Kitabı oku: «DAS ERZ DER ENGEL», sayfa 2

Yazı tipi:

»Hat jemand eine Ahnung, was das ist?«

»Ein Wunder!«, flüsterte Uriel und Gabby verdrehte genervt die Augen.

»Wo geht es lang?«, mischte sich Michael ein, bevor Gabby erneut Gelegenheit fand, in eine Schimpftirade zu verfallen.

»Dreitausend Meter in diese Richtung.« Raphael schickte jedem die Koordinaten und Michael fuhr seine Thoron-Schwingen aus, während er neben Gabby stand und sie durch das Helmvisier angrinste.

»Wettrennen?«, lockte er, aktivierte den Antrieb, hob vom Boden ab und jagte bereits zwischen den ersten Säulen hindurch, während Gabby sich noch die Frage stellte, welcher der Jungs wohl der kindischere sei.

Als auch sie ihre Thoron-Schwingen aktivierte, schoss Uriel bereits an ihr vorbei, flog Loopings und streifte immer wieder mit den Flügelkanten eine der leuchtenden Säulen.

Aber auch Gabby musste zugeben, dass es Spaß machte, zwischen den dicht stehenden Tropfsteinen hindurch zu rasen. Auf so engem Raum nutzten sie die Thoron-Schwingen selten.

Sie drehte sich auf den Rücken und passierte die Säulen in atemberaubender Geschwindigkeit.

Als sie Raphaels Zielort erreichte, landete sie vor einem geschlossenen Portal mit schweren, doppelt gesicherten und verriegelten Torflügeln. So wie es schien, hatten sie die Siedlung gefunden. Sich über das Display neben dem Tor beugend, schloss Raphael seinen Anzug an, um Zugang zu dem Sicherheitssystem zu erhalten.

»Sesam, öffne dich«, murmelte er nach erfolgreichem Abschluss. Die metallenen Torhälften glitten zur Seite, während alle wachsam einen Schritt zurücktraten.

»Gut gemacht«, kommentierte Michael und betrat als Erster die Dekontaminationsschleuse dahinter. Als sich alle darin befanden, schloss sich das äußere Tor automatisch. Der Vorgang dauerte keine Sekunde, aber Gabby empfand auf einmal eine innere Unruhe. Uriel hatte recht, irgendetwas … stimmte nicht. Ihre Hand zuckte zu ihrer Pistole.

»Noch nicht!«, hallte Michaels Stimme über Funk, als er ihre Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm. »Wenn es sich nur um eine defekte Com-Anlage handelt, wollen wir die Siedler nicht erschrecken.«

Gabby gab einen zustimmenden Laut von sich, umfasste aber trotzdem den Pistolengriff.

Sicher war sicher.

Zischend öffnete sich das Innentor und Gabbys Griff um die Waffe verstärkte sich.

Die Anlage lag friedlich vor ihnen.

Oberlichter flackerten, bevor sie sich vollständig einschalteten. Das Summen eines Generators und regelmäßiges Tropfen drang an ihre Ohren. Durch ein Leck an einer der Oberleitungen bildete Wasser eine Pfütze auf dem steinernen Boden. An den Säulen, die die Deckenkonstruktion und die zweite Ebene abstützten, wiesen Warnschilder darauf hin, dass Rauchen und offenes Feuer in diesem Bereich verboten sei.

Als Gabby die Anzeigen in ihrem Helm kontrollierte, entdeckte sie, dass die Temperatur nun ungefähr fünf Grad Celsius betrug sowie ausreichende Sauerstoffsättigung vorlag.

Ein großer Lüfter ratterte über ihnen und pumpte stetig Luft in die Halle. Zu beiden Seiten führten Treppen in nächstgelegene Räume, während sich der Verlauf des Flures vor ihnen nach wenigen Metern in einer Kurve verlor. Einzig die Siedler fehlten.

»Mir gefällt das nicht«, kommentierte Raphael die anhaltende Stille.

Michael brummte, betrat den breit angelegten Gang vor ihnen und spähte hinein. »Finde heraus, wo sich die zentrale Verwaltung befindet.«

Raphael steuerte das wenige Meter vor ihnen stehende Display an, während Gabby sich langsam um die eigene Achse drehte und skeptisch die offene Ebene über ihnen musterte.

Ein Schniefen erklang über Funk. »Hier ist etwas … Ich kann es riechen!«, murmelte Uriel vor sich hin.

Als Gabbys Blick zu ihm schwenkte, hob sie erstaunt die Augenbrauen. »Wo zum Teufel hast du eine Minigun her?«

»Gefunden«, erwiderte Uriel knapp und Gabby ersparte sich die Frage, wo um alles in der Welt man so ein Ding finden konnte. Ob er die auf dem Schiff auch schon hatte?

In einer Siedlung wie dieser, dürfte eine solche Waffe wohl nicht einfach auf dem Boden herumliegen.

Ein weiteres Schniefen über Funk ließ Gabby genervt aufstöhnen.

»Hör auf zu schnüffeln, Uriel!«

»Feindkontakt!«, hallte Michaels Stimme durch den Funk.

Noch ehe Gabby herauszufinden vermochte, aus welcher Richtung der Angriff erfolgte, sahen sie sich auch schon umringt von gut drei Metern langen, massigen Riesenwürmern. Das rundliche Maul umgaben unzählige kleine Zangen und zuckende Tentakel. Keine erkennbaren Augen, dafür mehrere Reihen spitzer Zähne. Mit armähnlichen Gliedmaßen hangelten sich die Würmer vorwärts, hingen an Rohren von der Decke oder krochen an den Treppengeländern entlang.

»Sieht nach einer einheimischen Tierart aus«, analysierte Raphael ganz pragmatisch, während Gabby ihre Pistole aus der Halterung zerrte.

»Scheint, als hätten sie die Siedler für Snacks gehalten«, konterte Gabby trocken, jetzt doch dankbar, dass Uriel mit seiner Minigun neben ihr stand.

»Sie trauern … um ihre Lieben und um sich selbst. Sie sind tot, sie wissen es nur noch nicht«, warf Uriel ein und Gabbys Nervosität stieg.

»Was meinst du damit? Dass wir diese Monster gleich erschießen werden?«

»Nein …« Weiter kam Uriel nicht, weil sich eines der hässlichen Viecher dazu entschied, von der Decke zu fallen und genau zwischen ihnen zu landen. Gabby hechtete zur Seite. Wollte den Waffenlauf auf die Kreatur richten, entschied sich jedoch anders und zielte auf den Riesenwurm, gegen den sie geschlittert war. Sie spürte den Rückstoß ihrer Waffe, als sie abdrückte. Ein markerschütterndes Kreischen erklang, als die Kugeln das Vieh durchschlugen und ihr eine schlammig rote Masse entgegenspritzte. Gleichzeitig jagte eine Gänsehaut über ihren Rücken.

Es klang beinahe wie der gequälte Aufschrei eines … Menschen. Der Bildschirm ihres Helms zeigte sämtliche Angreifer in Form von Punkten an.

Als das Tier starb, verschwand der rot leuchtende Punkt vor ihr, dafür flammte ein weiterer auf. Ein Warnton in ihrem Helm schrillte.

Gabby gelang es gerade noch, sich auf den Rücken zu werfen und die Pistole auf den herabfallenden Wurm zu richten. Er landete halb auf ihr und sein Gewicht presste sie zu Boden.

Fluchend drückte sie den Abzug und hörte im gleichen Augenblick das Donnern von Uriels Minigun. Ein Kugelhagel durchschlug den Wurm – und verfehlte sie nur knapp. Schmerzgepeinigt krümmte sich die Monstrosität über ihr, bevor sie regungslos zusammensackte.

»Scheiße, Uriel! Pass auf, wohin du schießt!«, fluchte Gabby und kämpfte sich unter dem Kadaver hervor. Dank ihres Anzugs gelang ihr dieses Kunststück ohne allzu viel Kraftaufwand.

Eine Verschnaufpause war ihr jedoch nicht vergönnt, denn schon sprang ihr das nächste wurmähnliche Wesen entgegen. Gabby hob ihre Waffe, drückte ab – aber diesmal folgten keine Kugeln. Ein schneller Blick genügte, um zu erkennen, dass das schleimige Blut der Kreatur die Pistole vollkommen verklebte.

Verärgert schnaubend drückte sie die Pistole auf die Magnethalterung ihrer Montur und bewegte hektisch ihren Arm. Als das dort eingearbeitete Schwert aus Oran-Stahl heraussprang, ging Gabby in Angriffsposition. Ihr Kampfanzug konnte es leicht mit diesen Viechern aufnehmen. Noch einmal würde sie sich nicht zu Boden werfen lassen. Den besten Moment abwartend, sprang sie zur Seite, stieß dem Angreifer die messerscharfe Klinge kurz hinter seinem Maul in den Leib, riss das Schwert nach oben und trennte das Vorderteil beinahe vollständig vom Rumpf. Abermals ergoss sich über sie ein Schwall blutigen Schleims, aber die Kreatur sackte kreischend vor ihr zusammen.

»Uriel, eine von deinen Granaten wäre jetzt praktisch!«, erklang Michaels Stimme über Funk.

»Seid ihr wahnsinnig?«, zischte Gabby.

»Es sind zu viele Gegner«, erwiderte Raphael im üblich objektiven Tonfall.

»Sammeln! Sofort!«, verlangte Michael, ohne auf die Diskussion einzugehen und sprintete auf Gabby zu. Raphael befand sich nur wenige Meter links von ihr, Uriel rechts. Ein ärgerliches Schnauben unterdrückend, und einen weiteren hinter ihr heran kriechenden Monsterwurm ignorierend, hetzte sie vorwärts.

Alle vier erreichten den Sammelpunkt. Gabby ließ sich auf die Knie fallen und spürte, wie Raphael sie anrempelte, als er mit zu viel Schwung schlitternd bremste.

»Jetzt!«, rief Michael und Uriel schleuderte eine seiner Granaten senkrecht in die Höhe. Im nächsten Moment umschloss sie Michaels Schutzschild. Eine golden flirrende Energiebarriere, die bislang allem und jedem standgehalten hatte. Durchdringendes Pfeifen schmerzte Gabby in den Ohren, aber die erwartete Explosion blieb aus. Immerhin keine Rubidium-Kern-Granate, dachte sie erleichtert. Somit würden sie auf ihrer vermeidlich letzten Mission nicht unter Tonnen von Gestein begraben werden.

Eine Sekunde des Durchatmens genügte Gabby, um sich zu sammeln und ihre Aufmerksamkeit auf die Helmanzeigen zu richten. Eilig überprüfte sie die Vitaldaten ihres Teams.

»Du bist verwundet«, murmelte sie erschrocken in den Funkkanal und vernahm Michaels belustigtes Brummen.

»Das merkst du erst jetzt?«

»Ist aber kein Notfall. Keine lebenswichtigen Organe wurden verletzt.«

»Das ist beruhigend.« Für eine Bestätigung des deutlich mitschwingenden Lächelns in Michaels Stimme brauchte sie nicht zu ihm aufzuschauen.

Ihre Augen spähten durch den goldenen Energieschild. Wie Schnee in der Sonne schmolzen die wurmartigen Tiere dahin. Hinterließen lediglich unansehnliche Flecken und Knochenhaufen auf dem Boden.

»Sauber«, meldete Raphael und Michaels goldene Schutzbarriere erlosch.

»Gute Arbeit«, lobte Michael und schritt den Flur entlang, um die Überreste eines dieser Tiere in Augenschein zu nehmen.

»Denkt ihr, es lebt noch jemand von den Siedlern?«, hakte Gabby nach, beugte sich über eine der Knochenansammlungen und scannte kniend die Überreste. Schließlich nahm sie einen der Knochen in die Hand. Es handelte sich um einen Oberarmknochen. Grübelnd legte sie den Kopf schief. Anscheinend hatten diese Monster wirklich die Siedler gefressen.

Betrübt legte sie den Knochen zurück und stand auf.

»Wir durchsuchen die Station«, entschied Michael und setzte sich in Bewegung.

Nach Kontrollblicken in jeden angrenzenden Raum, folgten sie dem Verlauf des Flures. Stillstehende Maschinen und Fließbänder säumten ihren Weg. Nur wenige der Riesenwürmer begegneten ihnen noch, während sie die Messe, die Quartiere, unzählige Arbeitsbereiche, Labors und Toiletten durchsuchten.

Als sie schließlich eine weitläufige Grotte erreichten, in der zuvor anscheinend Erze und Metalle abgebaut wurden, verließ Gabby schon jede Hoffnung, doch noch jemanden zu finden. Laut Raphaels Lageplan aus der Datenbank existierten hinter diesem Ort nur noch einige Lagerräume. Dennoch schritt Michael unbeirrt voran – und schon allein dafür bewunderte Gabby ihn.

Er verlor einfach nie den Glauben, selbst angesichts einer hoffnungslosen Lage nicht.

Der hintere Bereich präsentierte sich deutlich verwahrloster. Lampen flackerten und Rost bildete sich an den stählernen Wänden.

Als Michael einen der Zugänge zu den Lagerräumen öffnete und eintrat, erwartete Gabby, eine weitere Wurmkreatur würde sie gleich anspringen. Stattdessen empfingen sie vollgestopfte Lebensmittelregale – und entsetzt dreinblickende Siedler.

»Wir sind von G.O.T.T., bitte haben Sie keine Angst«, erklärte Michael ganz in seinem Element als Anführer.

Für einen kurzen Augenblick vermochten die Siedler ihr Glück kaum zu fassen. Dann brachen sie in Schluchzen und erleichterte Rufe aus.

Solche Momente waren Gabby immer die liebsten. Durch das Visier ihres Helms lächelte sie einen der Siedler an und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, als dieser sich nach endloser Danksagung immer noch nicht von ihr losreißen wollte.

»Sie trauern …«, wiederholte Uriel plötzlich murmelnd, »… um ihre Lieben und um sich selbst. Sie sind tot. Sie wissen es nur noch nicht.«

»Was faselst du da?«, murrte Gabby mit einem Seitenblick auf ihren Waffenexperten. »Wir holen diese Leute hier raus.«

Jedenfalls die, die noch leben, dachte Gabby verbissen. Laut Einsatzbericht befanden sich an diesem Ort ursprünglich tausendvierhundertvierzig Menschen, aber in diesem Raum waren höchsten fünfzig versammelt.

»Hat hier jemand das Sagen?« Inmitten der Menschen ließ Michael seinen Blick in die Runde schweifen. Eine Frau, vielleicht Ende vierzig, hob zaghaft die Hand. Ihre dunkelbraunen, zerzausten Haare durchzogen graue Strähnen.

»Das … bin wohl ich …«, erwiderte sie zögernd und räusperte sich.

»Ich bin Michael«, stellte er sich vor und Gabby lächelte schief, bevor sie sich hinzu gesellte. »Falls jemand ernsthafte Verletzungen hat, kümmert sich Gabriel darum.« Seine Hand deutete auf Gabby.

Als ob das weiße Kreuz auf ihrer Brust nicht schon deutlich genug sei, dachte sie belustigt und musterte die Siedler fachmännisch. Allesamt sahen sie nicht gut aus. Ausgemergelt, mit rot unterlaufenen Augen und grauer Haut, unter der man an manchen Stellen deutlich die Venen in dunklem Blau erkannte.

»Wie heißen Sie?«, wandte sich Michael an die Frau.

»Marple Wozniak«, antwortete diese und wischte sich mit einer Hand über die Stirn.

»Gut, Marple – darf ich Marple sagen?« Als ein Nicken erfolgte, fuhr Michael zügig fort. »Wir holen Sie alle hier raus und bringen Sie nach Arawak 5, aber vorher: Können Sie mir erzählen, was passiert ist?«

Bar jeder Energie schüttelte Marple schwach den Kopf. »Ich weiß es nicht. Schlagartig sind diese grauenvollen … Dinger … aufgetaucht. Im Schlafraum, in den Fabriken, einfach überall. Wir sind um unser Leben gerannt. Thomas gelang es, einen Funkspruch abzusetzen, aber er selbst … kam nie bei uns an …« Kraftlos sank ihr Kopf zur Seite, ehe sie erneut zu Michael aufschaute.

»Wir dachten, wir müssten hier sterben!«, warf ein junger Mann ein und legte Marple einen Arm um die Schultern. Gabby schätzte sein Alter auf vielleicht zwanzig Jahre. In Anbetracht der Tatsache, dass die beiden sich sehr ähnlich sahen, lag die Vermutung von Mutter und Sohn nahe.

»Gut, dann sammeln Sie alle Ihre Sachen ein. Wir verschwinden von hier. Raphael, kontaktiere Eve: Sie soll das Schiff nahe des Eingangs landen.«

»Verstanden!«, bestätigte Raphael.

Gabbys Aufmerksamkeit driftete zu einem der Siedler, der sich schlagartig schwer schnaufend gegen ein Regal lehnte.

Michael befand sich bereits im Begriff, sich abzuwenden, als Marple ihm eine Hand auf den Arm legte und ihn aufhielt.

»Du bist es, nicht wahr?«

»Ich … verstehe nicht ganz«, erwiderte Michael irritiert, und Gabbys Blick huschte wieder zu ihrem Teamführer und der Siedlerfrau.

»Zachary … du … ich dachte, du bist tot. Ich hätte nie gedacht, dass du bei den Erzengeln bist.«

Michael runzelte die Stirn, ehe er sich räusperte. »Das muss eine Verwechslung sein, Marple. Ich kenne Sie nicht.«

»Nein, ich bin sicher!« Marples Finger krallten sich jetzt so fest um die Panzerung an Michaels Arm, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Ich bin … war deine Frau und das ist Aaron, unser Sohn.« Marple deutete auf den jungen Mann neben sich, der erstaunt aufsah.

Dunkelbraune Augen und beinahe schwarze Haare, genau wie Michael, schoss es Gabby durch den Kopf, ehe sie den Gedanken eilig verscheuchte. Die Frau litt einfach nur unter Hirngespinsten, vermutlich verursacht durch ein posttraumatisches Stresssyndrom.

Unbeirrt fuhr Marple fort: »Unser Sohn wurde mit gerade einmal zwei Jahren krank. Wir besaßen kein Geld für die notwendige Operation. Du bist damals gegangen, wohin wolltest du mir nicht sagen. Aber am nächsten Tag befand sich genug Geld auf unserem Konto. Ich erhielt ein Schreiben, dass du umgekommen wärst. Aber das stimmte nicht! Es gibt da … Gerüchte … über die G.O.T.T-Organisation, Zachary«, flüsterte sie Michael eindringlich entgegen.

Obwohl Gabby nur allzu gespannt auf diese Gerüchte war, ruckte ihr Kopf nun in die andere Richtung. Der anscheinend erkrankte Siedler, der sich bis zu diesem Zeitpunkt noch mit Mühe und Not auf den Beinen gehalten hatte, brach in diesem Augenblick zusammen. Mit wenigen raschen Schritten eilte sie zu ihm, kniete neben ihm und ließ einen Scan ablaufen. Seine Werte spielten vollkommen verrückt! Extrem niedrige Sauerstoffsättigung, die Herzschlagfrequenz dafür viel zu hoch.

»Wie geht es ihm?«, erkundigte sich Michael, offensichtlich dankbar für diese Unterbrechung.

»Nach den Werten steht er kurz vor einem Herzinfarkt. Er muss auf die Krankenstation. «

Bevor Gabby jedoch agieren konnte, geschah etwas gänzlich Unerwartetes: Der Brustkorb des Kranken riss auf!

Herausquellendes Fleisch schien den Mann zu verschlingen. Sein qualvoller Schmerzensschrei erstarb erst, als sich die Fleischmasse um seinen Kopf stülpte.

Hilflos und mit offenem Mund starrend kniete Gabby neben ihm, während die anderen Siedler voll Panik mit schreckgeweiteten Augen zurückwichen. Entsetzt über das Unmögliche, das sich vor ihr abspielte.

»Gabby!« Michael packte sie an der Schulter und riss sie zurück. Stolpernd kam sie auf die Beine. Deutlich erkennbar formte sich die Fleischmasse vor Gabbys Augen immer mehr zu einer ihr bekannten Gestalt mit kreisrundem Maul und langen, deformierten Armen, die sich allmählich aus den Seiten bohrten.

»Die Siedler selbst sind diese Würmer! Rückzug! Sofort!«, befahl Michael durch den Funk, packte Gabby am Arm und zog sie mit sich.

»Scheiße«, fluchte sie und wollte im ersten Moment nach ihrer Pistole greifen. Im nächsten Moment erinnerte sie sich daran, dass die Waffe erst gereinigt werden musste und langte nach dem auf ihrem Rücken zwischen ihren Thoron-Schwingen befestigten Sturmgewehr. Auch die verängstigten Siedler wollten aus dem Lager entkommen. Sich um die eigene Achse drehend, aktivierte Michael seinen Schutzschild, der sich schließlich wie eine Wand um die Vierergruppe herum bog.

Da sich der einzige Ausgang hinter Michaels Rücken befand, kamen die vorandrängenden Siedler nicht weit. Sie versuchten zwar, die goldene Barriere zu passieren, doch es erwies sich als unmöglich.

»Zachary! Lass uns durch!«, flehte Marple und presste ihre Hände gegen den Schild, während Michael zurücktrat, sie verbissen zu ignorieren versuchte und stattdessen Gabby ansah.

»Was, denkst du, verändert die Siedler?«

»Keine Ahnung. Ein Virus?«

Michael trat einen weiteren Schritt zurück. »Glaubst du, alle sind betroffen?«

Raphael und Uriel flankierten sie, und als der Mutierte sich bewegte, schoss Raphael ihn durch das Kraftfeld nieder.

»Nun ja, sie sehen alle nicht besonders gesund aus«, kommentierte Gabby und rief die Werte des Mannes, dessen Körper sich vor ihren Augen gewandelt hatte, erneut auf ihren Helmbildschirm.

Ohne Bluttest oder Gewebeproben vermochte sie unmöglich zu sagen, was diese Verwandlung auslöste. Ihr Blick glitt über Michaels Gestalt. Er hatte mehr als genug blutigen Schleim abbekommen, genau wie sie selbst. Sie strich mit ihrem Finger über ihre Brustplatte, und verteilte die klebrige Masse auf ein Gerät an ihrem Arm. Daten ratterten auf einer Seite ihres Helms herunter, während sie nach einem Scanner an ihrem Gürtel griff, in die Hocke ging und die flache Scheibe durch Michaels Schild in den Lagerraum schob. Kurz füllte das hell flirrende Kraftfeld den Raum aus und übermittelte ihr das Ergebnis.

»Scheint sich um eine Mutation zu handeln. Wodurch sie ausgelöst wird, kann ich nicht sagen«, erwiderte Gabby endlich und hörte Michael tief durchatmen.

»Sind alle davon betroffen?«

»Ja«, erwiderte sie knapp und schaute zu den Siedlern, »und ich weiß nicht, wie man es aufhält.«

Uriel hatte recht, diese Menschen waren schon tot, wussten es nur noch nicht. Es stellte sich nur noch die Frage, welche Art des Todes die Siedler erwartete. Entweder würden sie durch verwandelte Würmer gefressen – oder mutierten.

Jede dieser Möglichkeiten … grausam.

»Zurück. Raphael, verriegle die Türe, sobald wir draußen sind«, entschied Michael und bewegte sich rasch rückwärts in den Flur.

Marple, wie auch einige andere, folgten ihnen und stemmten sich oder schlugen voll Panik gegen den Energieschild.

»Bitte, tu das nicht!«, flehte sie. Schluchzen und wütende Schreie vermischten sich zu einem qualvollen Rauschen, während Gabby auf den Flur stolperte.

Michael hielt seinen Schild aufrecht und versperrte den Fluchtweg, bis Raphael den Durchgang geschlossen hatte. Dann erlosch der goldene Schimmer und graue Düsternis senkte sich über Gabby und die anderen. Für einen Moment schwiegen alle, ehe Michael sich an Uriel wandte.

»Befestige eine deiner Rubidium-Kern-Granaten. Timer auf fünf Minuten.«

Uriel klatschte in die Hände und kramte in einem der Rüstungsfächer an seinem Bein.

»Meinst du nicht, dass fünf Minuten knapp sind?«, hakte Raphael nüchtern nach.

»Dann sollten wir uns beeilen«, erwiderte Michael, wartete, bis Uriel sein Werk vollendete, und rannte los. Gabby und die anderen folgten ihm eilig den Flur entlang.

Als sie die Grotte erreichten, aktivierte Michael wortlos seine Thoron-Schwingen – und jagte davon. Gabby hatte alle Mühe ihm zu folgen, denn er klappte seine Flügel nicht einmal ein, als sie sich der Fabrik näherten. In den engen Fluren musste sie sich in die Schräge legen, da die Spannweite ihrer Flügel nur so in die Gänge passten.

Die Fabrik ließ sich leichter durchqueren, und auch die Korridore vor der Schleuse waren dank der zweiten Ebene wesentlich breiter. Als sie endlich den Ausgang erreichten, brach auf dem Timer gerade die letzte Minute an. Das Team durchquerte die Dekontaminationsschleuse und jagte dank ihrer Thoron-Schwingen durch die anliegende Tropfsteinhöhle, als unter tiefem Grollen die Luft erbebte.

Einige der Stalaktiten brachen ab und schossen gleich gewaltiger Pfeile auf die vier nieder. Ein Steinbrocken traf die Spitze von Gabbys Schwinge. Er brachte sie nur mäßig aus dem Gleichgewicht. Innerlich aber fluchte sie in dem Bewusstsein, dass die Angelegenheit Michael weit mehr mitnahm als gedacht.

Ob er Marples Behauptung Glauben schenkte?

Nie würde er sein Team einer Gefahr aussetzen, sofern sich dies vermeiden ließ.

Den Timer so knapp einzustellen und sie alle leichtsinnig der Gefahr durch eine einstürzende Höhle auszusetzen, entsprach so gar nicht seiner Art.

Andererseits bot jede weitere Minute den todgeweihten Siedlern die Möglichkeit, sich zu verwandeln – und gegenseitig aufzufressen. Ihnen dieses grauenvolle Schicksal zu ersparen entsprach wiederum vollkommen Michaels Charakter.

Als sie schließlich ihr Schiff erreichten, atmete Gabby erleichtert auf. Die Schiffs-KI hatte es einige Hundert Meter vom Höhleneingang entfernt gelandet und ersparte ihnen somit den langen Weg durch die Atmosphäre von Aizong 3.

Vor Verlassen ihrer Anzüge, wies Gabby jeden ihres Teams an, sich zunächst ein weiteres Mal einer gründlichen Dekontamination zu stellen.

Bis jetzt stand nicht fest, ob die Mutation ansteckend war. Darauf, es herauszufinden, wollte sie lieber verzichten.

Erleichtert stieg Gabby aus ihrem Anzug und dehnte die Nackenmuskeln. Ihr Blick glitt zu der Rüstung ihres kommandierenden Offiziers. Schon ungewöhnlich, dass Michael derartig eilig den Raum verließ.

Sie fand nicht einmal Gelegenheit, einen Blick auf seine Verletzung zu werfen, geschweige denn zu überprüfen, ob er womöglich infiziert war.

Besorgt presste sie die Lippen zusammen und verließ den Rüstungsraum.

»Eve, wo befindet sich Michael?«

»In seinem Quartier«, erläuterte die Schiffs-KI hilfsbereit. Eilig überbrückte Gabby die wenigen Schritte zu ihrem Ziel, öffnete die Türe und hörte das leise Summen der aktivierten Dampfdusche. Energisch klopfte sie an die Badezimmertüre und lehnte sich mit der Schulter daneben an.

»Ich will dich auf der Krankenstation sehen, Michael. Jetzt!«, verlangte sie eindringlich und hörte ein gereiztes Brummen.

Ungeduldig ließ Gabby ihren Blick durch den Raum schweifen.

Statt Sternen und Aizong 3 zeigte die großzügig angelegte Sichtluke derzeit nur bunte Schlieren. Sie befanden sich anscheinend im Hyperraum. Offenbar hatte Michael die Schiffs-KI angewiesen, Kurs zu setzen.

Dann wandte sich ihre Aufmerksamkeit dem ordentlich hergerichteten Bett zu, in dem sie noch vor wenigen Stunden an Michaels Seite geschlafen hatte.

Ein aufgeschlagenes Buch lag auf seinem Nachttisch, abgegriffen und fleckig. Der Leitfaden für den Umgang mit Menschen in Extremsituationen. Sicher beherrschte Michael jede einzelne Seite davon auswendig. Jedes Mal, wenn er nicht schlafen konnte, las er üblicherweise darin. So lange, bis er mit der Anleitung in Händen einschlief.

Ansonsten präsentierte sich der Raum sehr spartanisch.

Genau wie ihr Quartier.

Einige Datenpads, dreckiges Geschirr und – in Michaels Fall – eine verkümmerte Pflanze auf dem Schreibtisch, bildeten die spärliche Dekoration.

Keinerlei privater Kram. Ausschließlich Dinge, die in Zusammenhang mit ihrer Aufgabe standen. Private Gegenstände waren auf dem Schiff nicht erlaubt.

Stirnrunzelnd überlegte Gabby, ob sie überhaupt etwas besaß, was über schlichte Zweckmäßigkeit hinausging, aber weder fiel ihr dazu etwas ein, noch hatte sie je Verlangen danach verspürt.

Obwohl, nun ja, manchmal kritzelte sie Zeichnungen auf ein Datenpad, löschte sie aber sofort wieder.

Die Flüge von einem Auftrag zum nächsten dauerten manchmal Tage, sogar Wochen. Dann verbrachten sie die meiste Zeit gemeinsam in der Kombüse, quatschten, lachten und aßen zusammen.

In unbeobachteten Momenten zeichnete Gabby gerne Michaels Profil – oder Raphaels Auge. Bis jetzt war es ihr noch nie gelungen, dieses Strahlen darin auf das Pad zu bannen.

Kopfschüttelnd verscheuchte sie diese Gedanken, als das Summen verstummte und sich die Badezimmertüre endlich öffnete.

»Mir geht es gut.« Mit einem um die Hüften gewickelten Badetuch betrat Michael sein Quartier, während Gabbys Blick an ihm herunter wanderte und die Verletzung an seinem Arm musterte. Ein Seufzen unterdrückend, verschränkte sie stattdessen die Arme vor der Brust.

»Wenn sich die Mutation als ansteckend erweist …«

»Du sagtest nichts von einem Virus«, unterbrach er und warf ihr einen missmutigen Blick über die Schulter zu.

»Um genau in Erfahrung zu bringen, was die Mutation ausgelöst hat, müsste ich Überreste der Siedler in einem Labor untersuchen, aber es gibt weder ein Labor auf dem Schiff, noch besteht darin mein Auftrag. Meine momentan einzige Aufgabe besteht darin, mich davon zu überzeugen, dass mit der Besatzung alles in Ordnung ist.«

»Und ich muss mich darum kümmern, dass diese Siedlung unter Quarantäne gestellt wird.«

Sofern noch etwas davon übrig ist, dachte Gabby trocken und starrte in die dunklen Augen ihres Gegenübers. Den Blick kannte sie nur zu gut. Michael verhielt sich manchmal störrischer als ein verdammter Esel!

Resigniert warf Gabby die Arme in die Luft. »Gut, von mir aus. Du hast zwanzig Minuten. Dann will ich dich auf der Krankenstation sehen!« Kopfschüttelnd verließ sie sein Quartier und steuerte ihr eigenes an.

Eine Dampfdusche würde jetzt gut tun.

Erwartungsgemäß fand sich Michael nach dem Ultimatum von zwanzig Minuten auf der kleinen Krankenstation ein. Gabby hatte schon die notwendigen Geräte hochgefahren und die passenden Instrumente bereitgelegt. Mit einer stummen Geste bedeutete sie Michael auf der einzigen Liege Platz zu nehmen und griff nach dem Scanner.

Kurz betrachtete sie die kreisrunde Verletzung an seinem Unterarm. Sein Anzug schien die meiste Wucht abgefangen zu haben.

Dann aktivierte sie den Scanner und ließ sich die Verwundung anhand eines Diagramms anzeigen, das keine Armlänge entfernt vor ihr im Raum schwebte. Die Wunde war nur oberflächlich. Schien eine Verbrennung zu sein. Weder Knochen noch Muskelgewebe waren verletzt.

Ob womöglich Uriels Waffe ihn getroffen hatte?

Vorsorglich entschied sie sich für einen DiaCheck.

Die Anzüge besaßen zwar ein automatisches Notfallprogramm, falls die Hülle beschädigt wurde, aber es galt die Möglichkeit auszuschließen, dass sich Michael binnen der nächsten Stunden ebenfalls in eines dieser Ungeheuer verwandelte.

Der Anzug registrierte eine Verletzung seines Trägers und desinfizierte und versiegelte die jeweilige Stelle großzügig, dennoch hätte etwas in seinen Blutkreislauf gelangen können. Mittels einer winzigen Injektionsnadel entnahm sie Michael Blut und schickte es durch das Diagnose- und Analyseprogramm.

»Die Verletzung ist wirklich nicht schlimm«, räumte Gabby schließlich ein und säuberte die Wunde abermals, bevor sie sie mit einem Gel sorgfältig verschloss.

»Sagte ich doch«, grummelte Michael und rutschte unruhig auf der Liege herum. Er war noch nie ein guter Patient gewesen.

Als Gabby fertig war, richtete sie sich auf und musterte das kantige Gesicht mit dem grimmigen Zug um die Lippen und dem verwegenen Dreitagebart.

»Du denkst über Marple nach, nicht wahr?«

Als wollte er verneinen, zuckte Michaels Kopf zunächst zur Seite, dann senkte sich sein Blick auf seinen Arm. Abwesend strich er mit den Fingern über die kleine Verletzung.

»Sie war krank«, antwortete er schließlich und Gabby nickte.

»Ich denke, sie war sogar sehr krank. Und ich denke, sie stand psychisch so stark unter Druck, dass sie halluzinierte. Vermutlich ist ihr Mann als einer der ersten zu einem dieser Monster geworden, und sie brauchte eine Möglichkeit, sich von diesem Schmerz zu befreien.«

»Und …« Michael sah auf und dunkle Augen fixierten sie eindringlich, »was, wenn sie recht hatte?«

»Ändert es etwas?«

Nachdenklich wanderte sein Blick zur Seite und sein Mundwinkel zuckte.

»Erinnerst du dich an die Zeit, bevor du ein Erzengel wurdest?«

Gabby schüttelte den Kopf.

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