Kitabı oku: «Identität und Profil kirchlicher Einrichtungen im Licht europäischer Rechtsprechung», sayfa 4
44 W. Berka, Das islamische Kopftuch: Antidiskriminierung und Religionsfreiheit in den Rechtssachen Achbita und Bougnaoui, EuZA 2017, 465 ff. (482), der von einer „wertungsmäßigen Schieflage“ zu Lasten der Religionsfreiheit spricht.
45 Vgl. zu einzelnen Fallgruppen näher Walter/Vordermayer (Fn. 6), 134 ff.
46 Siehe nochmals oben die Nachweise in Fn. 6 und den dazugehörigen Text.
47 Besonders pointiert, J.H.H. Weiler, ‘Je Suis Achbita’, EJIL 28 (2017), 989 ff.; zu Recht kritisch auch M. Germann, Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs über Kopftuchverbote in privaten Arbeitsverhältnissen – Anmerkung zu den Urteilen des EuGH vom 14.3.2017 in den Rechtssachen EUGH Aktenzeichen C-157/15 und EUGH Aktenzeichen C-188/15, EuR 2018, 235 ff. (243 f.); ähnlich auch Kirchhof (Fn. 33), 166 f.; anders dagegen die Akzentuierung bei Mangold/Payandeh (Fn. 43), 713 f.
48 EuGH (Fn. 1), Rn. 62.
49 Vgl. hierzu die Analyse bei J. Joussen, § 9 Abs. 1 AGG – Der EuGH und die Kirchenzugehörigkeit der Beschäftigten, EuZA 2018, 421 ff. (429).
50 Classen, Das kirchliche Arbeitsrecht (Fn. 31), 756; ähnlich H. Reichold/P. Beer, Eine „Abmahnung“ des EuGH mit Folgen, NZA 2018, 681 ff. (683); Joussen (Fn. 49), 431 f.
51 EuGH (Fn. 2), Rn. 45-47.
52 Zu dieser Klein (Fn. 31), 342 f.; P. Unruh, Zur Dekonstruktion des Religionsverfassungsrechts durch den EuGH im Kontext des kirchlichen Arbeitsrechts, ZevKR 64 (2019), 188 ff. (191 f.); Fremuth (Fn. 29), 724.
53 BVerfGE 137, 273 (314 f., Rn. 113).
54 BVerfGE 137, 273 (315, Rn. 116).
55 BVerfGE 137, 273 (317 ff., Rn. 120 ff.).
56 Unruh (Fn. 52), 200.
57 Vgl. nur R. Streinz, Europarecht, 10. Aufl. 2016, Rn. 697 f.
58 So etwa A. Edenharter, Anmerkung, DVBl. 2018, 867 ff. (869).
59 Dazu sogleich unter III.2.
60 Vgl. dazu auch die entsprechenden Passagen im Urteil des EuGH in der Rechtssache Egenberger (Fn. 1), Rn. 75 ff.
61 BAG (Fn. 1), Rn. 38 ff.; A. Junker, Gleichbehandlung und kirchliches Arbeitsrecht – Ein deutscher Sonderweg endet vor dem EuGH, NJW 2018, 1850 ff. (1852).
62 BAG (Fn. 1), Rn. 41.
63 Vgl. die Nachweise bei Joussen (Fn. 49), 423 f.
64 Vgl. das Zitat oben bei Fn. 53.
65 Vgl. BAGE 156, 23 (26 f.); vgl dazu auch Classen, Das kirchliche Arbeitsrecht (Fn. 31), 762.
66 Schlussanträge GA Evgeni Tanchev, Rn. 61 ff.
67 Vgl. dazu die Schlussanträge von GA Melchior Wathelet, die sich zur Frage des Umfangs der gerichtlichen Prüfung nur ganz am Rande äußern (Rn. 54).
