Kitabı oku: «Gamer», sayfa 4

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Der Moment war gekommen. Ein letzter Atemzug, dann kam auch in die restlichen Gliedmaßen Bewegung. Während die Beine still blieben, hob die Frau die Arme. Die Kabel und Schläuche flogen nach links und rechts, als sie plötzlich zu applaudieren begann. Der Applaus eines einzelnen Händepaars echote durch die riesige Lagerhalle. Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht der Spielerin aus. Eine Träne lief die Wange hinunter. Frank war sich sicher: Es konnte nur eine Glücksträne sein.

Dann erstarb ihr Körper von einer Sekunde auf die andere. Das Gift hatte seine volle Wirkung erzielt. Die Arme fielen herunter. Frank achtete nicht darauf. Vielmehr sah er das Lächeln. Das Lächeln blieb immer. Eingefrorenes Glück. Auch im Tod. Was für ein Spiel!


Galactic Tentacles

Andreas Winterer

Nick hatte alles klitzeklein geschnitten und mindestens einen halben Liter Ketchup über Pommes- und Schnitzelfetzen gespritzt. Dazu schüttete er sich reichlich Schwip Schwap rein. Ich hingegen schob das Mittagessen auf dem Teller hin und her, weil ich vorhin schon zwei Nuts verdrückt hatte und mir schlecht war.

Jetzt langweilte ich mich zu Tode und schickte Nick einen auffordernden, fragenden, wartenden Blick. Er antwortete mit einem verneinenden, entnervten Gesichtsausdruck und zuckenden Schultern. Also wie immer: Die Erwachsenen waren nicht bereit für Missionsfreigaben, solange sie sich weitere Schweinebratenscheiben und Kartoffel- und Semmelknödel auf die Teller legen und mit Glibbersoße übergießen konnten.

Nick und ich taten also noch eine Zeit lang interessiert. Wir aßen schafsbrav den fiesen Beilagensalat. Wir ließen die üblichen Achdubistabergroßgewordens über uns ergehen. Wir behaupteten, dass Schule wahnsinnig toll sei. Und wir warteten auf die Freigabe vom Tower.

Die kam natürlich Zilliarden Jahre lang nicht, und dann, endlich, hielt Nick wohl die Zeit für reif und flüsterte seiner Mama was ins Ohr. Sie nickte, wo sie vorher noch den Kopf geschüttelt hatte, und nachdem Nick ihr noch ein paar Schmatzer reingedrückt hatte, steckte sie ihm Geld zu und sagte was zu meiner Mama. Die nickte finster in meine Richtung, hob eine allgemein warnende Augenbraue und machte eine desinteressierte Dann-schwirr-halt-ab-Kopfbewegung.

Tower-Freigabe! Mission CTH begann.

*

Wir erhoben uns wie ein Mann und machten uns auf den Weg. Einige der anderen großen Alten warfen uns missbilligende Blicke nach, besonders Nicks fieser Papa. Als hätten sie alle was davon, wenn wir brav am Tisch säßen und zu ihrem Blabla nicken würden. Doch schnell waren ihre blöden, schmutzigen Witze wieder interessanter und wir verdufteten Richtung Erdgeschoss, vorbei an der Treppe und am traurigen Eck. Das hieß so, weil der Süßwarenautomat immer traurig leer war, zumindest wenn wir mit ihm fertig waren. Den hatten wir schon vor dem Essen klar gemacht: drei Nuts bezahlt, zwei Extra-Nuts durch diverses Kippen des Automaten herausgekitzelt. Bonus-Points!

Bei der Treppe saßen vor Spielautomaten faltige Männer, neben ihnen Biergläser ohne Schaum und qualmende Zigaretten, vor ihnen diese unfassbar dämlichen Apparate mit den drei rotierenden Scheiben. Die Scheiben drehten sich, dann leuchteten die Knöpfe unter dem Automaten, dann machte es Klack, Klack, Klack und die rotierenden Scheiben blieben stehen und zeigten irgendwelche Zahlen oder eine bescheuerte Krone. Es bimmelte, und der Automat schluckte dreißig Pfennige, sofern man nicht drei Kronen hatte.

Der Wirt sah uns, und wir wollten ihn angrinsen, weil er ja wusste, was wir da unten machten, aber er schaute schnell weg, und wir sahen zu, dass wir leise runterkamen, die drei Mal acht Stufen hinunter zum Raumhafen.

