Kitabı oku: «HUNDE JA-HR-BUCH DREI», sayfa 2

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Die Cocker Hündin Anja

Helden haben nasse Füße

Simone Kunde


Hinein ins Gedränge. Wieder hatte ich Probleme, am Ende der vielen Hundekörper die Tür zu erreichen, vor der sie sich versammelt hatten, um nach draußen zu gelangen. Ich ließ mich – wie schon so oft – nach vorn fallen, mit der ausgestreckten Hand auf den Türgriff zu. Geschafft. Langsam drückte ich die Klinke hinunter und zog die Tür vorsichtig auf. Ohrenbetäubender Lärm erfüllte den kleinen Flur. Dann schossen sie hinaus ins Freie. Mit ihnen die Geräuschkulisse. Es waren fünf Hunde, Bologneser Mama Amrei mit ihren drei Halbstarken und Cocker Spaniel Anja. Sie alle trieb es in die Natur. Heute schien endlich mal wieder die Sonne.

Menschen sind langsam. Als ich mit meiner dicken Jacke aus der Tür trat, erwartete Anja mich bereits. Hoffnungsvoll schaute sie mich mit ihren dunkelbraunen treuen Augen an. Cocker haben einen etwas traurigen Blick, was wahrscheinlich an den langen schweren Ohren liegt, die wie Zöpfe ihr Gesicht umrahmen. Ich fühlte mich ertappt und irgendwie schuldig. War ich es doch, die zu den Hunden gesagt hatte: „Jetzt fahren wir los.“ Anja war sicher, dass dieses „Jetzt“ sofort hätte beginnen müssen. Doch ich hatte sie warten lassen, wenn auch nur wenige Minuten. Der Blick eines Cockers öffnet das Herz und lässt einem jeden Egoismus bedauern. Anja lief voraus zum Auto, ihrem Auto. Freudig wedelte der Schwanz mit dem Hund. Ich kenne sonst keine Hunderasse, die solch eine Wedel-Technik beherrscht. Ähnlich einer Laolawelle zieht sich das Wedeln von der Schwanzspitze zur Hundenase.

Alle Hunde saßen auf ihren Plätzen. Es konnte losgehen. Das Frühjahres-Hochwasser hatte sich ins Flussbett zurückgezogen. Deshalb waren die Auen unser Ziel. Hierher kamen nur wenige Menschen. Das war ideal für einen Spaziergang mit einer Hundemeute. Während die Halbstarken ihrer Mutter zeigten, wie schwierig es ist, einen Sack Flöhe zu hüten, war Anja eine Wildfährte in die Nase gestiegen. Jagdhundtypisch ertönte das regelmäßige „Klack“-Geräusch beim Schnüffeln. Ein langer Spaziergang war nicht geplant. Dieser Ausflug diente einzig und allein dem Herumtoben. Aber ein kleines Stück wollten mein Freund und ich schon noch gehen. Nichts hielt unsere Hunde auf, sie waren in ihrem Element.

Die Wiese, nicht ganz eben, ließ die Aue in kleinen Geländewellen erscheinen. Hui, machte das den Halbstarken Spaß, über die kleinen Erhebungen hinwegzutollen. Gerade verschwanden sie hinter dem nächsten Wellenkamm, als wir ein lautes Platschen vernahmen. Wir rannten los und sahen einen See, den das Hochwasser zurückgelassen hatte. Seine Ränder boten keinen Abfluss und die Erde hatte noch nicht die Möglichkeit, große Wassermengen aufzunehmen. Amrei stand am Ufer. Die Hundemutter weinte und schrie. Mit flehendem Blick schaute sie zu uns. Ihren kleinen Sohn neben sich, tapste sie unruhig hin und her. Doch wir sahen die beiden kleinen Hündinnen. Sie befanden sich im eisigen Nass und paddelten wild um ihr Leben. Ihr weiches dickes Fell saugte sich voll mit Flüssigkeit. Wir mussten uns beeilen, bevor die Kleinen auskühlten oder ertranken. Lange konnten sie sich nicht mehr halten. Dessen waren wir uns sicher.