68 EuGH (Fn. 1), Rn. 46 ff.
69 Classen, Das kirchliche Arbeitsrecht (Fn. 31), 761.
70 Vgl. nochmals die Nachweise und den Text oben bei Fn. 11 ff.
71 Dies entgegen Unruh (Fn. 52), 204.
72 Unruh (Fn. 49), 211 ff.; ähnlich St. Greiner, Neuausrichtung des kirchlichen Arbeitsrechts durch den EuGH? Die Rechtssache Egenberger, JM 2018, 233 ff. (235); ders., Kirchliche Loyalitätsobliegenheiten nach „IR“-Urteil des EuGH, NZA 2018, 1289 ff. (1291); Fremuth (Fn. 29), 729.
73 C.D. Classen, Art. 17 AEUV, Rn. 3, in: Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I EUV/AEUV (Loseblatt – Stand 66. Ergänzungslieferung Februar 2019).
74 Classen, Das kirchliche Arbeitsrecht (Fn. 29), 761.
75 Joussen (Fn. 49), 434 f. m.w.N.
76 Klein (Fn. 31), 347; Greiner, Loyalitätsobliegenheiten (Fn. 72), 1291.
77 EuGH (Fn. 2), Rn. 48; auch GA Wathelet hatte in IR in Bezug auf Art. 17 AEUV nur auf die Entscheidung des EuGH in der Sache Egenberger verwiesen (Rn. 55).
78 Schlussanträge GA Tanchev, Rn. 88 ff. ((93)
79 R. Streinz, Art. 17 AEUV Rn. 10, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV-Kommentar, 3. Aufl. München 2018; C. Waldhoff, Art. 17 AEUV, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV – Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta, 5. Aufl. München 2016; vgl. insoweit auch bereits C. Walter, Religionsverfassungsrecht, Tübingen 2006, 415 ff. (in Bezug auf den in den normativen Wirkungen identischen Art. I-52 des nicht in Kraft getretenen Entwurfs für eine Europäische Verfassung); zur Gegenposition siehe nochmals oben Fn. 73.
80 Schlussanträge GA Tanchev, Rn. 100; zustimmend, wenngleich ohne in der Begründung über den EuGH hinausgehend A. Sagan, EuZW 2018, 386 f. (386).
81 So aber Unruh (Fn. 49), 212 unter zu ungenauem Hinweis auf Classen (Fn. 73), Rn. 31; vgl demgegenüber dort Rn. 59 mit der Begrenzung auf bestimmte Tätigkeiten und ders., Das kirchliche Arbeitsrecht (Fn. 29), 761.
82 Besonders deutlich Unruh (Fn. 52), 205 ff.
83 Zum Prüfungsmaßstab siehe den Überblick bei H. Sauer, Kompetenz- und Identitätskontrolle von Europarecht nach dem Lissabon-Urteil – Ein neues Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht?, ZRP 2009, 195 ff.
84 H.M Heinig, Europäische Richtertheologie. Dem EuGH fehlt der Sinn für die Säkularität des Rechts und für die Eigenart des Religiösen, FAZ Nr. 96 vom 25.4.2019, S. 6.
85 Unruh (Fn. 49), 205 ff.;
86 Unruh (Fn. 49), 211.
87 Vgl. nochmals oben Fn. 79; ausdrücklich gegen eine offensichtliche Kompetenzüberschreitung auch Klein (Fn. 31), 347 f.
88 BVerfGE 108, 282.
89 Vgl. dazu Greiner, Loyalitätsobliegenheiten (Fn. 72), 1292 f.; Reichold/Beer (Fn. 50), 683 ff.
90 Unruh (Fn. 49), 215.
91 Überzeugend Klein (Fn. 31), 350 f.
