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III. Steuerertragskompetenzen
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Die Steuerertragskompetenz ist eine finanzverfassungsrechtliche Besonderheit des zehnten Abschnitts des Grundgesetzes[325]. Sie ist im Wesentlichen in Art. 106 und 107 Abs. 1 GG geregelt. Die Aufteilung des Steueraufkommens zwischen dem Bund und den Ländern (mit ihren Gemeinden) dient der Absicherung der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung der Gebietskörperschaften und wird auch als (vertikaler und horizontaler) Finanzausgleich bezeichnet.
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Der Begriff der Ertragshoheit erscheint im Verfassungstext nicht explizit, er geht auf Albert Hensel[326] zurück: „Ertragshoheit eines Abgabenobjekts hat ein Staat immer dann inne, wenn die Erträge einer Abgabe seinem Staatshaushalt zugute kommen, gleichgültig ob diese Abgabe von ihm oder einer anderen Staatsgewalt auferlegt worden ist.“ Die Literatur hat zum Teil diese Ertragshoheit mit dem einfachgesetzlichen Steueranspruch des Steuerschuldrechts gleichgesetzt[327]. Das ist indes zu undifferenziert[328]: Hier werden einfaches Gesetzesrecht und Verfassungsrecht unzulässigerweise vermengt oder es wird – methodisch problematisch – eine authentische Interpretation von Verfassungssachverhalten durch einfaches Gesetzesrecht versucht[329]. Außerdem liegt der Telos des einfachrechtlichen Steueranspruchs gegenüber dem Bürger auf einer ganz anderen Ebene als die primär bundesstaatlich motivierten Regelungen der Art. 106, 107 GG[330]. Das Steuerschuldrecht ordnet den staatlichen Steuerzugriff auf den Bürger; die Aufteilung der Steuerertragshoheit im Grundgesetz dient dagegen der Austarierung der Finanzen im Bundesstaat, wirkt also primär im Bund-Länder-Verhältnis[331]. Da eine möglichst weitgehend verfassungskräftige Festschreibung der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzen zur Stabilisierung des Bundesstaats unerlässlich ist, kommt der Verteilung der Steuererträge die zentrale Stellung unter den Vorschriften der bundesstaatlichen Finanzverfassung zu[332]. Die Steuerertragshoheit soll eine ausreichende oder doch angemessene Finanzausstattung von Bund und Ländern als Grundlage ihrer „Eigenstaatlichkeit“[333] und haushaltsrechtlichen Unabhängigkeit sicherstellen[334]. Die Ertragshoheit im finanzverfassungsrechtlichen Sinn begründet somit einen bundesstaatlich motivierten (Verfassungs-)Rechtsanspruch, der sich, wo Ertrags- und Verwaltungskompetenz getrennt sind, gegen die erhebende, also mit Verwaltungskompetenz versehene Gebietskörperschaft richtet[335]; fallen die Kompetenzen zusammen, begründet die Ertragshoheit einen verfassungsrechtlichen „Rechtsgrund zum Behaltendürfen“ der Steuererträge. Freilich verwirklicht sie sich konkret jeweils erst dann, wenn die mit der Steuergesetzgebungskompetenz betraute Gebietskörperschaft von ihrem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob daraus eine Pflicht zur Erhebung bestimmter Steuern resultieren kann[336].
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Im Einzelnen lassen sich innerhalb der Art. 106, 107 GG vier Stufen der Steueraufteilung und des Finanzausgleichs ausmachen. Auf der ersten Stufe (primärer vertikaler Finanzausgleich) werden durch Art. 106 GG bestimmte Steuereinnahmen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden zugeordnet. Dies bedeutet , dass der Ertrag einiger Steuern ausschließlich dem Bund (Art. 106 Abs. 1 GG), den Ländern (Art. 106 Abs. 2 GG, z.B. Erbschaftsteuer) oder Gemeinden (Art. 106 Abs. 6 GG, z.B. Gewerbesteuer) zusteht – sog. Trennsystem – , während die Einnahmen aus den aufkommensstärksten Steuern (Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer, sog. Gemeinschaftssteuern) anteilig an die genannten Gebietskörperschaften ausgeschüttet werden (Art. 106 Abs. 3-5a, 7 GG) – sog. Verbund- oder Mischsystem[337].
