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2.2 Translatoren als Sprachingenieure in der jungen Republik

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges führte Atatürk von 1919 bis 1923 einen Befreiungskampf gegen die Westmächte, die die zentralen Gebiete Anatoliens besetzt hatten. Dieser Kampf führte am 29. Oktober 1923 zur Gründung der Republik Türkei. Die Bemühungen, eine Republik ins Leben zu rufen, führten auch zu einer spürbaren Steigerung des Übersetzungsvolumens, wobei die Stärkung der türkischen Sprache durch Übersetzungen aus den modernen westlichen Sprachen im Mittelpunkt stand. Ziel dieser Translationspolitik1 von staatlicher Seite war es, den Zugang der Bevölkerung zu türkischen Texten zu verbessern und die Sprache leichter erlernbar zu machen. Dies führte zu einer Institutionalisierung der Übersetzer- und Dolmetschertätigkeiten in der modernen türkischen Republik. Das Hauptbestreben des neuen Staates galt dabei der Entwicklung einer nationalen (Schrift-)Kultur, die durch diese intensive Übersetzungstätigkeit gefördert werden sollte. Inhaltlich lag der Fokus vor allem auf wissenschaftlichen wie auch literarischen Texten in westlichen Sprachen, um mit deren Hilfe die neuerwachte moderne bzw. westliche türkische Kultur zu beleben und in der Gesellschaft zu verbreiten. Anfänglich waren in der jungen Republik insbesondere Schriftsteller und Intellektuelle mit Fremdsprachenkenntnissen – wie Sabahattin Eyüpoğlu2 und Nurullah Ataç3 – als Übersetzer aktiv. Sie alle kämpften durch ihre Übersetzungsarbeiten für die Etablierung der neuen modernen türkischen Sprache und Kultur innerhalb der Gesellschaft.

Nach Abschluss der Gründungsphase begannen sich die verschiedenen Organe und Institutionen der jungen Republik zudem rasch zu entwickeln. Insbesondere das Ministerium für nationale Bildung bemühte sich in diesem Zusammenhang intensiv um eine nachhaltige Senkung der Analphabetenrate. Unter der damaligen Leitung von Hasan Âli Yücel4 entwickelte sich das Ministerium so zur wichtigsten staatlichen Instanz für Übersetzungen. Die Institution verfolgte dabei zwei Ziele. Einerseits wollte man mit Hilfe von Zeitschriften zum Thema Übersetzen und insbesondere durch die Übersetzung von westlicher Literatur universelles Weltwissen zugänglich machen, andererseits wollte man durch die Reform des türkischen Alphabets im Jahr 1928 den Wechsel von einer mündlichen Volkskultur zu einer Schrift-Kultur bewältigen (vgl. Yazıcı 2005: 59). Alle BürgerInnen sollten die türkische Sprache auf Grundlage des lateinischen Alphabets lernen und künftig schriftlich (wie mündlich) verwenden. Außerdem sollte das moderne Türkisch damit zur neuen Literatursprache werden. Gleichzeitig führte das Übersetzungsengagement des jungen türkischen Staates zu einer Steigerung des Ansehens von Übersetzern. Häufig waren berühmte Schriftsteller und Intellektuelle als Übersetzer tätig, was das Ansehen des Berufs ebenfalls erhöhte.