III. KIRCHLICHKEIT GESTALTEN
Identitätspolitiken kirchlicher Beschäftigungsträger in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten
Prof. Dr. Judith Hahn
Die europäische Rechtsprechung lässt Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen und der Wissenschaft gegenwärtig verstärkt über die Frage nachdenken, wie kirchliche Einrichtungen Profilierung betreiben können, wenn es in immer geringerem Maße akzeptabel erscheint, ihr Profil aus der Konfessionalität und Loyalität der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu generieren. In dieser Suche nach neuen Modellen kirchlicher Identitätspolitik ist der Beitrag der Theologien dienlich und notwendig. Er ist dienlich, weil moderne Theologien über einen Zugang zu religiöser Identitätsbildung verfügen und hierüber berichten können. Er ist notwendig, weil kirchliche Sonderwege im Arbeitsrecht – das zeichnet sich in den europäischen Entscheidungen ab –1 nur dann Akzeptanz finden, wenn sie religiös und theologisch begründet sind. Überdies ist der Beitrag der Theologien unerlässlich, weil der Zusammenhang von Recht und Theologie im kirchlichen Arbeitsrecht unhintergehbar ist. Der Staatskirchenrechtler Ansgar Hense nennt dies die „Pluralitätsdimensionen des kirchlichen Arbeitsrechts“ und attestiert diesem eine „normative Komplexität“2, insoweit sich in der Materie staatliches und kirchliches Recht begegneten. Beide Ordnungen seien durch die Verfassungsnorm des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts „normativ gekoppelt“3. Daher gelte: „Staatskirchenrecht ist immer zu einem Gutteil Kirchenrecht, und man wird konsequenterweise hinzuzufügen haben: auch Theologie.“4
Die Verknüpfung besteht gleichwohl nicht allein aufgrund der beide Ordnungen aufeinander beziehenden Verfassungsnorm, sondern auch aus theologischem Grund, wie der Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl anhand des kirchlichen Arbeitsrechts erläutert: „Da es die zumindest in dieser Hinsicht kontingente Sozialgestalt einer Kirche normiert, die in erster Linie eine theologale Wirklichkeit repräsentiert (Kirche als Zeichen und Werkzeug der Einheit zwischen Gott und Mensch), muss das kirchliche Arbeitsrecht als Norm wie als Praxis den Kerngehalt dieser theologalen Wirklichkeit zu erfassen suchen und ihn als Fundamentalnorm (‚norma normans‘) zugrunde legen.“5 Es bestehen also sowohl rechtliche als auch theologische Gründe, um über die Theologie und das kirchliche Arbeitsrecht nachzudenken und zu fragen, was sich Recht und Theologie im Feld des Arbeitsrechts zu sagen haben.
Der vorliegende Beitrag ist eine Bestandsaufnahme. Er geht der Frage nach, wie kirchliche Einrichtungen in anderen Ländern unter den jeweiligen staatlich-rechtlichen Bedingungen Profilierung versuchen. Er ist zum einen Rechtsvergleichung, insoweit er die Rechtslage in anderen Ländern erhebt, zum anderen Suche nach konzeptionellen Ansätzen, Identität zu erzeugen. Dies erfolgt in drei Schritten. In einem ersten Schritt werden die Herausforderungen benannt, vor denen kirchliche Einrichtungen vor allem im Licht der europäischen Rechtsprechung in Bezug auf ihre Identitätsbildung aktuell stehen. Ein zweiter Schritt dient der Sichtung: Wie machen es andere? Wie sieht der rechtliche Rahmen für kirchliche Aktivitäten in anderen Ländern aus und wie nehmen ihn kirchliche Einrichtungsträger auf, um sich religiös-kirchlich zu profilieren? In einem dritten Schritt ist die Frage zu stellen, was sich hieraus lernen lässt. Erwartbar sind keine Lösungen, die sich von der einen in die andere Rechtsordnung übernehmen ließen, wohl aber Impulse für die deutsche Debatte.