Wir liefen, als ginge es um unser Leben. Plötzlich schoss ein schwarzer Blitz an uns vorbei und stürzte sich in die Fluten. Anja. Sie wollte den Hundekindern helfen und war, ohne zu zögern, in das eisige Wasser gesprungen. Schon hatte sie einen der Welpen erreicht. Sie stupste das Tier mit der Schnauze an, um es ans Ufer zu bringen. Wieder und wieder startete sie einen neuen Versuch. Es gelang ihr nicht. Die Kälte tat das Übrige. Doch inzwischen stand Herrchen im Wasser. Mit einem Griff zog er die beiden Hundekinder aus der eisigen Gefahr. Eilig stopfte ich mir die Kleinen in die dicke Jacke. Herrchen hatte Anja gegriffen und im Eiltempo liefen wir zurück zum Auto.

Die kleinen Abenteurer und ihre Retterin packten wir in dicke Decken und fuhren nach Hause. Dort gab es für alle Hunde eine große Wurst, und für unsere Heldin sogar zwei. Anja schaute mich mit ihren treuen, aber traurigen Augen vorwurfsvoll an. Sie schienen zu sagen: „Ist das alles, dieses bisschen Wurst?“ Ich wusste, dass Cocker einen unbändigen Appetit haben. Doch sie hatte mir an diesem Tag gezeigt, was ich so sehr an diesen Hunden liebe. Es war ihre intelligente, zuverlässige und furchtlose Art, ihr temperamentvolles und anhängliches Wesen sowie die Treue und Liebe ihrer Familie gegenüber. Ich ließ mich nicht lang bitten und gab ihr noch ein Stück Wurst mehr, was sie mir mit einer Laolawelle dankte.

Der Collie Sky

Lassie
oder: Wie heißt diese Rasse noch gleich???

Elke Parker


Sarah Rewald war für ihre elf Jahre nicht nur zu klein geraten, sondern zu allem Unglück auch noch dick. Weder pummelig noch mollig, nein, wirklich dick. Kinder sind untereinander grausam ehrlich, da war es kein Wunder, dass Sarah jeden Tag von ihren Mitschülern gehänselt wurde. Am schlimmsten gestalteten sich die wöchentlichen Sportstunden für das kleine Mädchen. Aufgrund ihrer Körperfülle hatte Sarah ohnehin schon Riesenprobleme, die geforderten Leistungen zu erbringen, und hinzu kam die Scham, sich, nur mit einer Sporthose und einem T-Shirt bekleidet, den anderen zeigen zu müssen. In der Umkleidekabine gab es dann auch prompt immer lautes Gelächter und Gegröle. Noch auf dem Nachhauseweg hallten dem Kind die gesungenen Spottreime der Klassenkameraden in den Ohren. Tränen kullerten Sarah über die Wangen und sie wollte nur noch heim, ganz schnell, sich am liebsten in einem Erdloch verkriechen und nie wieder herauskommen.

Dabei hatte Sarah durchaus ein hübsches Gesicht, dessen Mittelpunkt ihre wunderschönen dunkelbraunen Augen bildeten. Widerspenstige, brünette Locken kringelten sich bis auf die Schultern. Doch all das wurde angesichts ihrer unförmigen Figur überhaupt nicht wahrgenommen. Zu Hause führte der erste Weg die Elfjährige zum reichhaltig gefüllten Kühlschrank. Sarahs Mutter arbeitete bis spät in den Nachmittag, der Vater, ein Fernfahrer, verbrachte oft nur jedes zweite oder dritte Wochenende daheim. Ein gemeinsames Frühstück, Mittag- oder Abendessen war bei den Rewalds fast so selten wie Weihnachten. Sarahs Mutter plagte oft genug das schlechte Gewissen, aber da die Familie auf ihren Hinzuverdienst angewiesen war, wollte sie ihrer Tochter wenigstens all das gönnen, was ihr richtig schmeckte. So türmten sich Pizzas zum Aufwärmen neben fertigem Kartoffel- und Nudelsalat, Hotdogs, Fast-Food-Burgern, Vanillepuddingbechern und jeder Menge Schokolade. Obst und Joghurts dagegen suchte man genauso vergeblich wie Mineralwasser. Stattdessen standen etliche stark zuckerhaltige Limonaden zur freien Auswahl. Sarah bediente sich, nahm den gut gefüllten Teller samt einem Glas Cola mit ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein, stellte ihn so laut, als sei sie schwerhörig, und versuchte auf diese Weise, die Spottreime der anderen Kinder zu vergessen. Ganz nebenbei aß sie sich quer durch eine eigenwillige Zusammenstellung aus Nudelsalat mit Frikadelle, mehreren Hotdogs und zwei Bechern Pudding. Zum krönenden Abschluss gönnte sie sich noch einen der frisch gekauften Donuts. So verbrachte sie mehrere Stunden mit Essen, Fernsehen und natürlich der Erledigung ihrer Hausaufgaben. Sarah war eine gute Schülerin, wären da nur nicht diese Sportstunden … Sarahs Mutter kam meist recht müde von der Arbeit, ließ es sich aber nicht nehmen, Gespräche mit ihrer Tochter zu führen. Immer fragte sie: „Na, wie war dein Tag, Kind? Erzähl doch mal, war alles okay in der Schule? Hast du mit den anderen was unternommen?“ Keine Ahnung, nicht die leiseste, hatte sie, wie es Sarah in der Schule erging. Nie hatte sich ihre Tochter beschwert, nie ihre Traurigkeit offen herausgelassen. Das Mädchen wollte ihre Mutter nicht mit solchen Problemen belasten. „Ja, es war alles okay, Mum, ich hatte einen echt tollen Tag!“