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Die zweite Stufe (primärer horizontaler Finanzausgleich) betrifft die Verteilungsmodi der an die Ländergesamtheit geflossenen Steuereinnahmen auf die einzelnen Gliedstaaten, wobei hier bezüglich der unterschiedlichen Steuerarten verschiedene Parameter greifen (z.B. Prinzip des örtlichen Aufkommens für die Einkommen- und Körperschaftsteuer, Einwohnerzahl und gesetzliche Ergänzungszuweisungen für die Umsatzsteuer), Art. 107 Abs. 1 GG.
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Die dritte (sekundärer horizontaler Finanzausgleich) und vierte Stufe des geschilderten Finanzausgleichs gehören nicht mehr Steuerertragshoheiten i.e.S., sondern stellen Ausgleichsregelungen im Anschluss an die Verteilung des Steueraufkommens dar, bewirken mithin Umverteilung von eindeutig Zugewiesenem. Mit Wirkung zum 1. Januar 2020 tritt nach der Änderung von Art. 107 Abs. 2 GG ein neuer, stärker vertikalisierter sekundärer Finanzausgleich in Kraft (BGBl. I S. 2347).
IV. Steuerverwaltungskompetenzen
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Die Steuerverwaltungskompetenz wird durch Art. 108 GG als lex specialis gegenüber den Art. 83 ff. GG zwischen Bund und Ländern verteilt[338]. Ausführungsgesetz zu Art. 108 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 GG ist das Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG), das Organisation und sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden regelt. In den §§ 1 (Bundesfinanzbehörden) und 2 (Länderfinanzbehörden) FVG wird der übliche Behördenaufbau mit der Gliederung in oberste, Ober-, Mittel- und örtliche Behörde geregelt[339].
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Das frühere Unikum der Mischverwaltung durch die Oberfinanzdirektion als einheitlicher Mittelbehörde, die sowohl dem Bund wie auch dem betroffenen Land zugeordnet war und der Aufsicht durch deren jeweiliger Oberbehörde jeweils zum Teil unterlag, wurde durch Errichtung der Bundesfinanzdirektionen als „eigene“ Mittelbehörden des Bundes im Jahr 2008 abgeschafft.
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Für die Bundesebene ergeben sich neben Art. 108 Abs. 1 GG weitere Vorgaben aus Art. 87 Abs. 1 GG, der die Bundesfinanzverwaltung als obligatorische, unmittelbare und mehrstufige (wenn auch mittlerweile nicht mehr notwendigerweise dreistufige, vgl. Art. 108 Abs. 1 S. 3 GG) Bundesverwaltung vorschreibt. Art. 108 Abs. 2 GG verpflichtet die Länder zur Einrichtung einer mehrstufigen Landesfinanzverwaltung, wobei auch hier die Verpflichtung zu einem dreistufigen Behördenaufbau entfallen ist, Art. 108 Abs. 2 S. 3 GG[340]. Verfassungsrechtlich außergewöhnlich ist die für den Fall der Einrichtung von Mittelbehörden vorgesehene Verpflichtung, deren Leiter im „Benehmen“ mit den Landesregierungen (bei Bundesmittelbehörden, Art. 108 Abs. 1 S. 3 GG) und im „Einvernehmen“ mit der Bundesregierung (bei Landesmittelbehörden, Art. 108 Abs. 2 S. 3 GG) zu bestellen. In letzterem Fall besteht mithin eine echte Mitentscheidungsbefugnis der Bundesregierung, so dass ein abermaliges Beispiel für eine Mischverwaltung vorliegt; nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist mittlerweile wohl auch das bloße Benehmenserfordernis bei den Bundesmittelbehörden als Fall der Mischverwaltung einzuordnen[341].
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Nach Art. 108 Abs. 1 S. 1 GG werden Zölle, Finanzmonopole, die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern und die Abgaben im Rahmen der Europäischen Union durch die Bundesfinanzbehörden verwaltet; örtliche Behörden sind dabei die Hauptzollämter.
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Die übrigen Steuern werden nach Art. 108 Abs. 2 S. 1 GG durch die Landesfinanzbehörden verwaltet, insoweit sind die Finanzämter örtliche Behörden. Sofern es sich um solche Steuern handelt, deren Erträge ganz oder teilweise dem Bund zustehen, agieren die Länder gem. Art. 108 Abs. 3 S. 1 GG in Bundesauftragsverwaltung, die damit insbesondere für die ertragsstarken Gemeinschaftssteuern greift. Folglich lässt sich festhalten, dass die Ertragskompetenz zwar keine Rolle dafür spielt, ob Bund oder Länder die Steuern verwalten, jedoch hinsichtlich der Art der Steuerverwaltung durch die Länder – ob als eigene Angelegenheit oder in Bundesauftragsverwaltung – relevant wird[342]. Während die Steuergesetzgebungskompetenzen schwerpunktmäßig beim Bund angesiedelt sind, besitzen somit die Länder – entsprechend der generellen Konzeption der Art. 30, 83 GG – ein klares Übergewicht bei der Steuerverwaltungshoheit[343]. Die Verteilung der Verwaltungskompetenzen ähnelt derjenigen der Ertragskompetenzen nach Art. 106 GG, mit dem Unterschied, dass die Länder die Gemeinschaftssteuern als Ganzes verwalten, obwohl sie ihnen nur teilweise zufließen, während der Bund die nicht örtlichen Verbrauchsteuern in Gänze verwaltet, obwohl der Ertrag der Biersteuer den Ländern zusteht.
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Die klare Struktur der Art. 108 Abs. 1–3 GG wird durch Art. 108 Abs. 4 GG aufgebrochen: Dieser räumt dem Bund die Möglichkeit ein, durch zustimmungsbedürftiges Gesetz die Aufteilung der Verwaltungskompetenzen – allerdings nur punktuell und unter der Voraussetzung der erheblichen Verbesserung oder Vereinfachung der Steuerverwaltung – zu verschieben. Dabei führt Satz 1 die bestehenden Optionen auf: Dies sind neben der verfassungsrechtlich ungewöhnlichen Mischverwaltung durch Bund und Länder gemeinsam („Zusammenwirken“) die Übertragung von Bundes-Verwaltungskompetenzen auf die Länder und die Übertragung von Länder-Verwaltungskompetenzen auf den Bund.
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Das Verfahren der Steuererhebung wird durch die Abgabenordnung geregelt, welche kompetenziell – neben Art. 105 GG – auf Art. 108 Abs. 5 GG beruht[344].
V. Steuerarten und Steuersystem
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Das geltende Steuerrecht basiert auf einer Mehrzahl von Steuergesetzen, es bildet ein sog. Vielsteuersystem[345]. Jede einzelne Steuer ist daher zunächst Element eines gewachsenen Steuersystems im historisch empirischen Sinn[346]. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Steuern ermöglichen es jedoch darüber hinausgehend eine Typologie einzelner Steuerarten zu entwickeln. Die möglichen Anknüpfungspunkte, um die verschiedenen Steuern zu klassifizieren, sind vielfältig; entsprechend groß ist daher die Anzahl der von der Steuerrechts- und der Finanzwissenschaft entwickelten Systematisierungen[347]. Die Wahl einer spezifischen Oberkategorie zur Klassifizierung der verschiedenen Steuern ist entscheidend geprägt durch die mit der Aufteilung verbundene Zielsetzung; Systematisierung ist dementsprechend kein Selbstzweck[348]. Im Hinblick auf diese speziellen Zielvorstellungen wird im Folgenden zwischen den Systementscheidungen der Verfassung, der Einteilung nach Art der Vermögensbewegung, den Auswirkungen beim Steuerschuldner sowie sonstigen Klassifizierungen unterschieden[349].