1. Die europäische Herausforderung
Der Idee, dass man aus der Konfessionalität und Loyalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Profil gewinnt, werden aktuell deutliche Grenzen aufgezeigt, faktische und rechtliche. Zur Herausforderung der Einrichtungen, Beschäftigte zu finden, die sich auf die kirchlichen Bedingungen einer Zusammenarbeit einlassen wollen, tritt die gerichtliche Aufforderung, diese Bedingungen zu überdenken. Folgte kirchliche Mitarbeiterrekrutierung früher recht selbstverständlich dem Kriterium der Konfessionalität, ist dies in vielen Branchen zunehmend unrealistisch und nicht mehr durchgängig rechtlich toleriert. Kirchliche Beschäftigungsträger werden durch das weltliche Antidiskriminierungsrecht dazu verpflichtet, ihre Selektionskriterien zu überdenken. Ansgar Hense nannte das Antidiskriminierungsrecht, die „Rechtsgebietsinnovation der Berliner Republik“, in diesem Sinne einen „Diversity-Beschleuniger“6 des kirchlichen Dienstes.
Kein Gericht verneint grundsätzlich, dass es kirchenspezifische Anforderungen geben dürfe, die sich in Personalauswahl und Beschäftigungsgrundsätzen niederschlagen. Die neue Herausforderung jedoch ist es, diese Anforderungen zu begründen. Es muss der Zusammenhang plausibel gemacht werden zwischen dem Auswahl- bzw. Beschäftigungskriterium, dem Organisationsethos und der religiösen Bedeutung der Tätigkeit. Im Urteil Egenberger betonte dies der Europäische Gerichtshof, indem er festhielt, dass eine Ungleichbehandlung der Beschäftigten aus Gründen der Religion nur dann statthaft sei, „wenn die Religion […] im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung ist, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche […] wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist“7.
Die Gerichte sollen nachvollziehen können, inwieweit eine Tätigkeit ihren Anteil am genuin religiösen Sendungsauftrag hat. Nur wenn das plausibel gemacht werden kann, rechtfertigt es religiös oder konfessionell spezifische Anforderungen bei Personalauswahl und Beschäftigung. Hieraus folgt zunehmend, wie Hense bemerkt, „dass Religionsgesellschaften angehalten sind, sich hinsichtlich ihrer institutionell-religiösen Fundamente – bei der Begegnung von Kirche und Welt – nachvollziehbar zu machen.“8
1.1 Religiöses Ethos – religiöses Selbstverständnis
Es ist zum einen der Nachweis zu führen, dass kirchliche Einrichtungen von einem religiösen „Ethos“ geprägt sind. Der Begriff ist alles andere als selbsterklärend und missverständlicher, als er sein müsste. Er ist seit dem Erlass der europäischen Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie9 im Jahr 2000 in den Debatten etabliert. Hier heißt es in der viel besprochenen Ausnahmeklausel in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie, die europäischen Mitgliedstaaten dürften bei den Beschäftigungsverhältnissen der Religionsgemeinschaften etablierte Sonderwege im Arbeitsrecht beibehalten und zulassen, dass die Kirchen ihre Beschäftigten ungleich behandelten, „wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt.“ Weiter heißt es, es dürften gemäß Richtlinienrecht „die Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, […] von den für sie arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten.“
„Ethos“ – oder „Selbstverständnis“, der Begriff, den das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in der Tradition des Bundesverfassungsgerichts wählte (vgl. Art. 9 AGG) – ist im europäischen Antidiskriminierungsrecht und in den nationalen Regelungen, die dieses rezipieren, zum Terminus geworden, der auf die organisationale Überzeugung abstellt. Es geht um Organisationen, deren Überzeugung religiös oder weltanschaulich geprägt ist. Zum Schutz dieser Überzeugungen dürfen diese Organisationen gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Einstellungs- und Beschäftigungskriterien formulieren, die in anderen Einrichtungen eine ungerechtfertigte Diskriminierung darstellten.
