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Die Hunde des Bundesgrenzschutz der BRD
Weiterhin aktuell ist dagegen die Geschichte der Schäferhunde des Bundesgrenzschutzes, die sich bis heute in den Hundestaffeln der Bundespolizei fortsetzt – laut Polizeiangaben werden dort noch immer insgesamt 500 Diensthunde eingesetzt.38 Überwiegend, aber nicht ausschließlich handelt es sich um Deutsche Schäferhunde.39 Die Tiere werden in ihrer Mehrzahl als Drogensuchhunde, Sprengstoffsuchhunde oder Leichensuchhunde, aber auch als Wach- und Fasshunde zur Ergreifung Flüchtiger eingesetzt. Während die ersten Drogensuchhunde erst 1972 eingeführt wurden, haben die Wach- und Fasshunde eine längere Tradition, die in komplementärem Gegensatz zu den DDR Grenzhunden steht. Denn die Bundespolizei entstand 1951 als „Bundesgrenzschutz“, der vor allem an der innerdeutschen Grenze tätig war. Sie stand in der Nachfolge des im NS etablierten „Zollgrenzschutz“ von 1937.40 Die NS-Kontinuität, die für die DDR durch den Einsatz in KZs und sowjetischen Speziallagern bis hin zum Grenzschutz gegeben ist, kann auch für die Bundespolizei vermutet werden. Bisher ist es mir zwar nicht gelungen, durch Stammrollenvergleiche oder Lieferscheine von Zuchtbetrieben eine direkte Kontinuität der Zuchtlinie nachzuweisen. Trotz fehlender Quellenlage ist jedoch klar, dass durch die institutionelle NS-Kontinuität der Repressionsorgane in DDR und BRD eine Kontinuität zumindest in der Form ihrer Hundenutzung gegeben ist, in jener spezifischen Form von Mensch-Tier-Verhältnis, die ich als „Verstaatlichung des deutschen Schäferhundes“ bezeichnet habe. Die Hunde, als quasi abgeleitete Staatsorgane, mussten somit die staatliche Trennung Deutschlands durchsetzen und durchleiden. Um es konkret zu machen: Von den 34 getöteten Schäferhunden im Grenzbereich zwischen 1961 und 1989, die ich nachweisen konnte, starben neun in den Reihen des BGS, vier weitere im Dienst der Westberliner Schutzpolizei. Die häufigste Todesursache war Stacheldraht, wie im Fall des zitierten Schutzhundes „Rex“ aus Berlin, der sich am 14. August 1961 in den provisorischen Stacheldrahtrollen, dem Vorgänger der Mauer, verfing und von Ost-Berliner Grenztruppen erschossen wurde. Aus Berlin sind zwei weitere Fälle bekannt, bei einem Berliner Schäferhund ist die Todesursache im Jahr 1987 unklar. Meine These ist, dass mit der Professionalisierung der Grenzanlagen die Todesfälle abnahmen, weil die westdeutschen Hunde nach der Errichtung von geschlossen Betonsperren, der klassischen „Mauer“, gar nicht mehr in die eigentlichen Grenzanlagen vordrangen. Sie wurden nun hauptsächlich als Suchhunde an den Übergängen eingesetzt.41 Anders dagegen die Hunde der Berliner NVA-Grenztruppen: Hier gab es immer wieder Zwischenfälle und Verletzungen an Stacheldrahtanlagen, in zwei Fällen aus den Jahren 1964 und 1977 auch Todesfälle durch „friendly fire“ aus den Gewehren verunsicherter Mauerschützen, jeweils nachts oder bei schlechter Sicht.42 Auch an der innerdeutschen Grenze außerhalb Berlins gab es ähnliche Verluste durch Auslösung von Selbstschussanlagen. Betroffen waren hier vor allem freilaufende Hunde. Die Zahlen sind hier unklar, die Gesamttodeszahl von 13 toten Hunden West und 21 toten Hunden Ost bezieht sich nur auf die mir bekannten, aktenkundigen Fälle – es ist sicherlich von einer weit höheren Dunkelziffer auszugehen. Insbesondere die Laufleinenhunde der NVA wurden in zynischer Manier als entbehrlich und nicht zählenswert behandelt. Hier muss es hunderte weitere tote Hunde gegeben haben, über die wir nichts wissen.43 Im BGS, der deutlich weniger Tiere, diese jedoch gezielter einsetzte, ist dagegen eine geringere Dunkelziffer an toten Hunden zu vermuten. Hunde des BGS kamen an der innerdeutschen Grenze nur zweimal durch Schüsse von NVA Grenztruppen ums Leben – 1962 und 1981.44 In der Regel wurden Zwischenfälle solcher Art, der ja im Ernstfall diplomatische Konsequenzen bis hin zu einem dritten Weltkrieg gehabt hätte, durch strikte Einhaltung des Leinenzwangs vermieden.45 Nicht nur zur Vermeidung diplomatischer Zwischenfälle oder gar des Anscheins einer Aggression wurde der Leinenzwang für Diensthunde durch den BGS strikt eingehalten. Es galt zudem, der Bevölkerung für den in den 1950er Jahren auch in westdeutschen Städten und Landgemeinden zunehmend eingeführten Leinenzwang ein Vorbild zu sein.46 Wichtiger jedoch: Die Tatsache, dass Republikflüchtlinge im Westen grundsätzlich willkommen waren und als Beweis für die Überlegenheit des Westens galten, machte den Einsatz scharfer Hunde faktisch unnötig. Die defensive Rolle der BGS-Hunde änderte sich jedoch in den 1990er Jahren, als die innerdeutsche Grenze fiel. Während die Mehrzahl der NVA-Hunde in den Ruhestand versetzt wurde, rückte der Bundesgrenzschutz nun nach Osten und nahm die Schäferhunde mit. An der deutsch polnischen Grenze wurden ihn nun ganz neue Aufgaben übertragen und sollten aggressiv gegen Flüchtlinge und „Schleuser“ vorgehen.
Fazit und Ausblick
Als Ausblick stehen meiner Ansicht nach zwei Konsequenzen im Raum. Erstens muss die Geschichte des Mensch-Tier Verhältnisses an der innerdeutschen Grenze weiter aufgearbeitet werden und im Falle der Grenzhunde, ob nun Schäferhunde oder andere, erinnerungspolitisch thematisiert werden. In diesem Sinne wären die mindestens 34 an der Mauer getöteten Hunde in die Planungen des Berliner „Einheits- und Freiheitsdenkmals“ mit einzubeziehen und symbolisch zu würdigen. Ob dies über eine gesonderte Namenstafel oder über eine eher metaphorisch-künstlerische Form geschieht, wäre zu diskutieren. Denkbar ist beispielsweise die Integration einer symbolischen Stahlleine in Erinnerung an die Laufleinen der NVA, gleichzeitig Anspielung auf die Metapher der Ankettung innerhalb des SED-Staates im Allgemeinen. Eine zweite, vielleicht utopischere Forderung wäre im Sinne der „animal liberation“ das Ende der Projektion von menschlicher Staatsgewalt durch Hundekörper. Insbesondere alle auf Verletzung und Ergreifung von Menschen dressierten Wach- und Fasshunde müssen entlassen und in ein ziviles Leben resozialisiert werden. Es kann schlicht nicht sein, dass 25 Jahre nach dem Fall der Mauer und 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Deutsche Schäferhund ungebrochen Träger und gleichzeitig Opfer eines Gewaltverhältnisses ist, vor dem die Mehrheit der Bevölkerung ihre Augen verschließt.
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1 Der Vorgang ist dokumentiert in: Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv (Freiburg), Kommando der Grenztruppen, Stellvertreter des Chefs der Grenztruppen und Chef Technik und Bewaffnung, BArch GT, DVH 321124
2 „Hitler hatte das größte Vergnügen, wenn Blondi wieder ein paar Zentimeter höher springen konnte [...], und er behauptete, die Beschäftigung mit seinem Hund sei seine beste Entspannung.“ Hitlers Sekretärin Traudl Junge in ihren Memoiren. Vgl. Junge: Bis zur letzten Stunde. Düsseldorf 2001, S.47.
3 Benedict Anderson. Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Berlin 1988. Vgl. Wolfgang Wippermann u. Detlef Berendzen, Die Deutschen und ihre Hunde. Ein Sonderweg der deutschen Mentalitätsgeschichte. München: Siedler, 1999.
4 Krug-Richter, Barbara, Hund und Student - eine akademische Mentalitätsgeschichte (18.-20. Jh.), Jahrbuch für Universitätsgeschichte 10 (2007), S.77-104. (Online: http://www.burschenschaftsgeschichte.de/pdf/krug-richter_hund_student.pdf)
5 Max v. Stephanitz: Der deutsche Schäferhund in Wort und Bild. 6 Auflage. Verlag des „Verein für Deutsche Schäferhunde (SV)“, Jena 1921.
6 Es gibt allerdings Vorläufer: Eine polizeiähnliche Tätigkeit eines Hundes wurde zwar erstmals Anfang des 12. Jahrhunderts bekannt, als Stadtwächter einen Hund in der französischen Hafenstadt Saint-Malo nachts einsetzten. Bekannt wurden Polizeihunde auch 1816 in England zum Aufspüren von Whiskyschmugglern. 1896 stellte die Stadt Hildesheim für Nachtwächterdienste Doggen ein, dem sich die Städte Schwelm und Braunschweig anschlossen. Eine planmäßige Einsetzung von Hunden erfolgte jedoch erst um 1900. Vgl. Die Geschichte des Polizeihundes bei: Reiter- und Diensthundeführerstaffel Hannover, Zirkulare, Heft 8/1967.
7 Erich Mühsam, Tagebücher Heft l, Château-d'Oex, Freitag d. 26. August 1910, onlineausgabe: http://muehsamtagebuch.de/tb/diaries.php
8 Mieke Roscher, Human-Animal Studies, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte,25.1.2012,URL: http://docupedia.de/zg/Human-Animal_studies?oldid=84625. Vgl. auch: Pascal Eitler/Maren Möhring, Eine Tiergeschichte der Moderne: Theoretische Perspektiven, in: Traverse - Zeitschrift für Geschichte (2008), H. 3, S. 91 - 105.
9 Mieke Roscher, Human-Animal Studies, Version: 10, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25.1.2012, URL: http://docupedia.de/zg/Human-Animal_studies?oldid=84625. Vgl. auch: Jason C. Hribal, Animals, Agency, and Class: Writing the History of Animals from Below, in: Human Ecology Review 14 (2007), H. 1, S. 101-112; Clay Mcshane/Joel Tarr, The Horse in the City: Living Machines in the Nineteenth Century, New York 2007.
10 Steinbrecher, Aline, Fährtensuche. Hunde in der frühneuzeitlichen Stadt, in: traverse 2008/3.
11 Eric Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, übersetzt von Yvonne Badal. Hanser, München/Wien 1995.
12 Vgl. Wilhelm Henck, Der Hund auf dem Schlachtfelde - Briefe über seine Geschichte, Erziehung und Verwendung im Felde, Berlin, o. J. [1919]; online im EU-Archivprojekt „EUROPEANA“: http://www.europeana1914-1918.eu/de/europeana/recordl9200231/BibliographicResource_3000060330274#sthash.OjvMcMjI.dpuf
13 Ebenda.
14 Henry Picker: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, Berlin 2003, S. 235.
15 Auf die Aktualität der politischen Instrumentalisierung von Hunden im Wahlkampf verwies der Kynohistoriker Prof. Wolfgang Wippermann in einem Interview mit der ARD: „Wenn Politiker sich mit Hunden in der Öffentlichkeit zeigen, so soll das Sympathie hervorrufen, es ist sogar eine Werbung. Warum ruft das Sympathie hervor? Weil sich damit der Politiker als Mensch wie du und ich darstellt, er ist nicht so unmenschlich, er ist nicht nur Politiker, er ist auch Mensch und er zeigt, dass er Gefühle hat, Gefühle die er dem Hund gegenüber zeigt und wenn der Hund diese Gefühle erwidert, so ist gewissermaßen eine Art Symbiose hergestellt, zwischen den Politikern, dem Politiker und dem Hund, und das weckt eine Welle der Sympathie.“ ARD-Interview, 24. Februar 2002. online unter: http://web.archive.org/web/2008061 1050301/http://www.ndrtv.de/doku/20010705/folge1/wippermann.html
16 Heinrich Hoffmann, Hitler wie ihn keiner kennt, Berlin 1932.
17 Das Motiv erhielt auch eine literarische Verarbeitung - Michael Degen erzählt eine Geschichte des NS aus der Perspektive eines Hundes, vgl. ders., Blondi. München 2004.
18 Die „Standort- und Kommandanturbefehle des Konzentrationslagers Auschwitz 1940-1945“ verzeichnen zahllose Verordnungen zum Gebrauch von Hunden, vgl. die gleichnamige Edition des Instituts für Zeitgeschichte, München 2000, herausgegeben von Norbert Frei.
19 Im Archiv der Gedenkstätte Buchenwald haben sich Quittungen mit den Namen Heinz Mengelmaier und Arthur Grylitzki erhalten, jeweils vom Juni 1940 und Mai 1944. Archiv Buchenwald, Bestand Lagerleitung, Abrechnung 1940, Sig. 444/129. Über eine Anfrage beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit ergab sich, dass dem MfS die NS-Verstrickung Heinz Mengelmeiers, der den Rang eines SA-Obertruppführers bekleidete, bekannt war, dort fand sich auch der Hinweis auf Hundelieferungen an das Speziallager Nr. 7 (Sachsenhausen), vgl. BStU, HA XX 2698/23. Aufgrund der Geschäftsbeziehungen Menglmaiers mit sowjetischen Dienststellen hielt das MfS seine Kenntnisse jedoch unter Verschluss. Grylitzkis Geschäftsbeziehungen mit dem Speziallager Nr. 2 (Buchenwald) ergaben sich durch einen Querverweis: BStU, HA XX, 2755/J678. Anders als Mengelmaier ist für Grylitzki keine NS-Vergangenheit nachzuweisen. Zum Speziallager vgl. auch Bodo Ritscher (Hrsg.): Das sowjetische Speziallager Nr. 2 1945-1950. Katalog zur ständigen historischen Ausstellung. Wallstein, Göttingen 1999.
20 Rasse- und Zuchtarchiv Umpferstedt, Schäferhund/Alsatian - Stammrollen 1944-1947, Blatt 213 und 234. Es handelt sich um die Rüden "Siegfried" (Wurf Mai 1940) und seinen Enkel „Iwanko“ (Wurf Januar 1946), beide aus dem Zuchtbetrieb Grylitzki. Ich danke den Hundefreunden Umpferstedt e.V. für die freundliche zur Verfügungstellung ihres Stammrollenverzeichnisses für meine Forschungen.
21 Jahresbericht der Nationalen Akademie für Veterinärmedizin, Berlin (DDR) 1986.
22 Importe von DDR-Schäferhunden in den Westen waren legal und kamen vor, waren aber bei West-Hundezüchtern nicht gern gesehen. Ihre Stammtafeln wurden angezweifelt, die Hunde waren in der Zucht faktisch nicht vermittelbar, wie ein ironischer Bericht aus der ZEIT von 1973 unter der Überschrift „Hunde aus der DDR sind wie unsignierte Picassos“ illustriert: „Olaf v. Ockertal (sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt) ist ein deutscher Schäferhund. Er ist knapp drei Jahre alt, die Schutzhundeprüfung II hat er mit Erfolg abgelegt – ein Hund, so scheint es, ohne Fehl und Tadel. Doch Olaf v. Ockertal hat einen Makel, was seine Karriere als Ahnherr jäh zerstörte: Olaf ist nämlich ein Deutscher Schäferhund aus der DDR, seine Eltern sind Ostberliner“ - der befragte Hundezüchter gab den Import nach einem Jahr auf. Vgl. Die Zeit, 27.April 1973, online unter: http://www.zeit.de/1973/18/hunde-aus-der-ddr-sind-wie-unsignierte-picassos
23 Marie-Luise Scherer, Die Hundegrenze, Spiegel, 7.2.1994, sowie dies. Die Hundegrenze, Berlin, 2012.
24 „Fortschritt beißt zu“, Berliner Morgenpost,3. November 1981
25 Scherer, Hundegrenze, Spiegel, 7.2.1994
26 Scherer, Hundegrenze, ebenda.
27 Ebenda.
28 Ein Zeitzeuge namens Tews, Anwohner der Grenze, berichtete Luise Scherer von diesen Zuständen vgl. Scherer, Hundegrenze, Berlin 2013, S. 50.
29 Scherer, Hundegrenze, S. 56.
30 Ebenda.
31 Weitere Vorfälle und Dysfunktionalitäten finden sich in einem Bericht des DDR-Außenministeriums, in Archiv des Auswärtigen Amtes, Bestand Außenministerium der DDR, HA 339/3323 „Grenzzwischenfälle 1976-84“, insb. Bl. 76-88.
32 Scherer, Hundegrenze, S.41.
33 Zum Konzept des „Eigensinns“ siehe Alf Lüdtke, Eigensinn, in: Stefan Jordan (Hg), Lexikon Geschichtswissenschaft. Stuttgart 2002, 64-67. Vgl. auch Alexander Kluge u. Oskar Negt: Geschichte und Eigensinn: Band 1: Entstehung der industriellen Disziplin aus Trennung und Enteignung, Frankfurt a.M. 1993.
34 Scherer, Marie-Luise, DIE HUNDEGRENZE, der Spiegel, 07.02.1994.
35 Siehe Fußnote 37.
36 Der Staat Thüringen bewirbt die ehemalige Grenzstreifen mittlerweile mit dem Label "Grünes Band", gewissermassen ein erneuter Umschlag und eine Enteignung der Natur für die Menschlichen Tätigkeitsräume, diesmal als Erholungs- und Freizeitressource: http://www.thueringen-tourismus.de/urlaub-hotel-reisen/das-grueneband-120028.html
37 Siehe hierzu die BBC-Dokumentation „Walking the Wall“ aus dem Jahr 1994.
38 http://www.bundespolizei.de/DE/06Die-Bundespolizei/Ausstattung/diensthunde_anmod.html
39 Die zugelassenen Diensthunderassen der Bundespolizei heute sind: Airedale-Terrier, Belgischer Schäferhund, Bouvier des Flandres, Deutscher Schäferhund, Deutscher Boxer, Dobermann, Hollandse Herdershond, Hovawart, Riesenschnauzer, Rottweiler. Der Belgische Schäferhund und der Hollandse Herdershond wurden erst 1984 nach längeren Debatten zugelassen, sie galten im Gegensatz zum Deutschen Boxer und Deutschen Schäferhund lange Zeit als „nicht zuverlässig“ - ein Vorurteil, dass sich mit 30 Jahren Diensterfahrung im vereinten Europa längst als haltlos erwiesen hat.
40 Auch andere „Ausrüstungsgegenstände“ belegen die NS-Kontinuität der Institution: Der 1931 in der Reichswehr eingeführte Reichsbrotbeutel wurde 1951 beim BGS wieder eingeführt, Vgl. Hans-Jürgen Schmidt: Wir tragen den Adler des Bundes am Rock – Chronik des Bundesgrenzschutzes 1951–1971. Fiedler-Verlag, Coburg 1995, S. 34.
41 Ein Drogensuchhund der Westberliner Grenzpolizei starb 1967 nach längeren Qualen, weil er an einer mit Lysergsäurediethylamid, dem damals in Polizeikreisen noch kaum bekannten „LSD“, getränkten Pappe geleckt hatte. Das kristallisierte LSD war in einen Pappdeckel imprägniert, der wiederum als Teil eines Westpaketes, konkret einer Wurstbox für Thüringische Verwandte, getarnt war. Die Drogenbesitzer, zwei Studenten der Freien Universität Berlin, mussten neben der Strafverfolgung nach dem Betäubungsmittelgesetz auch je 450 DM „Schadensersatz wegen Sachbeschädigung“ leisten - der Hund wurde als Sachmittel und Eigentum des Senats Westberlin klassifiziert. Vgl. die etwas polemische zeitgenössische Berichterstattung: „Gammler vergiften Polizeihund“, BILD, 3. Juni 1967, „Drogen-Studenten müssen für toten Hund zahlen!“, BILD, 5. März 1968. Aufgrund der besonderen Umstände, die mit der dt. Teilung nur mittelbar zu tun haben, ist dieser Todesfall in meiner Aufstellung von 34 Hunden nicht eingerechnet.
42 Jeder Schusswaffengebrauch an der innerdeutschen Grenze wurde vom MfS und DDR-Innenministerium untersucht, wodurch die Vorfälle aktenkundig wurden: BStU, HA XXI, 300/23 sowie 457/89.
43 Nur summarisch ist von „Abgängen“ die Rede.
44 Diese Zwischenfälle erregten aufgrund der diplomatischen Konsequenzen im Kalten Krieg ein gewisses Aufsehen, wodurch sie für die Nachwelt dokumentiert sind vgl. Hamburger Rundschau, 1. April 1962, sowie Hannoversche Allgemeine Zeitung, 3.2.1981, 5.2. 1981.
45 Vgl. Handreichungen für den Diensthundgebrauch, Polizei-Diensthundeschule Bleckede (Hg), 2. erweiterte Auflage Bleckede 1973.
46 Zur Geschichte des Leinenzwangs vgl. das einleitende Kapitel folgender Studie: René Schneider: Das sächsische Gesetz zum Schutze der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden (SächsGefHundG) Zugleich eine Untersuchung über die Kampfhundeproblematik in Deutschland aus öffentlich-rechtlicher Sicht. Studien zum Verwaltungsrecht, Bd. 22, Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2007.
Interviews aus der Zeitschrift sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung
sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung
Debatte
2016, Band 4, Heft 2/3
Seiten 137-144
zeitschrift-suburban.de
„Kritische Wissenschaft braucht einen Begriff von Gesellschaft“
Christiane Schulte & Freund_innen
Mitte Februar 2016 erschien auf Telepolis unter dem Titel „Kommissar Rex an der Mauer erschossen? Ein Plädoyer gegen den akademischen Konformismus“ ein Artikel von Christiane Schule & Freund_innen. Darin berichten die Autor_innen davon, dass sie im Januar 2015 auf einer Tagung am Center for Metropolitan Studies der TU Berlin am Workshop „‘Tiere unserer Heimat‘. Auswirkungen der SED-Ideologie auf gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnisse in der DDR“ mit einem Beitrag teilgenommen hatten. Im Dezember 2015 erschien der Beitrag in der Zeitschrift „Totalitarismus und Demokratie“ des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts. Die dort vorgetragenen Thesen und ein erheblicher Teil des empirischen Materials waren jedoch frei erfunden. In einem Email-Interview befragten wir Christiane Schulte & Freund_innen zu ihrer Kritik an Human-Animal-Studies und Totalitarismustheorien und ihrer Diagnose eines verbreiteten Konformismus in den Geistes- und Sozialwissenschaften.
Im Aufsatz „Der deutsch-deutsche Schäferhund – Ein Beitrag zur Gewaltgeschichte des Jahrhunderts der Extreme“ wird die direkte Abstammung der DDR-Grenzhunde von den KZ-Hunden der National sozialist_innen behauptet, die eigensinnige Widerständigkeit der in Dienst genommenen Hunde, die immerhin 34 Mauertote unter sich zu beklagen hatten, beschrieben. Ein Ausblick beschreibt die Situation der ehemaligen West-Grenzhunde an den EU-Außengrenzen nach der „Wende“, wo die Hunde Flüchtlinge abschrecken mussten, anstatt sie mit freundlichem Gebell willkommen heißen zu dürfen.
Bisher wurde die Intervention von einer Reihe von Zeitungen und einem Fernsehbeitrag besprochen. In zahlreichen E-Mail-Verteilern verschiedener Disziplinen und an universitären Kaffeetischen wurde der Hoax zum Gesprächsstoff. Das Hannah-Arendt-Institut nahm den Beitrag aus der digitalen Ausgabe von Totalitarismus und Demokratie und bedauerte in einer stattdessen veröffentlichten Stellungnahme, dass die Redaktion „durch einen gefälschten Lebenslauf, eine scheinbar wissenschaftliche Argumentation, die dem Leser mit ausführlichen Erläuterungen, umfangreichen Fußnoten und falschen Archivangaben glaubhaft gemacht wurde … systematisch getäuscht“ worden sei. Auch der Arbeitskreis für Human-Animal Studies Chimaira sah sich zu einer Stellungnahme zu diesem „plumpen Human-Animal-Studies-Bashing von Schulte & Co“ genötigt.
s u b \ u r b a n (s\u): Sie schreiben, dass Sie mit Ihrer Intervention „eine Diskussion darüber anregen wollen, warum engagierte Gesellschaftskritik in den Geisteswissenschaften zur Ausnahme geworden ist“. Ist diese Diskussion nach Ihrer Meinung bereits im Gange? Wie erleben Sie die Reaktionen auf Ihre Intervention?
Christiane Schulte & Freund_innen (CSF): Der Telepolis-Text wie auch die Berichterstattung haben per E-Mail und Internet eine unglaubliche Reichweite erlangt. Allerdings gibt es die Tendenz, das Ganze als Witz und Unterhaltung abzutun, was schade ist. Natürlich ist die Satire auch witzig, aber sie hat ein ernstes Anliegen, nämlich die Marginalisierung von Gesellschaftskritik in der Wissenschaft anzusprechen. Wir wollten die unsichtbaren „Grenzen des Sagbaren“ sichtbar machen und zeigen, dass man mit den bizarrsten Inhalten durchkommt, solange sie mit dem Mainstream konform sind, während andere Inhalte und Methoden es extrem schwer haben, als „richtige Wissenschaft“ anerkannt zu werden. Diese Inhalte sind nicht zufällig herrschaftskritisch, feministisch, staatskritisch, antikapitalistisch … unbequem eben.Von daher hätten wir erwartet, dass Vertreter_innen der Kritischen Wissenschaft mehr Diskussionsbedarf haben würden, oder die Zivilgesellschaft. Doch z. B. auch die Vereine, die von der Extremismusklausel akut betroffen waren, haben sich bisher nicht dazu geäußert. Nur der MDR hat im Magazin artour eine Verbindung gezogen, die offensichtlich ist: Die Extremis mustheorie, die der Schäferhund-Hoax als unwissenschaftlich vorgeführt hat, diente in Sachsen über zwei Jahrzehnte dazu, Antifaschist_innen und Linke mit Nazis gleichzusetzen, während die ganz realen Nazis unbehelligt blieben. Die jüngsten Ereignisse zeigen, welche fatalen Folgen das hat.
s\u: Warum ist Ihnen das Moment der Anonymität so wichtig?
CSF: In allen Anfragen war dies bisher das erste Thema. Spannender ist aber doch die Gegenfrage: Warum ist es so wichtig, wer Christiane Schulte ist? Ist es nicht wichtiger, was sie zu sagen hat? Je öfter diese Frage gestellt wird, desto mehr erscheint auch die Personalisierung im Medienbetrieb als ein Problem. Eine Story ist nur dann interessant, wenn man ein nettes Gesicht dazu hat. Auch im akademischen Betrieb geht das so: Bei Bewerbungen ist ein schickes Foto immer gut, während in anderen Ländern längst Bewerbungen ohne Foto üblich sind.
s\u: Es ging uns nicht so sehr um Personalisierung. Sondern eher darum, inwieweit Sie Anonymität als notwendig erachten und dies zugleich auch Ausdruck dessen ist, was Sie kritisieren: eine Struktur der Einschüchterung und die Angst vor den sozialen Kosten von Kritik im Kampf um die Ressourcen des akademischen Feldes? Alan Sokal, der ja in den 1990er Jahren vermutlich den bekanntesten Hoax in den Wissenschaften veröffentlichte, konnte das unter seinem Klarnamen machen.
CSF: Sie haben es erfasst: Der Druck, sich einordnen zu müssen, macht auch vor uns nicht halt. Nur die Anonymität bot die Möglichkeit, überhaupt erst mal frei sprechen zu können, ohne „Schere im Kopf“: Wird mir das beruflich schaden? Was ist bei der nächsten Bewerbung, der nächsten Evaluation? – Das alles einmal zu vergessen, war eine echte Befreiung und hat die Kreativität für die Satire überhaupt erst freigesetzt. Alan Sokal hatte es 1996 insofern einfacher. Er hatte eine Stelle an der New York University und arbeitete als Physiker nicht in dem Bereich, in dem er seine Satire platzierte. Selbstzensur im eigenen Forschungsfeld war also nicht die Idee seiner Intervention. Zwanzig Jahre später gibt diese Frage aber die Hauptstoßrichtung unserer Satire vor. Wir brauchen einen radikalen Bruch mit der Prekarisierung, den Kettenverträgen, den Projektstellen und dem ewigen Bewerber_innenstatus in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Dieses System erzeugt Duckmäusertum und verhindert originelles Denken. Es müssen unbefristete Stellen und soziale Sicherheit erkämpft werden. Die Vorschläge seitens der GEW etwa liegen seit Jahren als „Templiner Manifest“ auf dem Tisch, doch in der Realität hat sich wenig geändert. Unser Hunde-Hoax zeigt, was für eine Wissenschaftskultur entsteht, wenn Geisteswissenschaftler_innen wie Praktikant_innen gehalten werden: Was nichts kostet, ist auch nix wert. Wer die Leute ständig in Existenzangst hält, bekommt eben Konformismus und Nachgeplapper. Die Lösung kann von daher auch nicht mehr peer review sein – das wird das Problem eher noch verstärken, weil gerade ein anonymes peer review, bei dem man alle möglichen und unmöglichen Gutachter_innen im Kopf mitdenken muss, nicht zu originellen Thesen führt. Zu erwarten sind dann eher Artikel mit viel „einerseits-andererseits“, die sich der Linie des Fachblatts anpassen und möglichst viele von dessen Beiträgen zitieren, damit dessen impact factor steigt. Originalität braucht aber nicht noch mehr Evaluation, sondern eine liberale Wissenschaftskultur und soziale Sicherheit für die Forschenden.
s\u: Wie kann man Ihrer Ansicht nach jenseits der Satire der Main streamisierung der Wissenschaft entgegen wirken?
CSF: Zunächst: Nicht alles, was Mainstream ist, ist automatisch schlecht. Wir behaupten nicht, die allein seligmachende Weisheit zu besitzen. Doch wir wollen, dass neben dem Hauptstrom auch Platz für Seitenströme und insbesondere für Gesellschaftskritik ist.
Wie kann man das erreichen? – Satire kann nur auf ein Problem aufmerksam machen, es aber nicht lösen. Satire ist eine Strategie, um etwas offenzulegen, die Debatte um gesellschaftliche Veränderungen beginnt erst danach. Für die Wissenschaft bedeutet das, mal genauer nach den Ursachen des Konformismus zu fragen.
Es geht dabei nicht nur um einzelne Strömungen, sondern um ein Wissenschaftssystem, in dem die bereits angesprochenen prekären Arbeitsbedingungen mit feudalen persönlichen Abhängigkeiten kombiniert werden. Da es in Deutschland keine unbefristeten Stellen im Mittelbau gibt, hat eine Professur nach wie vor einen geradezu mittelalterlichen Status: Alle anderen am Institut sind abhängig vom Lehrstuhlinhaber und dessen Protektion – Lehrstuhlinhaberinnen sind nach wie vor die Minderheit. Es besteht ein massiver Anreiz, sich einzuordnen und Knickfüße zu machen. Gleichzeitig soll man irgendwie innovativ sein. So entstehen Schein-Innovationen und Pseudodebatten, aber keine unabhängige Forschung.
Hinzu kommt ein kulturelles Problem: In Deutschland fehlt die liberale Wissenschaftskultur und oft denkt man, der Kalte Krieg sei noch nicht zu Ende. Gesellschaftskritik steht bei uns immer unter Ideologieverdacht, und auch das ist innovationsfeindlich. So gab es in Deutschland seit den 1970er Jahren eine sehr gute Frauen- und Geschlechterforschung, die kaputtgespart wurde. Und dann wird sie auf Umwegen aus den USA als Gender Studies teilweise wieder reingeholt. Ähnlich verlief es mit antirassistischen Ansätzen, die erst unter dem Label Postcolonial Studies bei uns wissenschaftlich sprechfähig wurden, oder mit marxistischen Strömungen, wie etwa der Kritischen Geographie. David Harvey hätte zum Beispiel in der BRD als Marxist nie eine Professur bekommen. Aber weil sich seine Bücher in den USA gut machen, wird er nun auf Kosten der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingeladen. In Deutschland ist eine gesellschaftskritische Wissenschaft also erst dann aussprechbar, wenn sie vom Weltmarkt kommt. Niemand hat bei der Bachelor-Reform daran gedacht, sich vielleicht aus dem angelsächsischen System auch mal Dinge zum Vorbild zu nehmen wie populär geschriebene Sachbücher und eine liberale Wissenschaftskultur mit Raum für Dissidenzen.
s\u: Liest man Ihre Erklärung auf Telepolis wie auch die Stellungnahme des Arbeitskreises Chimaira, so fällt auf, dass in beiden Fällen mit einem sehr emphatischen Bezug auf einen wissenschaftlichen Ethos argumentiert wird. Sehen Sie hier jeweils unterschiedliche Wissenschaftsverständnisse mobilisiert?
CSF: Haben Sie die Chimaira-Erklärung einmal genauer durchgelesen? Dort wird geleugnet, dass die „Schäferhund-Thesen“ absurd seien. Der Hoax wird auch nach der Enthüllung noch für bare Münze genommen. Chimaira schreibt: „Weiterhin ist bisher weder bewiesen noch widerlegt, dass Wachhunde aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) nicht von KZ-Hunden abstammten.“
Man muss sich das einmal vor Augen führen: Es gibt einen Beitrag mit erfundenen Thesen, der einer wissenschaftlichen Strömung nach dem Mund redet, und die Vertreter_innen dieser Strömung antworten: Beweisen sie uns doch mal, dass ihre Thesen wirklich erfunden sind! Jetzt soll also die arme Christiane Schulte beweisen, dass die NVA-Hunde nicht doch von KZ-Hunden abstammen. Zum Glück gilt in der Geschichtswissenschaft das Primat der Quellen, das heißt, wer eine Behauptung über die Vergangenheit aufstellt, muss eine historische Quelle dafür anbringen. Die Antwort von Chimaira zeigt, dass die Human-Animal Studies kein Wissenschaftsverständnis haben. Sie folgen dem Dogma der animal agency und Kritiker_innen sollen ihnen das Gegenteil beweisen. In der Astrologie wird recht ähnlich argumentiert: Beweisen Sie uns erst einmal, dass Sternzeichen nicht doch etwas über Ihren Charakter aussagen!