Solch ein Teufelskreis machte eine Gewichtsabnahme einfach unmöglich. All das wäre wohl noch Jahre so weitergegangen, wenn da nicht eines Tages auf dem Nachhauseweg von der Schule dieser Hund hinter einem Gartenzaun gestanden hätte. Sarah war, wie so oft, in trübsinnige Gedanken vertieft, hatte sich von den Mitschülern wieder einiges anhören müssen, und die Tränen liefen ihr wieder über das hübsche, leider viel zu pausbäckige Gesicht. Sie bemerkte den vierbeinigen Beobachter überhaupt nicht, dabei war er bildschön, und das war noch untertrieben. Dicht neben Sarah, nur durch diesen Gartenzaun getrennt, stand ein Traum von Collie. Aufmerksam verfolgten die dunklen, weisen Augen des Tieres das Mädchen. Die Ohren des schottischen Schäferhundes waren hoch aufgestellt, damit ihm bloß nichts entging. Fast schon hätte man das Verhalten als Fixieren bezeichnen können, so angespannt war der Collie. Er agierte wie bei der Hütearbeit und es schien, als hätte er in Sarah soeben ein Schaf und somit eine neue Aufgabe erblickt. Das Mädchen hingegen blieb weiter in sich und seine Gedankenwelt versunken. Dem Schafshüter auf der anderen Seite des Jägerzaunes wurde es bald zu bunt. Wie konnte man ihn so ignorieren! Jeder nahm ihn doch immer gleich wahr! Stets erntete er begeisterte Rufe der Passanten, egal ob von Kindern oder Erwachsenen: „Oooooch, schaut mal, eine Lassie!!! Ist die schööööön!“ Der Gartencollie hieß im wirklichen Leben Sky und sein Frauchen reagierte immer noch etwas ärgerlich, wenn die Lassie-Rufe laut wurden. Frei nach dem Motto „Niemand soll dumm sterben“ korrigierte sie fast täglich: Die korrekte Rassebezeichnung sei Collie oder auch schottischer Schäferhund. Lassie wäre nur der Name eines Filmhundes, der an der Seite der damals noch blutjungen Liz Taylor zu unvergessenem Ruhm gelangte, dann in späteren Jahren zum Serienstar aufstieg und 1960 sogar einen Stern auf dem berühmten Walk of Fame in Hollywood erhielt.