1.2 Verkündigungsnähe – Sendungsteilhabe
Die organisationale Überzeugung und ihr Schutz wurden in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend als der Grund verstanden, warum man bei Einstellung und Beschäftigung kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besondere Anforderungen anlegen dürfe. Dies hat sich sukzessive verschoben, insoweit neben dem Ethos die spezifische Tätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fokus gerückt ist. Die Dyade Auswahl- bzw. Beschäftigungskriterium und Einrichtungsethos ist zu einer Triade geworden, in der die religiöse Bedeutung der jeweiligen Tätigkeit mitzubedenken ist.
In Egenberger heißt es ja entsprechend, eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Religion sei statthaft, „wenn die Religion […] im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung ist, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche […] wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist“10. Es geht also nicht mehr nur um das Organisationsethos, sondern immer auch um die Art einer Tätigkeit und die Umstände ihrer Ausübung.
Das Organisationsethos ist Voraussetzung, die religiöse Prägung einer Tätigkeit dann aber dafür ausschlagend, ob in einem konkreten Fall spezifische Beschäftigungsanforderungen gestellt werden dürfen. So entsteht aktuell ein kombiniertes Modell, das organisationale und tätigkeitsbezogene Anforderungen verbindet. Auf das organisationale Ethos setzt das Tätigkeitsprofil auf, erst aus dieser Kombination ergibt sich das Erfordernis, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spezifischen Einstellungs- bzw. Beschäftigungsbedingungen zu unterstellen.
Was aber ist eine Tätigkeit, die nach ihrer Art oder der Umstände ihrer Ausübung in spezifischer Weise religiös ist? Hier haben die gerichtlichen Entscheidungen und die akademischen Debatten der jüngeren Zeit das Kriterium der Verkündigungsnähe einer Tätigkeit entwickelt.11 Ist eine Tätigkeit „verkündigungsnah“, sind mit der Beschäftigung verknüpfte religiös-konfessionelle Erwartungen eher gerechtfertigt als bei „verkündigungsfernen“ Tätigkeiten. Das neue Schibboleth in der Frage, ob religiöse oder konfessionelle Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestellt werden dürfen, ist daher zunehmend die Verkündigungsnähe ihrer Tätigkeit.
Dieser Begriff „Verkündigungsnähe“ ist nicht durchgängig glücklich. Verkündigung ist nur ein Ausschnitt dessen, was Kirchen als ihre Sendung begreifen. Ansgar Hense bezeichnete die gerichtliche Engführung auf die Verkündigungsnähe als „inadäquate Reduktion des Normwortlauts ‚Ethos der Organisation‘“12. „Sendung“ wäre vielleicht ein besserer Begriff, wenn auch nicht frei von Problemen. Aktuell operiert vor allem die katholische Kirche mit dem Begriff der Sendung in einem konzentrischen Modell, das den religiösen Wert kirchlicher Tätigkeiten vom Nukleus kirchlicher Sendung her entfaltet. Um sendungsnahe Tätigkeiten (pastorale und katechetische Dienste und solche, zu deren Wahrnehmung man einer kirchenamtlichen Sendung bedarf) als Kern kirchlichen Tuns lagern sich leitende und erzieherische Tätigkeiten sowie andere Dienste an (vgl. Art. 3–5 Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse). Die Beschäftigten stehen somit je nach ihrer Tätigkeit dem Sendungskern näher oder weniger nah. Hieraus ergeben sich abgestufte Einstellungskriterien und Beschäftigungsanforderungen. Das Modell ist gleichwohl nicht unproblematisch. Die kirchliche Sendung wird mit pastoralen, katechetischen und amtlichen Verkündigungstätigkeiten assoziiert, andere Dienste wie karitative Tätigkeiten werden nachgeordnet. Das ist theologisch kaum erklärlich, steht die Diakonia doch eigenberechtigt neben der Martyria und Liturgia in der Trias der kirchlichen Grundvollzüge. Überdies gibt die Kirche so den Gerichten die Idee einer Relevanzhierarchie der in den kirchlichen Einrichtungen verrichteten Tätigkeiten vor. Dass die kirchliche Beschwörung einer „Einheit der Dienstgemeinschaft“ arbeitsgerichtlich kaum mehr zu überzeugen vermag, hat ihren Grund auch darin, dass die Kirche diese Einheit arbeitsrechtlich nicht abbildet.