»Dreißig Pfennige für zwei Knöpfe drücken!«, gluckste ich auf der Treppe.

»Solche Trottel!« Nick tippte sich an die Schläfe, als zeige er jemandem den Vogel. »Ich werde nie verstehen, warum man so was spielt!«

»Wie viele Münzen hast du?«, frage ich.

»Wird schon hinhauen«, meinte Nick knapp. »Der CTH ist heute jedenfalls fällig.«

*

Der Raumhafen bestand aus drei schäbigen, braunen Ledersesseln, zwischen denen zwei orangefarbene, kugelförmige Aschenbecher auf langen Eisenständern standen. Ihre Deckel gingen nie zu, weil wir hier fast jeden Sonntag unsere Kaugummis reindrückten, ehe wir wieder nach oben gingen.

Auf einer schweren Tür aus Holz stand ein großes, dunkles D, an einer anderen ein H. Das Spannendste an der Herrentoilette war der Automat neben dem heulenden Handtrockner, wo SEX draufstand und Bilder von Frauen im Bikini zu sehen waren. Was da rauskam, blieb aber geheimnisvoll, und ich hatte noch nie Lust gehabt, dafür ganze zwei Mark auszugeben.

Eine Tür aus Glas führte in den düsteren Innenhof des Landgasthofs. Da konnte man durchgucken, sah aber nicht viel, bloß parkende Autos und riesige Mülltonnen. Die Aussicht hatte man oben, deswegen hieß das Restaurant ja auch Panorama. Dabei setzten sich eh alle mit dem Rücken zum Ausblick und fraßen Knödel und tranken Bier, später noch Kaffee und Kuchen und Sahne und Schnäpse (letztere leider ohne uns), und das alles endete jedes Mal nie oder jedenfalls viel zu spät.

Deswegen war es gut, dass wir unseren Raumhafen hatten. Der war schön dunkel und irgendwie auch gruselig, weil er nicht vier Wände hatte, sondern fünf. Die waren auch noch alle schief und krumm und auch die Decke hing ein bisschen schräg runter. Als ob die hier voll gepfuscht hätten. Und wenn man genau hinschaute, hatte man irgendwie ein ungutes Gefühl, aber man musste ja nicht. Die eigentlichen Hingucker waren eh die Spielautomaten.

*

Dabei war Kometen Kracher leider so fade wie der Beilagensalat vom Obergeschoss. Schwarzweiß, bestimmt eine Kopie von einem anderen Spiel von vor hundert Jahren oder so. Sicher ein Automat aus dem Osten, mit dem die Diktatoren dort ihre Leute deprimierten. Denn man verlor immer. Tat man am Automaten sowieso, aber halt erst irgendwann. Doch bei Kometen Kracher, wo man mit billigen Linien angedeutete »Kometen« in Trümmer schießen musste (was auf die immer gleiche Weise öde krachte), war man spätestens nach drei Minuten tot, egal, was man anstellte. Und wir hatten es echt oft ausprobiert: Letzten Sonntag hatten wir es wieder versucht, zwei Mark reingeballert, für nichts, für drei Minuten öde Linien in Schwarzweiß, dann GAME OVER.

JumPiranha war scheißdoof, aber saulustig: Man war ein Fisch namens »Jumpy Piranha« und hatte eine spiralförmige Sprungfeder am Bauch. Darauf hüpfte man auf und ab, und das machte einen total geilen Sound. Mit dem Joystick konnte man nach links, rechts, höher und flacher hüpfen, Hindernisse überwinden oder gegen Hebel an der Decke springen. Feuer-Knöpfe gab es keine, man schnappte sich einfach Geld, Bonuspunkte, Hüpf-Energie und so weiter. Geil waren die Kühe, die man richtig abkahlen konnte und wo nur Skelette übrig blieben. Und wenn der Hai kam, setzte sich Jumpy in ein umgedrehtes Goldfischglas; das hielt für einige Sekunden den Hai davon ab, ihn zu fressen. Untersee-Labyrinth, Muscheln, winkende Meerjungfrauen, gesunkene Piratenschiffe (mit neuen Goldfischgläsern) – alles war saugut animiert und hatte einfach die krassesten Sounds überhaupt.

Alles super also, bloß hatten wir den schon durch. Auf jedem einzelnen Highscore-Platz standen entweder Nick (NCK), ich (KRL) oder wir beide (NUK).

