Kitabı oku: «Frauenwahlrecht», sayfa 6

Yazı tipi:

Abschließende Überlegungen

Das Desinteresse vieler politisch aktiver bürgerlicher Männer an »Frauen«themen und an der Mitwirkung von Frauen in den politischen Parteien war zugleich eine Chance für bürgerliche Frauen, darunter auch spätere Parlamentarierinnen, in der Frauenvereinskultur und der kommunalen Tätigkeit eine eigene politische Kultur und eigene politische Handlungsräume zu entwickeln und zu etablieren.

Nach 1918 wurden einige der beschriebenen akteursorientierten Prozesse in institutionalisierte und auch staatlich geförderte Bahnen gelenkt. So wurden Rechtsauskunftsstellen in kommunale Stellen umgewandelt und die soziale Arbeit professionalisiert. Kirsten Heinsohn stellte am Beispiel Hamburg fest, dass die in den bürgerlichen Frauenvereinen organisierten Frauen einen Wirkungsverlust hinnehmen mussten, während sie je individuell das Frauenwahlrecht gewonnen hatten.49 Immerhin konnten die Parlamentarierinnen ihre Forderungen wenigstens teilweise in Gesetzesform bringen. Einige Parlamentarierinnen profitierten zudem deutlich von der Professionalisierung und der Öffnung der Verwaltung für Frauen und wurden z.B. Direktorinnen von Ausbildungsstätten für Sozialarbeiterinnen oder Ministerialbeamtinnen.50

In den 1920er Jahren zeigte sich, dass Frauen in den Parteien zu wenig etabliert waren, um dort wirkungsvoll für ihre Aufstellung als Kandidatinnen auf vorderen Listenplätzen eintreten zu können.51 Sie verfügten nicht über machtvolle, finanzstarke Lobbyverbände, die eine vordere Listenplatzierung hätten beeinflussen können.52 Auf den Kandidierendenlisten und in den parlamentarischen Handbüchern wurde die räumliche Trennung weiterhin dadurch vorgenommen, dass männliche Kandidierende und Abgeordnete nur mit ihrem Namen verzeichnet, Frauen aber stets mit dem Zusatz »Frau« gekennzeichnet waren.

Die Definition von Politik – so Ute Frevert – entschied über Inklusion und Exklusion von Gruppen und Themen. Entscheidend war, wie auch hier ausgeführt wurde, wer die Deutungshoheit über die Grenzen von Politik, Sozialem oder Kommunalem innehatte und wie diese Definitionsgrenzen transformiert wurden.53 Besonders interessant ist dabei der Fall jener Frauen, die das Politische explizit als nichtpolitisch definierten, um nicht die Machtfrage zu provozieren.

So erweiterten sich im Laufe des Kaiserreichs die Grenzen für Frauen deutlich. Dazu haben die bürgerliche Frauenbewegung und mit ihr spätere Parlamentarierinnen wesentlich beigetragen.

1Elsa Hielscher-Panten, Sturmwind, in: dies., Gedichte, Neue Ausgabe, Jauer 1909 (zuerst: Jauer 1908), S. 30f.

2Heinrich August Winkler, Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1998, S. 598.

3Siehe zum Preußischen Landtag u. a. Horst Möller, Parlamentarismus in Preußen 1919–1932, Düsseldorf 1985 (S. 601: Fraktionsstärken und Legislaturperioden); Siegfried Heimann, Der Preußische Landtag 1899–1947. Eine politische Geschichte, Berlin 2011. Zu Lebensläufen der genannten Abgeordneten siehe Barbara von Hindenburg (Hg. und Bearb.), Biographisches Handbuch der Abgeordneten des Preußischen Landtags. Verfassunggebende Preußische Landesversammlung und Preußischer Landtag 1919–1933, 4 Teile, Frankfurt am Main 2017; dieser Aufsatz fasst Teilergebnisse zusammen: dies., Die Abgeordneten des Preußischen Landtags 1919–1933. Biographie – Herkunft – Geschlecht, Frankfurt am Main 2017, Kap. III. 1 und 2, S. 27 (Forschungsliteratur).

4Siehe u. a. Angelika Schaser, Frauenbewegung in Deutschland 1848–1933, Darmstadt 2006, S. 112. Da die weiblichen Abgeordneten häufiger wiedergewählt wurden als die männlichen, war ihr prozentualer Anteil an der Gesamtzahl der Abgeordneten geringer als ihr prozentualer Anteil in den jeweiligen Legislaturperioden.