Unabhängig von dieser Problemlage, die die Kirche selbst mit erzeugte, ist es aktuell freilich erforderlich, auf den von den Gerichten genutzten Verkündigungsbegriff zu reagieren. Wird „Verkündigungsnähe“ zum gerichtlichen Kriterium, an dem sich die Frage der Rechtsmäßigkeit religiöser oder konfessioneller Anforderungen an kirchliche Beschäftigte entscheidet, muss die Kirche sich aktiv an den Debatten um seine Füllung beteiligen. Was gehört zur kirchlichen Sendung? Worum dreht sich kirchliches Tun? Darüber befinden nicht die Gerichte. Ein dringendes Anliegen ist es, die religiöse Bedeutung des kirchlichen Dienstes theologisch überzeugend zu beschreiben. Die Aufgabe der kommenden Zeit für diejenigen, die sich an einer Profilierung des kirchlichen Arbeitsrechts beteiligen, wird daher sein, sich konstruktiv auf die gerichtlich gestellte Aufgabe einzulassen, inhaltlich durchzubuchstabieren, was „Ethos“ und „Verkündigung“ für die Kirchen bedeuten. Benötigt wird eine Theologie des kirchlichen Dienstes, die das Organisationsethos der Kirchen, also ihr „Selbstverständnis“, ihre „Überzeugung“, theologisch begründet. Und erforderlich ist eine Theologie der kirchlichen Dienste, die die Frage der „Verkündigungsnähe“ – der Sendungsteilhabe kirchlicher Tätigkeiten – theologisch angeht.
2. Identitätssicherung in religiösen Arbeitsverhältnisse
Bei diesen Suchbewegungen hilft der vergleichende Blick, wie diese Fragen andernorts beantwortet werden. Strategien der Identitätssicherung kirchlicher Einrichtungen in anderen Ländern können keine Blaupause liefern, wohl aber Anstöße geben, wie religiöse Profilbildung des kirchlichen Dienstes und seiner Dienste unter den jeweils obwaltenden rechtlichen Bedingungen gelingt. Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf zwei Beispiele: auf die Situation der Kirchen und ihrer Beschäftigungsverhältnisse unter dem Vorzeichen des britischen und des US-amerikanischen Antidiskriminierungsrechts.
Das ist selektiv, aber nicht zufällig. Die Wahl fiel auf das Vereinigte Königreich, weil die beschäftigungsrechtliche Situation der Religionsgemeinschaften in ihrer Ausgangslage der deutschen recht ähnlich war und sich in den vergangenen Jahren ebenfalls in Reaktion auf europäische Vorgaben weiterentwickelt hat. Der Vergleich ist aufgrund der Nähe beider Systeme hilfreich. Der zweite Blick geht in die USA. Hier ist die rechtliche Situation deutlich anders. Der Vergleich ist aufgrund der Differenz beider Systeme weiterführend. Die Pointe ist, dass man aus der Vergleichung mit dem Vereinigten Königreich besonders viel über die antidiskriminierungsrechtliche Berücksichtigung der organisationalen Dimension – also des Organisationsethos – lernt, während sich das Beispiel USA eignet, um das religionsrelevante Ausnahmekriterium „Art einer Tätigkeit und Umstände ihrer Ausübung“ zu diskutieren. Für die Frage, wie sich religiöses Organisationsethos und religiöse Bedeutung kirchlicher Tätigkeiten plausibilisieren lassen, liefern diese beiden Exempel Gedankenanstöße.
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