*

Ganz anders als bei Galactic Tentacles. Dort hatten wir uns wochenlang fast bis zur Spitze gearbeitet, sogar Rang drei erreicht. Dann plötzlich war der Automat verschwunden. Reparatur, sagte der Wirt. Was voll Mist war, weil auf den Plätzen eins und zwei ja immer noch ein Typ namens CTH vor uns lag.

»Wer auch immer dieser CTH ist, er ist verdammt gut«, sagte ich und ging zum dritten Automaten. Er steckte noch halb in Knallfolie, unter der sich aufgemalte Sterne und Explosionen und Saugnapf-Tentakel abzeichneten.

»Verdammt scheiße richtig gut«, sagte Nick, und dann: »Das ist jetzt nicht wahr, oder?«

Der Galactic Tentacles stand mit dem Monitor zur Wand. Ein mit Tesafilm aufgeklebtes Papier verkündete: DEFEKT!

»Von wegen repariert!«, maulte ich. Dabei hatte der miese Wirt versprochen, das Galactic Tentacles bald wieder funktionieren würde. Wahrscheinlich hatte er ihn noch gar nicht abholen lassen und hoffte, dass wir alles Geld an JumPiranha verfüttern würden. Was wahrscheinlich stimmte.

Jemand kam von oben die Treppe herunter. Wir huschten schnell zu Jumpy und taten, als würden wir da irgendwas angucken. Der Erwachsene latschte quer durch unseren Raumhafen und auf die Herrentoilette.

»Was machen wir denn jetzt?«

Nick zog ein weiteres Nuts aus der Tasche.

»Erst mal ein Power-up. Willst du die Hälfte?«

»Da sag ich nicht Nein«, sagte ich, obwohl mir noch schlecht war von den letzten Nuts.

Nick brach den Schokoriegel in zwei Teile und gab mir das kleinere Stück.

Entrüstet hielt ich das halbe Nuts hoch.

»Scheiße, sag mal, wieso gibst du mir denn das Kleinere?«

Nick kratzte jetzt mit den Schneidezähnen das Karamell ab, bis nur noch das Weiße übrig war.

»Na, wie hättest du es denn gemacht?«

Ich zeigte auf sein Nuts.

»Ich hätte dir natürlich das größere Stück gegeben, du Egoist!«

»Hättest du? Und dir das kleinere Stück genommen?«

»Klar«, behauptete ich, und war auch ziemlich überzeugt davon.

»Na, dann ist es jetzt doch genau so, wie wenn du es gemacht hättest.« Nick grinste. »Wo ist der Unterschied?«

Er stand auf, schob sich grinsend den Rest rein und ich wusste, dass ich verloren hatte. Er war einfach cleverer als ich. Aber er hatte sein Nuts mit mir geteilt. Hätte er nicht müssen. Insofern: patt.

Die Klospülung rauschte, als sich die Tür der Herrentoilette öffnete. Während der Mann zur Treppe ging, taten wir wieder, als ob wir nur sinnlos rumlungern würden. Was ja irgendwie auch stimmte.

Dann war die Luft rein.

*

»Die blöden Dorftrottel kriegen das doch bloß nicht hin«, sagte Nick, schob den Automaten ein Stück von der Wand weg und suchte den Stecker.

»Nick! Wenn da was kaputt geht!«

»Kaputter kann ich‘s ja wohl kaum machen, oder?«

Er steckte ein. Irgendwas flackerte auf dem Monitor hässlich verpixelt. Es tat sich nicht wirklich was. Dann Buchstabensalat. Dann wieder Flackern. Nick trat gegen den Automaten, erst zaghaft, dann fester, ich steckte ihn aus und wieder an. Irgendwann hämmerten wir gegen die Seitenteile, traten auch mal dagegen. Zwischendurch warfen wir prüfende Blicke die Treppe hoch, doch niemand kam.

»Du Drecksteil!«, fauchte Nick, und – oh Wunder! – da fuhr der Automat dann endlich hoch und zeigte nach wenigen Minuten das vertraute Sternenfeld mit dem Schriftzug

INSERT COIN

Galactic Tentacles wartete auf uns.

»Machen wir heute CTH platt?«, fragte ich Nick und zerdrückte im Sekundentakt Bläschen der Knallfolie an der Seite des Automaten.

»Aber so was von!«, flüsterte Nick und ließ die Fünfzig-Pfennig-Stücke in seiner Tasche rasseln. Dann schnippte er die erste Münze in den Schlitz.

