Kitabı oku: «Besonderes Verwaltungsrecht», sayfa 4

Yazı tipi:

IV. Die Reformphase unter europarechtlichem Einfluss bis heute

12

In den Folgejahren kam es zu einer Stärkung des ökologischen Bewusstseins in der Bevölkerung, was sich auch in der zunehmenden Intensivierung nationaler und europäischer Umweltpolitik ausdrückte. Ein wichtiges Anwendungsfeld des Umweltschutzes lag und liegt dabei noch immer im Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, insbesondere im Rahmen der noch zu behandelnden Raumordnungsverfahren[53]. Die Folge dieser Entwicklung waren europaweite Diskussionen und Novellierungen im Raumordnungs- und Raumplanungsrecht (vgl. dazu unten Rn. 74).

Für die Abwägung von Umweltbelangen war zunächst die EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeit bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten[54] von Bedeutung. In diesem Zusammenhang war lange umstritten, ob und inwieweit das bundesdeutsche Raumordnungsrecht den Vorgaben dieser Richtlinie genügte[55]. Seit 1990 sind diese Fragen durch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)[56] geklärt. So konnten gemäß § 16 UVPG die Schutzgüter des § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG in einem Raumordnungsverfahren im Rahmen der behördlichen Prüfung der Raumverträglichkeit bestimmter Maßnahmen und Planungen als frühzeitiges Mittel überörtlich-raumbezogener Prägung ermittelt, beschrieben und auch bewertet werden. Durch diese gesetzlichen Einführungen und Änderungen ist die EG-Richtlinie zur Umweltverträglichkeit in nationales Recht umgesetzt worden. Eine umweltfreundliche Veränderung erfuhr das UVPG schließlich im Rahmen der Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie[57].

13

Während dieser Zeit wurde das Raumordnungsgesetz gleich dreifach erneuert – im Januar 1998 im Dezember 2008[58] und im Mai 2017[59]. Durch die erste Reform 1998 wurde das zuvor nur auf Länderebene eingeführte Raumordnungsverfahren im Bundesrecht verankert[60] und derart verändert, dass mit einem bundeseinheitlichen Verfahren geprüft werden konnte, ob ein bestimmtes Vorhaben den Erfordernissen der Raumordnung[61] entspricht. Daneben wurden die Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung neu formuliert und harmonisiert, sowie die Vorschriften über Ziele, Aufgaben und Grundsätze der Raumordnung aktualisiert. Es ist außerdem eine einheitliche Leitvorstellung geschaffen worden, die in ihrer räumlichen Dimension in acht Teilaspekten verdeutlicht wird[62]. Neu eingefügt wurde als Leitvorstellung in § 1 II Nr. 8 ROG a.F.[63] z.B. die Schaffung der räumlichen Voraussetzung für den Zusammenhalt in der Europäischen Gemeinschaft und im größeren europäischen Raum. Hier wird bereits erkennbar, wie sehr die europäische Diskussion über die Raumnutzung die Raumordnungspolitik der Mitgliedstaaten beeinflusste.

14

Die praktischen Erfahrungen mit dem ROG-1998 wurden schließlich bei der zweiten Novellierung im Jahre 2008 herangezogen. Teils war auch diese Novellierung durch Vorgaben gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien bedingt.[64] Obwohl die Europäische Gemeinschaft (nunmehr die Europäische Union) keine ausdrückliche und umfassende Kompetenz für Raum- und Stadtentwicklungsregelungen im Allgemeinen besaß, wird hier deutlich, wie sehr sie durch ihre einzelnen Fachkompetenzen erheblichen Einfluss auf die Raum- und Städteentwicklung ausgeübt hat[65] – so z.B. bei der Umweltpolitik im Rahmen des Art. 192 Abs. 2 AEUV oder bei dem Ausbau transeuropäischer Netze gem. Art. 170 f. AEUV[66]. Die Erkenntnis, dass mit zunehmenden Kompetenzbereichen eine gewisse Koordinierung der verschiedenen EG-Fachpolitiken im Hinblick auf die Raumentwicklung der Mitgliedstaaten notwendig geworden war, brachte schließlich erneut Schwung in die Diskussion um die europäische Raumentwicklung (vgl. dazu unten Rn. 74).