1. Steuerarten im Grundgesetz
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Das Grundgesetz enthält in Art. 106 GG[350] einen Steuerkatalog, der die Steuerertragshoheit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufteilt[351]. Die dort verwandten (Einzel-)Steuerbegriffe sind indes keine originär verfassungsrechtlichen Begriffe, sondern das Grundgesetz knüpft an die Begriffe des einfachgesetzlichen Steuerrechts zum Zwecke der Kompetenzverteilung sowie zur Vermeidung nationaler Doppelbesteuerung[352] an[353]. Die Kompetenzvorschriften der Art. 105 ff. GG zählen daher die real existierenden Steuern auf, ohne dass hieraus eine spezifische Systematik ableitbar wäre[354]. Daneben enthalten Art. 105 und Art. 106 GG Typusbegriffe, um die verschiedenen Steuern nach einheitlichen Merkmalen zu bündeln, wie Verbrauchsteuern, Verkehrsteuern und Aufwandsteuern[355].
2. Einteilung nach Art der Vermögensbewegung
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Die Einteilung nach Art der Vermögensbewegung knüpft an das Prinzip der Lastengerechtigkeit an, wonach jeder entsprechend seiner individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit[356] zu den öffentlichen Lasten beitragen soll[357]. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zeigt sich hierbei in den Grundformen des Einkommenszuwachses, des Vermögensbestandes oder der Einkommensverwendung[358].
a) Steuern auf den Vermögenszugang
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Steuern auf den Vermögenszugang schöpfen diejenige Leistungsfähigkeit ab, die der Steuerpflichtige am Markt erzielt oder erwirtschaftet hat. Unter die Steuern auf erwirtschaftetes Einkommen fallen zunächst die Einkommen- und die Körperschaftsteuer, die Kirchensteuer[359] sowie der als Ergänzungsabgabe erhobene Solidaritätszuschlag[360]. Die Gewerbesteuer betrifft davon abweichend erwirtschaftete Erträge. Die Gewerbesteuer ist Real- bzw. Objektsteuer, da sie die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen unberücksichtigt lässt. Erbschaft- und Schenkungsteuern erfassen demgegenüber nicht erwirtschaftetes Einkommen, sondern die reine Vermögensmehrung beim Erben oder Beschenkten.
b) Steuern auf den Vermögensbestand
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An den Vermögensbestand knüpft derzeit nur noch die kommunale Grundsteuer an[361]. Die Grundsteuer soll in der Regel aus dem Grundstücksertrag aufgebracht werden. Hierbei wird jedoch nicht an den tatsächlich erwirtschafteten Ertrag angeknüpft, sondern der über den Einheitswert ermittelte Sollertrag zu Grunde gelegt. Anders als die Grundsteuer bezieht sich die Vermögensteuer nicht auf einzelne Vermögensgüter, sondern erfasst das Vermögen als Ganzes. Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer war der nach dem Bewertungsgesetz ermittelte Wert des Gesamtvermögens[362]. Das Vermögensteuergesetz ist zwar noch in Kraft, die Vermögensteuer kann jedoch aufgrund Verfassungswidrigkeit der Tarifnorm (§ 10 VStG) derzeit nicht erhoben werden[363].
c) Steuern auf den Eigentumsgebrauch
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Steuern auf die Verwendung von Einkommen und Vermögen werden zusammenfassend als Einkommensverwendungssteuern[364] bezeichnet. Unter diese Gruppe fallen die Verbrauch-, Aufwand- sowie Verkehrsteuern.
Verbrauchsteuern sind Steuern, die den Verbrauch oder Verzehr von verbrauchsfähigen Wirtschaftsgütern belasten, wobei der Zeitpunkt der Besteuerung auf die dem Verbrauch vorhergehenden Verkehrsakte vorverlagert wird. Verbrauchsteuern sind in der Regel darauf angelegt, auf den Verbraucher überwälzt zu werden[365]. Charakteristisch für Verbrauchsteuern ist daher, dass sich ihre Erhebung in der Regel an den Übergang einer Sache aus der steuerlichen Verknüpfung in den nicht gebundenen Verkehr anschließt[366]. Spezielle Verbrauchsteuern sind die Biersteuer, die Mineralölsteuer und die Tabaksteuer. Die Umsatzsteuer bildet demgegenüber eine allgemeine Verbrauchsteuer[367].
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Aufwandsteuern zielen darauf ab, den Einsatz finanzieller Mittel für die Aufrechterhaltung eines tatsächlichen oder rechtlichen Zustandes zu belasten. Anknüpfungspunkte sind etwa das Halten von Tieren oder das Innehaben einer Zweitwohnung. Einzige bundesgesetzlich geregelte Aufwandsteuer ist die Kraftfahrzeugsteuer, die übrigen Aufwandsteuern sind Gemeindesteuern.
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Verkehrsteuern unterscheiden sich von den Verbrauchsteuern dadurch, dass sie nicht an einen tatsächlichen Vorgang, sondern an einen Akt des Rechtsverkehrs anknüpfen und daher den Aufwand treffen wollen, der beim Abschluss eines bestimmten Rechtgeschäftes entsteht und dadurch eine spezifische Leistungsfähigkeit indiziert[368]. Klassische Verkehrssteuern sind die Grunderwerbsteuer und die Versicherungsteuer.
3. Einteilung nach der Auswirkung beim Steuerschuldner
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Die Aufteilung in indirekte und direkte Steuern gilt als älteste Systematisierung und betrifft die Auswirkung der Steuer beim Steuerschuldner[369]. Die Unterscheidung ist insbesondere auf europäischer Ebene zur Bestimmung der Harmonisierungsvorschriften von Bedeutung (vgl. Art. 113 AEUV)[370]. Bei direkten Steuern sind Steuerträger und Steuerschuldner identisch, wohingegen bei indirekten Steuern Steuerträger und Steuerschuldner aufgrund Überwälzung[371] der Steuer auseinander fallen. Den Hauptanwendungsfall der indirekten Steuern bilden gegenwärtig die Verbrauchsteuern.
4. Weitere Klassifizierungsmöglichkeiten
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Daneben existiert insbesondere in der finanzwissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl weiterer Unterteilungsmöglichkeiten:[372] So sind etwa Personalsteuern auf die Person des Steuerpflichtigen zugeschnitten und berücksichtigen dementsprechend dessen persönliche Verhältnisse[373]. Das Gegenstück dazu bilden die Real- oder Objektsteuern, welche typisierend an Sachverhalte anknüpfen, die steuerliche Leistungsfähigkeit indizieren, ohne die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners zu berücksichtigen[374]. Nach Art der verfahrensrechtlichen Erhebung können Veranlagungssteuern, Abzugssteuern und Anmeldesteuern unterschieden werden. Generelle Steuern erfassen das Gesamteinkommen, wohingegen spezielle Steuern nur Teile des Einkommens, Vermögens oder spezielle Verkehrsvorgänge umfassen[375]. Die Unterscheidung zwischen gleichartigen und nicht gleichartigen Steuern ist für die Frage der Kompetenzverteilung nach Art. 105 GG von Relevanz[376]. Die Frage der Periodizität einer Steuer bestimmt sich nach der Turnusmäßigkeit ihrer Erhebung.
VI. Die Abgabenordnung als Prototyp verwaltungsrechtlicher Kodifikation – Grundfragen des Steuerverwaltungsrechts
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Das bedeutendste Steuergesetz ist die Abgabenordnung. Diese Formulierung kennzeichnet das Verständnis der Abgabenordnung (AO) als Mantelgesetz[377] des Steuerrechts. Bereits die Reichsabgabenordnung 1919[378] (RAO), als historische Vorgängerin der AO, strebte die Zusammenfassung der Vorschriften der verschiedenen Einzelsteuergesetze an, um das allgemeine Steuerrecht sowie das Steuerverfahrensrecht in einem „besonderen Gesetz“ zu regeln. Die Einzelsteuergesetze sollten demgegenüber lediglich „Sonderbestimmungen“ für die einzelnen Steuerarten enthalten[379]. Erst die Neufassung der Abgabenordnung aus dem Jahr 1977 (AO 1977)[380] verwirklichte jedoch diese ihr zugewiesene, grundlegende Funktion. Hatte die (R)AO eine Vorreiterrolle bei der Kodifikation von Verwaltungsverfahrensrecht, so geht das Steuerverwaltungsrecht auch heute bei der Anpassung des Rechts an die Entwicklung der Digitalisierung voran. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wurde in Form eines Artikelgesetzes nicht nur die AO novelliert, sondern auch entscheidende Neuerungen in das VwVfG eingefügt[381]. Im Bereich des Steuerverfahrens wird damit u.a. die Möglichkeit einer vollautomatischen Bearbeitung von Steuererklärung bis hin zur elektronischen Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten (§ 122a AO) rechtlich eingeräumt[382].
1. Struktur und Inhalt der AO
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Formal ist die AO ein Bundesgesetz auf der Kompetenzgrundlage von Art. 105 und 108 Abs. 5 GG[383]. Die AO löste mit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1977 die bisher geltende RAO aus dem Jahr 1919 ab und verwirklichte wichtige steuerliche Reformziele unter Berücksichtigung neuer rechtstaatlicher sowie technischer Erkenntnisse[384]. Gleichzeitig vollzog die AO die Harmonisierung mit den Vorschriften des am selben Tag in Kraft getretenen Verwaltungsverfahrensgesetzes[385] (VwVfG)[386]. Bei der erstmaligen Kodifizierung des VwVfG konnte der Bundesgesetzgeber daher neben den ungeschriebenen Grundsätzen des Verwaltungsrechts gleichsam auf die RAO als Prototyp einer verwaltungsrechtlichen Kodifikation zurückgreifen. Steuerverwaltungsrecht und allgemeines Verwaltungsrecht beeinflussten sich dadurch wechselseitig. Die formale Angleichung der AO an das erstmalig kodifizierte VwVfG wurde zwar in der Literatur aufgrund der zum Teil unreflektierten Übernahme verwaltungsrechtlicher Begrifflichkeiten in die AO kritisiert[387], sie hat sich jedoch für Entwicklung und Verständnis der Steuerrechtswissenschaft als fruchtbar erwiesen[388]. Die AO bildet somit gegenwärtig zusammen mit Teil X des Sozialgesetzbuchs (SGB X) und den Verwaltungsverfahrensgesetzen die „Säulen-Trias“[389] des Verfahrensrechts[390]. Anders als das VwVfG enthält die AO indes nicht nur verfahrensrechtliche Regelungen[391]. Als Mantelgesetz strukturiert die AO diejenigen Materien, welche für alle oder zumindest einen Teil der Steuern gelten. Lediglich das Finanzverwaltungsgesetz (FVG) für die Finanzverwaltung und die Finanzgerichtsordnung (FGO) für das gerichtliche Verfahren wurden als selbstständige Gesetze neben der AO beibehalten[392]. Trotz dieses umfassenden Regelungsanspruchs[393], kann die AO nicht als steuerliche Grundordnung bezeichnet werden[394]. Die grundlegenden Entscheidungen über Anlage und Ausgestaltung des Steuerrechts sind auch weiterhin Verfassungsentscheidungen[395].