Sky war das alles egal. Im Gegenteil, sein Aussehen verhalf ihm zu einem hohen Maß an Aufmerksamkeit, Bewunderung, Streicheleinheiten und auch zu dem einen oder anderen Leckerchen, also war sie doch okay, die Lassie-Nummer. Dass das Frauchen immer gleich so neunmalklug daherkommen musste … Momentan verblüffte und irritierte es den Rüden jedoch sehr, dass dieses Mädchen ihn überhaupt nicht wahrzunehmen schien. Sky war ein Collie par excellence. Diese sensiblen schottischen Fellnasen fühlen sich für alles verantwortlich, sie besitzen einen natürlichen Hütetrieb und wollen sich ständig „kümmern“. Sie sind relativ leicht erziehbar, vorausgesetzt man berücksichtigt, dass sie Hunde der leisen Töne sind und ein unangemessenes Erheben der Stimme nichts als Starrsinn, Scheu oder Verunsicherung hervorruft. Kurz: Collies muss man einfach lieben, schon alleine deshalb, weil sie selbst auch alles um sich herum lieben. Feinfühlig, wie sie sind, spüren sie schnell, wenn irgendetwas mit ihrem Menschen nicht stimmt oder wenn er traurig ist.

Sky waren Sarahs Tränen und ihre Bedrücktheit nicht entgangen. Er lief unruhig neben ihr am Gartenzaun entlang, dabei blieb er exakt auf gleicher Höhe mit ihr und begann letztendlich ein ziemlich zirkusreifes Programm zu veranstalten. Er sprang auf und ab, als hechtete er einer Frisbee-Scheibe hinterher, kugelte sich rollend ein Stück im Gras und überwand am Ende seiner Show durch einen eleganten Weitsprung den Gartenzaun, um direkt vor Sarahs Füßen zu landen. Sofort nahm er eine Sitzposition wie in einem Bilderbuch ein. Seine Zunge seitlich aus dem rechten Maulwinkel hängend, die Ohren immer noch aufmerksam hochgestellt, den klugen und warmen Blick zielgerichtet dem Mädchen zugewandt, schien es, als würde er lachen. „Hier bin ich, und jetzt musst du mich einfach zur Kenntnis nehmen!“ Hätte er sprechen können, wären das wohl seine Worte gewesen. Sarah zuckte zusammen. Sie stolperte fast über den Hund, der anscheinend soeben vom Himmel gefallen war. Im ersten Moment war sie fast zu Tode erschrocken, fing sich aber erstaunlich schnell wieder. Grundsätzlich hatte Sarah keine Angst vor Hunden, ganz im Gegenteil, sie mochte Tiere und einen eigenen Hund wünschte sie sich ohnehin schon lange. „Wo kommst denn du her? Du bist ja ein toller Kerl, aber bestimmt irgendwo weggelaufen. Das darf man nicht. Dein Herrchen oder Frauchen macht sich sicher schon große Sorgen.“ Sarah redete ruhig und leise mit Sky. Dann bemerkte sie die Metallmarke an seinem Halsband. Langsam bewegte sie ihre Hand in Richtung der dicken, weißen Halskrause des Collies, kraulte ihn und ergriff die runde Plakette. Sky genoss derweil die Krauleinheiten. Sarah las seine Anschrift und seinen Namen auf dem Halsbandanhänger.

„Sky also, und einfach über den Zaun gesprungen …, na wenigstens bist du nicht weggelaufen, das ist ja dein Garten!“ Kluges Kind, schien Sky zu denken, legte den Kopf leicht schief und verwandelte sein Lächeln in ein breites Grinsen. „Du musst wieder zurück, Sky. Hopp über den Zaun, hast es doch gerade eben auch geschafft, also mach schon, hoppa!“ Sie deutete mit einer weit ausholenden Armbewegung dem Collie den Rückweg an. Der hingegen hatte nichts Besseres zu tun, als umgehend seine rechte Vorderpfote zu heben, aufzustehen und mühsam einige Schritte humpelnd auf drei Beinen zurückzulegen. „Hast du dich verletzt? Armer Kerl, lass mal sehen.“ Er reichte ihr die Pfote und Sarah prüfte sanft tastend, ob ein Steinchen zwischen die Pfotenballen geraten war, begann eine leichte Massage und stellte anschließend den Vorderlauf des Hundes zurück auf den Boden. „Sieht doch alles okay aus, nun spring schon, Sky, ich muss nach Hause.“ Der Hund hörte nicht auf Sarah, sondern zeigte im nächsten Moment unaufgefordert eine weitere Übung aus seinem schier unerschöpflichen Repertoire an Tricks und Kunststücken. Aus dem Stand fiel er auf den Boden, positionierte sich blitzschnell auf die linke Seite und hielt sich mit der Vorderpfote sein rechtes Auge zu. Frauchen nannte diese Übung „Gute Nacht, Sky“. Sarah musste lachen. Was für ein verrückter Hund!

Sie hockte sich neben ihn, nahm ihm die Pfote vom Auge und kraulte seine Lefzen. Sky schaute zwinkernd auf: Na bitte, geht doch! Nun galt es, Sarah dazu zu bewegen, vor ihm über den Zaun zu kraxeln. Dann musste er die restliche Zeit, bis sein Frauchen nach Hause kam, nicht alleine verbringen. Das Mädchen stand auf und redete erneut auf den Hund ein: “Sky, vielleicht sehen wir uns ja morgen wieder, aber jetzt ab in den Garten!“ Sie machte abermals eine ausholende Armbewegung. Sky schaute ihr zu, als verstände er die Welt nicht mehr und schon gar nicht dieses Kommando. Endlich tat Sarah, was der schlaue Collie von ihr wollte. „Okay, dann mache ich dir das jetzt vor und klettere selbst hinüber. Aber wehe, du kommst dann nicht nach, mein Freund!“ Eine leichte Drohung andeutend, hob das Mädchen den Zeigefinger und machte sich tatsächlich daran, über den Zaun zu steigen. „Als ob nicht drei Stunden Sport in der Woche Quälerei genug sind“, fluchte Sarah leise vor sich hin, schaffte es dann aber doch, zu guter Letzt schwitzend im Garten des Collies zu stehen. Sky wartete, bis Sarah die sportliche Übung mit Erfolg gemeistert hatte, und flog Sekunden später mit einem gewaltigen Satz elegant über den Zaun. „Warum nicht gleich so? Musste ich dir das jetzt wirklich erst vormachen? Dann sag ich mal: Bis morgen. Ich geh jetzt, und bleib bloß, wo du bist!“ Noch ehe Sarah das Bein erneut angehoben hatte, rannte Sky los und kehrte mit einem Tennisball im Maul zurück. Auffordernd ließ er ihn direkt vor Sarahs Füße kullern und begleitete diese Aktion mit einem fröhlichen Spielgebell. „Och nööö, ich hab dir doch gesagt, dass ich jetzt gehen muss. Gegessen hab ich auch noch nichts, und dann muss ich noch die Hausaufgaben erledigen.“ Der Collie schien solche Entschuldigungen für Ausreden zu halten und beharrte darauf, dass der Tennisball nun endlich durch die Luft flog. Da der Hund mit seiner heiteren Art und seinem Spieltrieb irgendwie ansteckend wirkte, ließ Sarah sich schließlich auf das Spiel ein und beide tollten ausgelassen durch den Garten. Sky fing fast jeden Ball auf. Unermüdlich brachte er das Spielzeug ein ums andere Mal zurück, bis Sarah, in Schweiß gebadet und ziemlich außer Puste, sich auf den Rasen setzte. Sky kuschelte sich neben sie und legte dabei den Kopf sanft auf ihr Bein. Mit seiner langen Nase stupste er die Hand des Mädchens an. Sarah verstand diese Geste nur zu gut und kraulte das weiche Fell des Hundes. Ein Gefühl von Wärme, Nähe und Geborgenheit durchströmte sie. Ein sehr schönes Gefühl war das, ganz anders, als wenn sie nachmittags vor dem Fernseher saß und die vielen Lebensmittel in sich hineinstopfte. Sky atmete ruhig und gleichmäßig vor sich hin. Er war eingeschlafen. So verweilten die beiden eine recht lange Zeit. Als Sky aufwachte und sich nach ausgiebigem Recken und Strecken zum nächsten Wasserbehälter trollte, nahm Sarah die Gelegenheit wahr, um sich für heute endgültig von dem neu gewonnen Freund zu verabschieden. Es war spät geworden. Sie würde gerade noch die Hausaufgaben schaffen, und dann käme auch schon ihre Mutter nach Hause. „Tschüss, Sky, mach’s gut. Vielleicht bis morgen, aber nicht weglaufen, und auch nicht wieder über den Zaun springen, hörst du?“ Sky setzte ein Gesicht auf, als wollte er sagen „Jawohl Chefin“ und blieb artig auf dem Rasen liegen. Gleich würde sein Frauchen kommen, es war heute überhaupt nicht langweilig gewesen.

Sarah lief mit schnellen Schritten heimwärts, da die Zwischenepisode mit dem Collie über zwei Stunden Zeit in Anspruch genommen hatte. An diesem Tag fiel der Gang zum Kühlschrank flach und der Fernseher blieb aus. So sollte es auch an den darauffolgenden Nachmittagen der nächsten Wochen sein. Sarah wurde gelenkiger und schaffte den Kletterakt über den Gartenzaun jedes Mal ein bisschen schneller. Sky wartete bereits mit seinem Tennisball und nach dem gemeinschaftlichen Spiel fehlten an keinem Tag die Kuscheleinheiten im Rasen. An einem dieser Tage hatte Sky offenbar bemerkt, dass Sarah Hunger hatte, zumindest hätte man das aus der Tatsache schließen können, dass das kluge Tier mit einem Apfel im Maul vor ihr stand. Das Mädchen lehnte dankend ab: „Ach Sky, lass mal, ich mag Äpfel nicht so gerne.“ Doch Sky gab nicht auf und irgendwann ließ Sarah sich zu einer Kostprobe hinreißen. Sie wusch den Apfel in der Tonne mit dem frischen Regenwasser gut ab und biss herzhaft in das rotwangige Stück Obst. Zu ihrem Erstaunen schmeckte es und sie verzehrte gleich noch ein „Diebesgut“. Sky zeigte ihr beim Gang durch den großen Garten weitere Erlesenheiten wie Himbeeren, Brombeeren und Birnen. In der Schule wurden Sarahs sportliche Leistungen allmählich besser und ihre Fortschritte sowohl von den Lehrern als auch ihren Mitschülern durchaus registriert. Ein zusätzlicher positiver Nebeneffekt war, dass Sarah Pfund um Pfund in den letzten Wochen verloren hatte. Kein Wunder, denn anstatt sich wie früher mit einem Teller voller Fast Food vor den Fernseher zu hocken, tobte sie nun täglich mit Sky durch den Garten. Ihre Mutter sah die Veränderungen, zog allerdings die falschen Schlüsse daraus. Sie war der Ansicht, dass wohl die erste große Liebe gekommen sein musste, denn da fingen die jungen Mädchen irgendwann alle an, sich mehr um ihr Äußeres und vor allem um ihre Figur zu kümmern. Dass diese erste große Liebe den Namen Sky trug und auf vier Pfoten daherkam, ahnte niemand. Doch nach einigen Wochen kam es, wie es kommen musste. Sarah tobte gerade wieder ausgelassen mit Sky durch den Garten, als plötzlich eine junge Frau vor ihnen stand. Der Collie unterbrach das Spiel mit Sarah, um Karin, sein in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen gekleidetes Frauchen freudig und stürmisch zu begrüßen. Sarah begann sofort und ungefragt ihre Erklärungen. Sie gab den Diebstahl der Äpfel zu, erzählte, wie sie Sky kennengelernt hatte, und beichtete, dass sie nun schon seit einigen Wochen nach der Schule mit dem Collie spiele. Karins Gesichtszüge entspannten sich mehr und mehr. Sie hörte den Schilderungen des Mädchens zu, ihre Mundwinkel begannen zu zucken und das leichte Schmunzeln wurde schließlich zu einem sympathischen breiten Lachen.

„Sky hat mir kein Sterbenswörtchen erzählt“, grinste sie. Dann fuhr sie fort: „Weißt du, dass du dich so mit meinem Hund beschäftigt hast, finde ich toll. Manchmal habe ich mich gewundert, dass er abends müde, ruhig und ausgeglichen unter meinem Schreibtisch lag, obwohl ich ihn so viele Stunden alleine gelassen hatte. Es ging leider nicht anders in der letzten Zeit. Eine Arbeitskollegin ist nun schon etliche Wochen krank, das bedeutete für mich, einiges an Überstunden ableisten zu müssen. Zum Glück ist nun eine Aushilfe eingestellt, aber wenn du mit Sky vielleicht weiterhin ein Mal in der Woche … “

Sarahs Blick wurde traurig. Sie schaute auf Karin und dann auf ihren vierbeinigen Freund.

„Ein Mal in der Woche?“

„Ja, aber nur wenn du die Zeit hast und es dir nicht zu viel wird. Bezahlen würde ich dir auch etwas, als kleine Taschengeldaufbesserung.“ „Er freut sich jeden Tag so auf mich – und ich mich auch auf ihn! Ich nehme doch kein Geld dafür, dass ich mit ihm spiele.“ Dann gab sie sich einen Ruck und traute sich zu fragen: “Kann ich auch öfter kommen?“

„Aber sicher!“, lachte Karin. Sie nahm Sarah in den Arm und drückte sie leicht an sich. „Wann immer du willst, ihr seid wohl richtige Freunde geworden, nicht wahr?“

Das Mädchen nickte. Sie setzten sich ins Gras und Karin erzählte Sarah von Sky. Er sei vor zwei Jahren als Notfall zu ihr gekommen. Sie hätte auf einer Tierschutzseite im Internet den dringenden Aufruf gelesen, einem armen Collie, der in Spanien in der Tötungsstation abgegeben worden war, vorübergehend einen Pflegeplatz zu geben, und sich sofort gemeldet. Von da an wäre Sky immer bei ihr gewesen. Sie hätte sich nicht mehr von ihm trennen können, obwohl er eigentlich zu dem Zeitpunkt gar nicht in ihr Leben passte. Viel Arbeit und zwei Umzüge machten es nicht immer leicht, dem Collie gerecht zu werden. Im nächsten Jahr sei ein mehrmonatiger Auslandsaufenthalt geplant, wohin solle sie dann mit Sky?

Sarah schaute Karin an: „Na, zu mir.“ Karin lächelte über so viel Enthusiasmus, merkte aber sofort, dass es dem Mädchen durchaus ernst war. Am selben Abend erzählte Sarah ihrer Mutter, was geschehen war. Die Mutter gab nach längerem Drängen ihrer Tochter die Erlaubnis, Sky in Karins Abwesenheit aufnehmen zu dürfen. Die beiden Frauen lernten sich ein paar Tage später bei Kaffee und Kuchen kennen. Auch Sarahs Mutter erlag dem Colliecharme, dem sich wohl kaum einer so leicht entziehen kann. Sarah und Sky blieben Freunde fürs Leben, und selbst als die zu einer hübschen, jungen Frau herangereifte Sarah ihr Studium in einer anderen Stadt aufnahm, ließ sie es sich nie nehmen, Sky zu besuchen, wann immer es ging. Sky war mittlerweile alt geworden. Die Hinterläufe waren steif und seine Lefzen umspielte ein weise ausschauendes Altersgrau. Bis zuletzt bezauberte er durch sein Wesen, seine immer freundliche Ausstrahlung und seinen Charakter.

Drei Tage vor Weihnachten bekam Sarah einen Anruf von Karin: „Willst du ihn noch mal sehen? Es geht zu Ende mit ihm. Er hat keine Kraft mehr. Ich denke, wir sollten ihm weiteres Leid ersparen. Er hat es einfach nicht verdient, noch mehr Schmerzen aushalten zu müssen.“

„Ich bin schon auf dem Weg, Karin. Wir gehen zusammen zum Tierarzt. Sky soll uns beide bis zuletzt riechen, fühlen und um sich haben dürfen.“

Sie fuhr die weite Strecke, ohne eine Pause zu machen. Noch am selben Tag wurde Sky erlöst und ging über die Regenbogenbrücke. Sarah weinte um ihren Freund, doch sie hatte ihn noch einmal sehen, streicheln und halten können. Er hatte es wohl gespürt, denn sein Abschiedsblick war voller Dankbarkeit. Ein letztes Mal ließ er die Zunge seitlich aus dem Maul hängen und das Grinsen des jungen Hundes von einst blitzte auf. Später traten in Sarahs Leben immer wieder Collies, die auf irgendeine Art und Weise in Not geraten waren. Sky jedoch vergaß sie nie, ganz im Gegenteil, er war und blieb der Urvater all seiner Nachfolger. Durch ihn war Sarah „auf den Collie“ gekommen.

Danke, Sky! – FÜR ALLES.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
146 s. 28 illüstrasyon
ISBN:
9783927708761
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