*

Eine halbe Stunde später oder so hatte mein NASA Space Shuttle einen dicken Booster unter sich und zwei an der Seite – Vollausbau!

Vier gefährliche Sirenen schwebten von oben ins Bild, helle Engel, und ich konnte hören, wie sie himmlisch sangen, ein geiler Soundeffekt, wegen dem ich fast zu feuern vergaß, dabei zerrte das fiese Gesinge an unseren Schilden.

Nick war genauso hypnotisiert, und ich merkte das endlich und brüllte »Feuer!«, und er ließ Ringfinger, Mittelfinger und Zeigefinger beider Hände zuckend über die Knöpfe aus nagelneuem, merkwürdig fleischfarbenem Plastik huschen. Die Flügel des Shuttles, inzwischen mit zwei Mal vier Impuls-Blastern ausgestattet, spien Tod und Verderben ins All vor uns. Drei der Sirenen verglühten in Feuerbällen, deren Krachen seitlich aus den Lautsprechern von GALACTIC TENTACLES wummerte, jetzt endlich auch aus beiden Seiten.

»Die haben sogar die Boxen repariert!«, jubelte ich.

»Links! Nach links ausweichen!«, schrie Nick, als die verbliebende Sirene wie üblich zu einem dunkelbraunen Schleimbatzen mutierte.

Der Schleimbatzen fuhr seine Tentakel aus, an denen irgendwas grünes Flüssiges klebte. Ich zerrte mit beiden Händen am klobigen Joystick und versuchte, das Ruder noch mal rumzureißen. Der Steuerhebel fühlte sich besser an als früher, irgendwie weich und warm, und ich zerrte und riss ihn heftig nach links und gleichzeitig vor und wieder zurück, aber es reichte nicht.

»Hyperschilde!«, japste ich noch und hörte da schon, wie Nicks Mittelfinger auf den HYPERSHIELD-Knopf hämmerte. Der Schleimbatzen hatte seine Tentakel jetzt voll ausgefahren, doch die grünlich leuchtenden Dinger wurden einfach von unseren überladenen Schilden wegrasiert, starker Effekt mit rot glimmenden Rändern.

Ich gab Gas aus den beiden Boostern, solange die Schilde noch hielten, und rammte den Schleimball, der mit einem heftigem

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explodierte und ins All geschleudert wurde.

*

»Yeah«, jubilierte ich, während der Zähler Bonuspunkte aufs Konto bliepte. Dann flogen wir mal wieder einige Sekunden über das leere Starfield, das ein bisschen zu beschleunigen schien, und warteten auf den nächsten Level.

»Na, die werden ja ganz schön warm, die Tasten«, sagte Nick und wischte sich die Hände am Shirt ab.

»Ja, der Joystick ist schon richtig heiß in meinen Händen. Hoffentlich geht der Automat nicht wieder kaputt.«

»Das wär richtiger Mist.«

»Vor allem, wenn wir gleich das Mutterschiff knacken!«

»Ich glaub ja eh nicht, dass danach noch was kommt«, meinte Nick. »Da geht‘s bestimmt von vorne los und alles wird nur wieder schneller, wie damals bei Stellar Struggle, voll der Witz.«

»Wär aber doch komisch, wenn das Spiel bei Level 95 endet«, gab ich zu bedenken.

»Und warum?«

»Mann, weil das halt komisch wär. Da stellt man sich doch 100 vor, oder eine coole Zahl wie 111 oder 666 oder so. Selbst dieser CTH führt den Highscore mit den Levels 96 und 97 an. Diese Level gibt‘s also!«

Nick sah, dass sich am Bildschirm wieder was tat, und packte den Joystick an.

»Na, wenn das so ist, dann schaffen wir die auch.«

Und dann flogen wir weiter in Welten, die nie zuvor ein Mensch gesehen hatte – außer dieser verdammte CTH.

*

Wir hatten sicher schon zehn Mark in Level 95 verballert, als das bislang stets unknackbare Mutterschiff auftauchte. Es war ein Koloss voll Röhren und Kabeln, der fast den halben Bildschirm füllte. Nach seinem üblichen Schema ließ es erst mal glühende Black Holes auf uns stürzen, kleine Schwarze Löcher, die irgendwie das Raum-Zeit-Kontinuum verzerrten. Das war furchtbar geil animiert, mit sich krümmenden grünen Gitternetzlinien. Aber auch wahnsinnig nervend, weil das nämlich sogar unsere Laserstrahlen ablenkte, und wenn sich die Black Holes im Halbkreis anordneten, konnten sie unsere eigenen Schüsse auf uns zurücklenken!