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Die AO ist inhaltlich insgesamt in neun Teile gegliedert: In ihrem Ersten Teil (§§ 1–32) definiert die AO die vor die Klammer gezogenen steuerlichen Grundbegriffe und trifft Regelungen zum Anwendungsbereich. Die Überschrift „Einleitende Vorschriften“ ist der RAO entnommen worden, erweist sich jedoch im Hinblick auf die Vorschriften über die Zuständigkeit der Finanzbehörden sowie das Steuergeheimnis als unzutreffend[396]. Der sachliche Anwendungsbereich wird durch die Vorschrift des § 1 AO bestimmt. Dieser erstreckt sich nach § 1 Abs. 1 AO auf solche Steuern und Steuervergünstigungen, die durch Bundesrecht oder das Recht der Europäischen Gemeinschaften[397] geregelt sind, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden[398]. Für Zölle ist die AO vorbehaltlich des Zollkodexes anwendbar[399]. Für die von den Gemeinden verwalteten Steuern gilt die AO nur, sofern sie in den jeweiligen Landesgesetzen für anwendbar erklärt wird. Beziehen sich die Landesgesetze auf die AO, gelten die Vorschriften des VwVfG[400] lediglich ergänzend.
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Der Zweite Teil (§§ 33–77) der AO behandelt überwiegend das materielle Steuerschuldrecht. Das Steuerschuldrecht definiert die Grundsätze im Verhältnis zwischen Staat und Steuerschuldner. Geregelt werden die Ansprüche, die sich aus dem Steuerschuldverhältnis ergeben sowie Fragen bezüglich der Steuerbegünstigung oder Haftung. Der Begriff Steuerschuldrecht deutet zwar auf Gemeinsamkeiten mit dem Schuldrecht des BGB hin, gilt jedoch zum Teil als irreführend, da der Begriff des Steuerpflichtigen (§ 33) über das Steuerschuldrecht hinausreicht[401]. Er hätte dementsprechend an der Spitze der steuerlichen Begriffsbestimmungen platziert werden müssen[402].
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Der Dritte Teil (§§ 78–133) der AO befasst sich mit dem Besteuerungsverfahren. Das Steuerverfahren ist ein Verwaltungsverfahren, das auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass von Verwaltungshandlungen gerichtet ist[403]. Insbesondere die verfahrensrechtlichen Vorschriften der AO sind daher weitgehend an das VwVfG angeglichen worden.
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Die Teile vier bis sechs (§§ 134–346) regeln die einzelnen Stationen des Steuerverfahrens. Daneben enthalten die Einzelsteuergesetze spezielle Verfahrensvorschriften für die jeweiligen Steuerarten. Die Besteuerung erfolgt im Rahmen eines gestuften Verwaltungsverfahrens, welches sich in vier selbstständige Teilbereiche untergliedert[404]. Das Steuerverfahren beginnt mit einer Vorbereitungsphase, in welcher die Steueransprüche im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (§§ 85 ff., 134 ff., 149 ff.) festgestellt werden[405]. Danach erfolgt die Entscheidung über die Steuerfestsetzung (§§ 155 ff., 179 ff.) durch Steuerverwaltungsakt. Das Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO) verwirklicht zuletzt die festgestellten Ansprüche aus dem Steuerverhältnis. Das Vollstreckungsverfahren (§§ 249 ff.) betrifft demgegenüber die zwangsweise Verwirklichung der Ansprüche.
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Der Siebte Teil (§§ 347–367) der AO normiert das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren und entspricht funktional dem Widerspruchsverfahren der VwGO. Seit 1994[406] gibt es im Anwendungsbereich der AO nur noch den Einspruch als außergerichtlichen Rechtsbehelf. Die AO schließt im Achten Teil (§§ 369–412) mit dem nicht dem Steuerrecht im engeren Sinne angehörenden Steuerstraf- sowie dem Steuerordnungswidrigkeitenrecht.
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