5Siehe u. a. Christl Wickert, Unsere Erwählten. Sozialdemokratische Frauen im Deutschen Reichstag und im Preußischen Landtag 1919 bis 1933, 2 Bde., Göttingen 1986; Barbara von Hindenburg, Die Abgeordneten, S. 193–214.

6Siehe u. a. Ute Gerhard, Grenzziehungen und Überschreitungen. Die Rechte der Frauen auf dem Weg in die politische Öffentlichkeit, in: dies. (Hg.), Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, S. 509–546, bes. 526–534.

7Siehe diese und weitere Fragestellungen auch in: Barbara von Hindenburg, Die Abgeordneten, S. 25f.

8Siehe grundlegend u. a.: Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt am Main 2012; Karl Schlögel, Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik, München, Wien 2003; Jörg Döring/Tristan Thielmann (Hg.), Spatial turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld 2008.

9Siehe grundlegend: Ute Frevert/Heinz-Gerhard Haupt (Hg.), Neue Politikgeschichte. Perspektiven einer historischen Politikforschung, Frankfurt am Main 2005.

10Siehe auch Barbara Vogel, Zwischenbilanz eines Forschungsprojekts, in: Gabriele Boukrif (Hg.), Geschlechtergeschichte des Politischen. Entwürfe von Geschlecht und Gemeinschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Münster 2002, S. VII–XII, S. XI.

11Heinz-Gerhard Haupt, Historische Politikforschung. Praxis und Probleme, in: Ute Frevert/ders. (Hg.), Neue Politikgeschichte, S. 304–313, S. 308.

12Die Zeitschrift erschien unter wechselnden Titeln und teilweise mit Parallelausgaben unter: Mitteilungen des Schlesischen Frauenverbandes, Frau im Osten, Frau der Gegenwart. Die genauen Titeldaten sind in der Zeitschriftendatenbank (zdb-katalog.de [27. 11. 2017]) einsehbar. Die Mitteilungen des Stimmrechtsvereins erschienen dort als Beiblatt.

13Siehe zu Marie Wegner den biografischen Abriss und die Zusammenstellung von Quellen von ihrer Enkelin Henriette Bettin, Auf den Spuren von Marie Wegner 1859–1920. Briefe einer vergessenen engagierten Frauenrechtlerin Anfang des 20. Jahrhunderts, Freiberg 2003. Siehe auch Barbara von Hindenburg, Die Abgeordneten, S. 243f.

14Merkbuch der Frauenbewegung, hrsg. v. Bunde Deutscher Frauenvereine, zusammengestellt und bearb. v. Marie Wegner, Leipzig, Berlin 1908, S. 65. Siehe zu Frauenstimmrechtsvereinen auch den Beitrag von Kerstin Wolff in diesem Band.

15Siehe o. Verf. [Marie Wegner], Der Weg zum Frauenstimmrecht, in: Die Frau der Gegenwart, Stimmrecht, Beiblatt, Jg. IV, Nr. 2, vom 1. November 1913, S. 29B.

16Siehe u. a. Erläuterungen von Elsa Hielscher, Zum Gemeindewahlrecht der Frauen, in: Mitteilungen des Schlesischen Frauenverbandes, Jg. II., Nr. 5 vom 1. August 1908, S. 19f.; siehe zu einer ähnlichen Vorgehensweise in Hannover Kerstin Wolff, Praktische Politik in den Gemeinden. Die Reformierung der Gesellschaft durch eine kommunale (Frauen)Politik im Kaiserreich, in: Ariadne (November 2001) H. 40, S. 20–25.

17Siehe Elsa Hielscher, Eine Wahlberechtigte. Rubrik Eingesandt, in: Die Frauenbewegung, Bd. 16, Nr. 8 vom 15. April 1910, S. 63. Siehe zu einem ähnlichen Vorgehen in Hessen den Beitrag von Birte Förster im vorliegenden Band.

181917 gab es auch in der Gemeindekommission des Preußischen Abgeordnetenhauses eine befürwortende Stellungnahme zur Mitgliedschaft von Frauen in den städtischen Deputationen, solange Frauen zu den Deputationen zugezogen würden, die sich mit sozialen Aufgaben beschäftigten. Siehe Die Frau der Gegenwart, Jg. XI, NF Jg. VI 1917, Nr. 11 vom 1. Juni 1917, S. 86.