15

Eine weitere Novelle erfolgte im Jahr 2017, mit der eine behutsame Erweiterung der Zuständigkeiten des Bundes für eine bundesweite Raumordnungsplanung erfolgte. Darin wurde u.a. verankert, dass diese auch den Hochwasserschutz umfasst.

16

In der Zeit zwischen der ersten und der zweiten sowie der dritten Novellierung stiegen die Anforderungen an eine wirksame Raumordnungspolitik, die Wachstum und gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen sichern und fördern soll, durch die voranschreitende globale, ökonomische Verflechtung und den demografischen Wandel, weiter an[67]. Gleichzeitig entwickelte sich das Planungsverständnis dergestalt, dass die zuständigen Akteure der Raumordnung verstärkt auf Flexibilität und Kooperation setzten. Daher wurden insbesondere Regelungen, welche die Zusammenarbeit der verschiedenen Raumordnungsakteure betreffen, verändert, so z.B. die Grundsätze der Raumordnung in § 2, die Regelung über die raumordnerische Zusammenarbeit der Träger raumbedeutsamer Planung in § 14 und § 24 ROG[68]. Diese Entwicklung des Planungsverständnisses wurde auch durch die gestiegene Komplexität der Materie auf Grund der veränderten verfassungsrechtlichen Grundlagen und der europäischen Raumentwicklungsdiskussion, auf die noch näher einzugehen sein wird, befördert: Durch die Föderalismusreform 2006 ist die Rahmengesetzgebungskompetenz weggefallen und die Abweichungskompetenz der Länder u.a. für die Raumordnung eingeführt worden, wobei die rahmengesetzlichen Regelungen des ROG 1998 zunächst gem. Art. 125b Abs. 1 GG fortgalten. Unter Beachtung der Karenzzeit nach Art. 72 Abs. 3 S. 2 GG n.F. trat das neue ROG somit teilweise erst sechs Monate später in Kraft[69]. Inwieweit das Raumordnungsgesetz in der Fassung der dritten Novelle, das trotz einiger Neuerungen zu einem beachtlichen Teil die bewährten Regelungen des ROG 1998 übernommen hat, den gestiegenen Ansprüchen und Herausforderungen der Raumordnung im 21. Jahrhundert langfristig gesehen gerecht wird, bleibt abzuwarten. Kritisiert wurde zunächst, dass die „historische Chance zu einer grundlegenden Ertüchtigung der Bundesraumordnung“ vertan worden sei, da die erstmalige umfassende Anwendung der Vollkompetenz des Bundes aus der Natur der Sache nur sehr zurückhaltend genutzt wurde[70]. Diese Kritik übersieht aber, dass in der Praxis Bund und Länder fachlich eng zusammenarbeiten; Raumordnungspolitik besteht schließlich nicht nur aus den Instrumenten der Raumordnung alleine, sondern umfasst alle Mittel der Fachplanungen oder der Förderprogramme, mit denen die raumordnerischen Zielvorstellungen in der Praxis durchgesetzt werden können[71]. Dass der gewählte Weg des Bundesgesetzesgebers auf einem Konsens aller Akteure beruht, erkennt man schließlich auch an der Novellierungswelle der Landesplanungsgesetze nach 2009: Trotz bestehender Abweichungsbefugnis nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG wichen die Landesgesetzgeber nur marginal von dem ROG ab[72].

C. Die gesetzlichen Grundlagen des Raumordnungsrechts

I. Die Raumordnungsgesetze des Bundes und der Länder

17

Das nationale Raumordnungsrecht wird durch das ROG bestimmt, das mit dem Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften (GeROG) vom 22.12.2008[73] und dem Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften vom 23.5.2017[74] umfassend reformiert wurde. Die Entwicklung des Raumordnungsrechts wurde damit weiter vorangetrieben – u.a. mit bedeutsamen Neuerungen.