In der Anfangsphase der modernen türkischen Republik trugen zudem zwei Phänomene entscheidend zur Entwicklung einer schriftlich verbreiteten Nationalkultur bei und formten auch wiederum die Translationskultur: einerseits die Zeitschriften zum Thema Übersetzen und andererseits die Übersetzungsaktivitäten an den Universitäten. So hatte das Ministerium für nationale Bildung 1939 eine eigene Übersetzer-Kommission gegründet, die ihrerseits 1940 das Tercüme Bürosu (Büro für Übersetzungen) ins Leben gerufen hatte (vgl. Yağcı 1999: 229–235; Eruz 2003: 59; Yazıcı 2005: 60ff.; Paker 2009: 557f.). Dieses Büro, das unter der Leitung des Ministeriums für nationale Bildung stand, gab von 19. Mai 1940 bis 19. März 1947 die Zeitschrift Tercüme5 (Übersetzung) heraus. Der Schwerpunkt der Zeitschrift lag nach Yazıcı (2005: 60) vor allem auf jenen Werken, die in den europäischen Ländern wesentlich zur Entfaltung der Aufklärung beigetragen hatten. Die Zeitschrift selbst existierte bis 1966, erschien in den Jahren nach 1947 aber nicht mehr unter der Leitung desselben Komitees wie zu Beginn. Tercüme bot Raum für Diskussionen und umfangreiche Reflexionen über das Problem des literarischen Übersetzens. Verschiedenste Autoren und Übersetzer nutzten die Zeitschrift daher bald als gemeinsame Plattform, um sich über Themen wie Übersetzen, Übersetzungsmethoden und Übersetzungsprozesse auszutauschen. Besondere Bedeutung kommt ihr auch deshalb zu, weil sie die erste von der jungen Republik regelmäßig publizierte Zeitschrift war, die sich mit Übersetzungsproblemen befasste und damit klar die staatliche Translationspolitik widerspiegelte. Später publizierte Zeitschriften zum Thema Übersetzen waren nicht mehr staatlich gefördert, sondern wurden von privaten Verlagshäusern herausgegeben und vertrieben, was auf ein Ende der Zeit der staatlich gesteuerten Translationskultur deuten kann.

Dies gilt etwa für die Zeitschrift Cep Dergisi (Dünyaya Açılan Pencere) (Taschen-Zeitschrift; das Fenster zur Welt), die von dem Herausgeber der weit verbreiteten literarischen Zeitschrift Varlık (Existenz) publiziert wurde. Mit ihr wollte man jene Lücke schließen, die Tercüme nach Einstellen der Publikation hinterlassen hatte. Die Zeitschrift erschien jedoch nur drei Jahre, 1969 wurde das letzte Heft (Nummer 29) gedruckt. Ihr folgte gut zehn Jahre später die Zeitschrift Yazko Çeviri, deren erste Nummer im August 1981 publiziert wurde. Insgesamt erschienen 18 Nummern der Reihe, 1984 wurde auch sie eingestellt. Im Jahr 1987 übernahm dann das Verlagshaus Metis das Ruder – mit der Veröffentlichung der Zeitschrift Metis Çeviri, deren letzte Ausgabe, Nummer 20–21, im Jahr 1992 erschien. Als letzte wichtige Zeitschrift zum Thema literarisches Übersetzen ist schließlich die Zeitschrift TÖMER Edebiyat Çeviri Dergisi (Zeitschrift für literarisches Übersetzen) zu nennen, die 1994 ihr erstes Heft veröffentlichte.

Als Beispiel für aktuelle Öffentlichkeitsarbeit soll an dieser Stelle außerdem die im Jahr 2005 von Sabri Gürses gegründete, erste türkische Online-Zeitschrift für Translationswissenschaft, Çeviribilim Dergisi erwähnt werden. Seit dem Jahr 2010 veröffentlicht er darüber hinaus eine Zeitung mit dem Namen Çeviribilim Gazetesi (Zeitung für Translationswissenschaft). Unter der Leitung von Tozan Alkan erscheint seit 2017 außerdem noch eine weitere Zeitschrift, Çevirmenin Notu (Anmerkung des Übersetzers).

Parallel zu den Zeitschriften begann man zudem einschlägige Auszeichnungen zu entwickeln. So verlieh das staatliche Tercüme Bürosu im Jahr 1946 einen Preis für lyrische Übersetzungen, während von 1959 bis 1981 das Institut für Türkische Sprache (TDK), eine Reihe an ÜbersetzerInnen für ihre Leistungen auszeichnete (vgl. Yağcı 1999: 559ff.). In den Jahren darauf wurden hingegen kaum Preise für literarische Übersetzungen verliehen. Der nach Azra Erhat6 benannte ÜbersetzerInnen-Preis Azra Erhat Çeviri Ödülü wird seit 1983 verliehen.

Die in diesem Abschnitt beschriebenen Entwicklungen zeigen eine allgemeine schrittweise Verfestigung von Institutionalisierung in der türkischen Translationskultur. Insbesondere Auszeichnungen spielen für das Ansehen von ÜbersetzerInnen noch heute eine wichtige Rolle. Hinzu kommt der damit verknüpfte ökonomische Aspekt. Im folgenden Abschnitt wird die weitere Institutionalisierung auf universitärer Ebene beleuchtet.

3 Die Institutionalisierung auf universitärer Ebene

Mit der Gründung des neuen Staates wurde auch die Gründung universitärer Einrichtungen und Bildungsinstitute gezielt vorangetrieben. Translation spielte dabei an der Universität Istanbul vor allem in den Jahren 1910 bis 1933 eine wichtige Rolle. Mit der Universitätsreform im Jahr 1933 bis in die 1960er Jahre begleiteten translatorische Handlungen das moderne Hochschulwesen des jungen Staates1. Die hier beschäftigten Wissenschaftler waren zugleich als Translatoren tätig und konnten ihr Wissen durch entsprechende Translationsprodukte an Studierende und an die Gesellschaft weitergeben. In Folge der politischen und wirtschaftlichen Krisen in den 1970er und 1980er Jahren waren es außerdem nicht mehr staatliche Einrichtungen, die die allgemeine Translationspolitik bestimmten und lenkten, sondern vielmehr die privaten Verlagshäuser. Diese Entwicklung führte dazu, dass sich Translationspolitik nun vor allem an wirtschaftlichen Interessen orientierte (vgl. Yazıcı 2005: 63). In den 1990er Jahren entstand in den Verlagshäusern so eine ganze Reihe neuer Arbeitsplätze mit Translationsbezug und man begann gezielt, ÜbersetzerInnen, EditorInnen und HerausgeberInnen anzustellen. Inzwischen führen auch Banken in Form von Tochtergesellschaften eigene Verlagshäuser, die Übersetzungen publizieren und fördern. Auch darin lässt sich ein deutliches Indiz für einen entscheidenden Wechsel in der türkischen Translationskultur erkennen. Der Übergang von staatlich motivierten Übersetzungen zu marktorientierten wird hier deutlich.

Im Jahr 1982 wurden in Istanbul, an der Universität Bosporus, die ersten universitären Ausbildungsinstitute für ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen gegründet. Im selben Jahr wurde auch in der Hauptstadt der Türkei, in Ankara, eine neue Ausbildungseinrichtung für TranslatorInnen ins Leben gerufen. Beide Bildungsinstitutionen setzten sehr gute Englischkenntnisse der Studierenden voraus, in allen anderen Sprachen erfolgte die translatorische Ausbildung indirekt im Rahmen der entsprechenden philologischen Studien. Zu Beginn orientierten sich die translatorischen Ausbildungseinrichtungen bei der Gestaltung ihres Curriculums am Aufbau der philologischen Studien und boten acht-semestrige BA-Programme an. Ab dem Jahr 2000 wurden parallel dazu an einigen Hochschuleinrichtungen auch vier-semestrige Studiengänge eingerichtet, die damit dem Ausbildungsangebot einer Fachhochschule im europäischen Sinn entsprechen. Aktuell werden an mehr als 30 Universitäten und 50 Instituten translatorische und translationswissenschaftliche Ausbildungen angeboten (vgl. Türkiye Cumhuriyeti Başbakanlık Kurumu 2015: 12–16; ÖSYM 2019).

Eine weitere wichtige Rolle kommt darüber hinaus den Berufsverbänden zu (vgl. Eruz 2012). Der erste türkische Berufsverband für TranslatorInnen war der 1969 gegründete Verband der KonferenzdolmetscherInnen der Türkei, der TKTD. Im Jahr 1999, dreißig Jahre später, erfolgte dann die Gründung von Çeviri Derneği (Verband der ÜbersetzerInnen), der sowohl ÜbersetzerInnen als auch DolmetscherInnen vertritt. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist gemäß Verbandsstatut eine professionelle oder akademische Translationstätigkeit. Heute ist der Verband Çeviri Derneği außerdem Mitglied der International Federation of Translators (FIT). Im Gegensatz zu den genannten Verbänden vertritt der im Jahr 2006 gegründete ÇEVBIR ausschließlich ÜbersetzerInnen, insbesondere LaienübersetzerInnen, die sich mit der schriftlichen Übersetzung urheberrechtlich geschützter Originalwerke beschäftigen. Im Jahr 2007 wurde schließlich auch eine Berufsvertretung für AuftraggeberInnen ins Leben gerufen – der Çeviri İşletmeleri Derneği (Verband für Translationsagenturen), der seit 2017 auch Mitglied der EUTAC ist. Auf Ebene der Studierenden wiederum wurde im Mai 2010 von den Studierenden des Instituts für Übersetzen und Dolmetschen an der Universität Trakya in Edirne eine entsprechende Organisation gegründet. Der alle relevanten Institute umfassende Verband mit dem Namen Türkiye Çeviri Öğrencileri Birliği (TÜÇEB, Verband der Translation-Studierenden der Türkei) organisiert an verschiedenen Universitäten regelmäßig Fachveranstaltungen und erweitert damit die Debatte um das Berufsbild.

All diese Bemühungen im Hinblick auf die Institutionalisierung der Ausbildung und der Interessensvertretungen führten nicht nur innerhalb der entsprechenden Institutionen zu intensiven Diskussionen, sondern auch auf Regierungsebene, insbesondere in den betroffenen Ministerien. Darüber hinaus organisierten die verschiedenen Handlungspartner des Translationsprozesses eine Reihe themenspezifischer Veranstaltungen, die Gelegenheit boten, das Berufsfeld Translation gemeinsam eingehend aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Diese Entwicklungen zeigen, dass der Wandel des Berufsbilds nicht nur auf der Einrichtung universitärer Institutionen beruht, sondern auch auf dem Einfluss der verschiedenen Interessenvertretungen. Das Berufsbild wird durch die Institutionalisierung klarer erkennbar, was auch zu einer größeren Sichtbarkeit der TranslatorInnen führt. Durch die hier dargestellte Debatte um das Berufsbild tritt die heutige Translationskultur deutlicher hervor. Die weitere Entwicklung des Berufsbilds in der Türkei auf dem bereits eingeschlagenen Weg zur Sichtbarkeit wird nachfolgend ausführlicher erläutert.

4 Der Wendepunkt in der Entwicklung des Berufsbilds

Im Laufe der Beziehungen zur EU führte die Türkei einige wichtige Umstrukturierungen durch, so auch im Hinblick auf den nationalen Qualifikationsrahmen. Diese sind besonders für die Berufsausbildung wie auch für die Allgemeinbildung als ein wichtiger Schritt zu erkennen. Als ein Staat, der das Bologna-Abkommen unterzeichnet hatte, sollte die Türkei dieses dann auch möglichst bald in die Praxis umsetzen. Im Rahmen des Qualifikationsrahmens für den gemeinsamen Europäischen Hochschulraum sollte ein nationaler Qualifikationsrahmen ausgearbeitet werden. Parlak/Bildik beschreiben diesen Schritt wie folgt:

The biggest step towards the idea of convergence in constructing a comprehensive national qualifications framework in Turkey was realised with the establishment of the Vocational Qualifications Authority (VQA) on 21 September 2006 by Law No. 5544. (Parlak/Bildik 2014: Kapitel 2)

Mit den Umstrukturierungen im Zusammenhang mit dem nationalen Qualifikationsrahmen wurden auch Berufsqualifikationen aller Art neu definiert. Der nationale Qualifikationsrahmen versucht dabei, die Bedürfnisse aller Interessensgruppen zu berücksichtigen und die Ausbildung im Sinne der späteren Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern (vgl. ibid.). Diesbezüglich bestehen von Seiten aller Beteiligten große Erwartungen, wobei an diesem Prozess aber auch starke Kritik geübt wird, besonders von den Übersetzungsagenturen, aber auch von mehreren Bildungsinstituten.

Für ein besseres Verständnis dieser Entwicklungen soll an dieser Stelle der türkische Begriff meslek (Beruf) näher beleuchtet werden. Das Wörterbuch des Instituts für Türkische Sprache (TDK) schreibt dazu:

Belli bir eğitim ile kazanılan sistemli bilgi ve becerilere dayalı, insanlara yararlı mal üretmek, hizmet vermek ve karşılığında para kazanmak için yapılan, kuralları belirlenmiş iş.1 (Türk Dil Kurumu [o. J.])

Ausgehend von dieser Definition des Begriffs beschreibt Kaya (2012: 44) drei Merkmale für die Existenz eines Berufs: erstens Ausbildung und Titelvergabe, zweitens Standards bezüglich der Ausübung des Berufs und drittens Berufsvereine und -verbände. Das erste und das dritte Kriterium sind im Wesentlichen seit etwa dem 15. Jahrhundert durch die Gründung von Ausbildungseinrichtungen und später auch Berufsvereinen erfüllt. Infolge der Gründung der Behörde für nationale Berufsstandards und Qualifikationen wurden zudem nun die bislang ausgeübten Berufe, deren Standards und Qualifikationen von Seiten einer staatlichen Einrichtung definiert und festgelegt. In diesen Entwicklungsprozess wurde auch das Berufsbild von ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen miteinbezogen. Dies war ein erster und wichtiger Schritt in Richtung einer künftig geschützten Berufsbezeichnung.

Die Behörde für nationale Berufsstandards und Qualifikationen ist dem Ministerium für Arbeit und Inneres unterstellt und beschäftigt Mitglieder unterschiedlicher Ministerien und Institutionen. Seit 2006 ist die Behörde mit der schnellstmöglichen Erfüllung ihrer Aufgaben befasst. „Vocational Qualifications Authority has released around 500 national occupational standards, including standards for translators and interpreters, and 250 national vocational qualifications so far“ (Parlak/Bildik 2014: Kapitel 3). Allerdings existieren in der Türkei drei unterschiedliche Qualifikationssysteme: Berufsbezogene Qualifikationen werden von der Behörde für Berufsqualifikationen (MYK), Qualifikationen in Bezug auf die Hochschulbildung vom Hochschulrat (YÖK) und Qualifikationen für Schulbildung vom Ministerium für nationale Bildung (MEB) festgelegt und definiert. Um einen nationalen Qualifikationsreferenzrahmen zu entwickeln, mussten diese Institutionen eng zusammenarbeiten, weshalb 2010 eine entsprechende Repräsentanten-Kommission gegründet wurde, die sich seither mit dieser Aufgabe befasst. Nach den ersten grundlegenden Überlegungen wurden zunächst diverse Arbeitsgruppen und Kommissionen gegründet, die sich weiter mit der Frage befassen sollten. Alle HandlungspartnerInnen des Translationsprozesses wurden aufgerufen, sich an dem Entwicklungsprozess zu beteiligen (vgl. ibid.).

Die im Zuge dieser Zusammenarbeit gemeinsam ausgearbeiteten Berufsstandards für TranslatorInnen wurden am 29. Januar 2013 im Türkischen Gesetzblatt veröffentlicht. Dieser Rechtstext fasst die Berufsstandards sowohl für Übersetzen als auch für Dolmetschen in einem einzigen Dokument zusammen. Der ca. 27 Seiten umfassende Text enthält eine 15 Zeilen lange Definition der Berufsbezeichnung „TranslatorIn“ (çevirmen). In der Einführung wird der Beruf wie folgt definiert:

Çevirmen (seviye 6), ilgili mevzuat ve/veya sözleşme, İSG önlemleri, kalite standartları ve hizmet prosedürleri çerçevesinde çeviri süreçlerinin iş organizasyonu ile hazırlık faaliyetlerini gerçekleştiren; sözlü çeviri, işaret dili çevirisi ve/veya yazılı çeviri faaliyetlerini yürüten ve bireysel mesleki gelişmini sağlayan nitelikli kişidir.2 (Mesleki Yeterlilik Kurumu 2013)

Im Rahmen der allgemeinen Entwicklung hin zu einem geschützten Beruf publizierte aber auch die zuständige Behörde des Kanzleramts in den Jahren 2011 und 2015 zwei umfangreiche Berichte über das Berufsbild von DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen (vgl. Küçükyağcı/Avcı 2011; Türkiye Cumhuriyeti Başbakanlık Kurumu 2015). Zugleich wird in beiden Berichten des Kanzleramts aber auch festgehalten, dass die in den Berichten enthaltenen Aussagen, Feststellungen und Beschreibungen nicht als verbindliche Richtlinien, sondern vielmehr als Empfehlungen und Vorschläge zu verstehen sind. Die darin enthaltenen Definitionen des Begriffs „TranslatorIn“ sind also nicht präskriptiver, sondern vielmehr deskriptiver Natur. Weder das Kanzleramt noch die anderen Beteiligten sollen die Inhalte des Berichts als verpflichtende Vorgaben sehen. Die Berichte spiegeln damit das Interesse der Politik an dem Thema wider, enthalten jedoch keine verbindliche Regelung. Auffällig ist, dass sich der 2015 publizierte Bericht, der damit nach der Veröffentlichung der Berufsstandards im Gesetzblatt erschien, kaum von dem aus dem Jahr 2011 unterscheidet. So wurde die Definition des Begriffs „TranslatorIn“ vom Bericht 2011 ohne jedwede Anpassung oder Ergänzung wörtlich in den Bericht von 2015 übernommen.

Der Entwicklungsprozess zum vollkommen geschützten Beruf ist daher allein mit der Publikation des Rechtstexts zu den Berufsstandards 2013 und den darin enthaltenen Vorgaben und Beschreibungen noch lange nicht abgeschlossen. Vielmehr befindet sich die Translationskultur in der Türkei nach wie vor in einer Phase dynamischer Umgestaltung, die auf Basis eines „machtgeleiteten Interessenausgleiches aller an Translation, deren Funktion und Funktionieren, interessierten Individuen und Institutionen“ (Prunč 2008: 26) erfolgt.

5 Ausblick

Das Berufsbild von TranslatorInnen hat sich im Laufe seiner geschichtlichen Entwicklung immer wieder gewandelt und ist auch heute alles andere als statisch. Die HandlungspartnerInnen des Translationsprozesses diskutieren heute mehr denn je den Schutz des Berufs sowie die Definition verbindlicher Standards und beruflicher Qualifikationen. Im Zuge dieses Entwicklungsprozesses treten immer wieder dieselben Fragen auf: Inwieweit wird sich die Kluft zwischen Laien und ausgebildeten TranslatorInnen weiter vergrößern? Dürfen die ersteren, auch wenn sie diesen Beruf vielleicht schon länger ausüben, nicht mehr übersetzen und dolmetschen? Haben auch sie an den Eignungsprüfungen für die verschiedenen Qualifikationen teilzunehmen? Wie soll dieser Schutz in der Praxis aussehen und wer soll ihn gewährleisten? All diese Fragen sind in der Türkei zum heutigen Zeitpunkt noch ungeklärt. Mit der Errichtung universitärer Ausbildungsstätten, die entsprechende Titel verleihen, wurden in der ersten Hälfte der 1980er Jahre erste Schritte in Richtung einer Institutionalisierung gesetzt. Doch bis 2013 war der Beruf, für den die Studierenden an den Universitäten ausgebildet wurden, nicht als Beruf definiert und geschützt. Diese Titel werden daher künftig eine noch viel bedeutendere Rolle spielen. Jedoch werden dementsprechend, je nach weiterer Entwicklung der Situation, auch neue Institutionen an Bedeutung gewinnen. In Bezug auf die Vergabe weiterer Titel wird in der Türkei somit noch viel diskutiert werden. Welchen Wert wird welcher Titel haben und welche Befugnisse werden damit festgelegt? Es ist utopisch zu erwarten, dass die HandlungspartnerInnen des Translationsprozesses und die anderen bei der Definition der Berufsstandards mitwirkenden Parteien bezüglich all dieser Fragen einhelligen Konsens erzielen werden. In diesem Zusammenhang wurde bereits mehrmals festgehalten, dass etwa ein BA-Titel und ein Diplom nicht ausreichend für alle Einsatzbereiche qualifizieren. Vielmehr sollten die AbsolventInnen eventuell später jeweils entsprechende Eignungsprüfungen ablegen müssen.

Dies lässt sich auch dahingehend interpretieren, dass innerhalb der beiden Bereiche Dolmetschen und Übersetzen künftig jeweils auch unterschiedliche Qualifikationsstufen erreicht werden können. Ein wünschenswertes Ergebnis, das das Ende eines langen Entwicklungswegs markieren könnte. Wie sich die entsprechenden kulturspezifischen Ausprägungen des Handlungsfelds Translation in der Türkei letztlich gestalten werden, bleibt abzuwarten. Welche „Hierarchien sich im Handlungsfeld der Translation“ (Prunč 2008: 20) in der Türkei infolge der geplanten Ausarbeitung der unterschiedlichen Berufsqualifikationen letztlich ausbilden werden, ist zurzeit noch eines der großen Rätsel in diesem so mühsamen wie spannenden Entwicklungsprozess.

Türler ve etiketler

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0+
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557 s. 12 illüstrasyon
ISBN:
9783823302148
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