19Siehe Abbildungen des Kinderhorts, der Rechtsberatung in Breslau und des Leseraums in: Helene-Lange-Archiv, BDF MF 2964: Rosa Urbach, Vierzig Jahre Frauenbewegung in Schlesien, in: Sonderbeilage der Mitteilungen des Schlesischen Frauenverbandes, Oktober 1908, S. 28f. Ähnlich ging beispielsweise der katholische Frauenbund in Berlin vor, der in den 1920er Jahren in Charlottenburg ein »Frauenbundhaus« baute und dort unter anderem ein Ledigenheim für Frauen einrichtete. Daran hatte die Vorsitzende des Katholischen Frauenbundes Berlin und spätere Zentrumsparlamentarierin Maria Heßberger wesentlichen Anteil. Siehe Barbara von Hindenburg, Die Abgeordneten, S. 292.

20Elsa Hielscher-Panten, [ohne Titel], in: International Women’s News, 6/6 (1912), S. 54.

21Siehe Armin T. Wegner, Es ist eine weite Kluft, in: Mitteilungen des Schlesischen Frauenverbandes, II. Jahrgang, Nr. 7 vom 1. Oktober 1908, S. 38; Elsa Hielscher, Wenn ich groß bin, in: Die Frau im Osten, Jg. IV, NF Jg. I 1909/1910, Nr. 11 vom 1. März 1910, S. 85.

22Elsa Hielscher, Frei will ich sein, in: dies.: Gedichte, S. 112.

23Siehe Angelika Schaser, Frauenbewegung in Deutschland, S. 50; Gabriele Boukrif, Hedwig Dohm und Anna Maria Mozzoni. Zwei Vorreiterinnen im Kampf um das Frauenwahlrecht im Vergleich, in: Dies. (Hg.), Geschlechtergeschichte des Politischen. Entwürfe von Geschlecht und Gemeinschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Münster 2002, S. 19–49.

24Siehe Andrea Hopp, Jüdisches Bürgertum in Frankfurt am Main im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1997, S. 114; so auch Dieter Langewiesche, Deutscher Liberalismus im europäischen Vergleich. Konzeption und Ergebnisse, in: ders. (Hg.), Liberalismus im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Göttingen 1988, S. 11–19, S. 14f.: »Die europäischen Liberalen hatten stets das demokratische Wahlrecht abgelehnt. Politischer Vollbürger sollte nur sein, wer die liberalen Kriterien des Staatsbürgers erfüllte: ein gewisses Maß an Bildung und wirtschaftlicher Unabhängigkeit.«

25Siehe Die Frau der Gegenwart, Jg. XII, NF Jg. VII 1918, Nr. 10/11 vom 1. Juni 1918, S. 63.

26Siehe o. Verf. [Marie Wegner], Vereine zur politischen Bildung der Frau, in: Die Frau der Gegenwart, Jg. VIII, NF, Nr. 13 vom 1. April 1914, Stimmrecht, Beiblatt, Jg. IV, Nr. 7 vom 1. April 1914, S. 115.

27Siehe z.B. Vortrag von Elsa Hielscher in Berlin im Verein für politische Frauenarbeit, Ortsgruppe Groß-Berlin, 25. 3. 1914, in: Die Frau der Gegenwart, Stimmrecht, Beiblatt, Jg. IV, Nr. 7 vom 1. April 1914, S. 116.

28Siehe Paula Baker, The Domestication of Politics. Women and American Political Society, 1780–1920, in: Ellen Carol DuBois/Vicki L. Ruiz (Hg.), Unequal sisters. A Mulitcultural Reader in U.S. Women’s History, New York 1990, S. 66–91. Vgl. dazu den Beitrag von Hedwig Richter in diesem Band.

29Marie Wegner, Frauenkonferenz zum Studium der Alkoholfrage zu Dresden, in: Die Frau der Gegenwart, Jg. XI, NF Jg. VI 1917, Nr. 13 vom 1. Juli 1917, S. 102f., S. 103.

30Siehe u. a. Angelika Schaser: Frauenbewegung in Deutschland, S. 28f.

31Verein für Frauenstimmrecht, Breslau; Vortrag von Marie Wegner über »Der Ostererlaß und die Frauen«, in: Die Frau der Gegenwart, Jg. XI, NF Jg. VI 1917, Nr. 12 vom 15. Juni 1917, S.96.

32Siehe Hinweis zu Bäumer: Rubrik Frauenstimmrecht, in: Die Frau der Gegenwart, Jg. IX, NF Jg. IV 1914/15, Nr. 20 vom 15. Juli 1915, S. 149f.

33Gründung des Jungfreisinns in Breslau – Einladung an die Frauenstimmrechtsgruppe, in: Centralblatt des Bundes Deutscher Frauenvereine, Jg. X 1908/09, Nr. 5 vom 1. Juni 1908, S. 39.

34Siehe Wortbeitrag Martha Dönhoff, in: Sitzungsberichte der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, 157. Sitzung am 23. September 1920, Sp. 12440–12442, Sp. 12440.

35Auch Marie Wegner äußerte z.B. noch 1918 Enttäuschung über die Spaltungen in der Frauenbewegung, die durch die »Männerparteien« verursacht seien, siehe Marie Wegner, Bahai, in: Die Frau der Gegenwart, Jg. XII, NF Jg. VII 1918, Nr. 10/11 vom 1. Juni 1918, S. 57f.

36Die Frau der Gegenwart, Jg. IX, NF Jg. IV 1914/15, Nr. 20 vom 15. Juli 1915, Stimmrecht, Beiblatt, Jg. IV, Nr. 9 vom 1. Juni 1914, S. 152.

37Elfter Allgemeiner Vertretertag der Nationalliberalen Partei am 3. und 4. Juli 1909 in Berlin. Protokoll auf Grund stenographischer Aufzeichnungen, Berlin 1909, S. 52 (Bericht über »Das Mittagsmahl im Kaiserhof«).

38Eingesehen wurden Allgemeine und Preußische Parteitage sowie diverse Parteipublikationen. Siehe zu eingesehenen Quellen: Barbara von Hindenburg, Die Abgeordneten, S. 303, Fn. 208.

39Siehe Barbara von Hindenburg, Die Abgeordneten, S. 310f.

40Siehe o. Verf. [Elsbeth Krukenberg], Die nationalliberalen Frauen und das Frauenstimmrecht, in: Die Frau in der Politik. Monatsbeilage der »Deutschen Stimmen«, Nr. 3 vom 31. März 1918, S. 19–21.

41O. Verf., Die nationalliberalen Frauen und das Frauenstimmrecht, in: Die Frau der Gegenwart, Jg. XI, NF Jg. VI 1917, Nr. 23 vom Dezember 1917, S. 174.

42Vorangegangenes und dieses Zitat ebd.

43Siehe Barbara von Hindenburg: Die Abgeordneten, S. 323f.

44Martha Voß-Zietz, Die Frau im Parteileben, in: Jahrbuch der Frauenbewegung 1912, hrsg. von Elisabeth Altmann-Gottheimer, Berlin 1912, S. 120–129, S. 120 nach einem Zitat eines Ausschussmitgliedes des Deutschen Frauenbundes, Toni Franke.

45Dieser Gegensatz zwischen Kommunalpolitik und (Partei)Politik wurde auch im Liberalismus hergestellt. Diesen Hinweis verdanke ich Gisela Mettele. Siehe z.B. Mark Willock, Chancen und Grenzen liberaler Reformpolitik auf der kommunalen Ebene. Das Beispiel Bremen 1900–1914, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 18 (2006), S. 59–78, S.63f., mit der Einschränkung: »Nicht selten dienten Appelle an Gemeinwohl, Sachlichkeit und politische Unabhängigkeit lediglich dazu, eindeutig parteipolitische Standpunkte und Kandidaturen zu kaschieren und ihnen damit eine größere Legitimität zu verleihen.« Siehe zum heute andauernden Postulat der Parteilosigkeit von Kommunalpolitik: Hiltrud Naßmacher/Karl-Heinz Naßmacher, Kommunalpolitik in Deutschland, Wiesbaden 2007, S. 25–30.

46Siehe Rainer Hering, Konstruierte Nation. Der Alldeutsche Verband 1890 bis 1939, Hamburg 2003, S. 380–396, bes. S. 389. Vgl. zu einer Umwidmung des Politikbegriffs bei nationalistischen Verbänden, um die Beschäftigung von Frauen mit Politik rechtfertigen zu können, auch Ute Planert, Antifeminismus im Kaiserreich. Diskurs, soziale Formation und politische Mentalität, Göttingen 1998, S. 99f., und für die Weimarer Republik u. a. Kirsten Heinsohn, Denkstil und kollektiver Selbstentwurf im konservativ-völkischen Frauen-Milieu der Weimarer Republik, in: Rainer Hering/Rainer Nicolaysen (Hg.), Lebendige Sozialgeschichte. Gedenkschrift für Peter Borowsky, Opladen 2003, S. 189–205.