1. Das Raumordnungsgesetz 2008

18

Wie bereits dargelegt basierte diese zweite Novellierung maßgeblich auf der vorangegangenen Föderalismusreform, auf gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien und den Praxiserfahrungen mit dem ROG von 1998. Die grundlegenden Strukturen wurden allerdings beibehalten: Im Abschnitt 1 (§§ 1–7) befinden sich in wesentlichen Zügen unverändert die Allgemeinen Vorschriften insbesondere über Grundsätze, Begriffe und Aufgaben der Raumordnung, welche durch die ergänzenden Regelungen der Raumordnung in den Ländern (§§ 8–16) ergänzt werden. Die Raumordnung im Bund wird im Abschnitt 3 (§§ 17–25), welcher auf Grundlage der Vollkompetenz kraft Natur der Sache erlassen wurde und somit bereits im Dezember 2008 in Kraft trat, konkretisiert und befasst sich mit dem Planungs- und Koordinierungsauftrag des Bundes, insbesondere den Regelungen für die Aufstellung von Raumordnungsplänen für den Gesamtraum. Abschnitt 4 (§§ 26–29) enthält schließlich Regelungen über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern, sowie Schlussvorschriften.

2. Das Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften 2017

19

Mit der Novellierung von 2017 wurde die Richtlinie zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung 2014/89/EU vom 23.6.2014 und damit verbundene Standardsetzungen für die maritime Raumplanung der Mitgliedstaaten der EU sowie die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen Land und Meer umgesetzt. Darüber hinaus verdeutlichte die Novelle die regelungssystematische Trennung zwischen den für Raumordnung in allen Bereichen des Bundesgebiets geltenden allgemeinen Vorschriften (Abschnitt 1) und den für den Bereich der Raumordnung der Länder (Abschnitt 2) sowie den für den Bereich der Raumordnung im Bund geltenden besonderen Vorschriften (Abschnitt 3). Zudem wurde durch § 17 Abs. 2 ein länderübergreifender Raumordnungsplan für den Hochwasserschutz eingeführt. Daneben erfolgten einige redaktionellen Korrekturen und Aktualisierungen sowie Akzentsetzungen im Bereich der Grundsätze der Raumordnung, der Ausdehnung der raumordnungsplanerischen Festlegungsmöglichkeiten, soweit die Möglichkeit zeitlich gestufter bedingter und befristeter Festlegungen vorgesehen wurde (siehe § 7 Abs. 1 Satz 2) und der Einstieg in das Thema der „unterirdische Raumordnung“, indem eine Raumordnungsklausel in § 48 Abs. 2 BbergG verankert wurde. Dadurch entzog der Gesetzgeber dem Bergbau seine bisherige Sonderstellung im Verhältnis zu anderen unterirdischen Nutzungen.[75]

3. Die Raumordnungsgesetze auf Länderebene

20

Auf Landesebene haben im Gegensatz zu den Stadtstaaten alle Flächenländer eigene raumordnungsrechtliche Gesetze erlassen. Diese werden häufig als Landesplanungsgesetze bezeichnet und regeln die landesweite Raumordnungsplanung, sowie die Regionalplanung. Für die Stadtstaaten, für welche die Sonderregeln des § 13 Abs. 1 S. 2, 3 ROG gelten, sind keine raumordnungsrechtlichen Landesgesetze vorhanden. Vielmehr lässt der Bundesgesetzgeber für die Raumordnung der Stadtstaaten die Existenz von Flächennutzungsplänen genügen. Es gelten jeweils: das Baden-Württembergische Landesplanungsgesetz (LPlG) vom 10.7.2003[76], zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.12.2017[77], das Bayerische Landesplanungsgesetz (BayLPlG) vom 25.6.2012[78], zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2015[79] und durch § 1 Abs. 263 der Verordnung vom 26. März 2019[80], der Vertrag über die Aufgaben und Trägerschaft sowie Grundlagen und Verfahren der gemeinsamen Landesplanung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg (Landesplanungsvertrag) in der Fassung vom 1.11.2011[81], sowie das Gesetz zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung (RegBkPlG) vom 8.2.2012[82], zuletzt geändert durch Art. 1 Erstes ÄndG vom 30.4.2019[83], das Hessische Landesplanungsgesetz (HLPG) vom 12.12.2012[84], zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.8.2018[85] das Gesetz über die Raumordnung und Landesplanung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LPlG) vom 5.5.1998[86] zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.7.2018[87], das Niedersächsische Raumordnungsgesetz(NROG) in der Fassung vom 6.12.2017[88], das Nordrhein-Westfälische Landesplanungsgesetz (LPlG) vom 3.5.2005[89], zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.11.2016[90], das Rheinland-Pfälzische Landesplanungsgesetz (LPlG) vom 10.4.2003[91], zuletzt geändert durch Gesetz vom 6.10.2015[92], das Saarländische Landesplanungsgesetz (SLPG) vom 18.11.2010[93], zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.2.2019[94]das Gesetz zur Raumordnung und Landesplanung des Freistaates Sachsen (SächsLPlG) vom 11.6.2010[95], zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.12.2016[96], das Landesentwicklungsgesetz Sachsen-Anhalt (LEntwG LSA) vom 23.4.2015[97], das Schleswig-Holsteinische Gesetz über die Landesplanung vom 27.1.2014[98], zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.5.2019[99], und das Thüringer Landesplanungsgesetz (ThürLPlG) vom 11.12.2012[100], zuletzt geändert durch Art. 44 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018[101]. Zu erwähnen bleibt noch, dass das Saarland nach der erweiterten Stadt-Staaten-Klausel (§ 13 Abs. 1 S. 3 ROG) von der Pflicht Regionalpläne zu erlassen, befreit ist und dass Berlin und Brandenburg mit dem Vertrag über die Aufgaben und Trägerschaft sowie Grundlagen und Verfahren der gemeinsamen Landesplanung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg vom 6.4.1995[102], in der Fassung vom 1.11.2011[103] eine staatsvertragliche Vereinbarung über eine gemeinsame Landesplanung geschlossen haben.

Wie aus den Verkündungsdaten ersichtlich wird, wurden in den letzten Jahren – angestoßen durch die Neuregelung auf Bundesebene 2008[104] – die Mehrheit der Landesplanungsgesetze novelliert.

II. Verteilung der Gesetzgebungskompetenz

21

Dass die raumordnungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen mehrfach im Fokus der Wissenschaft standen, wurde bereits angedeutet. Durch die im Zuge der Föderalismusreform 2006 eingeführten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG mit Abweichungsmöglichkeit der Länder gem. Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG wurde die rechtliche Lage keineswegs einfacher, auch wenn die befürchtete Gefahr der „Ping-Pong“-Gesetzgebung[105] bisher nicht eingetreten ist[106].

Schon zuvor, als noch die Rahmengesetzgebungskompetenz des Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG a.F. existierte, war trotz des scheinbar klaren Befunds, dass dem Bund nur die Kompetenz zu Rahmenregelungen zustand, d.h. die Kompetenz „der Ausführung fähigen und bedürftigen Grundsatzregelungen“[107] zu erlassen, die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen problematisch. Dies lag daran, dass das Bundesverfassungsgericht dem Bund in seinem Baurechtsgutachten[108] neben der Rahmenkompetenz auch eine ausschließliche Vollkompetenz kraft Natur der Sache für die Raumordnung im Gesamtstaat zugesprochen hatte. Auch in der Literatur[109] blieben die genauen Kompetenzgrenzen ungeklärt – insbesondere deshalb, weil auf Drängen der Länder der Bund sich beim Erlass des Raumordnungsgesetzes a.F. damit begnügte, lediglich seine Rahmenkompetenz gem. Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG a.F. auszuüben[110] und die ihm vom Bundesverfassungsgericht zugebilligten Regelungskompetenz bezüglich einer Raumordnung im Gesamtstaat[111] zunächst nicht in Anspruch nahm. Dies änderte sich mit den ROG-Novellierungen 2008 und 2017, in denen der Bund von seiner Kompetenz der Raumordnung im Gesamtstaat umfassend Gebrauch machte, obwohl unklar war, ob nach der Föderalismusreform 2006 die ausschließliche Kompetenz des Bundes für die Raumordnung im Gesamtstaat fortbestand[112].

22

Durch die Föderalismusreform 2006 wurde die Raumordnung der konkurrierenden Gesetzgebung zugeschlagen und die Länder gem. Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG ermächtigt, von den bundesgesetzlichen Regelungen abzuweichen. Dadurch wurde die Frage aufgeworfen, ob weiterhin davon auszugehen ist, dass der grundgesetzliche Begriff der „Raumordnung“ nur die Landesplanung umfasst, oder ob der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht durch die Neuregelung die ungeschriebene Vollkompetenz des Bundes für die Raumordnung im Gesamtstaat abgelöst hatte[113]. Für die zweite Auffassung spricht, dass das Grundgesetz nicht zwischen Bundes- und Landesraumordnung unterscheidet[114]. Wenn man dieser Ansicht folgt, hätten die Länder nicht nur bei Untätigkeit des Bundesgesetzgebers gem. Art. 72 Abs. 1 GG Regelungen zu treffen, sondern generell Raumordnungsangelegenheiten gem. Art. 72 Abs. 3 GG nach Belieben erschöpfend zu regeln. Der Landesgesetzgeber könnte über die Landesplanung hinaus auch Regelungen bezüglich der länderübergreifend bedeutsamen Planung und Koordination erlassen, d.h. allgemeine Regelungen des Bundesgesetzgebers bezüglich der gesamtstaatlichen Raumordnung ebenfalls außer Kraft setzen und anderweitig regeln.

23

Die Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers war jedoch eine andere. Die Koalitionsfraktionen gingen im Rahmen der Föderalismusreform davon aus, dass „es sich bei der Raumordnung nach Artikel 72 Abs. 3 Nr. 4 GG neu wie bisher um die Raumordnung der Länder handelt“[115]. Auch im weiteren Verlauf vertrat die Bundesregierung 2008 die Auffassung, dass die ungeschriebene Vollkompetenz nicht abgelöst wurde; Teile des neuen ROG-Entwurfs wurden auf diese Kompetenz gestützt[116]. Dies ist auch insoweit plausibel, als die im Baurechtsgutachten vom Bundesverfassungsgericht angeführten Argumente zur Herleitung der Kompetenz kraft Natur der Sache durch die Föderalismus-Reform gerade nicht nicht entkräftet wurden. Die Länder können den Gesamtraum – nicht einmal gemeinsam – bezüglich seiner länderübergreifenden Aspekte erfassen und koordinieren[117]. Im Ergebnis ist daher nach wie vor von der Anwendbarkeit der Kompetenz kraft Natur der Sache auszugehen, die sich jedoch nur auf Gestaltungsregeln bezieht, die auf Grund ihrer besonderen Eigenart zwingend durch den Bund zu regeln sind. Die Länder sind demnach gemäß Art. 70 Abs. 1 GG nicht befugt, Regelungen über die Raumordnung im Gesamtstaat zu treffen, da diese Kompetenz kraft Natur der Sache weiterhin dem Bund zusteht[118].

24

Das Kernproblem raumordnungsrechtlicher Gesetzgebungskompetenzen liegt darin, dass der raumordnungsrechtlich in mehrere Ebenen unterteilte Raum faktisch nur einmal existiert[119]. Die verwirrende Diskussion um die Kompetenzverteilung wäre wahrscheinlich endgültig beendet worden, hätte man die Regelungsmaterie der Vollkompetenz kraft Natur der Sache in Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG in Gestalt eines abweichungsfesten Kerns entsprechend den anderen Regelungsmaterien des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 2 und 5 GG aufgenommen. Diesbezügliche Vorschläge wurden jedoch vom Verfassungsgesetzgeber nicht umgesetzt[120], da er weiterhin davon ausging, dass der Raumordnungsbegriff des Grundgesetzes sich einheitlich auf die Landesplanung bezieht. Der abweichungsfeste Kern muss zur Vermeidung von Konflikten inhaltlich mindestens die Bundeskompetenz für die Raumordnung im Gesamtstaat kraft Natur der Sache umfassen. Auch die Bundesländer waren im Rahmen der Reformen ihrer Landesplanungsgesetze nach 2009 bemüht, „abweichende Sondergesetzgebung“ zu vermeiden und auf eine Klarstellung der Rechtslage hinzuwirken, so dass kompetenzrechtlichen Streitigkeiten in der Praxis kein Raum gegeben wurde.[121]

III. Umfang und Abgrenzung der Regelungsbereiche des Bundes und der Länder

25

Durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG n.F. konkurrieren Bund und Länder im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Raumordnung. Mit Inkrafttreten der ROG Novellierungen von 2007 und 2017 stellte sich die Frage nach der Anwendbarkeit der jeweiligen Landesplanungsgesetze, insbesondere in welchem Umfang sie durch Regelungen des ROG 2008 und 2017 verdrängt wurden. Dabei hat sich gezeigt, dass die befürchtete Flut an Gesetzesnovellen „unter maximaler Ausschöpfung der Abweichungskompetenz“, gefolgt von einer „Ping-Pong“-Gesetzgebung[122] nicht eingetreten ist.[123] Im Übrigen gilt § 27 Abs. 3 ROG, wonach Verfahren zur Aufstellung von Raumordnungsplänen nach § 13 sowie Raumordnungsverfahren nach § 15, die vor dem 29.11.2017 förmlich eingeleitet wurden, nach den bis zum 28. November 2017 geltenden Raumordnungsgesetzen von Bund und Ländern abgeschlossen werden. Zudem ordnet § 27 Abs. 3 ROG an, dass am 29.11.2017 geltendes Landesrecht, das § 2 Abs. 2, die §§ 6 bis 12 ROG oder die Vorschriften des Abschnitts 2 des ROG ergänzt, sowie landesrechtliche Gebührenregelungen und weiter gehendes Landesrecht zur Beschleunigung des Verfahrens bei Änderung eines ausgelegten Raumordnungsplanentwurfs unberührt bleiben.

26

Sofern ein Landesgesetzgeber von der Abweichungskompetenz Gebrauch macht, wird das Bundesrecht, soweit das Landesrecht von ihm abweicht, suspendiert. Hebt der Landesgesetzgeber das abweichende Gesetz wieder auf, kommt das Bundesrecht automatisch wieder zur Anwendung[124]. Probleme ergeben sich dabei bezüglich der Frage, was genau unter vom Bundesrecht „abweichende Regelungen“ i.S.d. Art. 72 Abs. 3 GG zu verstehen ist. Die meisten in der Literatur diskutierten Probleme im Hinblick auf die Abweichungskompetenz sind natürlich auch im Raumordnungsrecht von Relevanz. Insbesondere für den Rechtsschutz ist die Abgrenzung zwischen bloßen Wiederholungen und Abweichungen im Landesrecht entscheidend, da die Revisionsfähigkeit vor dem Bundesverwaltungsgericht gem. § 137 Abs. 1 VwGO nur für Bundesrecht gegeben ist und sich in den Landesplanungsgesetzen zahlreiche inhaltsgleiche, aber im Wortlaut leicht unterscheidende Normen wieder finden. Sicherlich ist es auch sinnvoll, aus dem Rechtsstaatsgebot ein ungeschriebenes „Zitiergebot“ herzuleiten[125]: Ein Landesgesetz, das normübergreifend aus ergänzenden, abweichenden und bloß inhaltsgleichen Regelungen besteht, kann unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht in Kauf genommen werden.

27

Auf die näheren Einzelheiten der Landesplanungsgesetze wird noch einzugehen sein; allgemein kann jedoch zunächst festgehalten werden, dass die verschiedenen Landesplanungsgesetze vor allem divergierende Regelungen hinsichtlich der Organisation und Zuständigkeit der Behörden enthalten. Dies betrifft insbesondere die Frage der organisatorischen Zuständigkeit für die Regionalplanung[126].

₺8.073,25

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
3304 s. 7 illüstrasyon
ISBN:
9783811472297
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi: