber entscheidet, ob eine Gemeinschaft von Christen Kirche ist oder nicht, sondern eine Frage der guten, sinnvollen und theologisch verantwortbaren Ordnung. Keinesfalls kann darüber die Kircheneinheit und -gemeinschaft in Frage gestellt sein. Ganz anders die römisch-katholische Kirche. Für sie gehört zur Kirchengemeinschaft unaufgebbar ein drittes Kriterium: Die Gemeinschaft in den Ämtern. Während für das evangelische Kirchenverständnis die Gemeinschaft in den Ämtern die Folge der Kirchengemeinschaft ist, stellt sie für katholisches Kirchenverständnis die Voraussetzung dar.29

Was aber heisst Gemeinschaft in den Ämtern? (a) Anders als nach evangelischem Verständnis kann Kirche nach katholischem Verständnis nur eine bestimmte Gestalt haben, die sich in einer dreifachen Amtsstruktur (Diakon – Priester – Bischof) zeigt. Kirche ist wesensmässig Amtskirche, sie braucht wesensmässig das Amt. Es geht also nicht darum, ob das Priesteramt zweckmässig ist und die bischöfliche Struktur geeignet, der Kirche eine gute Ordnung zu gewähren, sondern es geht um das Wesen der Kirche, darum, ob eine Gemeinschaft Kirche ist oder nicht. Kirche ist Kirche nur als hierarchisch gegliederte Kirche mit Diakonen, Priestern und Bischöfen (und aus römisch-katholischer Sicht muss, damit die Aussage vollständig ist, ergänzt werden: in Verbindung mit dem Bischof von Rom). Das ordinierte Amt gehört also wesensmässig zur Kirche und kann grundsätzlich nicht frei gestaltet werden. (b) Das Amt ist nur dann gültig, wenn es mit dem apostolischen Ursprung verbunden ist. Die römisch-katholische Kirche führt ihr Amt über eine ununterbrochene Kette von Ordinationen durch Handauflegung und Gebet zurück bis auf die Apostel. Eine Kirche, die diese ununterbrochene Kette, die Sukzession, nicht nachweisen kann, verfügt auch nicht über ein gültig geweihtes Amt. Da dieses aber wesensmässig zur Kirche gehört, kann eine solche Gemeinschaft folgerichtig nicht Kirche sein, sondern bestenfalls kirchliche Gemeinschaft, wie es die von Kardinal Ratzinger unterzeichnete Erklärung «Dominus Iesus» formuliert.30 Zwar ist es unter Theologen, auch katholischen, aus verschiedenen Gründen stark umstritten, ob die tatsächlich nachweisbare Sukzessionsfolge die schwere theologische Last wirklich zu tagen vermag, die ihr aufgebürdet wird, doch ändert das für das katholische Kirchenverständnis nichts am Anspruch, dass nur dort Kirche ist, wo in dieser Weise apostolisches Amt vorhanden ist. (c) Nun spitzt sich dieser Anspruch zu in der Frage der Eucharistie. Nach katholischem Verständnis ist die Eucharistie an das ordinierte Amt, eben an das Priesteramt, zwingend und exklusiv gebunden; die Feier der Eucharistie setzt gültig geweihte Amtsträger voraus. Daraus ergibt sich selbstredend, dass ein evangelisches Abendmahl prinzipiell nie und nimmer eine gültige Eucharistiefeier sein kann, auch wenn es im Blick auf das Verständnis des Mahles als solches keine kirchentrennenden Unterschiede gibt. Es ergibt sich ebenfalls, dass ein katholischer Priester und ein evangelischer Pfarrer nicht gemeinsam das Mahl feiern können, weil eben der evangelische Pfarrer nach katholischem Verständnis über keine gültige Weihe verfügt und es nach evangelischem Verständnis auch nicht muss31. Und es ergibt sich als Drittes, dass das katholische Lehramt zwingend untersagen muss, dass Katholiken am evangelischen Abendmahl teilnehmen, weil dieses Mahl prinzipiell nie auch nur annähernd der Eucharistie entsprechen kann.

Zusammengefasst: Wenn die Gemeinschaft in den Ämtern Voraussetzung für Kirchengemeinschaft ist, so kann eine solche zwischen den Kirchen der Reformation und der katholischen Kirche unter den heutigen Umständen nicht zustande kommen. Und wenn Kirchengemeinschaft (auch) nach katholischem Verständnis Voraussetzung für Eucharistiegemeinschaft ist, so kann folglich auch diese nicht zustande kommen. Alle Verständigung über rein eucharistietheologische Fragen führt also deshalb nicht weiter, weil dies gar nicht die entscheidenden Fragen für die Eucharistiegemeinschaft sind. Wir haben unterschiedliche Kirchenverständnisse, und in diesen Strudel wird die Eucharistie mit hineingerissen. Wenn gemeinsame Mahlfeiern nicht möglich sind, so ist dies gewissermassen nur die Spitze des Eisbergs. Unter der Wasseroberfläche liegt noch viel mehr, ja die Hauptmasse des Eises. Wer findet, es sei nicht mehr zeitgemäss, dass Katholiken und Protestanten nicht miteinander das Mahl feiern können, sollte sich wenigstens bewusst machen, dass damit immerhin das gesamte Selbstverständnis der katholischen Kirche, wie es historisch gewachsen ist und vom Lehramt bis heute vertreten wird, auf dem Spiel steht.

Das Kreuz mit dem Opfer

Breit diskutiert wird die Frage, ob der Konnex zwischen Abendmahl und Kreuz, Opfer, Sühne, Sünde und Schuld unaufgebbar sei, wie er zwingend hergestellt werde, wenn von Leib und Blut Jesu gesprochen wird. Es wird dann darauf hingewiesen, dass die Rede von Opfer und Hingabe dazu missbraucht werde, Menschen auch heute in Opferrollen zu drängen, und es wird gefragt, ob nicht andere Elemente des gemeinsamen Essens und Trinkens hervorgehoben werden sollten, um die tendenzielle Morbidität des Abendmahls aufzubrechen und ihm den Charakter eines fröhlichen, Leben fördernden Festmahls zu verleihen. Selbstverständlich müssen solche Interpretamente auch in der Liturgie ihre Umsetzung finden: Die Einsetzungsworte sind in ihrer traditionellen Gestalt nicht brauchbar, die Anamnese muss wegfallen oder neu formuliert werden, je nach liturgischem Formular sind weitere Stücke betroffen.

Zweifellos richten sich diese kritischen Anfragen nicht nur an die Abendmahlslehre, sondern stellen Kernelemente des christlichen Glaubens überhaupt zur Debatte. Wer dem Tod Jesu Christi keine Heilsbedeutung zumisst, muss die Einsetzungsworte notgedrungen als Ärgernis empfinden. Wer das Kreuz nur als das grauenhafte Ende des Gemarterten sehen kann, der dann im Grab verwest ist, muss, will er oder sie das Abendmahl als Feier des Lebens gestalten, auf die Rede vom Kreuz verzichten. Wer die Rede von Sünde und Schuld grundsätzlich für menschenverachtend hält und darin den Ausdruck eines altmodischen und zu überwindenden Gottesbildes sieht, muss auch da andere Akzente setzen. Damit wird aber deutlich: Es geht dabei nicht um die Abendmahlslehre an sich, sondern um Theologie, um Christologie, um Soteriologie. Die Grundentscheidungen fallen dort – in der Gestaltung der Abendmahlsfeier wirken sie sich lediglich aus. Die Diskussion über das Abendmahl und die Abendmahlsliturgie ist immer und wesentlich eine solche über die Grundelemente und Grundinterpretamente des christlichen Glaubens. Das heisst umgekehrt: In der Abendmahlsliturgie steckt eine geballte Ladung Theologie. Wer etwa die Einsetzungsworte weglässt oder verändert, muss in jedem Fall wissen, was er oder sie damit theologisch tut. Es ist bedauerlich und gewiss kein Zeichen theologischer Kompetenz und Verantwortung, wenn Pfarrerinnen und Pfarrer mit der Abendmahlsliturgie in grosser Freiheit, um nicht zu sagen: Willkür, verfahren, selbst wenn es in der besten Absicht geschieht. Die Empfehlungen des SEK erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass die liturgischen Formulare, so sehr sie selbstverständlich immer wieder auf ihre Sachgemässheit und Verständlichkeit hin überprüft werden müssen, doch auch vor unsachgemässen Verfremdungen und Umdeutungen schützen und nicht zuletzt der ökumenischen Erkennbarkeit der Mahlfeier dienen können.32

Die Leuenberger Konkordie nennt als Elemente des gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums, die für die Begründung der Kirchengemeinschaft notwendig sind, auch die Hingabe Jesu Christi in den Tod für alle zur Vergebung der Sünden.33 Die Orientierungshilfe der EKD und die Empfehlungen des SEK beziehen sich auf sie und halten an ihnen fest, jedoch nicht, ohne zu den sich daraus ergebenden Fragen Stellung zu nehmen und für ein umfassendes Abendmahlsverständnis zu plädieren, das nicht auf Kreuz und Tod verengt ist.34 Sie empfehlen entsprechend, in der Gestaltung der Abendmahlsliturgie Sorgfalt walten zu lassen und den grösseren Kontext – die Verbindung der Gemeinde mit anderen Gemeinden derselben Konfession, aber auch den Horizont der Ökumene – zu berücksichtigen.35 Die Empfehlungen des SEK erinnern überdies daran, dass in der reformierten Tradition Leitung nicht von einzelnen Pfarrerinnen und Pfarrern, sondern gemeinschaftlich, d.h. zusammen mit Kirchgemeinderäten bzw. -vorständen und Kirchen- bzw. Synodalräten, wahrgenommen wird.36 Auch von daher sind dem individuellen Gestaltungsspielraum Grenzen gesetzt, die nicht mit dem Hinweis auf fehlende verbindliche Ordnungen und Gottesdienstagenden (geschweige denn auf die viel bemühte Bekenntnisfreiheit) hinfällig sind.

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9783290220181
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