Doch Nick und ich wussten, was von uns abhing. Die Ehre der NASA! Die Freiheit der Galaxis! Das Leben unserer Eltern, die sich da oben ihr sonntägliches Mammut-Mahl reinschlauchten und uns hoffentlich den restlichen Tag in Ruhe ließen, wonach es bislang ja ausschaute, selbst zum Pinkeln kam keiner mehr runter.

Und natürlich ging es um den größten Highscore, der je auf einem Galactic Tentacles erzielt wurde, zumindest auf diesem. Später würden wir unsere drei Buchstaben eingeben: NUK für Nick Und Karl, und wir würden CTH, wer auch immer das war und wann der hier spielte, auf seinen Platz im Universum verweisen, also mindestens auf den zweiten, und das auch nur, wenn wir gnädig waren.

Darum gaben wir alles, schlugen erbarmungslos Schneisen in den wuchtigen Schild … Doch die immer neuen Armadas, die sich in Überzahl auf uns stürzten, ließen die Zahl unser Bomben wegschmelzen und die verdammten Wesen aus dem Kosmos saugten unsere Schilde und Blaster leer und behandelten uns, als wären wir bloß ein paar Kekskrümel auf einem schwarzen Teppich.

Doch wir schafften es irgendwie, jedes verdammte Power-up mitzunehmen. Und immer, wenn wir in Fetzen geschossen wurden, hatten wir kurz zuvor noch ein Extraleben ergattert.

Der Schweiß stand uns auf der Stirn und unsere Hände glühten, als wir den verdammten Schild des Mutterschiff-Kernreaktors endlich so weit weg-gephasert hatten, dass wir nur noch diesen einen, letzten Torpedo brauchten, genau wie Luke Skywalker. Dann piepte endlich die schneckenlahme Target-Lock-Zielerfassung, und der Torpedo raste durchs All, während wir Breaker, Screamer, Black Holes, Sirenen, Tentacler, Shogotthen, Suicider und anderes Sternengezücht vom Himmel pusteten und einen Korridor für ihn freiballerten, und dann machte es

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und wir hatten es geschafft: Das Mutterschiff zerbarst in Dutzende von Cyan- und Magenta-Pixeln! Die Level-Anzeige schaltete hoch auf »96«! Nick brach neben mir in Jubel aus und ich auch und wir machten High five ...

... als ein verbliebener Suicider, so ein mieses kleines Ding mit stacheligem Bombengürtel, schräg über den Screen pulsierte und unser letztes Shuttle rammte und mit donnernder Detonation in den Tod riss.

Irritiert stierten wir auf den Bildschirm, auf dem die Pixel auseinanderstieben und glitzernd vergingen. Und dann erschien auch noch diese verdammte Schrift, die wir inzwischen auswendig und rückwärts konnten:

INSERT NEW COIN TO CONTINUE

OR PRESS FIRE TO RESTART

Sie zählte dazu einen Countdown von hundertachtzig Sekunden herunter.

»So ein Mist!«, fluchte ich. »Aber wir geben nicht auf. Hast du noch Münzen?«

Nick starrte mit leerem Blick auf den Screen und konnte es wohl nicht fassen.

»Was?«

»Münzen! Asche! Coins!«, schrie ich. »Wir sind erst explodiert, als wir Level 96 erreicht haben! Wenn wir jetzt einen Coin nachschieben, müssen wir nicht noch mal am Mutterschiff vorbei, capito? Wir können von hier aus weitermachen! Ab Level 96!«

Nick zog das Futter aus den Hosentaschen.

»Ich hab nichts mehr.«

»So‘n Mist!«

»Ja. Aber was ist eigentlich mit dir? Ich zahl schon den ganzen Nachmittag, du Schnorrer!«

Er wusste zwar, dass ich nie Geld hatte, woher auch? Aber ich checkte sicherheitshalber meine Hosen und förderte ein einziges, armseliges Fünfzig-Pfennig-Stück zutage.

»Na also«, befand Nick, »Geht doch.«

»Aber das reicht doch nie und nimmer!«

»Warum denn nicht?«

»Wir crashen mindestens noch ein paar Mal. So kriegen wir CTH niemals von Platz eins runter! Kapierst du?«

»Versteh schon.« Nick rieb sich die Nase, während der Countdown der hundertsiebzig entgegenzählte. »Hier ist der Plan: Du wartest hier, bis der Countdown bei eins ist, dann wirfst du nach und spielst zur Not alleine weiter. Ich geh derweil nach oben und koche Mutti weich für Nachschub.«

»Meinst du, du kriegst noch was? Wir haben doch sicher schon zwanzig Mark verschussert?!«

Nick ließ seine Wimpern klimpern und kämmte sich mit etwas Spucke die Haare glatt.

»Dreißig. Die hat trotzdem keine Chance gegen mich. Ich bin Captain Charme, und sie ist Prinzessin ...«

Der Automat fiepte. Auf dem vorbeifliegenden Sternenfeld gleißten die Worte Insert New Coin und so weiter.

Nick sah es und rannte los, die Treppe hoch. Ich sah ihm nach, checkte den Countdown. Noch hundertsechzig Sekunden.

*

Bei Sekunde hundertvierundvierzig tauchte Nick wieder auf, blieb aber auf halber Treppe stehen.

»Du fasst es nicht«, keuchte er.

»Was ist denn?«

»Komm hoch, ich zeig‘s dir.«

»Spinnst du? Wir haben nur noch ein paar Minuten oder so!«

Nick zog ein weiteres Nuts aus der Tasche, noch weicher als das erste, riss es umständlich auf und lutschte einen Teil davon aus der Folie.

»Wir haben echt andere Probleme, Mann«, murmelte er düster am Schokoriegel vorbei und verschwand wieder nach oben. Ich rannte ihm hinterher.

Wir hatten sie ja noch, die zwei Minuten.

*

Und tatsächlich: Wir hatten andere Sorgen. Das traurige Eck war leer: keine Männer mehr vor rotierenden Scheiben. Auch das restliche Restaurant war leer. Einfach keiner da. Alle Erwachsenen: weg. Nur ihre halbvollen Teller lagen noch herum, allerdings sah das Essen voll eklig aus, überall schauten seltsame Röhren und Augen und Stiele heraus, und das Radio dudelte irgendwas, was wie rückwärts klang.

Im Panoramafenster null Berge. Es war dunkel draußen, einfach nur schwarz. Scheißabgrundtiefdunkel.

»Wie spät ist es eigentlich?«, fragte ich. »Sind die Alten etwa ohne uns heim?«

Nick zuckte mit den Schultern.

»Was weiß denn ich? Und wo sind die Kellner und so?«

Ich presste meine Nase gegen die Scheibe und schirmte meine Augen gegen das Licht der Lampen. Half aber nichts, draußen war es immer noch finsterste Nacht. Bloß irgendwie anders.

»Was ist denn das?«

»Na, bin ich Jesus? Hab ich Latschen an?«

Nick stürmte zu Eingangstür des Restaurants, öffnete sie, schaute hinaus.

»Scheiße, Mann.«

Ich folgte ihm, sah mich um. Draußen war einfach nichts. Nichts, nichts, nichts. Irgendwas Schwarzes waberte formlos, es wurde mir richtiggehend schwindlig. Aber zu sehen war da einfach gar nichts.

Ich zog Nick am Ärmel und hielt ihm die Münze hin.

»Komm, wir gehen wieder runter und machen den Level klar.«

Er riss sich los.

»Hä? Was soll denn das bringen?«

»Das ist vielleicht die Apokalypse oder so.« In den Filmen zeigten sie die ja viel zu selten. Aber so wie das, was ich sah, hatte ich sie mir immer vorgestellt. »Willst du hier oben auf das Ende warten? Oder da etwa rausgehen? Ich sage dir: Wir gamen!«

Nick sah mich an, als hätte ich ihm vorgeschlagen, einen Mistkäfer zu schlucken. Dann nahm er die Münze.

»Auch wahr. Tun wir‘s.«

*

Als wir die Treppe zum Raumhafen runterstürmten, rutschten wir beide aus und schlidderten quer durch den Raum. Das lag am leuchtenden Schleim, der jede der seltsam krummen Steinfliesen etwa knöchelhoch bedeckte und an der Oberfläche giftgrün waberte.

»Raaahhh!«

»Was zum Geier ...«

Unser Raumhafen hatte sich verändert. Feucht glitschende Geräusche füllten den inzwischen irgendwie noch viel schieferen Raum. Es stank furchtbar nach altem Fisch. Unsere drei Sessel hatten sich in riesige, violett leuchtende Mega-Pilze verwandelt. Die Aschenbecher dazwischen und auch die Klotüren waren noch, was sie immer gewesen waren. Doch wo früher die Glastür zum Innenhof gelegen hatte, klaffte jetzt ein lila-feucht glänzendes, pulsierendes Loch, durch das sich eine Reihe verkrümmter, verschleimter und zuckender Röhren und Kabel wand.

»Ach du Schei...«

»Na, nichts wie weg ...«

Mit den Augen folgten wir den komischen Schläuchen. Wie Nabelschnüre führten sie zu einem gigantischen, blau-gelb leuchtenden Oktopus, der sich vor Galactic Tentacles aufgebaut hatte. Ein monströser Neon-Space-Tintenfisch, der nun mit einem von zwei enormen Glubschaugen zu uns herüberglotzte, wobei er laufend seine Farben änderte und hypnotisch schillerte.

Nick und ich wollten den Rückwärtsgang einlegen und die Treppe hochkrabbeln. Doch aus dem grünlichen Brei am Boden schnellten weitere Tentakel, die uns am Kragen packten und durch die Luft wirbelten. Ich betete, nicht ausgerechnet an einer Klotür zerschmettert zu werden, doch die Fangarme zerrten Nick und mich vor den Arcade-Automaten. Wie auf Bügeln aufgehängt lasen wir:

INSERT NEW COIN TO CONTINUE

OR PRESS FIRE TO RESTART

Der Countdown zeigte dreiundzwanzig Sekunden.

»Irgendwie passend, dass das die letzten Worte sind, die wir lebend zu lesen kriegen«, fand Nick, an seinem Fangarm hin und her schwingend. Er packte seelenruhig ein weiteres Nuts aus und wollte schon reinbeißen. Dann schaute er das Nuts an – und hielt es dem Kraken hin, der uns mit seinen riesigen Augen beäugte.

»Sag mal: Spinnst du?«, rief ich. »Willst du ihm vor der Hauptspeise erst noch mal Appetit machen oder was?«

»Vor dem Essen nichts Süßes, Kinder!«, sirrte Nick, seine Mama imitierend, schwenkte das Nuts vor den blutunterlaufenden Krakenaugen und machte laute Hmm-Geräusche. »Sonst habt ihr nachher keinen Hunger …«

Und tatsächlich fuhr der Space-Tintenfisch eine saugnapfbewehrte, halbdurchsichtig leuchtende, heftig verschleimte, mit kleinen gelben Bläschen besetzte Zunge aus, die sich vorsichtig dem Nuts näherte. Dann poppte ein Dutzend Saugnäpfe an Mini-Tentakeln aus der Zunge heraus, zerfetzte den Schokoriegel und schlürfte ihn gleichzeitig weg wie nichts, und das ganze stinkende Gekröse schnellte zurück in das, was vermutlich der Kopf war von dem Ding.

»Kein intelligentes Wesen im Universum kann zu Nuts Nein sagen«, gluckste Nick.

»Nur noch drei Sekunden …«, sagte ich mit Blick auf den Countdown.

»Mglw‘nafhg!«, machte der Tintenfisch ungeduldig, und dann drängender: »Iä! Schlch‘prmpf ftagn!«

Warmer Schleim mit Schokofetzen spritzte uns seitlich ins Gesicht. Es roch wie letzte Woche erbrochene Fischstäbchen. Dabei schüttelte der Krake Nick, der noch immer die Fünfzig-Pfennig-Münze umklammert hielt – als wäre es das Rettungsseil zurück in unsere Dimension, zu unseren Alten, heim zu Kaffee und Kuchen.

Nick streckte den Arm mit der Münze Richtung Schlitz aus. Noch eine Sekunde. Klacke-di-klacker rollte unser letzter Fünfziger in den Automaten.

Und es ging weiter.

*

Level 96! Unser Raumschiff sah seltsam anders aus, hatte nun dreizehn Schleimkanonen, sieben lila Booster, drei schwenkbare Terror-Türme und einen Schwarzloch-Werfer.

Nick feuerte aus allen Rohren kreuz und quer nur so um sich und kümmerte sich um die ElderBombs, die der Krake einsammelte, indem er immer wieder Bonus-Asteroiden rammte. Ich aktivierte Schilde und Hyperspace, bediente Singularitäts-Werfer, ballerte mit den drehbaren Raketen-Geschütztürmen um mich, verbreitete kosmischen Schrecken gegen ein gegnerisches Mutterschiff, das ein bisschen wie die ISS aussah.

Der Space-Krake, vermutlich unser Highscore-Wizard CTH, riss mit zwei längeren Fangarmen den Joystick hin und her und schlug ab und zu mit anderen Tentakeln von der Seite gegen den Automaten, dessen Bild dann gefährlich flimmerte und mal unser normales NASA-Shuttle, mal das fremde Alien-Schiff zeigte.

War ja auch Wurst, Hauptsache ballern! Gut daher, dass der Automat bei fast jedem zweiten Tentakelschlag ein Extraschiff ausspuckte.

*

Plötzlich wurde es noch dunkler als ohnehin schon. Wie aus dem Nichts spritzte von allen Seiten eimerweise Schleim in den Raum, als stünden wir mitten in einer kosmischen Dusche. Es stank, wie wenn im Ziegenstall Fische verfaulen. Hinter uns erklang so was wie diese Walgesänge, bloß viel, viel lauter.

Durch die Achsel sah ich hinter mich. Beim pulsierenden Durchgang der früheren Tür zum Innenhof schob sich ein atemberaubend riesiger, rot glimmender Fangarm herein und packte CTH dort, wo vermutlich sein »Kragen« war. Der arme CTH schrie wie am Spieß, saugnapfte sich mit seinen Tentakeln am Joystick und am restlichen Automaten fest und kreischte so laut wie ganze Vogelschwärme. Seine Tentakel dehnten sich, als der Mega-Fangarm ihn vom Automaten wegzerren wollte, aber sie lösten sich nicht – nur Nick und mich ließen sie los, und wir fielen auf den glitschigen Boden.

Um uns tobte der spritzende Glibber und verbreitete einen Gestank, der sogar verschnupfte Kläranlagentaucher aus dem Taucheranzug gehauen hätte. Ich spürte, wir mir die eklig warme Soße in Hosen und Schuhe floss.

»Scheiße, was ist denn das?«, schrie Nick durch die schrecklich kreischenden Laute, die entweder CTH oder der Fangarm oder beide von sich gaben.

»CTHs Daddy?«, riet ich.

»Und so wie‘s aussieht, gibt‘s heut mal wieder eine Tracht Prügel …«, sagte Nick, und ich wusste, dass er wusste, von was er da sprach.

Durch den leuchtenden Schlamm watete ich geduckt zur Tür und versuchte, das Ende des Fangarms zu sichten, der CTH vom Automaten wegreißen wollte. Er endete irgendwo da draußen, im formlosen Nichts, das nun seltsam flimmerte und ein bisschen so wirkte, als bestünde das ganze Schwarz aus zuckenden Tentakeln, Zilliarden davon, unendlich fern.

Hinter mir knirschte etwas Metallisches.

»Na warte!«, rief Nick und schraubte die Kugel von einem der Aschenbecher, nahm den verbleibenden Ständer wie ein Schwert in beide Hände. Dann ging er auf den Fangarm los, der so riesig war, dass Nicks Kopf in praktisch jeden Saugnapf komplett reingepasst hätte, schrie »Nimm das!« und hackte auf den Mega-Kraken ein.

»Spinnst du?«, kreischte ich hinter dem Pilz hervor, bei dem ich soeben Deckung gesucht hatte.

»Nimm dir lieber den anderen, oder muss ich alles alleine …«

In diesem Augenblick passierte mehreres gleichzeitig: CTHs überdehnte Tentakel konnten ihn nicht mehr halten, und er ließ den Automaten los und wirbelte zur widerwärtig pochenden Ausgangsöffnung des Raumes. Dabei riss er auch Nick von den Beinen, der durch die Luft geschleudert wurde, noch ein letztes Mal »Kaaarl!« rief – und dann von einem zuckenden Riesen-Tentakel aus dem Raum gelutscht wurde wie Eigelb aus einem Ei.

»Niiick!«

Mit ausgestrecktem Arm rannte ich ihm hinterher, dass mir der grünliche Schlabber um die Beine schäumte, doch als ich ihm durch das pulsende Loch ins formlose Nichts folgen wollte …

… knallte ich bloß gegen eine Glasscheibe, flog mit dem Kopf nach hinten und ging zu Boden. Während ich mir die blutige Nase rieb, starrte ich auf Autos im Innenhof des Restaurants Panorama.

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Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
358 s. 15 illüstrasyon
ISBN:
9783957770714
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