47Siehe Käthe Rahmlow, Aus dem Gebiete der Fraueninteressen, in: Deutscher Frauenbund, 4. Jg., Nr. 9 vom November 1912, S. 116f.

48Siehe Marie Wegner, Zur Politisierung der Frau, in: Die Frau der Gegenwart, Jg. XI, NF Jg. VI 1917, Nr. 10 vom 15. Mai 1917, S. 73f.

49Siehe Kirsten Heinsohn, Gleichheit und Differenz im Bürgertum. Frauenvereine in Hamburg, in: Rita Huber-Sperl (Hg.), Organisiert und engagiert. Vereinskultur bürgerlicher Frauen im 19. Jahrhundert in Westeuropa und den USA, Königstein i. Ts. 2002, S. 233–252, S. 247. Mit ähnlichem Tenor zu Harburg: Kerstin Wolff, »Stadtmütter«. Bürgerliche Frauen und ihr Einfluss auf die Kommunalpolitik im 19. Jahrhundert (1860–1900), Königstein i. Ts. 2003, S. 206f.

50Siehe Beispiele in: Barbara von Hindenburg, Die Abgeordneten, S. 180f.

51Vgl. den Beitrag von Lutz Vogel in diesem Band.

52Siehe u. a. Barbara von Hindenburg, Die Abgeordneten, S. 328–339, zu Frauenkandidaturen.

53Siehe Ute Frevert, Neue Politikgeschichte. Konzepte und Herausforderungen, in: dies./Heinz-Gerhard Haupt (Hg.), Neue Politikgeschichte, S. 7–26, S. 24.

Birgitta Bader-Zaar

Politische Rechte für Frauen vor der parlamentarischen Demokratisierung
Das kommunale und regionale Wahlrecht in Deutschland und Österreich im langen 19. Jahrhundert

Das Wahlrecht für Gemeinde- und Stadtversammlungen oder Landtage ist in der Geschichtsschreibung zu Frauenbewegungen selten behandelt worden. Von den Frauenbewegungen selbst sind aber der Einsatz für kommunale und regionale politische Rechte sowie die aktive Nutzung dieser Rechte durch jene Frauen, die diese bereits besaßen, oft als wichtige Bestandteile ihrer politischen Aktivitäten betrachtet worden. Dies war vor allem in Frankfurt am Main der Fall, denn hier gründete der Allgemeine Deutsche Frauenverein nach dem Vorbild der englischen Frauenbewegung 1907 die Auskunftsstelle für Gemeindeämter der Frau. Und der drohende Verlust des Gemeindewahlrechts der steuerzahlenden Frauen in dem Wien umgebenden Kronland Niederösterreich im Herbst 1889 bedeutete für die deutschsprachigen Teile der Habsburgermonarchie den Beginn der Organisierung für das Frauenwahlrecht überhaupt.

Die Einbeziehung von Frauen in die Lokalverwaltung berührt die zentrale Frage, inwiefern Frauen bereits vor dem Stimmrecht auf nationaler Ebene Partizipations- und Gestaltungsmöglichkeiten hatten. Sie ist nicht zuletzt deswegen wichtig, weil damit besser nachvollziehbar wird, wie sich die Entwicklung hin zur Durchsetzung eines allgemeinen und gleichen Stimmrechts gestaltete. Trotz der Relevanz haben sich bisher nur wenige Studien intensiver mit dem Thema des Engagements von Frauen auf Lokalebene beschäftigt. Dazu gehören Publikationen von Patricia Hollis aus den 1980er Jahren und Krista Cowmans für Großbritannien1 sowie regionale Studien u. a. von Kerstin Wolff für Deutschland oder (in diesem Band) von Barbara von Hindenburg für Schlesien.2 Ute Rosenbusch hat in ihrer umfassenden Studie zur Geschichte des Frauenwahlrechts in Deutschland einen Überblick über die gesetzlichen Regelungen des Kommunalwahlrechts von Frauen aufgenommen.3 Für Österreich4 hat die Autorin dieses Beitrags erste Ergebnisse veröffentlicht.5 Die weitere Erforschung etwa der Praxen politischer Partizipation von Frauen auf der kommunalen Ebene wäre wünschenswert.

Dass das Interesse bisher so gering geblieben ist, liegt nicht nur an der schwierigen Quellenlage. Vermutlich sind auch historische Traditionen für die fehlende Beachtung verantwortlich, wie etwa die vor allem aus der ideologischen Perspektive der zeitgenössischen Sozialdemokratie herrührende Auffassung, kommunale Mitbestimmung sei eine eher unpolitische und damit konservative Forderung; nur das nationale allgemeine und gleiche Wahlrecht könne zur Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus beitragen. Dies hat allerdings dazu geführt, dass ausschließlich das parlamentarische Wahlrecht als Fundament staatsbürgerlicher Gleichberechtigung gesehen worden ist und in der Folge vor allem politikwissenschaftliche Studien festgestellt haben, dass citizenship im 19. Jahrhundert nur als männlich zu definieren sei.6 Es ist selbstverständlich richtig, dass für den Zeitraum bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs die allmähliche Individualisierung politischer Rechte durch die Umsetzung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts, etwa im Kontext des nation building, mit der Vorstellung verknüpft war, dass nur Männer dieses Recht ausüben sollten. Im 19. Jahrhundert waren jedoch in weiten Teilen Europas Normen und Praktiken des Wählens auf den kommunalen und regionalen Ebenen gültig, laut denen weniger das Geschlecht als Vermögen, Einkommen und Bildung definierten, wer wählen durfte und wer nicht. Diese Voraussetzungen schlossen also viele Männer, die diese Bedingungen nicht erfüllen konnten, vom Wahlrecht aus und sahen zudem eine ungleiche Repräsentation der Wählerstimmen vor. Sie inkludierten allerdings gar nicht so selten auch Frauen in dieses Zensuswahlrecht. Bevor sie das parlamentarische Wahlrecht erhielten, waren also manche Frauen auf der Basis von Grund- bzw. Hausbesitz oder als Steuerzahlerinnen aufgrund eines Gewerbes oder einer Erwerbsarbeit u. a. sowohl in mehreren deutschen Bundesstaaten als auch in Kronländern der österreichischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie, in der ungarischen Reichshälfte, in Großbritannien, Schweden, Dänemark und Finnland zu Wahlen der Lokalverwaltung oder auf Länder- bzw. Bezirksebene zugelassen. Sogar in der Schweiz, in der Frauen erst 1971 bei Bundeswahlen stimmberechtigt wurden, war im Kanton Bern ledigen oder verwitweten Frauen mit Grundbesitz die Mitbestimmung in der Gemeindeversammlung ab den 1830er Jahren möglich. 1887 wurde dieses Recht allerdings wieder abgeschafft.7 Auch außerhalb Europas gingen lokale Rechte dem parlamentarischen Recht voraus, so in mehreren US-amerikanischen Bundesstaaten und in Thailand.8 Zur Zahl der wahlberechtigten Frauen mit kommunalem Stimmrecht gibt es meist keine genauen Daten. Nur beispielhaft können über eine Million weibliche Stimmberechtigte in Großbritannien um 1900 sowie 385 Wählerinnen in der niederösterreichischen Stadt Wiener Neustadt 1913 genannt werden.9

Im Folgenden werden nun einerseits diese Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Fallbeispiele Deutschland und Österreich kurz umrissen und ähnlichen Entwicklungen in Großbritannien und Schweden gegenübergestellt, um die unterschiedlichen Rechtstraditionen zu verdeutlichen, die hinter den gesetzlichen Vorgaben standen. Andererseits wird auf das Engagement der deutschen und österreichischen Frauenbewegungen in der Frage des kommunalen Wahlrechts, ihre Strategien und Diskurse eingegangen und dabei auch aufgezeigt, dass die beiden Fallbeispiele durchaus den internationalen Entwicklungen entsprachen. Für die Frauenbewegungen bedeutete die Forderung des Gemeindewahlrechts meist einen ersten Schritt zur vollen politischen Gleichberechtigung. Ihr Diskurs über das Kommunale als politische Dimension des Privaten konnten sie der Öffentlichkeit jedoch auch als Deradikalisierung der Ansprüche vermitteln. Hinsichtlich der Klärung des Verhältnisses zwischen kommunalem und parlamentarischem Wahlrecht schlugen Frauengruppen, darunter vor allem auch Sozialdemokratinnen, somit unterschiedliche Wege ein.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺949,11

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
381 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9783868549393
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi: